Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der AfD, mit der Ansicht, an der Abiturqualität müsse gearbeitet werden, sind Sie nicht allein, das teilen wir mit Ihnen, aber auch die gymnasialen Schulleiter, in deren Positionspapier es heißt, die Abiturreglungen tolerierten zu viele schwache Leistungen, unterlaufen so den Anspruch an allgemeine Bildung. Doch, liebe Kollegen, dieses mit der prozentualen Bewertung von Klassenarbeiten über die Jahre hin zu verknüpfen, ist schon arg schräg und, ehrlich gesagt, der falsche Ansatz.
Was ändert es, wenn die 50-Prozent-Grenze für die Note Vier wieder eingeführt wird? In der Mathematik könnte man dieses mathematisch astrein anwenden, aber bei den anderen Fächern, Sachkunde, Deutsch, Geschichte, Politik, Religion und Musik, liegt es doch stark im Ermessen oder in der Ausführung der bewertenden Lehrkräfte, wann eine Klassenarbeit zu beanstanden ist oder nicht. Ehrlich gesagt, das war so, das ist auch heute immer noch so, egal, ob dieses verschriftlicht wird oder nicht.
Also, liebe Kollegen von der AfD, wir lehnen Ihren Antrag ab, wie übrigens auch schon in Niedersachsen geschehen. Dort ist Ihr Antrag in der gleichen Form krachend gescheitert.
Aber trotzdem, bei der Abiturqualität gibt es weit andere Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, damit sich wirklich etwas bewegt, zum Beispiel an der Tatsache, dass Abiturienten in Hamburg nur die Noten von 32 Oberstufenkursen einbringen müssen. In Brandenburg sind es 42, in Bayern 40. Schwache Leistungen können so einfach gestrichen werden. Das ist ein Zeichen von mieser Abiturqualität.
Bewegen muss sich auch etwas an der Front, dass Unterricht überhaupt stattfindet. An sage und schreibe 177 von 323 Schulen herrscht Lehrermangel. Das sind 54 Prozent und gerade an den Schulen in stark belasteten Stadtteilen oder Rand
lagen von Schleswig-Holstein oder Niedersachsen fällt naturgemäß der Unterricht da aus, wo er nicht unbedingt vertreten werden muss.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, die AfD zetert, dass zu viele Schülerinnen und Schüler in Hamburg das Abitur erreichen,
und sie gibt uns auch gleich die Lösung dazu: Die Lehrer geben zu laxe Noten. Wer Lehrerinnen und Lehrer dann auch noch als verängstigte Wesen gegenüber Eltern und Schulleitungen darstellt, die zu gute Noten geben, um bloß keinen Ärger zu haben, der verkennt wirklich die engagierte und verantwortungsvolle Arbeit, die Lehrerinnen und Lehrer hier in Hamburg für uns leisten.
Die AfD will nicht, dass wie derzeit 52 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Abitur erreichen; stattdessen soll das Abitur einer kleinen Elite vorbehalten werden. Ich glaube, da hat die AfD doch ein bisschen ein pädagogisches Brett vor dem Kopf.
Staatliche Schulen als Selektionsapparat für Eliten zu verstehen lässt sich mit unserer demokratischen Grundwertehaltung nicht vereinbaren.
Schulen sind Einrichtungen zur Entwicklung und Förderung auch gerade von Kindern aus sozial benachteiligten Milieus und mit Handicaps. Hier gibt es einen Gleichheitsgrundsatz, dem wir auch verpflichtet sind. Die AfD beklagt ein nie bewiesenes Absinken der Leistungsansprüche gegenüber alten Zeiten und gegenüber anderen Bundesländern und sieht dies ursächlich in den Richtlinien der Notengebung, insbesondere in der Erteilung der Note "Ausreichend". Eine Note ist dann ausreichend, wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen noch den Anforderungen entspricht. Das ist die Definition, wie sie in allen Bundesländern hier in Deutschland aufgrund der Beschlussfassung der KMK gültig ist. "Ausreichend" nur als eine Zahl von 50 Prozent der erreichbaren Punkte zu
definieren ist Erbsenzählerei, aber keine hilfreiche Leistungsbewertung für Schülerinnen und Schüler für das weitere Lernen und es widerspricht eben den Grundlagen der KMK.
Ihr Antrag wimmelt von unbelegten Vermutungen, Unterstellungen, Widersinnigkeiten. Notengebung verkommt bei Ihnen zu einer Aschenputtelpädagogik.
Meine Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN haben wirklich schon das Wesentliche zu diesem sehr kleinteiligen wie auch sehr in die falsche Richtung gehenden Antrag gesagt. Ich finde es auch erstaunlich, Herr Wolf, dass Sie sich selbst gar nicht zuhören. Sie haben in der Aktuellen Stunde gerade hier vorn gestanden und haben jegliche Quote abgelehnt. Aber die Abiturquote, die ist jetzt sehr wichtig und die muss unbedingt gesenkt werden. Das finde ich schon einen ziemlichen Irrwitz.
Aber das Entlarvende Ihrer Ideologie ist dabei eigentlich, dass Sie gar keinen Wert darauf legen, wie die einzelnen jungen Leute gefördert werden, und dass Sie es begrüßen und unterstützen, dass das Schulsystem sozial ungerecht ist, woran wir auch Kritik haben. Aber wir müssen anerkennen, dass es mehr jungen Menschen zu besseren Abschlüssen verholfen hat. Und darüber sollten wir uns hier freuen und nicht ideologisch verbrämt daran arbeiten,
Gehen Sie doch einmal in die Schweiz; das Land ist unverdächtig, Sozialismus auszurufen. Die Schweiz hat keinen Numerus clausus, in der Schweiz ist das Abitur überhaupt nicht in der Diskussion wie bei uns. Da bekommen die jungen Leute ein Abitur nach bestimmten Standards, das ist natürlich selbstverständlich, aber sie können das Fach studieren, das sie wollen. Und dann müssen sie sich natürlich im Studium bewähren, das ist auch keine Frage. Aber wenn ich mit
Schweizerinnen und Schweizern rede, mit jungen Menschen, dann sagen sie: Was habt ihr eigentlich in Deutschland für ein Problem mit dem Abitur? Das führt in die völlig falsche Richtung, das hat mit den Anforderungen an heutige Unterrichtsentwicklungen, an reformerische Pädagogik überhaupt nichts zu tun.
Und, letztes Wort, Herr Wolf: Noten sind immer ein Abbild einer ganz bestimmten Situation, in der sie quasi abgerufen werden müssen. Wir müssen doch darauf achten, dass Unterricht so ausgelegt wird, dass die jungen Menschen so motiviert werden, dass sie in ihrem Lernerfolg immer einen Schritt weiterkommen. Und da, glaube ich, hat die AfD noch gar nichts begriffen.
(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Aber ich bin vorher dran! – Zuruf: Die FDP ist vorher dran!)
Niemand hier oben hat Ihre Meldung gesehen. Wenn Sie sagen, Sie haben sich gemeldet, dann bitte ich Herrn Dr. Flocken, noch einmal zwei Minuten zu warten. Es tut mir leid, das ist hier oben überhaupt nicht angekommen.
Ja, wir finden auch, und ich glaube nicht, dass sich das hier geändert hat, dass sich das qualitative Niveau unter RotGrün in gewisser Weise auf einem Sinkflug befindet. Aber nein, wir finden nicht, dass Sie mit Ihrem Antrag daran irgendwie grundsätzlich etwas ändern können, Herr Wolf.
Irgendwie unterstellen Sie, glaube ich, den Lehrern, dass sie mauscheln und dass sie Arbeitsvermeidung begehen wollen. Was sind das für Unterstellungen? Ich meine, die Lehrer beurteilen die Schüler vielleicht nicht immer so wie die Eltern und die Schüler sich das wünschen, aber ich glaube schon, wenn wir jetzt das Vertrauen in die Lehrer ganz und gar verlieren sollten, da können wir gar nicht mitgehen, das halten wir für eine Unterstellung, die Sie auch gar nicht mit Fakten und mit Daten hinterlegen, sondern Sie unterstellen das einfach einmal fleißig. Da gehen wir nicht mit. Und deswegen halten wir die Regelung, wie sie jetzt ist, für gut, denn auch Lehrer können andere Dinge beurteilen als nur irgendwie Standardnoten zu bewerten. Das ist das eine.
Das Zweite, Ihre Drittel-Klausel, finde ich sehr gut, weil sie nämlich genau zwischen Schulleitern und den Lehrern eine Durchlässigkeit, eine Transpa
renz schafft. Der Schulleiter kann so nämlich sehen, ob im sogenannten Sekundärunterricht der Lehrer es unten geschafft hat, den Unterrichtsstoff anzubringen. Warum soll denn der nicht dann auch entscheiden können, dass da etwas wiederholt wird? Es muss doch nicht immer nur starr nach Regelungen gehen. Ich finde, dass Sie da bildungspolitisch ein bisschen zurück in die Vergangenheit gehen. Ich glaube, dass wir das alle nicht wollen, und aus dem Grund lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Mit Strafen und Belohnen können Sie dressieren. Das humanistische Bildungsideal hat damit genauso wenig zu tun wie das naturwissenschaftliche Bildungsideal. Diesem kommen Sie nur näher durch echten Wissensdurst und Freude am Denken. Wer versucht hat, wie Frau Boeddinghaus das angedeutet hat, Jugendliche zu motivieren, bei Jugendlichen diesen Wissensdurst und diese Freude zu wecken, der wird, wenn er ehrlich mit sich selbst ist, zugeben, dass dies manchmal gelingt, oft aber eben auch nicht. In diesen Fällen ist es vielleicht sehr gut, sich damit zu begnügen, echte Neugier nicht zu zerstören, denn genau das passiert in unserem Schulzwangssystem ständig. Das würde mit den Dingen, die Dr. Wolf vorschlägt, noch verstärkt.