aber – ich erhebe da nicht unbedingt Widerspruch –, meine Damen und Herren, es geht Ihnen doch, wenn man alles an Veröffentlichungen in der Zeit unserer Beratungen einmal genau nachliest, eigentlich nur um eins: Sie wollen von der Kommission so eine Art Feigenblatt, damit Sie begründen können, warum Sie den Gemeinden, Städten und Kreisen noch weniger Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben geben als bisher.
Sie hoffen darauf, dass Sie aus der Arbeit der Kommission Argumente dafür erhalten, dass die bisherige Struktur unwirtschaftlich sei, damit Sie sagen können, die kommunalen Gebietskörperschaften kommen ja auch mit weniger Mitteln aus.
Und dass das nicht aus der Luft gegriffen ist, wird auch daran deutlich, dass schon im Zusammenhang mit der Ersten Lesung des Antrages Stimmen aus Ihren Reihen zu hören waren, dass man bei einer Reduzierung der Anzahl von Gemeinden so round about 300 Millionen DM im Jahr einsparen könne. Wer damals von uns noch gedacht hat, das sei die unmaßgebliche Meinung von Einzelnen, den hat unsere Finanzministerin in den letzten Tagen doch in der Tat eines Besseren belehrt. Sie legte einen Gesetzentwurf zum Finanzausgleichsgesetz vor, mit dem der Verbundsatz von derzeit 27,36 – er ist ja im letzten Jahr schon abgesenkt worden – jetzt auf 24,9 Prozent abgesenkt werden soll. Und das sind, wenn Sie mal die Tabelle, die aus dem Finanzministerium selbst stammt, nehmen und die Kosmetik, die unterm Strich nach der Finanzaus
gleichsmasse, die nicht dahingehört, mal weglassen, 200 Millionen DM weniger für die Kommunen. Meine Damen und Herren, so halten Sie also Ihre großmundigen Versprechungen noch aus dem letzten Jahr.
Und ziemlich unverschämt, ziemlich unverschämt finde ich es, dass Sie ein Versprechen brechen, das mit Ihren Stimmen im Finanzausgleichsgesetz in Gesetzesform gekleidet worden ist. Sie entsinnen sich, mindestens 2,5 Milliarden! Wenn Sie ehrlich sind, wenn Sie das Zahlenwerk der Finanzministerin ansehen, ist dieses Versprechen noch nicht mal das Papier wert, auf dem das Gesetzblatt gedruckt ist.
Welchen Stellenwert hat denn eigentlich die kommunale Selbstverwaltung in der Landesregierung? Es wird deutlich, dass nicht mehr der Innenminister als Kommunalminister entsprechende Gesetzentwürfe vorlegt, zum FAG zum Beispiel, sondern sie werden nunmehr gleich direkt von der Chefin, von der Finanzministerin, den kommunalen Landesverbänden mitgeteilt, das heißt, der Innenminister sieht dabei offenbar untätig zu, wie uns, den Kommunalen, das Geld aus der Tasche gezogen wird. Und, meine Damen und Herren, das sieht so aus, als sei die kommunale Selbstverwaltung einfach empfunden als eine ungeliebte Kostenstelle in unserem Landeshaushalt. Das ist nicht unser Verständnis von der Garantie der Selbstverwaltung in Grundgesetz und Landesverfassung.
Da passt es dann auch dazu, dass der Innenminister unter Verletzung seiner Amtspflichten als Rechtsaufsicht zur parteipolitischen Neutralität dazu aufruft, dass die in seiner Rechtsaufsicht im Amt befindlichen Landräte und Oberbürgermeister in Vorpommern durch Angehörige seiner Partei ersetzt werden müssen. Aus der Spitze des Innenministeriums, das ist wenige Tage her, mischt man sich mit unlauteren Mitteln in die Kandidatenaufstellung für die Wahl des Landrats in Demmin ein.
(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Minister Dr. Gottfried Timm: Dazu nehme ich gerne Stellung. Schönes Thema! – Zuruf von Peter Ritter, PDS)
(Minister Dr. Gottfried Timm: Da habe ich einiges zu erzählen. Ich habe unbeschränkte Redezeit. – Zuruf von Peter Ritter, PDS)
Ach, Sie haben mich noch gar nicht verstanden. Ich will es ja gerade sagen. Wir reden nicht über den aus Gesundheitsgründen aus dem Amt geschiedenen Landrat.
(Peter Ritter, PDS: Das sagt ja viel aus über den Zustand der CDU im Kreis. – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)
Ja, das ist meine mir angeborene Schüchternheit. Herr Ritter, ich bleibe nämlich immer gerne bei der Wahrheit.
Ja, ich will es noch mal deutlich sagen. Da wird aus dem Innenministerium direkt ein Gerücht lanciert gegen einen untadeligen Bürgermeister
(Peter Ritter, PDS: Das Verfahren läuft nicht erst seit ein paar Wochen. – Zuruf von Beate Mahr, SPD)
und da wird dann behauptet, dass ein Disziplinarverfahren gegen ihn laufe. Und bis heute hat es der Innenminister nicht für nötig gehalten, das richtig zu stellen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Gerd Böttger, PDS: Aber das löst doch die Enquetekommission nicht.)
Das zeigt aber das gestörte Verhältnis der Landesregierung – nicht Ihr’s, Herr Böttger, das weiß ich nicht so, aber der Landesregierung – zur kommunalen Selbstverwaltung.
(Peter Ritter, PDS: Das hat doch die Kreis-CDU selber veranstaltet. Die schießen sich doch selber ab.)
da gibt es den einen oder anderen, der dann auch seine persönliche Ehre angegriffen sieht. Ich meine das ganz ernst. Ich finde das ganz schlimm. Das muss ich Ihnen sagen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Peter Ritter, PDS: Die schießen sich selber ab, die Kreis-CDU.)
Meine Damen und Herren, Sie müssen nun mal akzeptieren, dass bei der letzten Kommunalwahl, so sehr Sie das drückt, die Kandidaten von SPD und PDS – und das war eine freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes – eben nicht so erfolgreich waren, wie Sie sich das gewünscht haben. Das ist kommunale Selbstverwaltung und das...
Ja natürlich, selbstverständlich! Aber Sie müssen dann auch einmal Ihr Verhältnis zu den Lippenbekenntnissen des Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung durchhalten, wenn’s politisch etwas unbequem wird, wenn der Wähler anders entschieden hat.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Reinhard Dankert, SPD: Na das ist aber eine Unterstellung. – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)
Wir wollen hier nicht in eine große Diskussion treten, aber weil ich gesagt habe, die Landesregierung und Sie ebenfalls als Koalitionsfraktionen haben gar nicht gesagt, wo aus Ihrer Sicht die Leitbilder der kommunalen Selbstverwaltung und der zukunftsfähigen, wie Sie gesagt haben, Gemeinden denn liegen sollen, will ich Ihnen in kurzen Worten sagen, wie wir dies sehen.
Wir stellen mal fest, dass sich das Modell des Amtes, der Amtsverwaltung durchaus bewährt hat. Ich habe überhaupt nichts gegen eine behutsame Weiterentwicklung. Allerdings, meine Damen und Herren – da haben wir schon eine andere Priorität –, wir setzen auf die Entscheidung auf der örtlichen Ebene. Und Sie wissen, es gibt eine Reihe von Beispielen aus den letzten Jahren für freiwillige Zusammenschlüsse, für das Modell „geschäftsführende Gemeinde“, für die Übertragung von gemeindlichen Aufgaben auf das Amt auch über den übertragenen Wirkungskreis hinaus. Dabei waren sicher die bereitgestellten Finanzmittel hilfreich – dazu bekennen wir uns, das finden wir auch richtig –, die aus der Amtszeit der früheren Landesregierung eingeführt wurden. Aber wir sehen bei dem gegenwärtigen durch die jetzige Landesregierung verfügten zeitlichen Druck auf die Gemeinden – nämlich: „Wenn ihr euch jetzt nicht zusammenschließt, später gibt es kein Geld!“ – eine unziemliche Einflussnahme.
Wir sind zweitens der Auffassung, dass es keine verbindlich vorgeschriebene Einbahnstraße für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung geben darf. Wir wollen, dass dies vor Ort entschieden wird. Dort wird und muss man die jeweils passende Organisationsform finden und wir wollen, wenn es sich als erforderlich erweist, die Möglichkeiten in der Kommunalverfassung für diese freiwilligen Entscheidungen auch erweitern. Das gilt insbesondere für neue Formen der interkommunalen Zusammenarbeit der Gemeinden, Städte, Ämter und auch der Landkreise.
Wir wollen drittens das Ehrenamt in den Gemeinden stärken. Durch die anscheinend von Ihnen bevorzugte Schaffung größerer Einheiten und eine damit offenbar als notwendig angesehene Erweiterung von Kompetenzen der Ortsbeiräte höhlen Sie umgekehrt das Mandat der gewählten Gemeindevertreter aus, ganz eindeutig.
Ein wichtiges Ziel, viertens, muss es sein, die Gemeindeebene zu stärken, um Aufgaben, die vor Ort erfüllt werden können, von den Landkreisen auf die Gemeinden zu geben, Stichwort Ortsnähe. Das schafft Raum und das ist uns wichtig. Und deswegen war unser Antrag etwas weiter gehender als das, was mit der Mehrheit des Innenausschusses in die Vorlage genommen worden ist. Das schafft nämlich Raum, wenn Aufgaben von der Landkreisebene auf die Gemeindeebene übergehen, wenn wir endlich das tun können, was dringend nötig ist, nämlich von der Ministerialebene Einzelentscheidungen auf die Kreisebene zu geben. Ich hoffe, dass Sie dies auch so sehen. Wir können uns jetzt leisten, so etwas zu fordern, weil wir ja froh sind, dass wir gemeinsam das Konnexitätsprinzip beschlossen haben. Vorher hätte ich zwei Seelen in meiner Brust gehabt.