Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Zählen Sie mal die Reihen der CDU durch! Drei, vier, fünf. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber der Arbeitsminister ist da. )

aber das erinnert mich ein bisschen daran, dass jeder, der mal im Hotel gewesen ist, behauptet, er ist ja auch ein Tourismusexperte. So geht das sicherlich nicht. Also insofern glaube ich in der Tat, dass dieses Thema eine etwas andere Stellung in unserer Landtagssitzung verdient hätte,

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

weil ich es wirklich für Mecklenburg-Vorpommern als ein ganz wichtiges Thema empfinde.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Seidel, warum haben Sie es nicht beantragt?)

Meine Damen und Herren, zunächst einmal will ich darauf eingehen, dass alle Regierungen, egal von welcher Farbe sie herkommen, in Mecklenburg-Vorpommern daran gearbeitet haben,

(Andreas Bluhm, PDS: Alles Autofahrer bei der CDU.)

einen möglichst großen Anteil an der prognostizierten, dynamischen Entwicklung im baltischen Raum zu erhalten und für Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. Und die Entwicklung wurde immer damit begründet, dass ja die zunehmende Öffnung gen Osten in der Tat für dieses Land eine Möglichkeit ergeben würde, sozusagen – und jetzt verwende ich auch das Wort, was hier heute schon einmal gefallen ist – als Drehscheibe zu fungieren und daraus letztlich wirtschaftliche Effekte abzuleiten.

Und, Herr Ritter, wenn ich von den Regierungen spreche, dann will ich Ihnen mal sagen, dass wir eben in der Tat – das stimmt, da haben Sie völlig Recht – ja gesagt haben zum Transrapid. Das ist ein entscheidendes Stück eines Verkehrskonzeptes, wenn man an die Schnellverkehre denkt. Wir haben ja gesagt zur A 20, völlig klar. Ich glaube, Sie sagen inzwischen auch ja zur A 20 und schneiden die Bänder durch, wenn ich das richtig sehe.

(Peter Ritter, PDS: Ich werde wohl kein Band durchschneiden.)

Ja, ob Sie, das ist ja in dem Fall völlig unwichtig.

(Peter Ritter, PDS: Das habe ich doch gerade angesprochen.)

Dann müssen Sie mal Ihren Salto mortale den Menschen im Lande erklären, den Sie da vollzogen haben.

(Beifall Harry Glawe, CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, na, na! Das war aber jetzt gerade ganz böse.)

Und ich will Ihnen auch sagen, das der ÖPNV-Landesplan eben auch von einem CDU-Minister in dem Fall gemacht worden ist. Übrigens hat er damit heute große Probleme, weil er natürlich dann auch vertreten muss, was da

an Prüfungen im Hinblick auf einige Strecken im Lande letztlich an Ergebnissen gekommen ist.

Meine Damen und Herren, wenn ich sage, dass alle Regierungen sich bemüht haben, Mecklenburg-Vorpommern als eine Verkehrsdrehscheibe zu entwickeln, dann gehört natürlich dazu, dass die Häfen ausgebaut wurden. Ich freue mich ja, wenn der Ministerpräsident diese Entwicklung immer so vor sich her trägt, dann muss er bloß dazu sagen, das war das Bemühen aller Regierungen bisher. Das ist, glaube ich, fair, wenn man das sagt, denn die, ich glaube, über eine dreiviertel Milliarde Fördermittel sind ja nun nicht im letzten Jahr geflossen, sondern sie sind über Jahre kontinuierlich in die Häfen investiert worden und Gott sei Dank zeigt diese Entwicklung auch ihre Früchte. Der Fährverkehr hat sich entwickelt, die Hinterlandanbindungen unserer Häfen werden schrittweise verbessert.

Wir sind noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Und wenn die A 20 hier genannt wird, dann eben auch deshalb, weil sie in dieser Funktion als Hinterlandanbindung für die Häfen von ganz besonderer Bedeutung ist. Das Maßnahmeprojekt Deutsche Einheit Nummer 1, in der Tat, ging über die Jahre nicht so, geht auch heute nicht so, wie wir uns das alle wünschen. Hier muss man halt sagen, da waren gemeinsame Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt, eine Beschleunigung zu erreichen. Und dazu gehört eben dann, dass man ein Transrapidprojekt in dieses Konzept setzt, weil das eine ideale Gelegenheit war für ein Flächenland, was ansonsten eben weniger Chancen hat, im Schnellverkehr tatsächlich die Verbindung in das deutsche Schnellbahnnetz zu erreichen.

(Peter Ritter, PDS: Und wie kommt die Frau aus Malchin zum Transrapid?)

Wie stellt sich aber nun die sozusagen verkehrspolitische Großwetterlage dar? Ich will das nur mal nüchtern schildern und ich bitte Sie auch, sich vielleicht ein bisschen zu lösen von einzelnen Strecken. Ich will nur mal sagen, wie meine Eindrücke sind, eben auch nach einer Diskussion, die gerade jetzt sehr intensiv im Wirtschaftsausschuss gelaufen ist.

Erstens. Westlich unserer Landesgrenzen, konkret in Schleswig-Holstein, wird sehr intensiv über eine feste Fehmarnbelt-Querung diskutiert, was natürlich Verkehre insbesondere aus den südlichen Bereichen anziehen würde. Und wenn man hier meint, eine privatwirtschaftliche Lösung zu finden, so sprechen die Experten davon, dass mindestens 1,9 Milliarden DM – die Zahl ist gefallen – im Vorfeld dieser dann privatwirtschaftlichen Lösung durch den Staat realisiert werden müssten, nur auf deutscher Seite.

Zweiter Punkt. Im Osten kann man doch nicht übersehen, dass es deutliche Bemühungen gibt, Achsen aufzubauen, die auch aus Deutschland Verkehre über Berlin nach Stettin in den Baltischen Raum an sich ziehen sollen. Da kann man ja im Moment noch sagen, das Geld fehlt, aber bitte, denken Sie alle daran, das Ziel-1-Gebiet wird demnächst, keiner weiß genau wann, auch in Polen dazu führen, dass entsprechende Mittel vorhanden sind.

Drittens. Die Deutsche Bahn AG macht in Mecklenburg-Vorpommern von sich reden, allerdings im Hinblick auf Einsparungen, auf Sanierungsbemühungen. Und, Herr Ritter, da unterscheiden wir uns jetzt, die Bahn kann man überhaupt nicht dafür kritisieren, dass sie Einsparungen

vornehmen will und für meine Begriffe auch muss, dass sie sanieren will. Das ist sozusagen so, wie den Sack zu schlagen, wenn man den Esel meint. Wenn Sie hier jemanden kritisieren wollen, dann müssen Sie den Bund kritisieren,

(Angelika Gramkow, PDS: Hat er doch gemacht.)

denn – darauf komme ich noch mal – der hat den Infrastrukturauftrag. Und ich werde Ihnen auch noch mal die Stelle nennen, die in der Verfassung dafür vorgesehen ist. Also wenn der Herr Mehdorn sagt, er will sich mehr auf die Märkte konzentrieren, was aus seiner Sicht, ich wiederhole das, verständlich ist, dann weiß man aber, welche Schwierigkeiten dadurch für Mecklenburg-Vorpommern entstehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau das.)

Meine Damen und Herren, ich gehe weiter in dem Bild. ICE-Verbindungen sind zumindest für unser Land fraglich, ich will das gar nicht in Abrede stellen, dass es Bemühungen gibt, aber sie sind fraglich. Und wenn Herr Klimmt davon spricht, dass die ICE-Verbindung Hamburg–Berlin bis zum Jahr 2005 mit ungefähr 1 Milliarde DM realisiert werden soll, dann wird ihm sofort widersprochen durch den Herrn Professor Mnich, den Chef vom Institut für Bahntechnik, der dann sagt, nein, sehr verehrter Herr Politiker, das sind 6,7 Milliarden DM und allein die Bauzeit wird zehn Jahre dauern und wir reden noch gar nicht von der Planung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das zum Kapitel Träume.)

Meine Damen und Herren, ich will nur am Rande erwähnen, dass natürlich auch die Ökosteuer zu diesem Thema gehört, aber das will ich aus Zeitgründen jetzt mal weglassen.

Also, ich glaube, Sie können doch ganz leicht nachempfinden, dass man gar nicht unbedingt Opposition im Lande sein muss, um sich Sorgen zu machen gerade im Bereich der Verkehrspolitik in Mecklenburg-Vorpommern. Und in der Tat fällt es schwer, ein klares Konzept der Landesregierung zu erkennen, das wir ja deshalb einfordern, weil man, wie ich finde – und das habe ich selbst durch – in den Verhandlungen überhaupt keine Chance hat, wenn man nicht wirklich eine klare Linie verfolgt. Und die vermissen wir im Moment.

Und, meine Damen und Herren, wir sind eben ein Flächenland – das müssen wir konstatieren – und wir haben leider nach wie vor eine zurückgehende Bevölkerungszahl, so dass also nicht zu unterschätzende objektive Kriterien es sehr schwer machen, einen effizienten Verkehr in Mecklenburg-Vorpommern zu organisieren.

Nun will ich mal versuchen, ein paar Mindestforderungen zu formulieren, die, wie ich finde, in ein solches Konzept hineingehören würden:

Erstens. Nachdem uns nun der Transrapid davongeschwebt ist, brauchen wir in der Tat eine ICE-Strecke von Hamburg nach Berlin, welche es denn nun auch immer sein soll. Es ist ja schwer, sich da heute festzulegen. Man muss da wirklich noch mal die Entwicklung ein Stück abwarten. Und deswegen glaube ich auch, sollten wir uns nicht nur – übrigens, das ist inzwischen auch die Meinung der IHK – auf Ludwigslust kaprizieren, man muss auch Überlegungen anstellen, was denn ist, wenn Wittenberge der Haltepunkt wird. Im Übrigen muss man klar sagen,

dass das natürlich kein Ersatz ist für das, was wir einmal angestrebt haben. Das muss man nüchtern und deutlich sagen. Es ist höchstens die drittbeste Lösung.

Zweitens. Es muss uns dann gelingen, eine solche ICETrasse an Rostock und Schwerin anzubinden. Ich könnte mir vorstellen, dass man hier über das Maßnahmeprojekt Deutsche Einheit Nummer 1 Möglichkeiten hat, aber, wie gesagt, auch das gehört zu diesem Konzept.

Drittens. Es ist notwendig, die Strecke Rostock-Berlin zu ertüchtigen – das sagte die Finanzministerin –, um wettbewerbsfähige Zeiten zu erreichen. Wir können uns jetzt über vier oder drei Stunden streiten, aber solange ich mit dem Auto deutlich schneller bin, wird das Verkehrsmittel Bahn eben nicht in ausreichender Zahl genutzt. Und nun höre ich vom Wirtschaftsminister, dass der Bund dafür 800 Millionen DM bereitstellen müsste. Ja Gott, dann muss es unsere Forderung sein, dann müssen wir sie klar und deutlich formuliert Herrn Klimmt auf den Tisch legen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, Sie hätten schon Gelegenheit dazu gehabt.

Viertens. Wir müssen ganz klar die Bemühungen in Schleswig-Holstein zum Aufbau einer festen Fehmarnbelt-Querung ablehnen, zumal sie auf zweifelhaften Berechnungen basieren, denn nach meiner Kenntnis ist ein Kosten-Nutzen-Faktor von unter 1 dort ausgewiesen und alle wissen, dass zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan ein Kosten-Nutzen-Faktor von 3 als Mindestforderung gestellt wird. Also kann eigentlich überhaupt nicht über dieses Projekt geredet werden. Und im Übrigen will ich auch feststellen – und das ist auch ein wichtiges Argument, wie ich finde –, dass, wenn es – nun stellen wir es uns mal vor – zu einer solchen festen Fehmarnbelt-Querung käme, die ursprünglich einmal ausgewiesenen Kosten-Nutzen-Faktoren bei den Maßnahmen, die jetzt bei uns im Lande realisiert wurden, sich dann deutlich verändern würden. Und das kann ja wohl nicht richtig sein, dass man sozusagen mit öffentlichem Geld Maßnahmen, die durch öffentliches Geld entstanden sind, in einer Weise konterkariert, dass es dann auch ein beziehungsweise offensichtlich das strukturschwächste Land in Deutschland treffen würde.

Und fünftens, meine Damen und Herren, in der Tat halte ich eine Diskussion über den ÖPNV-Landesplan für erforderlich. Frau Ministerin sagte, dass der fortgeschrieben werden soll. Man muss, finde ich, darüber reden – das haben wir heute zum Beispiel auch getan –, ob der bisher immer wieder in den Mittelpunkt gestellte Taktfahrplan, ich meine damit diesen 2-Stunden-Rhythmus, nun sozusagen der Weisheit letzter Schluss sein kann. Ich meine auch, hier müssten wir flexibler agieren, damit nicht Luft in dem Maße hin und her gefahren wird, wie das ja leider heute der Fall ist.

(Jörg Vierkant, CDU: Auch saisonal.)

Meine Damen und Herren, wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass die Diskussion zielgerichtet und ergebnisorientiert fortgesetzt wird, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern auch notwendige Hausaufgaben machen, um dann Gespräche führen zu können. Und, wie gesagt, das Gespräch mit der Bahn, das jetzt gerade geführt wird – das ist alles gut und schön, nur – noch einmal –, nicht die Bahn ist der eigentliche Ansprechpartner. Die Bahn ist privatisiert und hat demzufolge, ganz klar auf

unternehmerische Ziele zu achten, muss sich danach ausrichten, wie die Wirtschaftlichkeit im Unternehmen aussieht. Der eigentliche Ansprechpartner ist die Bundesregierung, ich hatte es schon gesagt. Und ich will Ihnen, damit wir das alle noch mal verinnerlichen, den Artikel 87 e der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – so lang ist er nicht – hier zitieren. Da heißt es: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“

Also, meine Damen und Herren, der Ansprechpartner ist ganz klar. Sie haben es in der Koalition in der Hand, auch hier die Forderungen aus dem Land MecklenburgVorpommern klar und deutlich zu formulieren. Ich denke, hier ergibt sich eine wunderbare Möglichkeit für die Bundesrepublik Deutschland, für die Bundesregierung dieses Landes, deutlich zu machen, ob denn nun wirklich der Aufbau Ost Chefsache ist. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Seidel.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Gerloff von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich trifft wieder das Los des zuletzt Redenden

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

und Herr Seidel hat eben auch noch wesentliche Teile meines Konzeptes vorweggenommen, unter anderem auch den Verweis auf das Grundgesetz, den ich für unheimlich wichtig halte.