Protokoll der Sitzung vom 15.03.2000

liegt aber die Schwierigkeit natürlich in der Sache selbst. Denn kurze und klare juristische Formeln, wie wir sie schließlich im Gesetzentwurf gefunden haben, sind eben nur möglich, wenn sie durch einen entsprechenden politischen Willen und Konsens untersetzt sind.

Das aber bringt angesichts unterschiedlicher Interessenlagen zwischen Kommunen und Land, zwischen einzelnen Parteien immer wieder Turbulenzen im Ausloten und schließlich Stanzen der juristischen Formeln. Und es geht dabei ja vor allem auch um das Abwägen und Einkalkulieren der Folgen, denn eine Verfassungsbestimmung ist kraft ihrer besonderen Verbindlichkeit und Rangigkeit langlebig und fest – das ist ja auch gewollt. Und man muss dann damit leben, selbst wenn sie zu Folgen führt, die keiner vorausgesehen hat. Wir können es eben nicht so machen, wie es auf den meisten Verpackungen von Medikamenten steht: „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“, dann müssen wir selbst dafür einstehen.

Meine Damen und Herren! Es war von Anbeginn fester Wille dieser Koalition, das strikte Konnexitätsprinzip ein

zuführen. Es steht so im Koalitionsvertrag. Dass dort steht, es möge in der Kommunalverfassung geschehen, tut nichts zur Sache, denn es war zum Zeitpunkt der Regierungsbildung ganz einfach nicht voraussehbar, dass sich auch die CDU dazu verstehen könnte,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

das Konnexitätsprinzip zu verankern, und das auch noch in der Verfassung. Aber jähe Wendungen sind ja auch in dieser Partei nicht mehr so selten. Es ist schon etwas merkwürdig allerdings, dass gerade die Fraktion, die sich so lange, wie sie die Regierung trug, gegen die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips geradezu gestemmt hatte, dann am 31. März 1999 den entsprechenden Antrag gestellt hat. Und Herr Jäger hat ja ein bisschen was zur Legendenbildung in seinem Beitrag dazugetan.

Ich will noch einmal erklären, wie die CDU sich in der Vergangenheit immer zur Einführung des Konnexitätsprinzips hier im Landtag verhalten hat, damit da auch sozusagen klare Verhältnisse sind. Also man fragt sich: Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel? Die Antwort ist doch klar – sie liegt darin, dass man schlicht und einfach Klientelpolitik betreibt, man macht sich lieb Kind bei den Kommunen. Aber sei es, wie es sei. Wenn das Ergebnis vorwärts hilft, dann muss man das auch begrüßen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Dennoch ist bezeichnend, CDU und CDU-Innenminister haben es bei den bisherigen vier Änderungen der Kommunalverfassung seit 1994 überhaupt nicht für nötig gehalten, an diesem Punkt die Kommunalverfassung zu ändern. Die Kommunalverfassung! Das wäre ja möglich gewesen. Innenminister Jäger beispielsweise sagte anlässlich der letzten Änderung der Kommunalverfassung in der Landtagssitzung am 24.09.1997, das geltende Kommunalverfassungsrecht hätte sich sehr bewährt, basta. Und Herr Markhoff hat zur selben Stunde und zur selben Stelle in Bezug auf die internen Abstimmungen zwischen CDU und SPD gesagt, ich zitiere jetzt wörtlich: „Ebenso realitätsfern ist der Vorschlag der SPD gewesen, in der Kommunalverfassung das Land zu verpflichten, alle finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen durch einen Kostenausgleich zu decken.“

(Angelika Gramkow, PDS: Hört, hört!)

Also, Herr Jäger, es ist doch wohl eine Legende gewesen, was Sie soeben gesagt haben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

denn es war doch wohl die CDU, die bisher gedeckelt hat.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Vielleicht war es nur Herr Markhoff ganz alleine, aber immerhin war er der innenpolitische Sprecher zu dem Zeitpunkt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Minister Dr. Wolfgang Methling: Ach, Herr Riemann ist da.)

Übrigens, bei dieser Rede verzeichnet an dieser Stelle das Sitzungsprotokoll: „Beifall bei Abgeordneten der PDS – Gerd Böttger, PDS: Das wäre gut.“

Herr Markhoff fuhr dann ein noch schärferes Geschütz auf und redete erst einmal mit der SPD Fraktur: „Haben Sie eigentlich mit Ihrer Finanzministerin im voraus geklärt, woher die Deckung Ihres Ansinnes kommen soll?“ Natürlich hatte es die SPD damals nicht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und heute auch nicht.)

Aber wir sehen ja heute, dass die Finanzministerin durchaus zustimmt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vorschläge der PDS zu einer besseren Beachtung der Konnexität hat die CDU und haben die von ihr geführten Koalitionen stets abgelehnt. Immer wieder war es gerade Herr Markhoff, der in dankenswerter Offenheit sagte, wo da der Hammer hängt.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Und so bin ich ganz schön gespannt, wie er heute votieren wird. Wir brauchen natürlich auch seine Stimme, das gebe ich zu.

Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion war und ist...

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Nein, ich bin ja ganz freundlich zu Ihnen, ich will nur wegen der Klarheit sagen, wie die Verhältnisse waren.

Die PDS-Fraktion war und ist, solange sie in diesem Haus vertreten ist, aus prinzipiellen Gründen für die jetzige Regelung der Konnexität.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Sie hat dieses Anliegen, das insbesondere die kommunalen Verbände verfolgt haben, immer unterstützt. Die PDS meint allerdings, dass dieser richtige landespolitische Schritt auch durch die Bundesebene mitgegangen werden sollte.

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Warum sollen wir denn nicht von Mecklenburg-Vorpommern initiativ werden? Denn bekanntlich gilt die strikte und selbst eine weiche Konnexität bisher eben nicht, wenn vom Bund Aufgaben auf die Länder und Kommunen durchgereicht werden. Vom Durchschlagen des Rechts der EU will ich schon gar nicht reden. Darum hat die PDSFraktion – wir haben also schon gehandelt, Herr Jäger – im Bundestag im Juni 1999 einen Antrag zur Reform der Kommunalfinanzierung eingebracht, dessen erster Punkt genau auf die Verankerung des Konnexitätsprinzips abzielt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wie wäre es denn mit einer Bundesratsinitiative?)

Es heißt dort unter anderem, ich zitiere: „Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland soll der Grundsatz einer strikten Konnexität zwischen“...

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Lass mal, ich habe gleich einen Vorschlag an die CDU.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

... „Aufgabenübertragung und Finanzierungsverantwortung verankert werden. Damit obliegt dem Gesetzgeber eine eigenständige Kostendeckungspflicht, wenn er Auf

gaben an Städte, Gemeinden und Landkreise überträgt. Diese Kostenerstattungen dürfen nicht im allgemeinen Steuerverbund aufgehen.“

Ich denke, nach unserer heutigen Lage haben wir breiten Konsens. Danach soll Artikel 104 a Absatz 3 Grundgesetz dahin gehend geändert werden, dass der Bund dann die Ausgaben für Leistungen zu tragen hat, wenn die Länder oder die vom Bund ausnahmsweise unmittelbar bestimmten Gemeinden (Gemeindeverbände) Maßnahmen des Bundes ausführen, die Zahlungen, Sachleistungen oder die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen vorsehen. Die Verwirklichung des Konnexitätsprinzips soll auch die umfassende Überprüfung der den Kommunen bislang übertragenen Aufgaben einschließen.

Ja, meine Damen und Herren, es wäre doch schön, wenn sich CDU, SPD und PDS dazu auch im Bundestag wie hier im Haus verständigen könnten und, das sage ich auch, wenn die hiesige CDU auf ihre Mutterpartei – also ich denke auch an ihre Mutter Frau Merkel –

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

in Berlin in diesem Sinne etwas einwirken könnte. Dann könnte ich sogar meinen Unglauben an eine ernsthafte Wandlung dieser Partei revidieren, wozu ich dann übrigens frohen Herzens bereit wäre.

(Heiterkeit und Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Was?! Was?!)

Ich ließe mich dahin gehend gerne bekehren. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Minister Dr. Wolfgang Methling: Das hast du fein gemacht, Arnold.)

Danke, Herr Dr. Schoenenburg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass Sachen, die eigentlich ganz einfach, logisch nachvollziehbar, für jedermann verständlich sind, ungeheuer schwierig in Praxis oder gar in Recht umzusetzen sind. Mir scheint, das Thema Konnexität ist ein wunderbares Beispiel dafür. Und es ist ja nicht nur die lange Beratungszeit, die wir an diesem konkreten Antrag sitzen, sondern es ist im Grunde genommen eine seit vielen Jahren von den kommunalen Verbänden vorgetragene und erhobene Forderung, die bislang in unserem Land und in einer Reihe anderer Bundesländer nicht umgesetzt worden ist, obwohl die Berechtigung dieser Forderung doch eigentlich auf der Hand liegt und jedermann einleuchtet. Wer bestellt, bezahlt; wer die Musik bestellt, bezahlt die Kapelle – jeder formuliert das ein bisschen anders, aber der Grundgedanke ist doch sehr einfach:

Wenn der eine den anderen verpflichtet, für ihn eine Aufgabe zu erledigen, dann muss der Aufgabenübertragende denjenigen, dem er die Aufgabe gibt, auch in die Lage versetzen, diese Aufgabe zu erfüllen, das heißt, er muss ihm die finanziellen Mittel dafür bereitstellen. Das ist im Alltagsleben so selbstverständlich wie noch etwas: Wenn ich einen Handwerker in mein Haus hole, dann

muss ich ihm auch das Geld geben, damit er Material und Arbeitskräfte bezahlen kann. Aber auf der staatlichen Ebene scheint diese plumpe, einfache Selbstverständlichkeit für viele ein äußerst dickes Brett, an dem sie nicht vorbei kommen.