Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Flocken, Ihre Redezeit ist tatsächlich abgelaufen für heute.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Im Übrigen schützt unsere Polizei das Demonstrationsrecht und die Demonstrationsfreiheit aller. – Als Nächste hat das Wort Frau von Treuenfels-Frowein für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass dieser Antrag so eine vielfältige Diskussion ausgelöst hat. Zum Teil hatte sie mit dem Antrag gar nichts mehr zu tun, weswegen ich noch einmal einen bescheidenen Versuch unternehme.

Klar, Sie haben immer eine Blockadehaltung, wenn wir einen Antrag einbringen, der ein bisschen was mit Rechtsstaat zu tun hat, Frau Boeddinghaus. Das nehme ich Ihnen auch gar nicht übel.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Was wollen Sie denn damit sagen?)

Aber den Antrag so missverstehen, das ist schon ein bisschen an der Grenze dessen, dass ich mich frage: Haben Sie ihn nicht verstanden, konnten Sie ihn nicht verstehen oder haben Sie ihn einfach nicht gelesen? Die drei Möglichkeiten haben Sie da, glaube ich, nur. Denn wir wollen ja in die Schulen nicht hineinbringen, die Kindern darauf zu trimmen, sondern wir wollen, dass sie Spaß daran haben. Können Sie sich das vorstellen, Schule und Spaß? Das kann zusammengehören.

Und da hat Herr Duge vielleicht gar nicht einmal so unrecht. Wir sind ja gar nicht gegen Kompetenzen, weil wir nur trichtern wollen; wir wollen ein gesundes Verhältnis dazu. Und wir möchten gern … Wir waren doch selbst einmal Schüler. Ich habe doch auch Kinder in der Schule gehabt, Herr des Himmels. Und die kamen eben nicht nach Hause und haben gesagt: Oh, wir haben schon wieder etwas vom Grundgesetz gehört. Sondern denen ist das

durch einen engagierten Lehrer – oder manchmal vielleicht auch nicht – irgendwie beigebracht worden, wie man alle Fächer so irgendwie beibringt. Wir brauchen da mehr. Wir brauchen einfach mehr. Und witzigerweise sind es gerade Schüler gewesen, die mir ein Feedback gegeben und gesagt haben, sie fänden das einen super Antrag. Das habe ich jetzt nicht so oft, wenn ich Anträge einbringe, dass ich dann sofort gesagt bekomme – und gerade von Schülern –: Hey, das finden wir richtig cool, wir verändern mal den Unterricht, keine trockenen Formate mehr. Das muss Sie doch alle begeistern. Wie kann man denn bloß so dagegen sein?

(Beifall bei der FDP)

Sie sind alle so was von spaßbefreit, also wirklich. In so einer Schule möchte ich ja niemals sein, wo die Lehrer alle sagen: Wir machen das schon und sind alle so gut. Das ist einfach nur langweilig und die Schüler wollen und verdienen mehr.

Und auch das muss ich Ihnen noch einmal sagen: Das Thema Prävention kann man eigentlich nicht falsch auslegen, außer man kommt von den LINKEN. Wir haben ja gerade gesagt, dass das die Integration fördert, denn wenn unsere Kinder einen eigenen Kompass haben und wissen, was Demokratie ist und was sie bedeutet, dann können sie auch viel mehr das Thema Integration verstehen und dazu beitragen. Das kann man einfach nicht falsch verstehen; selbst wenn man links ist, kann man das nicht falsch verstehen.

Am Ende des Tages freue ich mich, dass der Antrag an den Schulausschuss überwiesen wird. Dann können wir wahrscheinlich endlich fachlich kompetent darüber sprechen. Denken Sie noch einmal darüber nach, vielleicht lesen Sie den Antrag noch einmal, dann haben wir eine gute Grundlage. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau von Treuenfels-Frowein. – Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen zu dem Thema. Ist das richtig?

Wer möchte dann die Drucksache 21/16009 an den Schulausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mehrheitlich an den Schulausschuss überwiesen.

Punkt 51, Antrag der AfD-Fraktion: "Drohende Gefahr" als polizeirechtliche Eingriffsvoraussetzung einführen.

[Antrag der AfD-Fraktion: "Drohende Gefahr" als polizeirechtliche Eingriffsvoraussetzung einführen

(Dr. Ludwig Flocken)

Drs 21/16024 –]

Diese Drucksache möchte die antragstellende Fraktion an den Innenausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Nockemann erhält das Wort als Erster für den Antragsteller, die AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland steht nach wie vor im Fokus des internationalen Terrorismus. Deshalb ist es angebracht, von Zeit zu Zeit darüber nachzudenken, ob das Instrumentarium der Polizei noch hinreichend ist, um diesen erheblichen Gefahren für Leib und Leben angemessen begegnen zu können. Der Bürger hat darauf einen Anspruch. Und nichts ist schlimmer und nichts entfernt den Bürger mehr vom Rechtsstaat, als wenn es nach einem Terroranschlag heißt, es habe Pech und Pannen bei der Polizei gegeben beziehungsweise das polizeiliche Eingriffsinstrumentarium hätte nicht ausgereicht.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nein, weil sie nicht gehandelt haben!)

Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion sieht vor, die polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse des Hamburgischen SOG an gewisse Regelungsbefugnisse des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes anzupassen. Wer unseren Antrag studiert hat, wird wissen, dass wir nicht alle neuen Regelungsbefugnisse aus Bayern nach Hamburg übernehmen wollen, insbesondere nicht die unbegrenzte Höchstdauer des Sicherungsgewahrsams. Im Kern geht es zunächst um die Übernahme des Begriffs der drohenden Gefahr in die polizeiliche Generalklausel und weiter um die Übernahme einiger spezialgesetzlicher Regelungsbefugnisse, die hierauf gestützt werden können. Bislang muss die Polizei das Vorliegen einer konkreten Gefahr begründen, wenn sie eingreifen möchte. Nun wird diese Voraussetzung abgeändert.

Neue Eingriffsbefugnisse dürfen in einem Rechtsstaat nicht voreilig, sondern nur nach wohlüberlegter Güterabwägung geschaffen werden. Wir wollen weder einen übermächtigen Staat noch einen hilflosen und nicht abwehrbereiten Staat. Es gilt der Grundsatz, je zentraler und überwiegender das geschützte Rechtsgut ist, desto weitergehender dürfen die polizeilichen Eingriffsbefugnisse sein.

Nun ist es seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland in der deutschen Rechtspolitik aus gutem Grund Konsens, dass sich die Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten deutlich unterscheiden. Polizeiliche Eingriffsbefugnisse sind stets an das Vorliegen einer genau zu beschreibenden Gefahr gebunden. Nachrichtendienste benötigen diese Eingriffsvoraussetzungen nicht, deswegen haben sie auch keine weitergehenden Eingriffsbefugnisse wie die Polizeibehörden. Auch für

die Zusammenarbeit dieser Institutionen gilt nach wie vor das sogenannte Trennungsprinzip. Daran wollen wir von der AfD auch nichts ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hatte den Begriff der drohenden Gefahr in seinem Urteil vom April 2016 zum BKA-Gesetz formuliert. Bayern hat die vom Bundesverfassungsgericht so bezeichnete drohende Gefahr in die polizeirechtliche Generalklausel übernommen. Diese Regelung, und nicht mehr und nicht weniger, wollen wir auch für Hamburg übernommen wissen. Und weil bei dieser Regelung auf jedes Wort geachtet werden muss, lese ich einmal den Gesetzestext vor. Artikel 11 Absatz 3 Polizeiaufgabengesetz:

"Die Polizei kann unbeschadet der Abs. 1 und 2 die notwendigen Maßnahmen treffen, um den Sachverhalt aufzuklären und die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern, wenn im Einzelfall 1. das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet oder 2. Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, wonach in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind […]."

Bedeutende Rechtsgüter in diesem Zusammenhang sind unter anderem der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes und auch Leben, Gesundheit und Freiheit. Das bedeutet also: Wir wollen diesen Begriff der drohenden Gefahr nicht für minderwertige Rechtsgüter einsetzen, sondern nur für höherwertige.

Meiner Fraktion ist bewusst, dass es zahlreiche Kritiker dieser Regelung gibt. Der Begriff wird angeblich als zu ungenau oder zu unscharf angesehen. Die Regelung sei verfassungswidrig, da die Polizei hiermit schnell eine massive Eingriffsmöglichkeit in die Grundrechte der Bürger erhielte. Wir nehmen diese Einwände sicherlich sehr ernst. Auch wir wollen grundsätzlich keine Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten, die nicht notwendig sind. Leider Gottes ist die Terrorgefahr durch Frau Merkels Politik der offenen Grenzen in Europa

(Zuruf: Was für ein Blödsinn!)

exponentiell gestiegen. Im Übrigen aber halten wir die Kritik letztlich für nicht durchgreifend, denn auch das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, dass zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus auf neue Instrumentarien zurückgegriffen werden kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

Als nächster Redner erhält das Wort Sören Schumacher für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der für seine markigen Sprüche, viele politische Affären und, um es freundlich auszudrücken, seinen unkonventionellen Umgang mit Grundrechten bekannte Franz Josef Strauß behauptete vor Jahrzehnten kühn: Deutschland braucht Bayern. Ich sage Ihnen heute: Hamburg braucht Bayern nicht,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

jedenfalls nicht, wenn es darum geht, das Polizeigesetz unserer Stadt zu modernisieren und es neuen Herausforderungen und Gefahren anzupassen. Jedem bayerischen Wachtmeister, so ein Experte bei einer Anhörung im Bayerischen Landtag, sei künftig mehr erlaubt als dem Bundeskriminalamt bei der Terrorbekämpfung. Ich frage mich, wer das hier im Hause eigentlich möchte.

(Dirk Nockemann AfD: Wir!)

Als wunderschönes Bundesland und Heimat liebenswerter Menschen und süffigen Bieres schätzen wir Bayern; wie unser Polizeigesetz aussehen soll, entscheiden wir selbst. Ein von den Vorstellungen der CSU geprägtes Polizeigesetz taugt jedenfalls nicht als Blaupause für ein hamburgisches Polizeigesetz.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Dirk Nockemann AfD: Bayern ist das sicherste Bundesland überhaupt!)

In vielen Bundesländern werden derzeit neue Polizeigesetze erarbeitet oder sie sind bereits verabschiedet worden. An der Notwendigkeit, diese Gesetze zu novellieren, gibt es keinen Zweifel, denn die Bedrohungslagen haben sich verändert, es gibt neue Straftatbestände, kriminelle und terroristische Vereinigungen bedienen sich neuer technischer Möglichkeiten und für Fahndung und Ermittlung sind neue Methoden verfügbar. Die Befugnisse der Polizei müssen mit diesen Veränderungen Schritt halten und nötigenfalls verändert werden. Zugleich aber dürfen sie selbstverständlich nicht verfassungswidrig sein, also vor allen Dingen keine Grundrechte verletzen oder gefährden.

Was hier auszutarieren ist, ist nicht mehr und nicht weniger als Sicherheit und Freiheit. Beides in Balance zu bringen, ist eine der schwierigsten Aufgaben in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Es ist daher kein Wunder, dass in den Parlamenten, in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Polizei über neue Polizeigesetze heftig und kontrovers diskutiert wird. Das ist auch richtig und gut so, denn bei der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols

darf es keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit geben.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los)

Es ist immer vernünftig, wenn ein Gesetz so sorgfältig erarbeitet wird, dass es gar nicht erst vor Gericht landet.

Der Senat arbeitet derzeit an einem neuen hamburgischen Polizeigesetz. Wir werden es hier sicherlich ausführlich debattieren und auch außerhalb dieses Hauses wird es sicherlich viele Diskussionen darüber geben. Am Ende des Prozesses, dessen bin ich mir sicher, wird ein Polizeigesetz stehen, das die Rechte der Bürgerinnen und Bürger wahrt und unsere Polizistinnen und Polizisten zugleich in die Lage versetzt, bestmöglich und auf sicherer Rechtsgrundlage für deren Sicherheit zu garantieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

All das lässt sich nicht so eben im Schweinsgalopp erledigen, das braucht Zeit und es wird einige Arbeit abverlangen. Beides wird die Mehrheit der Abgeordneten gern in Hamburgs Polizeigesetz investieren. Das sind wir der Hamburger Polizei, den Hamburger Bürgerinnen und Bürgern und uns auch selbst schuldig. Copy-and-paste wird in diesem Gesetzgebungsprozess keinen Platz haben, wir werden uns unsere eigenen Gedanken machen müssen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.