Protokoll der Sitzung vom 15.03.2000

1. Zunächst geht es um die Kosten der Einspeisung der Offenen Kanäle in das Kabelnetz. Hier sieht der Gesetzentwurf vor, die Kosten dem Kabelnetzbetreiber anzurechnen. Ich halte das ehrlich gesagt für vollständig falsch. Offene Kanäle werden mit der Intention geschaffen, dass es eine öffentliche Aufgabe sei, die Medienkompetenz der Bevölkerung durch die Arbeit für den Offenen Kanal zu schulen. Betrieben werden diese Offenen Kanäle von der Landesrundfunkzentrale, die dafür einen Anteil von den Gebühren der Rundfunkteilnehmer erhält. Wenn das Ganze nun eine öffentliche Aufgabe ist, dann muss sie auch öffentlich bezahlt werden. Die Anlagenbetreiber sind hier die falsche Adresse.

2. Zur Rundfunkabgabe

Die Rundfunkabgabe sah auch schon im bisherigen Gesetz vor, dass die Landesrundfunkzentrale berechtigt ist, bei privaten Anbietern – gemessen an den Einkünften aus den Werbeeinnahmen – eine Rundfunkabgabe zu erheben. Diese Rundfunkabgabe wurde bisher nicht erhoben, sie ist auch verfassungsrechtlich umstritten gewesen. Die CDU hat deshalb gesagt, sie soll nicht erhoben werden, sie sollte gestrichen werden. Ich denke, wenn hier wieder gesagt wird, wir wollen Geld nehmen, wobei ich vorhin schon davon gesprochen habe, dass der Werbekuchen nicht ausreicht, so denke ich, dass das ein Stück Wegelagerei ist. Es wird ein geordnetes Verfahren zur Erhebung eingefügt, und das parallel zu der bisher dargestellten Gefährdung der Einkünfte in diesem Bereich.

Meine Damen und Herren, was SPD und PDS hier mit der Rundfunkabgabe im Rundfunkrecht betreiben, wenn man das dann noch mit der Ökosteuer vergleicht, so sind das Mechanismen – wenn man immer etwas nehmen will,

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

muss man auch die Folgen betrachten –, bei denen man wirklich sagen muss, das ist ein Stück Wegelagerei. Das zeigt auch die Stimmung, die insgesamt bei den Menschen, auch bei den einfachen Menschen da ist. Ich

denke, das ist nicht gut so. Auch hier wird Ideologie zur Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens.

3. Die am breitesten diskutierte Finanzierungsfrage im Rundfunkgesetz ist der so genannte Vorwegabzug. Hier werden diejenigen Mittel definiert, die die Landesrundfunkzentrale nicht unmittelbar erhält, sondern deren Ausgabe zweckgebunden festgelegt wird. Wir haben erfreulicherweise Einigung erzielt, und zwar die Einigung, dass wir von 85 zu 15 Prozent eine Quote genommen haben von 80 zu 20 Prozent. Leider jedoch wurde an der entscheidenden Stelle, nämlich bei der Definition der Zweckbindung dieser 20 Prozent, eine falsche Entscheidung getroffen. Hier wird heute vorgeschlagen, neben der Orchesterförderung die Filmförderung zu finanzieren.

Herr Ministerpräsident, was Sie zur Filmförderung gesagt haben, finde ich hervorragend, das muss so sein, da sollten wir uns Baden-Württemberg als Vorbild nehmen.

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Denn schauen Sie, diese 265.000 DM, da weiß jeder, der sich mit Filmherstellung beschäftigt, das ist wenig. Wenn Professor Kauffold mehr Geld hätte, würde er wahrscheinlich freiwillig noch 4 oder 5 Milliarden DM rübergeben. Baden-Württemberg hat 28 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung gestellt. Bei uns werden es nur 265.000 DM sein. Das Geld wird wahrscheinlich verpuffen. Und deshalb halte ich es schon für mehr als fraglich, ob es rechtlich abgesichert ist, aus den Rundfunkgebühren, die die Zuschauerinnen und Zuschauer Mecklenburg-Vorpommerns für ein öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot entrichten müssen, Filmförderung zu betreiben, also rundfunkferne Maßnahmen zu fördern. Hier, denke ich, müssten die Mittel von woanders kommen, vom Kultusministerium vielleicht.

Wir erleben diesen Streit doch schon täglich bei der Frage der Orchesterförderung. Hier wird seitens des NDR ständig darauf verwiesen, dass Orchesterförderung im Sinne der Rundfunkgebühren nur so erfolgen kann, dass auch sendefähige Aktionen finanziert werden können. Wie wir dann noch für das Geld einen Kinofilm auf NDR 1 senden wollen, das wird wahrscheinlich gar nicht gehen. Das wird so wenig sein, dass es für diese Filmförderung vollkommen ineffizient ist.

Ich meine, deshalb sollten wir – und wir haben es auch ganz bewusst so in die Verfassung geschrieben, in der Verfassung steht nicht Filmförderung – endlich den Verfassungsauftrag zur Förderung der niederdeutschen Sprache ernster nehmen

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

und die Mittel aus den Rundfunkgebühren nutzen, um das Niederdeutsche, das noch immer viel zu sehr auf dem Rückzug ist, mehr nach vorne zu bringen. Ich kann mir sehr gut aus diesen Mitteln Produktionen unserer exzellenten niederdeutschen Bühnen, die wir in Schwerin mit der Reuter-Bühne, in Rostock, in Neubrandenburg, in Parchim und in anderen Orten haben, vorstellen. Mir geht es nicht nur um Rundfunk, sondern um die Förderung einer norddeutschen, einer mecklenburgischen und vorpommerschen Identität. Das gehört auch zum Tourismus.

Und, Herr Minister, wir sind uns ja mit den Zahlen irgendwo einig, ich will auch nicht Wasser in den Wein gießen, aber Sie wissen auch, auf welcher schmalen Basis

das liegt. Der Kollege Schlotmann sagte letztes Mal, wir packen die Bayern an den Schultern. Wir packen sie ja gar nicht. Wir sind im Tourismus an der achten, neunten Stelle, weil wir so wenige Betten haben. Weil die Leute unser Land langsam lieben, kommen sie her, und dann haben wir...

(Zuruf von Peter Ritter, PDS – Heiterkeit bei Siegfried Friese, SPD)

Wir haben 140.000 Betten, die Bayern 600.000.

(Zurufe von Kerstin Kassner, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Also wenn die Bayern zwei bis drei Prozent Steigerung haben – wir beschwindeln uns hier mit diesen Zahlen zum Teil selber. Die Bayern machen sehr viel für ihre Landesidentität. Sie wissen selbst, Herr Ritter, dass 40 Jahre Kommunismus wenig mit mecklenburgischer...

(Angelika Gramkow, PDS: Das fehlte jetzt wirklich noch!)

Wenn es eine Todsünde der Kommunisten gab, dann war es nicht, dass sie manche Werke haben vergammeln lassen –

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Kalksandsteinwerke und Hotels können aufgebaut werden –, sondern was sie im geistigen Bereich, im geschichtlichen Bereich, im volkskundlichen Bereich den Menschen angetan haben, das sind die Sünden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Angelika Gramkow, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Und das sollte ihnen viel häufiger gesagt werden, weil das, was im geistigen Bereich von Kommunisten und was weiß ich von welchen Leuten kaputt gemacht worden ist, das ist das Schlimmste, das kann man nämlich nicht einfach wieder aufbauen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Deshalb sind meine Fraktion und ich dafür – und darüber sollten wir uns einigen, wir werden auch den Antrag einbringen –, dass wir diese Mittel zur Förderung unserer wunderschönen niederdeutschen Sprache einsetzen. Mir tut es jedes Mal weh, wenn ich von der so großartigen Ohnsorg-Bühne in Hamburg höre, die in ihren erfolgreichen Stücken, die im Fernsehen gesendet werden, schon sehr weit weg von der niederdeutschen Sprache ist, und ich gleichzeitig von den existentiellen Problemen unserer Bühnen höre. Da haben wir eine Chance. Diese Chance sollten wir nutzen und da können wir uns auch das von Frau Simonis und der SPD regierte Schleswig-Holstein als Vorbild nehmen. Die machen etwas im niederdeutschen Bereich und hier haben wir ein wunderbares Vorbild.

(Angelika Gramkow, PDS: Die Fritz- Reuter-Bühne ist wirklich auch super.)

Zur Aufhebung der Staatsferne, ein für mich noch viel wichtigeres Problem. Wenn ich Ihnen in den bisherigen aus meiner Sicht falschen Vorschlägen der Beschlussempfehlung noch zugute halten kann, dass man durchaus nicht zu allen fachlichen Fragen die gleiche Meinung haben muss, fehlen mir bei Ihrer Entscheidung die Worte, den Innenausschuss – und jetzt höre man wirklich gut zu, Kollege Böttger hat mich da wirklich noch am besten verstanden, als wir die Anhörung hatten und auch darüber

gesprochen haben – bei der Erstellung der Nutzungspläne als Konfliktgremium einzusetzen. Das ist für mich ungeheuerlich, was da im Ausschuss durchgekommen ist. Ich halte diese Vorgehensweise freundlich definiert für einen Skandal und den durchsichtigen Versuch, parteipolitisch motiviert in die Medienlandschaft unseres Landes einzugreifen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir als CDU machen da nicht mit, und wir würden uns freuen, wenn andere sich im ehrlichen Eingeständnis uns anschließen würden. Machen wir uns doch einmal klar, weshalb wir die Landesmedienanstalt eingerichtet haben. Es geht uns doch um Staatsferne, nicht um Staatsnähe, und dass wieder Parteiideologen oder andere Truppen, egal von welcher Farbe sie sind, diese Dinge bestimmen. Wenn die Volkssolidarität dann die „Rote Morgensonne“ herausbringt, dann wird mit Mehrheit entschieden, die „Rote Morgensonne“...

(Angelika Gramkow, PDS: Es ist wirklich eine Frechheit, was Sie sich hier leisten.)

Das ist keine Frechheit. Sie wissen doch, dass zum Teil so abgestimmt wird. Und dann kommen solche...

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Peter Ritter, PDS: Was hat denn das mit Volkssolidarität zu tun? – Glocke des Präsidenten)

Es können doch Sender errichtet werden, lassen Sie mich mal ein Beispiel bringen. Das lockert die Sache nur auf.

(Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

Ja, es kann auch der Sender „Schwarze Taschen der CDU“ errichtet werden

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der CDU – Gerd Böttger, PDS: Gut, gut.)

oder „Der rote Beutel von Clement“ und „Flugnummer Condor“ oder was weiß ich, das ist doch egal. Und dann werden die Dinge nach vorne geschoben. Es geht mir hier um Ehrlichkeit und diese Ehrlichkeit sollten wir bei diesen Dingen einfach mit beachten.

Es ist eine unglaubliche Errungenschaft im demokratischen Staatswesen, dass wir diese Staatsferne wollen. Natürlich kann es auch zu Konflikten kommen. Aber es kann nicht angehen, dass, wenn Einigung herrscht, dann die Landesmedienanstalt entscheidet, und wenn man uneinig ist, der Innenausschuss sozusagen in Omnipotenz entscheidet. Ich denke, das geht so nicht. Was hier durch SPD und PDS vorgeschlagen wird, ist der Versuch eines ersten Schrittes der parteipolitischen Instrumentalisierung der Medien, und das in einer Phase, in der alle Welt zu Recht davon redet, dass die Parteien sich mehr und mehr aus den Gremien außerhalb des Parlaments zurückziehen müssen. Ich nenne dieses Vorgehen, das in seinen Auswirkungen weit über den Rundfunkbereich hinausgeht, einen dreisten Anschlag auf die politische Kultur Mecklenburg-Vorpommerns.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dies ist Ideologie. Denken Sie bitte daran: Ideologen sind wie schlechte Meteorologen. Ihre Vorhersage war richtig, bloß das Wetter ist falsch. Belegt wird Ihre Absicht dadurch, dass Sie darüber hinaus unseren Vorschlag abgelehnt haben, die Landesregierung aufzufordern, bei den künfti

gen Verhandlungen zu den Rundfunkstaatsverträgen darauf hinzuwirken, dass sich Parteien aus den Rundfunkgremien zurückziehen sollen. Sicher haben Sie Recht, wenn Sie darlegen, dass auch die Parteien einen wichtigen Auftrag in der Gesellschaft haben und eine wichtige gesellschaftliche Gruppe sind. Sicher haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass nicht aufgrund der verschiedenen Affären, die wir in unterschiedlicher Dramatik derzeit in den Parteien erleben, der Versuch unternommen werden darf, Parteien insgesamt zu kriminalisieren und aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzudrängen. Nein, Parteien haben ihre wichtige Aufgabe. Diese wichtige Aufgabe haben sie vor allem hier, und mit hier meine ich unser Parlament.

Und sicherlich haben Sie Recht, dass wir uns über die künftige Rolle der Parteien grundlegend einmal unterhalten müssen, dass wir wahrscheinlich gemeinsam neue Positionen der Parteien im gesellschaftlichen Leben definieren müssen. Aber Sie können doch nicht den Vorschlag, den wir jetzt auf den Tisch legen, damit ablehnen, dass er zwar gut gemeint sei, aber in einem etwas größeren Rahmen später einmal gefasst werden muss. Nein, ich sage, dort, wo wir jetzt handeln können, Zeichen setzen können, gerade jetzt sollten wir diese Zeichen setzen, und ich hoffe, dass Sie seit unseren Ausschussberatungen noch einmal über Ihre Ablehnung unserer Entschließung nachgedacht haben. Ich habe schon den Kollegen Böttger erwähnt, der das nach meiner Meinung relativ wohlwollend aufgenommen hat. Ich hoffe hier auf einen Nachdenkprozeß. Ich hoffe, dass Sie die Kraft finden, bei der Abstimmung unserem Antrag zuzustimmen, und dass wir uns unser Abstimmungsverhalten dann auch noch überlegen können, weil wir sonst gegen den Antrag stimmen müssen –

(Angelika Gramkow, PDS: Keine Erpressung!)

nicht gegen diesen, sondern gegen das Gesetz.

In diesem Kontext möchte ich auf etwas für Politiker zum Schluss Selbstverständliches hinweisen: Der Mensch ist und bleibt, egal in welcher Gesellschaftsform, seit Aristoteles von Natur aus ein Zoon politikon, ein politisches, auf ein Zusammenleben mit seinen Mitmenschen angewiesenes Wesen. Er braucht deshalb beständig Informationen übereinander, Kommunikation miteinander, Toleranz gegeneinander und nicht zuletzt Solidarität zueinander, und dies bitte nicht parteipolitisch geprägt. Ich denke, in diesem Sinne sollte über Medien, über Rundfunkverträge in diesem Landtag und bei uns weiter konstruktiv nachgedacht werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Prachtl.