Wenn Sie eben definieren, dass Sie mehr Zuständigkeiten im Umweltbereich oder im Baurecht heruntergeben wollen auf die Landkreise – und Sie wollen dann noch weiter etwas runterdelegieren auf die Ämter –, dann müssen Sie die Verwaltungseinheiten eben so schneiden, dass sie das auch leisten können.
Ich habe mit großem Interesse in den letzten Tagen eine Meldung von Herrn Professor Dieter Schröder, den ich auch einigermaßen kenne, vernommen. Wer zu den Zahlen kommt, Einsparungen von 250 bis 300 Millionen DM per anno jährliche Kosten zu erreichen durch eine Gemeindegebietsreform, der ist nicht mal mehr fähig, die vier Grundrechenarten hinreichend auszuüben. Ich habe ungefähr 100 Ämter in diesem Land und um etwas anderes kann es ja wohl nicht gehen. Da muss ich auch an Sie,
Herr Müller und Frau Schulz, die Frage stellen: Warum ist bei den fünf kommunalen Vertretern, die Sie für die Kommission vorschlagen, nur ein Bürgermeister dabei, wenn Sie, wie Sie das ja ausgeführt haben, sich insbesondere um Gemeindestrukturen kümmern wollen? Wenn es um eine Gemeindegebietsreform gehen soll, so, wie Ihr Antrag dies formuliert, dann gehören doch insbesondere die Betroffenen dazu.
Wissen Sie, wenn Sie das wirklich ernst meinen mit dem Sachverstand, dann können Sie nicht nur einen ehrenamtlichen Bürgermeister benennen. Ich sage das hier: Funktionäre von kommunalen Landesverbänden können durchaus andere Erfahrungen und Auffassungen haben als die, die das vor Ort in der kommunalen Praxis machen müssen.
Ja, ja, es ist ja ehrenwert, dass Sie das parteipolitisch schön gestreut haben. Es ist auch ehrenwert, dass Sie einen Oberbürgermeister dabei haben. Es ist auch ehrenwert, dass Sie zwei hauptamtliche Bürgermeister dabei haben, dass Sie Herrn Hünnecke dabei haben, der eine geschäftsführende Gemeinde leitet. Aber ich denke: Wo bleiben die Amtsvorsteher, wo bleiben die Ehrenamtler in dieser Kommission?
(Gabriele Schulz, PDS: Reden Sie doch die Sache nicht schon klein, bevor wir ange- fangen haben, an der Sache zu arbeiten. – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)
Ich rede sie doch nicht klein. Das hat doch nichts mit undifferenzierter Ablehnung zu tun. Wissen Sie, wir wollen das Ziel schon wissen.
Eins ist für mich auch dieser Antrag – ein Armutszeugnis für die Landesregierung. Das ist für mich schlichtweg ein Armutszeugnis, das Sie hier ausstellen. Denn als wir das 1996 mit Zustimmung der SPD auf den Weg gebracht haben, die Hochzeitsprämie ausgelobt haben, weil wir gar nicht wussten, wie die Entwicklung sein würde, da gingen alle Hände in diesem Landtag hoch. Aber heute dies so zurückzudrehen, dass sich Gemeindefusionen gar nicht mehr lohnen, dann noch zu sagen, wenn Ihr den Verwaltungshaushalt nicht ausgeglichen habt, dann müsst Ihr das erst mal zur Schuldentilgung nehmen, und dann zu sagen, aber ihr kriegt nur dann 900.000 DM, wenn ihr eine Einheitsgemeinde bildet – denn das ist die Quintessenz –, dann frage ich mich, Herr Müller, und dann sagen Sie es: Wo soll dieser Weg hinführen? Wir haben heute eine Struktur und ich brauche keine Enquetekommission dazu, um zu sagen, wo die Problembereiche sind, die echten, wo die Einwohnerzahlen zu niedrig sind. Da können wir uns auch beide eine Karte nehmen und draufgucken.
Und ich bin ja als Zeuge von Herrn Innenminister Timm in der Pressekonferenz genommen und genannt worden.
Und auch deswegen gehe ich noch mal darauf ein, Herr Müller. In einer Einheitsgemeinde ist es mehr als problematisch. Mit 23 Ortsteilen und sieben Gemeinden fehlen schon aus drei Gemeinden Kommunalvertreter und Ortsteile sind nur noch sechs vertreten.
Das ist mehr als ein Problem. Und das kriegen Sie auch nicht behoben, über den Weg – ich bin sofort fertig –, den Sie vorgeschlagen haben. Ich warne ganz erheblich davor zu meinen, dass Ortsbeiräte, die letztendlich nichts zu entscheiden haben, weil sie keine Haushaltshoheit haben, sie können nichts mehr bewegen, diesen Weg gehen zu einer reinen stringenten Einheitsgemeinde. Ich sage Ihnen, was in der Stadt Marlow bisher gespart worden ist:
Sechs Haushalte sind gespart worden, wir haben nur noch einen. Dieser Haushalt ist aber in der Summe genau so dick und wir haben nicht eine Stelle gespart. Ich sage es auch noch mal, was ich Ihnen schon mal in Barth gesagt habe: Eins können wir einsparen, und zwar vier Feuerwehren nach dem Brandschutzgesetz, denn wir brauchen in einer Gemeinde nur eine Feuerwehr, bloß das kann nicht Ziel und Zweck sein. – Danke.
Ja, Frau Präsidentin, ich hatte um das Wort gebeten, nicht, um eine Zwischenfrage an den Kollegen Rehberg zu stellen, sondern um hier noch einige wenige Sätze zu ihm zu sagen, hatte ich mich gemeldet. Vielen Dank für das Wort.
Zunächst, Herr Rehberg, das ist, glaube ich, ein Missverständnis. Herr Hünnecke ist nicht Bürgermeister einer geschäftsführenden Gemeinde.
Da werfen Sie etwas durcheinander. Die geschäftsführende Gemeinde ist in unserer Kommunalverfassung eine Institution, eine Rechtsform, in der das Amt kein eigenes Personal beschäftigt, sondern das Amt überträgt die Aufgaben der Verwaltung per Vertrag auf eine amtsangehörige Gemeinde. Das Verwaltungspersonal ist dann nicht beim Amt angestellt, sondern bei dieser Gemeinde, aber dieses Personal erledigt die Aufgaben für die amtsangehörigen Gemeinden mit. Das heißt nach unserer Kommunalverfassung „geschäftsführende Gemeinde“. Hier aus der Gegend fällt mir als erstes Neustadt-Glewe ein, weil ich da mal gewohnt habe. Dort gibt es das.
Herr Hünnecke ist eben nicht Bürgermeister einer solchen geschäftsführenden Gemeinde, sondern wir haben hier etwas ganz anderes. Und das macht Herrn Hünnecke für uns und für die Enquetekommission so ungeheuer interessant. Wir haben hier nämlich ein Modell, dass ein Amt nicht mehr existiert, weil alle ehemals amtsangehörigen Gemeinden sich zu einer Gemeinde zusammengeschlossen haben. Es gibt also kein Amt mehr und es gibt
dementsprechend auch keine geschäftsführende Gemeinde. Und Herr Hünnecke ist nicht Bürgermeister einer geschäftsführenden Gemeinde, sondern er ist Bürgermeister dieser jetzt erheblich größeren Gemeinde, die alle ehemals selbständigen Gemeinden des Amtes umfasst. Und weil er eine solche Funktion hat in einer Gemeinde, von der man sagen kann, das ist für manche ein Modell, das ist ein Modell, über das man reden muss, deswegen sitzt Herr Hünnecke nach unserem Vorschlag – es ist ja bislang nur ein Vorschlag – in dieser Kommission, weil wir von seinen Erfahrungen zehren möchten. Dass Herr Hünnecke nebenbei Mitglied der FDP ist, das wissen wir, und ich sage ganz klar: Das kommt uns durchaus entgegen, denn – wie Kollege Böttger gesagt hat – wir wollen hier gar nicht stramm parteipolitisch ausrichten, sondern wir wollen versuchen, einen möglichst breiten Konsens zu erreichen. Und wenn jemand gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe sozusagen schlägt, dann ist uns das sehr angenehm. Und so ein Fliegenschläger ist auch der Herr von der Wense, denn erstens gehört er der CDU an, zweitens ist er Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt und drittens kommt er aus Vorpommern. Letzteres ist für mich natürlich besonders wichtig,
weil ich denke, wir sollten diesen Landesteil nicht völlig außen vor lassen. Und so haben wir unseren...
aber er ist seit Jahren in Vorpommern tätig. Von daher gehe ich davon aus, dass er die Probleme dieses Landesteils besser kennt als jemand, der sich immer nur in Ludwigslust aufhält.
Also wenn wir hier fünf Kommunalpolitiker vorgeschlagen haben, dann haben wir versucht, bei jeder dieser Personen zu erreichen, dass sie möglichst mehrere Dinge gleich mit abdeckt. Dabei hatten wir natürlich auch den Gedanken im Kopf, dass eine solche Enquetekommission, was ihre Zahl angeht, nicht zu groß werden darf. Eine Kommission, die eine bestimmte Größe überschreitet, ist nicht mehr arbeitsfähig. Und das ist ja genau das, was bei dieser Kommission herauskommen soll: Sie soll etwas erreichen Deshalb brauchen wir arbeitsfähige Strukturen, und deshalb dieser Vorschlag so, wie wir ihn gemacht haben.
Nächster Punkt – die Ortsbeiräte. Ich habe gesagt, für mich ist zu überlegen, ob Ortsbeiräte und die Verstärkung der Ortsbeiräte eine Brücke sein kann. These heißt Streitsatz, heißt, noch nicht erwiesen. Ich möchte als These formulieren, dass diese Einrichtung – aber nicht so, wie sie jetzt in der Kommunalverfassung steht, deswegen habe ich auch gesagt, die Enquetekommission soll dazu was sagen – ausgestattet mit erheblich mehr Rechten und unmittelbar von der Bevölkerung gewählt – das ist, glaube ich, ein entscheidender Punkt – sehr wohl eine Brücke sein kann, nicht in jedem Fall sein wird, aber ganz sicher eine Brücke sein kann. Und deswegen möchte ich dieses in der Enquetekommission diskutieren.
Vorletzter Punkt: Stellen. Sie sagten, es fallen keine Stellen weg, sondern es fällt nur die Feuerwehr weg. Also, Herr Rehberg, der Versuch ist billig. Sie versuchen, hier schon wieder den Horror aufzumachen und jeder ehrenamtlichen Feuerwehr – davon gibt es glücklicherweise sehr viele im Land – zu sagen: Also wenn die SPD und die PDS sich mit ihren Plänen durchsetzen, dann machen wir euch hier die Feuerwehr dicht. Das ist die typische Politik von Angstmache.
Das ist die typische Politik, die nicht an Lösungen interessiert ist, sondern nur parteipolitische Polemik sieht, denn das ist Quatsch. Es geht nicht darum, gesellschaftliches Engagement in unseren Dörfern kaputtzumachen, sondern es geht darum, diesem gesellschaftlichen Engagement auch einen hauptamtlichen Teil kommunaler Verwaltung an die Seite zu stellen, die in der Lage ist, ehrenamtliches Engagement zu stärken und zu fördern. Zu Ihren Ausführungen, es fällt keine Stelle weg: Ich kann mich zu Marlow nicht äußern, weil ich es aus der Nähe nicht kenne, aber ich weiß, dass es Ämter gibt, die haben 20 Gemeinden zu versorgen mit Verwaltungsleistungen. Da werden 21 Haushalte gemacht, 20 Gemeindehaushalte und ein Amtshaushalt.
21-mal muss ein Mitarbeiter einen Entwurf machen, und 21-mal muss dieser Entwurf mit den Leuten diskutiert werden,
und 21-mal geht er wieder zurück und man arbeitet Änderungsvorschläge ein, und 21-mal wird ein zweiter Entwurf ausgedruckt, und 21-mal wird ein zweiter Entwurf an einem Abend diskutiert, und 21-mal wird er dann beschlossen, und 21-mal wird er dann – womöglich haben wir beim zweiten Mal noch ein paar Änderungen – noch mal ausgedruckt, und 21-mal wird er veröffentlicht und dann gibt es 21 Haushaltsüberwachungslisten und 21 Kontenführungen. Und so könnte ich noch ein bisschen weiter machen und Sie mit der Zahl 21 nerven. Ich habe das nicht vor. Aber schauen Sie in die Verwaltungen. Hier ist nervender Verwaltungsaufwand und vor allen Dingen ist es Verwaltungsaufwand um des Verwaltungsaufwands willen, denn wenn bei den 21 Gebietskörperschaften etwas herauskäme, was wirklich im Interesse der Bürger ist, dann wäre ich damit ja ganz und gar einverstanden. Aber wenn, wie Herr Schoenenburg zutreffend festgestellt hat, in vielen Fällen, diese ihre Kreisumlage zahlen, ihre Amtsumlage zahlen, ihre Sitzungsgelder zahlen, ihre Straßenbeleuchtung zahlen und dann ist es alle, auf deutsch gesagt, was brauche ich dann diese 21 Haushalte und 21-mal diesen Aufwand? Dann mache ich das einmal. Und wenn ich vom schlanken Staat rede, dann sage ich Ihnen mit einem alten Wort von Bertolt Brecht: „Die Wahrheit ist konkret.“ Dann fangen Sie mit dem schlanken Staat bitte ganz konkret an, und zwar hier.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1136 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist damit einstimmig angenommen.