Protokoll der Sitzung vom 17.10.2018

Und ich sage es Ihnen einmal ganz klar: Das ist nicht das, was den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen wurde. Um es ganz klar zu sagen: Es war nicht der Wille des Volkes, dass Recht gebeugt wird, Steuergeld verschwendet wird und die Fernwärme drastisch verteuert wird in dieser Stadt. Herr Tjarks, Sie ignorieren diese Fakten völlig. Wir halten das, was Sie hier machen, nicht für rechtlich zulässig. Es ist doch ein Treppenwitz, dass Sie nun diesem Unternehmen – es war hier vorhin schon die Rede von Ihren Freunden von Vattenfall –, das Sie so sehr verachten – Herr Jersch, das ist aus Ihren Worten ja sehr deutlich geworden –, 300 Millionen Euro mehr geben wollen für das Fernwärmenetz, als es überhaupt wert ist. Das ist den Menschen in dieser Stadt nicht vermittelbar, und ich habe in den letzten Wochen mit sehr vielen Menschen gesprochen, die schlichtweg nicht mehr verstanden haben, was da eigentlich vor sich geht: Jede Woche wird ein neues Gutachten präsentiert, die Gutachten gehen alle gegeneinander, und am Ende einigt man sich auf einen Preis, den man überhaupt nicht begründen kann.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, das ist schlicht schlechte Politik und nicht die Umsetzung von Volkes Wille.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Insbesondere bei der Frage Beihilfe, die Sie in Ihrer Drucksache sehr galant nur am Rande erwähnen, Herr Tschentscher, muss ich mich schon sehr wundern. Sie sind jahrelang fast wöchentlich nach

Brüssel geflogen, um zum Thema HSH Nordbank für diese Stadt in Sachen Beihilfe zu verhandeln. Das Thema Beihilfe ist das allerwichtigste Thema. Es war das entscheidende Thema bei der Frage, ob wir die Bank verkaufen müssen. Es war beihilferechtlich schlicht nicht mehr zulässig, weitere Kredite oder Hilfsmaßnahmen zu gewähren. Und deshalb ist es auch so wenig glaubwürdig, wenn Sie an dem Thema Beihilfe einfach vorbeigehen und sagen: Ja, da werden wir mal eine informelle Verständigung machen. Ich sage Ihnen hier und heute: Wenn Sie sich nicht darum kümmern, dass dieses Geschäft beihilferechtlich einwandfrei ist, dann werden wir das für Sie erledigen.

(Beifall bei der FDP und bei Jörg Hamann CDU)

Es ist äußerst unseriös, dass in keiner Ihrer Reden und auch in der Drucksache kein einziges Wort zum Thema Finanzierung des Rückkaufs fällt. Wenn Sie 950 Millionen Euro für eine Gesellschaft ausgeben, dann kostet das eine Menge Geld, 2 bis 3 Prozent können Sie locker ansetzen. Das bedeutet nichts anderes, als 20 bis 30 Millionen Euro zusätzliche Kosten, die die Fernwärmegesellschaft einspielen muss, wenn man eine ehrliche Analyse tätigt. Und das erklärt dann auch, warum diese ganze Voodoo-Ökonomie, die Herr Kerstan hier in den letzten Wochen vorgetragen hat, schlicht unbegründbar ist: weil schon die reinen Finanzierungskosten für das Fernwärmenetz dafür sorgen, dass wir überhaupt nicht mehr die Möglichkeit haben, über die vielen Gewinne, über die Sie in der Öffentlichkeit schwadroniert haben, zu verfügen. Sie sind überhaupt nicht da. Sie sind schon nicht da, wenn man die Fernwärmekosten und die Finanzierungskosten dafür außen vor lässt. Diese Kosten, die sinken ohnehin. Die Gewinne sinken.

(Dr. Monika Schaal SPD: Woher wissen Sie das alles?)

Ihre eigene Gesellschaft, die HGV, in die die Fernwärmegesellschaft integriert werden soll, hat uns im Ausschuss gesagt – Herr Dressel, Sie haben es selbst ausgeführt –, dass die Gewinnerwartung für die Fernwärmegesellschaft sinkt auf der Annahme, dass es eine 25,1-Prozent-Beteiligung bleibt, auf der Annahme, dass nichts verändert wird an den Investitionen. Jetzt fahren Sie aber die Investition hoch. Deswegen sinken die Gewinne der Fernwärmegesellschaft, und deswegen haben Sie überhaupt keinen Verteilspielraum mehr, wenn es darum geht, irgendwie zu sagen: Wir können auch ein bisschen weniger Gewinn machen mit der Gesellschaft, weil das ja das ist, was die Hamburgerinnen und Hamburger wollen. Ich sage Ihnen, das ist eine komplett unseriöse Argumentation. Auf dieser Grundlage ist es unausweichlich, dass die Fernwärmepreise in dieser Stadt drastisch steigen werden, und das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Und dann müssen wir auch noch einmal darüber reden, was Sie eigentlich unter Daseinsvorsorge verstehen. Ist es denn Daseinsvorsorge, dass die öffentlichen Netzgesellschaften jetzt Verlust machen? Ich fange einmal an mit der Stromgesellschaft – Verlust gemacht im ersten Jahr. Ich fange an mit der Gasgesellschaft – Verlust gemacht im ersten Jahr. Jetzt sind Sie ein bisschen klüger geworden und haben gleich gesagt, die Fernwärme werde auch keine Gewinne einfahren, bis 2030 müssten wir sowieso alles investieren. Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, das hier, das ist ein glatter Bruch des Volksentscheids.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das ist ein Bruch des Volksentscheids? Das ist aber eine ab- wegige These!)

Die Volksentscheid-Befürworter haben 2013 versprochen – Herr Dressel, Sie und ich, wir haben Seite an Seite argumentiert, Sie sollten das nicht vergessen –, dass es 50 Millionen Euro Gewinn nach Zins und Tilgung geben wird. Tatsächlich, Herr Kerstan, sagen Sie: Wir können auch einfach wenig Gewinne machen. Was wir Ihnen damals gesagt haben, nämlich dass es nicht möglich sein wird, diese fetten Gewinne zu machen nach Zins und Tilgung – über Tilgung reden Sie gar nicht mehr –, ist heute eingetreten, und deswegen ist es absolut unseriös, wenn Sie hier weitere Gelder aus der Fernwärmegesellschaft verteilen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Und dann muss man sich auch einmal anschauen, was eigentlich die Landeshaushaltsordnung sagt. Die zwingt uns zur Sparsamkeit. Ist das sparsam, was Sie hier machen? Nein. Sie werfen effiziente Produktionsanlagen raus aus dem Konzept, dadurch sinkt der Wert des Netzes sogar noch. Ist es denn wirtschaftlich, was Sie machen? Nein, es ist nicht wirtschaftlich, was Sie machen,

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Sie haben ja günstigere Produktionsmittel zur Verfügung. Und jetzt wird es ganz spannend. Warum sollte Ihre Aussage eigentlich glaubwürdig sein, wenn es darum geht, dass Sie die Preisstabilität in dieser Stadt in den Griff bekommen?

Ich fange einmal an mit Hamburg Energie. Hamburg Energie, ein kleines Unternehmen, das unter anderem ab und an auch einmal die Stadt mit Strom beliefert, bewirbt sich neuerdings nicht mehr auf öffentliche Ausschreibungen; habe ich abgefragt mit einer Anfrage. Und die Antwort, warum es das nicht mehr tut, lautet – und jetzt wird es spannend –: Wir können nicht vorhersagen, wie Ökostrompreise sich über vier Jahre entwickeln. Meine Damen und Herren, Ihr eigenes Unternehmen

kann die Stadt nicht mehr mit Ökostrom über vier Jahre beliefern, aber Sie wollen uns sagen, wie die Fernwärmepreise der nächsten 20 Jahre sind? Das ist schlicht lächerlich.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Und dann schauen wir einmal die Netzentgelte an. Im Gegensatz zu Herrn Kollegen Trepoll weiß ich auch, warum die Steigerung so drastisch ist: Sie ist so drastisch, weil die Offshore-Windparks angeschlossen werden müssen. Das heißt, das ist schon der Preis dafür, dass Energiewende in diesem Land passiert, und Sie sollten aufpassen, dass Sie die Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle nicht überfordern.

Und, Herr Tschentscher, wenn Sie vergleichen mit anderen Bundesländern, dann sollten Sie doch einen ehrlichen Vergleich machen. Vergleichen Sie den Anstieg der Netzentgelte mit dem in anderen deutschen Großstädten. Mir fiele da Berlin ein. Da können Sie nämlich nicht mit Schleswig-Holstein kommen, wo die Voraussetzungen ganz andere sind. Schauen Sie doch einmal auf Berlin.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wo es ein Priva- ter war!)

Aha, in Berlin ist ein Privater Eigentümer des Netzes.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Schleswig-Hol- stein!)

Wie ist es denn da? Die Gebühren werden gesenkt. In Hamburg gehen sie 14 Prozent hoch unter einem staatlichen Unternehmen, in Berlin werden sie mit einem Privaten gesenkt. Genau das zeigt: Die Stadt ist eben nicht der bessere Unternehmer. Sie sollten sich um ehrliche Vergleiche bemühen, wenn es darum geht, Ihr schlechtes Wirtschaften zu übertünchen.

(Beifall bei der FDP)

Und genau deswegen …

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Genau deswe- gen!)

Herr Tjarks, Sie waren auch für mehr Redezeit, ich bin also ganz entspannt bei Ihren Zwischenrufen, Sie können auch gern noch eine Zwischenfrage stellen.

Genau deswegen erschüttert uns die Staatsgläubigkeit, die hinter diesem Unternehmenskonzept steht.

(Vizepräsident Dr. Kurt Duwe übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen eins: Ihre Lösung sorgt dafür, dass das dreckigste Kohlekraftwerk der Republik länger am Netz bleibt;

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Sie räumen es in Ihrer Drucksache selbst ein.

Reden wir darüber, was eigentlich passieren muss. Sie mussten für die letzte Ertüchtigung 85 Millionen Euro in die Hand nehmen. Für die nächste werden Sie mehr in die Hand nehmen müssen, das werden noch einmal rund 100 Millionen Euro sein. Sie werden um die 100 Millionen Euro in die Hand nehmen müssen, um ein Kraftwerk zu ertüchtigen, das wir hier im Haus alle vom Netz haben möchten. Mit anderen Worten: Sie verlängern das dreckigste Kohlekraftwerk der Republik, um nicht das sauberste Kohlekraftwerk der Republik anschließen zu müssen. Das können Sie in dieser Stadt wirklich niemandem erklären.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Und Herr Kerstan, ich sage es Ihnen ganz offen: Der Tag, an dem Sie die Verlängerung des Kraftwerks Wedel bekannt geben müssen, wird der Tag sein, an dem wir Sie zum Rücktritt auffordern, weil Sie hier umweltpolitisch ein Desaster veranstalten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Tjarks, wenn Sie dann Vattenfall ins Feld führen und sagen, selbst Vattenfall habe jetzt noch einen anderen Vorschlag für die Fernwärme gemacht … Ja, das stimmt. Das ist richtig. Und es ist gleichzeitig ein netter Bluff. Warum ist es nur ein Bluff? Weil Sie in den Verhandlungen Vattenfall – ja, Herr Kerstan, da lachen selbst Sie, weil Sie dabei waren bei den Verhandlungen –

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

vorher gezwungen haben, ein Konzept vorzulegen, das Moorburg nicht beinhaltet. Mit anderen Worten: Sie zwingen den Mehrheitsgesellschafter der Vattenfall Wärme Hamburg, ein anderes Konzept zu präsentieren, weil Sie sagen, Sie schlössen Moorburg nicht an, und hinterher sagen Sie: Sehen sie, Vattenfall wollte Moorburg gar nicht anschließen. Das ist Quatsch. Der BDO-Gutachter hat im Energienetzbeirat gesagt – Herr Jersch, da waren Sie auch dabei –, Vattenfall habe richtigerweise aufgezeigt, dass Moorburg die günstigste Fernwärmequelle ist – die mit Abstand günstigste Fernwärmequelle, hat der BDO-Gutachter uns gesagt –,

(Stephan Jersch DIE LINKE: Für das Klima auch?)

die in dieser Stadt zur Verfügung steht. Sie gehen daran komplett vorbei. Das ist politischer Irrsinn, es ist ökologischer Irrsinn und es ist auch ökonomischer Irrsinn.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Gladia- tor CDU)

Wenn ich mir dann die Argumentation von Herrn Tjarks und auch von Herrn Tschentscher anhöre, bekomme ich den Eindruck, wir debattierten heute

über den Kohleausstieg. Und da muss ich einmal sagen: Das ist einfach falsch. Das Kraftwerk Moorburg wird genau null Gramm weniger CO2 ausstoßen in dem nächsten Jahr aufgrund Ihres Beschlusses. Es wird genau null Gramm weniger Kohle verfeuern. Das heißt, wir diskutieren hier nicht über den Kohleausstieg, den wir uns alle wünschen,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Deswegen seid ihr weggelaufen in der Bundesregierung!)

sondern wir diskutieren darüber, ob wir ein Kraftwerk, das ohnehin Wärme produziert, ans Netz anschließen, damit die Fernwärmekosten in dieser Stadt bezahlbar bleiben. Sie ignorieren diesen Fakt, und das ist auch die Begründung dafür, warum Sie hier so tun, als würden wir über den Kohleausstieg diskutieren. Das tun wir nicht, meine Damen und Herren. Und deswegen zeigt es auch, dass Sie hier auf einem falschen Pfad unterwegs sind.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)