Das Ziel unseres Antrages ist es somit, diese unnötigen sozialrechtlichen Abgrenzungsstreitigkeiten über Bewilligungsgrundlage und Trägerzuständigkeiten im Gesamtbereich der Förderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern auszuräumen. Aus den getrennten Anspruchsgrundlagen und der Schwierigkeit der diagnostischen Abgrenzung der Behinderung ergeben sich zunehmend Zuständigkeitsstreitigkeiten, die nicht im Interesse der betroffenen Kinder und deren Eltern liegen und wohl auch nicht der hier im Hohen Hause Anwesenden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die bisherige Herangehensweise übersieht, dass Hilfsangebote einem ganzheitlichen Ansatz folgen müssen. Da in vielen Fällen eine medizinisch-diagnostische Zuordnung im frühen Entwicklungsalter noch nicht hinreichend eine Trennung zwischen den sozialrechtlichen Anspruchsgrundlagen, geistiger Behinderung beziehungsweise drohender seelischer Behinderung erlaubt, muss eine übergreifende generelle Lösung in Bezug auf die Frühförderung und ihre Finanzierung gefunden werden. Da das Jugendamt die Behörde ist, die sich für Hilfen für Kinder und Jugendliche und ihre Erziehungsperson engagiert, könnte hier meines Erachtens die Zuständigkeit liegen. Ich bitte aus den vorliegenden Gründen um die Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag zur Förderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern lässt vermuten, es ginge um die Förderung der antragstellenden Fraktionen.
Meine Damen und Herren! Die Begründung des vor uns liegenden Antrages beruht auch auf der Regelungslücke und den daraus resultierenden Abgrenzungsschwierigkeiten bei Bewilligungsgrundlagen und Trägerzuständigkeiten im Bereich der Frühförderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern. Fachlich zeichnet sich die Frühförderung dadurch aus, dass sie keine Zuordnung nach der Art der Behinderung vornimmt, denn in den ersten Lebensjahren ist es vielfach gar nicht möglich zu klären, ob der jeweilige Entwicklungsrückstand auf geistige, seelische oder körperliche Behinderung zurückzuführen ist. Man spricht aufgrund der Unklarheiten im kausalen Bereich der erforderlichen Frühförderung deshalb von einem erforderlichen integrierten Konzept der Frühförderung. Damit soll zum Ausdruck kommen, dass diese Frühförderung in einer Hand liegen soll. Die Schaffung einer übergreifenden generellen Regelung ist somit zu empfehlen. Frau Seemann, Sie haben darauf hingewiesen. Lassen Sie uns deshalb ernsthaft überlegen, ob nicht eine Regelung, wie Sie sie anstreben, nicht nur regional zu erreichen ist, sondern dass man sie überregional anstreben muss, denn nur so kann man den betroffenen Familien und Kindern letztendlich helfen.
Wir sprechen über erhebliche Zuständigkeitsschwierigkeiten im Bereich zwischen Jugendpsychiatrie und Erziehungshilfe in dem immer noch nicht ausgefochtenen Streit, ob Maßnahmen der Frühförderung pädagogischen Charakters oder eher medizinischer Natur sind. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es übrigens nicht nur im Grenzbereich zwischen den geistigen und seelischen Behinderungen, sondern auch im Bereich der Mehrfachbehinderungen. Die betroffenen Eltern und Kinder in unserem Land sind nicht die Einzigen, die in die Kompetenzfalle des Paragraphen 10 Absatz 2 SGB VIII fallen.
Primär geht es doch auch hier um die Finanzierbarkeit. Welche zusätzlichen Kosten entstehen auf welcher Seite, sollte man das Problem beabsichtigen, auf der untersten Ebene der Sozialhilfe lösen zu wollen? Welche Kosten entstehen den jeweiligen Trägern? Denn, meine Damen und Herren, seien wir ehrlich, die Zuständigkeit zwischen Sozial- und Jugendhilfe und den Krankenversicherungen ist nicht wirklich, wie behauptet, ein formaler, sondern eigentlich ein Streit um die Finanzierbarkeit. Und dann wird bei all diesem sozialen Klingklang doch wirklich Musik draus. In wessen Klingelbeutel gegriffen werden soll, ist eigentlich die wirkliche Frage. Auf die von Ihnen gewählte Weise manifestieren Sie doch nur die durch den Paragraphen 10 Absatz 2 SGB VIII hervorgerufene Gutachterflut. Dies wird sich auch durch eine generelle landesrechtliche Regelung kaum eindämmen lassen. Deswegen will ich da Ihre Hoffnung ein wenig dämpfen, Frau Seemann.
Meine Damen und Herren! Die Frühförderung entwicklungsbeeinträchtigter Kinder erfordert zuallererst eine gesicherte Rückendeckung und finanzielle Unterstützung des Staates. Dann kann mit Hilfe von Frühförderstellen, Integrationskindergärten, heilpädagogischen Tagesstätten und mobilen sonderpädagogischen Hilfsdiensten auf einer raumdeckenden entsprechenden Versorgung ein Hilfsnetz zur Verfügung gestellt werden, innerhalb dessen sich die Betroffenen sicher und vor allem auch finanziell abgesichert bewegen können. Es bringt doch nichts, nunmehr den Paragraphen 10 Absatz 2 Satz 3 SBG VIII mit Leben erfüllen zu wollen, wo bereits auf Bundesebene über die Sinnhaftigkeit diskutiert wird und die ursprünglichen Motive für die damalige Gesetzgebung auf dem Prüfstand sind. Im Interesse der Kinder und Eltern, die sich aufgrund dieses Gesetzes in einer zugegeben prekären Lage befinden und die, obwohl schon vom Schicksal gebeutelt, große Mühen im Zuständigkeitsdschungel, oder nennen wir es auch Zuständigkeitsloch, haben, möchte ich Sie dringendst dazu auffordern, an den gemeinsamen Überlegungen im Bunde mitzuarbeiten. Einer übergreifenden generellen Regelung im Lande stehen doch – und seien Sie hier bitte auch einmal ehrlich – finanzielle Grenzen entgegen.
Vielleicht möchte uns die Sozialministerin ja heute Abend – und das würde gewiss allen den notwendigen Adrenalinstoß versetzen – erklären,
wie sie die Sozialhilfe im Land künftig strukturieren will. Vielleicht möchte uns die Sozialministerin ja heute Abend erklären, ob sie zu einer wohlfahrtsstaatlichen Kostenübernahme bereit ist oder ob sie nur die Aufgaben delegieren möchte und auch die entsprechenden Kosten auf die Kommunen und Landkreise abwälzen will.
(Angelika Gramkow, PDS: Wir haben doch ein Konnexitätsprinzip. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wir haben doch ein Konnexitätsprinzip beschlossen.)
Oder vielleicht möchte uns die Sozialministerin auch mit auf den Weg geben, von welcher Behörde denn nun konkret die Aufgabenerfüllung im Sozialhilfebereich über
wacht werden soll. Zu den Problemen im Frühförderungsbereich, so, wie sie der Landesjugendhilfeausschuss in seinem Beschluss artikuliert hat, bestehen Zweifel. Zweifelhaft ist und bleibt jedoch, ob diese Regierung willens und in der Lage ist, Aufgaben und Kompetenzen finanziell und in finanzierbarer Weise zu verteilen und nicht eine Aufgabengerechtigkeit, sondern eine Finanz- und Personalgerechtigkeit herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, nicht ohne Bedacht haben Sie doch keine eigenen und vor allen Dingen keine konkreten Ideen in Ihren Antrag hineinformuliert. Dies soll jetzt für Sie die Landesregierung erledigen. Meine Damen und Herren, wir können Ihrem Antrag so nicht zustimmen. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich am Ende dieses heutigen Tages sehr kurz fassen. Der ganzheitliche Ansatz für Behandlungseffekte ist der erste Aspekt, der hier berücksichtigt werden soll. Die schwierige Diagnose, Gutachter zu beschäftigen, eine Klärung ist nicht in dem Maße möglich, dass eine schnelle Entscheidung über die Finanzierung zustande kommen kann – das führt zu Belastungen für die Betroffenen, für die Eltern. Im Sinne des Antrages wird eine Klärung möglich sein und ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.
Wir sind ja schon im kleinen Kreis sozusagen und durch einen langen Vortrag werde ich Ihr Interesse wahrscheinlich nicht wesentlich erhöhen können. Aber ein paar Klarstellungen möchte ich gerne einfügen zu Herrn Glawe.
Erstens. Herr Glawe, ich stimme Ihnen sehr zu, die große Regelung wäre schon wünschenswert. Und jawohl, dafür muss sich auch diese Landesregierung beim Bund einsetzen.
Zweitens möchte ich auf den Umstand hinweisen, dass dieser Antrag aufgrund einer gründlichen Auseinandersetzung des Landesjugendhilfeausschusses zu diesem Problem zustande gekommen ist. Nicht ganz ohne Stolz sage ich, auf die Idee, diesen Landesjugendhilfeausschuss direkt hier ans Parlament anzubinden, sind wir gekommen. Diese Idee finden wir auch nach wie vor gut, weil eben gerade die Probleme der Praxis aufgegriffen werden, die man hier nicht einfach so mal eben wegreden kann.
Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Antrag mitnichten einer irgendwie gearteten Kostenverlagerung
dient, denn die Frühförderung ist natürlich in allen drei Behinderungsbereichen kommunal finanziert. Bei anderen Förderarten ist es anders, aber bei der Frühförderung geht es tatsächlich nur um die Frage: Haben wir eine Möglichkeit, die Zuständigkeit für die Entscheidung in die sozialpädagogische Fachbehörde, nämlich das Jugendamt, zu legen oder müssen wir es beim Sozialamt belassen und damit auch eine Trennung der Zuständigkeiten hinnehmen?
Auf das Konnexitätsprinzip haben wir durch Zwischenrufe hier schon hingewiesen. Also die Unterstellung, dass wir durch irgendwie geartete Klarstellungen der Zuständigkeit Geld sparen wollen, dürfte seit der letzten Landtagssitzung eigentlich in die Mottenkiste gehören.
Ja, und noch ein Hinweis, der noch nicht in der Diskussion Erwähnung fand: Mit dem Antrag ist natürlich auch beabsichtigt, eine Lücke auszufüllen, nämlich die vom Ende des sechsten Lebensjahres bis zum Schuleintritt, die bisher nicht geregelt ist. Da gibt es wirklich eine Regelungslücke. Wenn wir da Gutes tun können, dann sollten wir das hier mit der Zustimmung zu diesem Antrag tun.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ziel des Antrages ist begrüßenswert. Er will überflüssige Behördenwege für Eltern und Kinder vermeiden, die Ganzheitlichkeit betreuender, beratender Tätigkeit sichern. Juristen, die diese
Pingpong auslösenden Paragraphen von BSHG und SGB VIII machten, scheinen an die realen Probleme nicht gedacht zu haben.
Ich werde für den Antrag nach gründlicher Prüfung der vorhandenen Erfahrungen – auch in anderen Ländern – und Möglichkeiten so rasch wie möglich eine Lösung vorschlagen und darüber sollten wir dann diskutieren. – Ich danke.