Herr Riemann, lassen wir Fakten sprechen. Ich meine, Zahlen sind unbestechlich, Herr Riemann. Das sind seriöse Zahlen von entsprechenden Forschungsinstituten und so weiter, die letztendlich auch nie in Abrede gestellt worden sind.
Von 2001 bis 2005 werden bei einer Gesamtentlastung von 44 Milliarden DM 14 Milliarden DM Entlastung auf den Mittelstand, 7 Milliarden DM auf Großunternehmen und 23 Milliarden DM auf die Privathaushalte entfallen. Das sind die Fakten und so muss man das entsprechend einordnen.
Meine Damen und Herren! Zum Schluss will ich noch auf einen Punkt eingehen, der von der Börse sehr begrüßt worden ist.
Ich möchte zum Schluss hier noch auf einen Punkt eingehen, der von der Börse zum Jahresende sehr begrüßt worden ist, aber auch viel Kritik herausgefordert hat. Ich meine die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus inländischen Beteiligungen. Dafür sprechen zwar
steuersystematische Gründe, denn im Rahmen der Körperschaftssteuer sollen Gewinne nach Möglichkeit nur einmal versteuert werden. Aber vor allem geht es um das Ziel, wie es so schön heißt, Bewegung und Dynamik in die deutschen Unternehmensbeteiligungsgeflechte zu bringen. Die „Frankfurter Rundschau“ vom 26. Februar 2000 titelt dazu: „Bundesregierung will den Turbokapitalismus mit weiterem Treibstoff versorgen.“ Ich persönlich stehe dieser geplanten Steuerbefreiung auf Veräußerungsgewinne sehr kritisch gegenüber,
weil nämlich inzwischen klar geworden ist, dass es ein überflüssiges Steuergeschenk in Höhe von circa 10 Milliarden DM im Zeitraum von 2001 bis 2004 sein wird. Steuermindereinnahmen in dieser Größenordnung werden in den Haushalten des Bundes und der Länder schmerzhaft fehlen. Dieses Geld könnte zum Beispiel sehr gut für öffentliche Investitionen ausgegeben werden zum schnelleren Ausbau des Schienen- und Straßenverkehrs in Deutschland.
Die Annahme – und liebe Kollegen von der CDU, in diesem Fall kritisiere ich etwas, was im Gesetzentwurf der SPD steht, das müsste eigentlich Ihren Vorstellungen entsprechen –,...
... dieses Steuergeschenk bringe neben Schwung in die Wirtschaft auch zusätzliche Arbeitsplätze, ist sehr unwahrscheinlich aus meiner Sicht, weil sie letztendlich auf dem Prinzip Hoffnung basiert, denn es gibt noch nicht einmal ein billiges Versprechen der Wirtschaft, das auch einzuhalten. Überflüssig ist dieses Steuergeschenk deshalb, weil das große Kaufen und Verkaufen schon längst begonnen hat. Einige Beispiele: Siemens trennte sich seit 1997 von 24 inländischen Industriebeteiligungen, die Deutsche Bank verkaufte im gleichen Zeitraum 10 inländische Pakete und kaufte 13 deutsche und 20 ausländische Unternehmen, der Hoechst-Konzern verkaufte für 3 Milliarden DM den Lackhersteller Herberts an den US-Riesen Dupont und ich könnte weitere Beispiele nennen.
Von daher, meine ich, brauchen wir einen Prozess, der sowieso abläuft, nicht noch mit Steuergeschenken weiter zu forcieren. Außerdem ist es ungerecht – und da begebe ich mich möglicherweise auf eine CDU-Position –, dass Personenunternehmen von dieser Steuersenkung ausgenommen sind. Wenn es – und das sage ich in aller Deutlichkeit – hier nicht zu einer Gleichbehandlung kommt, dann müsste man tatsächlich an dieser Stelle zumindest von einer Benachteiligung des Mittelstandes sprechen. Nun muss man sehen, wie das weiter verhandelt wird.
Meine Damen und Herren! In dieser Woche begann im Finanzausschuss des Bundestages die Anhörung zum Gesetzentwurf der Unternehmenssteuerreform. Herr Nolte, es ist also doch noch ein gewisser Prozess, der dort abläuft.
(Georg Nolte, CDU: Sie kennen ja den Terminplan. – Wolfgang Riemann, CDU: Da kriegt Eichel aber richtig das Zittern!)
Dabei, da bin ich mir sicher, werden noch einmal alle Argumente geprüft. Na ja Gott, ich bin da in guter Gesellschaft mit Heide Simonis zum Bespiel, die davon gesprochen hat, wenn überhaupt eine Absenkung, dann nur auf 20 Prozent, aber keine Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen. Ich bin mir sicher, dass man alle Argumente auch noch einmal prüfen wird und auch Änderungen im Detail sicherlich im Ergebnis herauskommen werden. Aber ich bin mir sicher, dass die grundsätzliche Richtung nicht mehr korrigiert wird, auch wenn es jetzt mal eine CDU-Bundesratsmehrheit gibt, das ist schon klar. Dank der FDP und dank Koch in Hessen ist das ja noch so. Von daher werden wir sicherlich auch mit Kompromissen an der einen oder anderen Stelle leben müssen.
Nur eins, liebe Kollegen von der CDU, ist natürlich auch klar, eine Blockade von der CDU kann ich mir nun überhaupt nicht vorstellen in dieser Sache.
Ich meine, da ist schon ganz schön Druck im Kessel. Und die Vereinigung der bayrischen Wirtschaft – bekannterweise nicht unbedingt der SPD nahestehend – hat an Herrn Nolte, an den Vorsitzenden des Finanzausschusses, geschrieben
und ich zitiere nur ganz kurz: „Keinesfalls darf es bei der Reform und der Unternehmenssteuerreform erneut zu einer Blockade kommen.“
(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Georg Nolte, CDU: Machen wir ja nicht. Das habt Ihr gemacht in der letzten Legistlatur, mit Erfolg.)
Und jetzt komme ich noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Mit Ihrem heutigen Antragstext – das muss ich mal so sagen – kann man nun wirklich gar nichts anfangen. Und wenn man schon dieses komplizierte Thema zukünftig niveauvoll diskutieren muss, dann lassen Sie sich derweil doch niveauvollere Antragstexte einfallen.
(Wolfgang Riemann, CDU: Begründen kann er das aber nicht, warum er mit unserem Antragstext nichts anfangen kann. – Zuruf von Georg Nolte, CDU)
Herr Borchert, Sie haben immer wieder den Begriff gebraucht und haben das so als Gütesiegel der rot-grünen Steuerreform umgehängt, und zwar das sei „europatauglich“. Können Sie uns das einmal erklären. Das ist nämlich sehr überraschend, weil alle sagen, dass dieser Weg, der da gegangen wird, in Europa so nicht akzeptiert wird, denn gucken Sie sich mal den Euro an. Also was ist europatauglich an dieser rot-grünen Reform?
Ja, Frau Finanzministerin, ich sehe wieder Ihre Unmutsfalten. Das ist immer so, wenn man Ihnen widerspricht. Dann sind Sie immer ganz böse oder sie lachen. Sie sind das nicht gewöhnt.
Die Frage ist ja zu beantworten. Es geht hier praktisch um einen Systemwechsel. Wissen Sie, Herr Jäger, das Vollanrechnungsverfahren, was wir bisher haben, das ist in einer Zeit entstanden, da hatten wir eine binnenorientierte Wirtschaft. Da war das sicherlich auch zeitgemäß. Nur die Zeiten haben sich gewandelt und es wäre gut, wenn Sie auch mal zur Kenntnis nehmen würden, dass dieses, ich sage jetzt mal, einfach nicht mehr zeitgemäße Vollanrechnungsverfahren einfach nicht mehr europatauglich ist. Ich habe schon darauf verwiesen, dass nur noch Italien das in ähnlicher Weise macht. Die Wirtschaft ist dermaßen internationalisiert, dass es keinen Zweck hat, ein System, was möglicherweise in deutschen Grenzen noch sinnvoll ist, weiter vor sich herzutragen und zu verteidigen wie eine heilige Kuh. Das kann doch nicht funktionieren, Herr Jäger.
Wenn das der Hintergrund war – Sie haben das übrigens an alle Passagen angehängt und nicht nur bei dieser konkreten Sache – und wenn dies die Begründung ist für europatauglich, dann frage ich Sie: Stehen Sie noch zur Gewerbesteuer?
Sie sind meines Wissens auch Kommunalpolitiker. Das ist ja auch bekannt. Sind Sie sich darüber im Klaren, was es in der jetzigen Situation bedeuten würde, wenn man an die Gewerbesteuer herangehen würde?