Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch einiges Gesagte geraderücken. Herr Walczak, Sie vergleichen Äpfel mit Birnen, wenn Sie die Corona-Toten mit den durch Nikotin bedingten Herz-Kreislauf-Toten vergleichen. Der Nikotinkonsum ist die Entscheidung eines freien Individuums, sich selbst zu gefährden – nicht schön, aber Realität. Wir haben es nicht vermocht, viele alte Menschen vor Corona zu schützen. Das ist das, was wir selbstkritisch anmerken müssen und was zu bedauern ist. Aber das Schicksal der Corona-Toten ist ein anderes als der Nikotin-Toten. Punkt eins.
Ich kenne andere Statistiken zum Lockdown, die sehr wohl nachweisen, dass mitverursacht durch den Lockdown die Zahlen zurückgegangen sind, und daran besteht für mich kein Zweifel. Deswegen ist Lockdown natürlich eine Ultima-Ratio-Lösung, aber sie war sinnvoll und notwendig.
Und zu Herrn Gamm: Wenn man mit einem Finger auf jemanden, in diesem Fall den Finanzminister, weist, muss man doch bitte bedenken, dass vier Finger auf einen selbst zurückweisen.
Herr Spahn hat vor einem Jahr für zu wenige Masken gesorgt. Er hat Anfang März Tests versprochen, die nicht da waren, und als sie dann da waren, hat er nicht kontrolliert, wie die Testzentren abrechnen und dokumentieren. Und jetzt ist mit dem Impfstoff und der neuesten Verordnung ein wichtiges Wörtchen in diese Verordnung gerutscht, nämlich das Wort zusätzlich in Bezug auf Impfdosen für die Kinder und die 12- bis 16-jährigen Ju
weil der vorhandene Impfstoff − immer noch zu wenig, aber immerhin etwas mehr als in den letzten Wochen − dann eben nicht verfügbar ist für die Gesunden, nicht Priorisierten, die ab 7. Juni auch geimpft werden könnten. Und das wiederum ist ein Erwartungsmanagement, das zum Himmel schreit, weil Erwartungen geweckt werden, die wir Hausärzte dann nicht erfüllen können, und das müssen wir zusätzlich zu der Arbeit, die wir tagtäglich tun und die uns mit unseren Teams bis an den Rand der Erschöpfung bringt, erklären.
Das ist nicht in Ordnung. Es ist wunderbar, dass die Zahlen zurückgehen, aber wir sind noch nicht am Ende der Pandemie. Es ist leider so, dass es neue Mutanten gibt in Vietnam, Brasilien, England, also die Mischung aus Brasilien und England ist die indische Variante. Wir wissen noch nicht, wie unsere Impfstoffe letztlich dazu in der Lage sind, auch das abzufangen. Ich rechne damit, dass wir alle Impfungen innerhalb des nächsten halben Jahres, wie auch Grippeschutzimpfungen, jährlich wiederholen müssen, um auf der sicheren Seite zu sein. Aber in dieser Situation bitte ehrlich und realistisch bleiben. – Vielen Dank.
Ich habe jetzt noch eine Meldung von Herrn Walczak für die AfD-Fraktion, der das Wort für noch zweieinhalb Minuten bekommt.
Sehr geehrter Herr Zamory, auch ich möchte auf Ihr Argument eingehen und es geraderücken. Wenn Sie meinen, es sei unangemessen, die Herz-Kreislauf–Toten infolge des Nikotinkonsums mit den Corona-Toten zu vergleichen – Sie weisen das mit dem Argument zurück, dass der Nikotinkonsum eine freiwillige Entscheidung sei –, haben Sie absolut recht. Nur, die Selbstgefährdungslage ist bei Corona doch ähnlich. Wenn ich mich in ein Kino begebe, wenn ich mich in eine Bar begebe, wenn ich mich in ein Restaurant begebe, sind das alles freiwillige Entscheidungen.
Entschuldigen Sie bitte, Sie predigen hier seit Monaten Kargheit und Verzicht, haben den Bürgern abgerungen, dass sie auf all die Freuden in ihrem Leben verzichten. Also insofern widersprechen Sie doch Ihrer eigenen Logik, wenn Sie jetzt behaupten, es sei keine Entscheidung der Selbstgefährdung, inwieweit man sich gegenüber dem Corona
virus exponiert. Der Vergleich trifft, deswegen bellen Sie auch wie getroffene Hunde. Und das wollte ich hier nur klarstellen, dass dieser Vergleich trifft, insbesondere wenn Sie sich noch einmal überlegen, dass auch beim Passivrauchen eine Gefährdung der Gesundheit anderer stattfindet. Da sollten Sie wirklich einfach noch einmal Ihre eigenen Maßstäbe prüfen. Ich bin am Ende meiner Rede und lasse auch keine Zwischenfrage zu.
Wenn nicht als Zwischenfrage, dann eben so. – Herr Walczak, Sie haben aber schon mitbekommen, dass Sie, wenn Sie sich mit Corona anstecken, dann auch andere anstecken und damit nicht nur Ihr eigenes Leben gefährden, sondern auch das anderer Leute?
Wir können das hier gern so weitertreiben, ich bin immer sehr argumentations- und diskussionsfreudig. Es ist natürlich richtig, dass ich mit dem Coronavirus andere Menschen anstecken kann; das bestreitet hier niemand. Aber gleichzeitig haben Sie doch die Wahl, in welches Infektionsrisiko Sie sich begeben, indem Sie regulieren, wie stark Sie nach draußen gehen und wie stark Sie Ihre Kontakte reduzieren. Also auch hier beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Sie rütteln an den eigenen Fundamenten Ihrer Corona-Dogmatik, die Sie seit über einem Jahr vornehmen. Und es wird nicht dadurch besser, dass Sie sich jetzt hier aufregen. Beruhigen Sie sich mal, lassen Sie sich das alles durch einen kühlen Kopf gehen. Ich glaube, dann würden wir feststellen, dass es nicht wert ist, eine freie Gesellschaft auf dem Altar einer unbedingten Gesundheit zu opfern. – Vielen Dank.
Herr Jünemann für die – Augenblick – GRÜNE Fraktion für ebenfalls noch eine Minute Restredezeit. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Walczak, es ist wirklich absolut infam, wie Sie hier versuchen darzustellen, dass jeder frei wählt, wie sein Infektionsrisiko ist. Ja, die Entscheidung, ins Kino zu gehen, mag vielleicht aus freiem Willen getroffen werden, aber andere Entscheidungen kann man eben nicht
freiwillig treffen, in bestimmten Berufen zu arbeiten beispielsweise. Die Menschen, die sich in den Kliniken seit Monaten Infektionsrisiken aussetzen, treffen diese Entscheidung nicht freiwillig. Und wenn Sie das hier propagieren, ist das nichts als blinder Populismus.
Dann können wir zu den Abstimmungen kommen und starten mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 22/4754.
Wer möchte diesem gern folgen? – Wer stimmt dagegen? – Und die Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Wir stellen noch fest, dass wir Kenntnis genommen haben von den Unterrichtungen und vom Bericht des Verfassungsausschusses.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wissenschaftspolitik ist Zukunftspolitik. Und damit ist der Einzelplan 3.2 der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke einer der wichtigsten, die wir in diesen drei Tagen besprechen. Allerdings findet man in Ihrem Plan nichts, was der Bedeutung des Themas Rechnung tragen würde. Man findet nämlich keine Hinweise auf Wissenschaftsund Forschungsschwerpunkte, keine Gestaltungsansätze, keine Hinweise, wie Sie Hamburg in Wissenschaft und Forschung voranbringen wollen. Was sich niederschlägt, ist ein altes, leeres Versprechen: gut regieren. Wir haben mittlerweile alle verstanden, dass gut regieren bei der SPD heißt, einigermaßen gut verwalten. Und das ist nicht genug. Alte Ehepaare sollen sich ja immer ähnlicher werden. Vielleicht gilt das für Koalitionspartner auch? Denn das Ressort Wissenschaft und Forschung liegt eigentlich bei den GRÜNEN, deren zentrales Thema der Klimaschutz ist. Das würde niemand erkennen aus dem hier vorliegenden Einzelplan 3.2.
Dabei ist es ein großes Thema, das viele Menschen in unserem Land bewegt und bei dem wir gerade dabei sind, uns auf Bundesebene noch ehrgeizigere Ziele zu setzen – Ziele, für deren Er
reichung wir Wissenschaft und Forschung so dringend brauchen wie nichts anderes. Unsere Klimaziele werden wir nur mit Innovation und Technologie erreichen. Verzichte und Verbote sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Dementsprechend erwarte ich von einer grünen Wissenschaftssenatorin eine klare Agenda, die Wissenschaft und Forschung in allen klimarelevanten Bereichen und Zukunftstechnologien stärkt.
Stattdessen werden aber die Hochschulen und Universitäten mit diesem Haushalt nicht gestärkt, sondern bestenfalls stabilisiert. Mit den Haushaltsansätzen 2021/2022 sollte alles viel besser werden. Stattdessen kommt heraus: 2 Prozent Aufwuchs in der Grundfinanzierung plus 1 Prozent für Bauvorhaben und/oder Sonderprojekte, gesichert auf sieben Jahre, im Wesentlichen auch dank der Bundesmittel aus dem Zukunftspakt Forschung und Lehre.
Schauen wir auf die positive Seite, die Planungssicherheit. Die Hochschulen wissen jetzt ganz sicher, dass sich ihre finanzielle Situation in den nächsten sieben Jahren nicht bessert. 2 Prozent Aufwuchs wird auf jeden Fall vertilgt von Tarifsteigerungen und Inflation; die aktuelle Inflationsrate beträgt 2 Prozent. Sie können sich nun schon im bestehenden Rahmen einrichten und haben damit auch bereits begonnen. Die Alarmmeldungen zu Streichungen in Zukunftsfächern wie Informatik, der Abbau im Bereich Jura und so weiter haben uns alle schon erreicht. Also es gibt eine klare Perspektive, aber keine, über die sich irgendwer wirklich freuen kann.
An dieser Stelle sagt die Senatorin Fegebank dann immer, es gebe auch noch weitere Mittel, was auch stimmt. Aber diese sind maßnahmen- und themenbezogen, das heißt, für einen bestimmten Zweck, häufig befristet und mit allerlei Nebenbedingungen versehen und bringen keinerlei langfristige Sicherheit. Aber Wissenschaftspolitik ist Zukunftspolitik und damit Langfristpolitik. Hochschulen brauchen einen langfristigen, verlässlichen finanziellen Rahmen, der im besten Fall auch einen echten Aufwuchs vorsieht. Wissenschaft, Forschung, Hochschulen und Universitäten sind, um es einmal in Hamburger Bildern auszudrücken, Containerschiffe, die man nicht ohne genügend Treibstoff und mit der Zusage gelegentlicher Gutscheine für Zusatztreibstoff auf eine lange Reise schicken kann. Die Grundausrüstung muss stimmen. Deshalb fordert die CDU eine Erhöhung der Grundfinanzierung nicht von 30 Prozent, wie es wohl nötig wäre, aber immerhin von 10 Prozent. Leider wächst das Geld bekanntlich nicht auf den Bäumen.
Und noch einmal ein paar Worte zur Strategie. Was ist aus den Zusagen und Versprechungen von ahoi.digital geworden? Wo sind die Professuren in
Informatik, künstlicher Intelligenz, den die Digitalisierung betreffenden Fächern? Warum baut die Uni Hamburg Studienplätze in Mathe, Physik und Informatik ab? Warum werden Berufungsverhandlungen mit Informatikern abgebrochen? Weiß die zuständige Behörde davon im Vorfeld nichts? Und warum nicht? Und wenn sie es wusste, warum unternimmt sie nichts? Der Abruf von Berufungsverhandlungen ist gleichzeitig ein immenser Reputationsschaden für den Hochschulstandort Hamburg. Selbst wenn man jetzt neu ausschreiben würde, wird es nicht leichter, jemanden zu finden – und das in der Informatik, wo die ganze Welt händeringend nach guten Köpfen sucht.
Im gesamten Einzelplan 3.2 vermisse ich die Leuchtturmprojekte. Projekte, die signalisieren, dass diesem Senat Wissenschaft und Forschung ein zentrales Anliegen sind.
Wir haben eine Universitäts- und Staatsbibliothek, die erfolgreich dabei ist, den Wandel zu gestalten. Denn die Digitalisierung trifft auch die Bibliothekswelt mit voller Wucht, jedoch auch mit tollen Chancen. Allerdings wissen Sie alle, dass die Gebäude der Unibibliothek in einem schlechten Zustand sind und die Sanierung nur in sehr, sehr kleinen Schritten vorankommt. Aus Corona-Mitteln gibt es jetzt ein bisschen Geld, um die schlimmsten Mängel zu beheben. Nur um es einmal betriebswirtschaftlich auszudrücken: Das Geschäftsmodell Bibliothek ist heute ein völlig anderes, und deshalb ist es unerlässlich, bessere technische und bauliche Rahmenbedingungen für die SUB zu schaffen. Wir fordern den Senat auf, einen Neubau zu prüfen. Ein neues Gebäude, das die zunehmenden digitalen Möglichkeiten im Bibliothekswesen bereits in der Planung berücksichtigt, ist ein richtiger und wichtiger Schritt für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Hamburg.