Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1136 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist damit einstimmig angenommen.
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1141(neu) ebenfalls zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS, bei einer Stimmenthaltung, und der Fraktion der CDU angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SDP – Sicherung der psychotherapeutischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/1135.
Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Sicherung der psychotherapeutischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/1135 –
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Koalitionsfraktionen von PDS und SPD zur Sicherung der psychotherapeutischen Versorgung in unserem Land ist aus Sorge um die Gewährleistung des Rechts auf psychische Gesundheit für jeden in unserem Land lebenden Menschen entstanden.
Mitte Februar diesen Jahres machte die Interessengemeinschaft ärztlicher und psychologischer Psychotherapeuten auf die existenzielle Bedrohung der ambulanten Psychotherapie durch Pressemitteilungen und eine Demonstration in Schwerin aufmerksam. Sie kritisierte vor allem die bestehende Unterversorgung bei ambulanten psychotherapeutischen Leistungen für psychisch kranke Bürger. Aus ihrer Sicht wird der Bedarf in unserem Land zur Zeit nur zu etwa 30 Prozent gedeckt.
Mit besonderem Nachdruck haben die Mitglieder der Interessengemeinschaft jedoch auf die nunmehr seit 15 Monaten zur Diskussion stehende Unterfinanzierung der ambulanten Psychotherapie hingewiesen. Dadurch drohen Praxisschließungen und eine Verschärfung der bereits bestehenden Unterversorgung bei ambulanten psychotherapeutischen Leistungen. Im Interesse des Rechts auf psychische Gesundheit eines jeden, im Interesse der therapiebedürftigen Bürgerinnen und Bürger und im Interesse der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten unseres Landes haben wir diesen Antrag hier gestellt und das Thema in dieses Hohe Haus getragen.
Die Spannbreite des psychotherapeutischen Bedarfs ist groß. Eine Psychotherapie ist erforderlich, wenn Betroffene unter Angst, Panik, Depressionen, mangelndem Selbstvertrauen, Stress, einer Sucht oder Beziehungsproblemen leiden. Auf die eine oder andere Weise zielt jede Psychotherapie darauf ab, neue Einstellungen und Verhaltensweisen zu erarbeiten, die eine bessere Lebensqualität ermöglichen.
Ein wesentlicher Vorteil der Psychotherapie ist der weitgehende Verzicht auf Psychopharmaka, mit denen Störungen zwar verdeckt, aber nicht beseitigt werden können. Vor allem aber trägt die ambulante Psychotherapie dazu bei, dass auf eine stationäre Versorgung mit höheren Kosten verzichtet werden kann. Der volkswirtschaftliche Nutzen liegt ebenso auf der Hand wie der betriebswirtschaftliche.
Ein Blick in die Gesundheitsberichte des Landes Mecklenburg-Vorpommern der letzten zwei Jahre beweist zum einen den steigenden Bedarf an Behandlungen bei psychischen Erkrankungen und zum anderen aufgrund der bestehenden ambulanten Unterversorgung den Anstieg der Krankenhausfälle mit psychischen Indikationen.
So stieg im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Krankenhausfälle wegen psychischer Erkrankungen bei den 15- bis 34-Jährigen um 16,4 Prozent und bei den 35- bis 64-Jährigen um 20,2 Prozent. Es ist nur zu erahnen, wie viele Krankenhausfälle hätten vermieden werden können, wenn eine höhere Praxisdichte eine ambulante Versorgung ermöglicht hätte.
In unserem Land gibt es derzeit 45 ambulante Praxen. Zu meinem Erstaunen entnahm ich dem jüngsten Gesundheitsbericht der Stadt Heidelberg, dass es in dieser 132.300 Einwohner zählenden Kommune 80 ärztliche und 111 nichtärztliche Psychotherapien gibt. Aber die Frage der Praxisdichte steht in Mecklenburg-Vorpommern zur Zeit weitaus weniger als die Existenz der ambulanten Psychotherapie aufgrund der Unterfinanzierung überhaupt.
Die derzeitige durch die niedrigen Honorare hervorgerufene Gefahr der psychotherapeutischen Versorgung hat ihre Vorgeschichte, die zeitlich gesehen in drei Abschnitte unterteilt werden kann. Der erste betrifft den Zeitabschnitt vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, kurz Psychotherapeutengesetz genannt. Um ein solches Gesetz wurde in den alten Bundesländern 20 Jahre gerungen.
Die Psychotherapeuten hatten immer darauf gedrungen, in das System der kassenärztlichen Versorgung gleichberechtigt eingeordnet zu werden. Bis dato gab es die Möglichkeit für psychologische Psychotherapeuten, im Delegationsverfahren über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen oder direkt mit den Patienten im sogenannten Kostenerstattungsverfahren, wobei die Patienten in der Regel die Rechnungen von ihren Krankenkassen erstattet bekommen haben. Das Delegationsverfahren stellte jedoch eine Diskriminierung dar, da die psychologischen Psychotherapeuten entgegen ihrer hohen Qualifikation nicht selbstständig arbeiten konnten, sondern nur unter „Kontrolle“ eines zur Delegation berechtigten Arztes.
Beide Verfahren hatten zur Folge, dass Psychotherapeuten keine Gleichbehandlung unter den Leistungserbringern im medizinischen Bereich erfuhren. Im Psychotherapeutengesetz wurde die Stellung der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten im Gesundheitswesen definiert. Es wurden zahlreiche Vorstellungen und Ansprüche der Leistungserbringer in einen gesetzlichen Rahmen gebracht. Für das Jahr 1999 wurde eine Übergangsregelung zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen bestimmt. Diese Übergangsregelung stellt sozusagen den zweiten Zeitabschnitt der Vorgeschichte der jetzigen Problemlage dar.
Im Artikel 11 des Psychotherapeutengesetzes wird geregelt, wie sich das Budget für 1999 zusammensetzen sollte.
Das Budget für 1999 wird errechnet, indem das Ausgabenvolumen für das Delegationsverfahren über die Kassenärztliche Vereinigung für das Jahr 1996 und das Ausgabenvolumen für die Kostenerstattung der Krankenkassen für das Jahr 1997 plus 40 Prozent addiert und die Grundlohnsummensteigerung eingerechnet wird – diese ist jedoch für Mecklenburg-Vorpommern negativ –,
da der Grundlohn von 1997 und 1998 bekanntlich in unserem Land gesunken ist. Diese Form der Berechnung des Budgets hat folgende Besonderheiten in unserem Land nicht berücksichtigt:
Erstens. Zwischen 1996 und 1999 war die Dynamik der Entwicklung der ambulanten Psychotherapie im Rahmen der ambulanten kassenärztlichen Versorgung größer als in den alten Bundesländern, da Psychologen aus Polikliniken und Beratungsstellen aufgrund der gesetzlichen Lage in die freie Niederlassung mussten, da die Polikliniken geschlossen wurden und die Beratungsstellen laut Gesetz keine Behandlung mehr durchführen durften. Diese Steigerung war in der Budgetberechnung nicht berücksichtigt.
Zweitens. Wie bereits erwähnt, gab es in MecklenburgVorpommern eine negative Grundlohnsteigerung, so dass diese Budgeterhöhung in unserem Land auch wegfiel.
Die gesetzlichen Budgetierungskriterien wurden trotz der mit dem Solidaritätsstärkungsgesetz gegebenen Honorarsteigerungen – und darin besteht der Kern der jetzigen Misere – indes von der Wirklichkeit überrollt. Mithin hat sich herausgestellt, dass die Korrekturregelung des Artikels 11 des Psychotherapeutengesetzes für den Osten untauglich ist. Sie besagt, dass, sofern der Punktwert für psychotherapeutische Leistungen in einer Vertragsregion oder in mehreren derartig verfällt, dass dieser denjenigen für die allgemeinärztlichen Beratungs- und Betreuungsleistungen um zehn Prozent unterschreitet, die regionalen Partner dann gehalten sind, geeignete Maßnahmen zur Stützung des Punktwertes für psychotherapeutische Leistungen zu ergreifen.
Der Punktwert der allgemeinen Beratungsleistungen ist jedoch im Bereich der KV Mecklenburg-Vorpommern so niedrig, dass der erzielte Punktwert eine psychotherapeutische Praxis wirtschaftlich nicht trägt, da diese im Gegensatz zur Allgemeinarztpraxis über keine anderen Abrechnungsmöglichkeiten mit höheren Punktwerten verfügt.
Der dritte in die Betrachtung einzubeziehende Zeitabschnitt ist der gegenwärtige. Im Jahr 2000 gibt es kein gesondertes Budget für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen. Die Vergütung für diese Leistungen ist vielmehr komplett in die Gesamtvergütung für vertragsärztliche Leistungen eingebettet. Den Ausgangsdaten des Jahres 1999 kommt somit eine entscheidende Bedeutung zu, wie die Lasten des Budgets durch die Kassenärztliche Vereinigung durch Umverteilung im Honorarverteilungsmaßstab oder auf die Krankenkassen durch Erhöhung des Budgets verteilt werden. Sie wären trotz ihrer nicht bedarfsgerechten Dimensionierung Basiswerte für eine einheitliche Gesamtvergütung im Jahr 2000.
Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen müssen sich nunmehr darüber
verständigen, wie hoch die Vergütung genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen je Punktwert sein soll. Hierum ist der Streit entbrannt. Wie soll die Lösung der Vergütungsproblematik aussehen? Wie viele Pfennige soll ein Psychotherapeut je Punktwert erhalten? Hierfür gibt es seit August vergangenen Jahres eindeutige Empfehlungen des Bundessozialgerichtes, auch wenn diese sich auf die Situation der Jahre 1994 und 1995 beziehen.
Das Bundessozialgericht legte letztinstanzlich fest, dass im Sinne des Artikels 3 des Grundgesetzes, also im Gleichbehandlungsgrundsatz – die Honorargerechtigkeit unter den Vertragsverhandlern –, eine Honorierung der zeitgebundenen Leistungen und antragspflichtigen Leistungen der Psychotherapien mit einem rechnerischen Wert von zehn Pfennig, also etwa 145 DM pro Sitzung, zu erfolgen habe, da bei diesen Leistungen ein Punktwertverfall nicht durch Mengenausweitung zu kompensieren sei.
Da der Artikel 11 des Psychotherapeutengesetzes – ein Übergangsbudget, wie ich sagte – nach dem 31.12. außer Kraft gesetzt wurde, kann das Urteil des Bundessozialgerichtes für Abrechnungen ab dem 1. Januar diesen Jahres seine Wirkung entfalten. Das Bundessozialgericht räumte ein, dass seine Vergleichsrechnungen noch eher zuungunsten der Psychotherapeuten ausfielen. In der Tat wurden ja die maximal mögliche Leistungsmenge und Honorare beziehungsweise Einkommen der Psychotherapeuten mit den durchschnittlichen Honoraren und Einkommen der Allgemeinmediziner ins Verhältnis gesetzt. Da die Allgemeinmediziner an der unteren Grenze der Einkommen somatischer Mediziner liegen, wäre gegebenenfalls ein Vergleich zwischen den gemittelten Durchschnittseinkommen beziehungsweise Honoraren über alle Ärztegruppen hinweg mit den Durchschnittsvergütungen der Psychotherapeuten angemessen.
Ende Januar diesen Jahres hat das Sozialministerium einen Einigungsvorschlag an die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen gesandt, um die Vergütung genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen in – wie es das Gesetz fordert – angemessener Höhe vorzunehmen. Dieser Vorschlag berücksichtigt unter den im Land gegebenen Umständen auch den Urteilsspruch des Bundessozialgerichtes aus dem vergangenen Jahr.
Insofern unterstützen wir durch den Beschlussantrag an den Landtag auch die Bemühungen des Sozialministeriums zur Sicherung einer angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen. Zugleich fordern wir weiterhin Einflussnahme auf die Verhandlungsparteien, wobei wir sehr wohl zur Kenntnis nehmen, dass davon auszugehen ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung den Einigungsvorschlägen des Sozialministeriums aufgeschlossen gegenübersteht. Ich halte den Einigungsversuch des Sozialministeriums darüber hinaus für eine intelligente Lösung, denn sie geht davon aus, was notwendig ist, damit eine Praxis existieren kann.
Unter den bislang gegebenen Umständen ist eine Praxiszulassung, wie mir jüngst ein Sprecher der Interessengemeinschaft der Psychotherapeuten mitteilte, eine Lizenz zum Bankrott. Würde die jetzige Unterversorgung festgeschrieben, könnten die Versorgungsleistungen nicht aufrechterhalten werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Psychotherapeutisch Behandlungsbedürftige, so zum Beispiel Angstpatienten,
schreien nicht, depressive Suizidgefährdete und Suchtkranke schreien nicht auf, wenn dem Behandlungsbedürfnis nicht entsprochen wird. Für das Lindern der Leiden dieser Menschen tragen wir politische Verantwortung, indem wir Rahmenbedingungen einfordern beziehungsweise schaffen, unter denen ihnen medizinisch geholfen werden kann. Der Mensch ist eine Einheit von Körper und Seele. Wenn etwas die Seele bedrückt, wird über kurz oder lang auch der Körper somatisch krank. In der Folge sind medikamentöse und orthopädische Behandlungen notwendig.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes grundsätzlich sagen: Die Medizin muss allen Menschen im jeweilig erforderlichen Umfang und in gleicher Qualität helfen können. Die Betrachtung der Gesundheit als Ware, die Gewährung medizinischer Leistungen in Abhängigkeit von individueller Zahlungsfähigkeit zerstören eine Absicherung aller bei Krankheit beziehungsweise führen zur Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen aus einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung. Die Frage nach der Gesundheit ist deshalb Teil der sozialen Frage. Ihre Lösung verlangt staatliche Daseinsfürsorge sowie den Solidarausgleich aller. Das Gesundheitswesen ist wichtiger Teil des Sozialstaates und braucht deshalb eine entsprechende Gestaltung, Regulierung und Steuerung. Das gilt auch für die Korrektur grundlegender Fehlentwicklungen. Sie sind nicht allein von den Krankenkassen, auch wenn diese im Antrag besonders angesprochen sind, aber schon gar nicht vom Markt allein zu erwarten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag gibt mir Gelegenheit, hier im Parlament auf ein wichtiges Problem der medizinischen Versorgung in unserem Lande einzugehen. Wegen der äußerst prekären Lage der Psychotherapeuten hat das Sozialministerium seit Wochen intensive Kontakte zu allen Verfahrensbeteiligten, also den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und zu den Verbänden der Psychotherapeuten.
Um die Vereinbarung angemessener Honorare gemäß Psychotherapeutengesetz zu erzwingen, haben wir im Herbst 1999 das Schiedsamt angerufen. Ein Schiedsspruch, der mit der AOK...