Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir haben ja vielleicht keinen mehr. – Heike Lorenz, PDS: Lassen Sie doch die ewigen Watschen an den Innenminister!)

Ich stelle fest – und das habe ich auch, da viele von uns ja auch kommunal tätig sind –, dass mittlerweile, wenn Kreistage Anträge beschließen und sich an die Landesregierung wenden, nicht mehr der Kommunalminister antwortet, sondern die Finanzministerin.

(Wolfgang Riemann, CDU: Na toll! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Also man könnte sich jetzt mal überlegen, wenn man …

(Ministerin Sigrid Keler: Wenn ich angeschrie- ben werde, darf ich dann nicht antworten?)

Aber selbstverständlich. Ich weiß, dass Sie eine höfliche Ministerin sind, wenn Sie angeschrieben werden. Aber ich denke eigentlich, dass die kommunalen Aufgaben beim kommunalen, nämlich beim Innenminister sind.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber vielleicht wissen das die betreffenden Kreistage nicht. – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Aber innerhalb der Landesregierung gibt es eine …

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sonst hätten sie doch die Finanzminis- terin nicht angeschrieben. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich will das nicht werten, wahrscheinlich haben Sie Recht. Die Kreistage haben es auch schwer, weil der Kommunalminister äußert sich ja nicht mehr zu kommunalen Themen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, das stimmt zwar nicht, aber …)

Aber, Frau Finanzministerin, Sie haben da ein ganz anderes Format: immer nach vorne. Sie sagt, die Kommunen hätten exorbitante Überschüsse in ihrem Verwaltungshaushalt. Und das klingt ja auch immer ganz schlimm, wenn in Verwaltungshaushalten Überschüsse sind, und deswegen müssen sie auch die Kürzungen, die Sie vorgesehen haben, ertragen. Sie wissen viel zu gut über Zahlen Bescheid, als dass Sie nicht wüssten, dass in diesen so genannten Überschüssen im Wesentlichen zwingende – von der Gemeindehaushaltsverordnung und vom Gemeindehaushaltsrecht –

(Wolfgang Riemann, CDU: Pflichtzuführungen.)

Pflichtzuführungen sind.

(Harry Glawe, CDU: Jedes Jahr.)

Ganz richtig, nämlich ganz klar: Was ist denn drin in diesen Zuführungen? Einmal die ordentlichen Tilgungen und die vorgeschriebenen Zuführungen zum Vermögenshaushalt. Das wissen Sie. Trotzdem benutzen Sie dieses Argument. Das ist absolut unzulässig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und wenn da die Kommunen sagen, Ihre Diskussionsart und -weise sei unfair, kann ich dem nicht widersprechen, beim besten Willen nicht.

(Heike Lorenz, PDS: Da sagen die Kommunen ganz was anderes.)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die kommunalen Haushalte angucken, vor allen Dingen wenn wir Jahresrechnungen angucken – das ist dann die Stunde der Wahrheit –, dann stellen wir fest, die Investitionsrate bei den Kommunen ist bedenklich zurückgegangen, bedenklich. Nicht etwa weil die Kommunen nicht investieren wollen oder weil es keinen Investitionsbedarf gibt. Ich bitte um Entschuldigung für meinen Zwischenruf, als Sie sagten, na ja, es ist ja alles bei den Kommunen, die rufen ja nichts mehr ab. Frau Finanzministerin, Sie wissen, wenn man die Eigenmittel nicht hat, kommt man auch an die Zuschusstöpfe des Landes nicht heran. Da mögen sie noch so schön sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Und wenn Sie nach Bedarfen fragen, dann bitte ich Sie herzlich, dann gehen Sie mal querbeet im Lande, und nicht nur bei Neueinweihungen, sondern mal in Gemeinden hinein, gucken Sie sich dort einige Schulen an, gucken Sie sich dort einige Jugendeinrichtungen an,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

dann werden Sie ganz schnell davon überzeugt, dass hier ein Rieseninvestitionsbedarf im Bereich der Renovierung besteht und dass hier auch eine ganze Menge an Investitionen dadurch unterbleibt, dass die Kommunen über Jahre stranguliert werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen eigentlich feststellen, dass das, was hier abläuft, nämlich den Verbundsatz immer nach Bedarf, wie das Land es gerne hätte oder die Landesregierung es gerne hätte, dass dies eine Entsolidarisierung ist auf der finanziellen Ebene.

Ich will nicht pathetisch werden, aber …

(Heinz Müller, SPD: Gott sei Dank!)

Ja, Herr Müller, wir bleiben da mal ganz sachlich. Sie wissen wie ich, dass sowohl im Grundgesetz Artikel 28 wie in unserer Landesverfassung Artikel 73 Absatz 2 etwas anderes steht,

(Heike Lorenz, PDS: Solidarität hängt eigentlich nicht ab von der Menge, die zur Verfügung steht.)

nämlich dass das Land für eine angemessene Finanzausstattung der Kommune Sorge zu tragen hat. Und dass das angemessen ist, was Sie mal einfach so festlegen mit Ihren 2,5 Milliarden DM, die angeblich verrechnungsfrei sein sollen, das werden Sie doch sicher nicht mehr behaupten, denn Sie sind da längst schon wieder von weg.

Auch hier beziehe ich mich auf den Einzelplan 11. Ich habe ja meinen Augen nicht getraut. Letztes Jahr noch großmundig versprochen, verrechnungsfrei 2,5 Milliarden DM, dieses Jahr schon 32 Millionen DM weggerechnet. Das sind die errechneten Überzahlungen, weil die Steuerschätzungen ungünstiger waren als das Tatsächliche, was in 1999 kam.

Ja, Frau Gramkow, Sie gucken mich so entgeistert an.

(Angelika Gramkow, PDS: Nee, das ist falsch, Herr Jäger. Lassen Sie sich das noch mal erklären!)

Es ist leider nicht falsch. Gucken Sie in die Unterlagen der Frau Finanzministerin! Ich gebe sie Ihnen gerne.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Dann stellen Sie fest, dass jetzt genau das passiert, was man eigentlich noch nicht mal hätte befürchten müssen. Nämlich wenn Steuermehreinnahmen anfallen aus Vorjahren, mehr, als man geschätzt hat,

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann muss der Deckel drauf.)

dann wird der Verbundsatz geändert, damit man nicht nachzahlen muss in Wirklichkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: So ist es. Richtig.)

Das können Sie genau aus den Zahlenreihen sehen. Dann wird er runtergesetzt. Ich habe das noch nie erlebt, wenn es Steuermindereinnahmen waren. Entsinnen Sie sich, wir haben im letzten Jahr darüber gesprochen,

(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

dass die letzte Tranche die Verrechnung für die Vorjahre war. Das wissen Sie ja.

(Angelika Gramkow, PDS: Das stimmt.)

Ja, Sie können gerne noch was dazu sagen.

(Angelika Gramkow, PDS: Die haben Sie zu verantworten gehabt, Herr Jäger.)

Ich beziehe mich auf Ihre Zahlen.

Meine Damen und Herren, wenn die Finanzministerin sagt, dass die Kommunen eigentlich auch das Geld gar nicht so dringend brauchen, das Land will es lieber behalten, dann begründet sie das damit, dass die Kommunen hinsichtlich ihrer Verschuldung günstiger lägen als das Land. Hat eigentlich jemand hier in diesem Raum vergessen, dass die Kommunen sich nicht einfach so verschulden können, dass es eine Kommunalaufsicht gibt, dass es einer Gesamtkreditgenehmigung bedarf, wenn ich meinen Haushalt vorlege,

(Harry Glawe, CDU: So ist es.)

und dass die Kommunalaufsicht in den vergangenen Jahren und, wie ich glaube, auch in den Folgejahren darauf achten wird, dass diese rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden? Als Stadtvertreter in der Landeshauptstadt Schwerin weiß ich, wovon ich rede, wie schwierig es ist, einen nicht ausgeglichenen Haushalt durchzubringen.

Ja, meine Damen und Herren, das gibt es beim Land nicht. Es gibt keine Aufsicht über das Land. Ja, Gott sei Dank, sage ich. Aber dann müssen wir eigenverantwortlich handeln. Und dann müssen wir gucken, wo wir sparen können. Und ich habe das schon mal gesagt, wenn den Kommunen hier gesagt wird, sie müssten den Gürtel enger schnallen und Personal einsparen – Frau Finanzministerin, Sie haben das von dieser Stelle gesagt –, dann gucken Sie mal auf den Personalhaushalt, den Sie zu vertreten haben! Es gab in einer Zeitung eine sehr schöne Darstellung, wie viel Einwohner sich in den einzelnen Ländern einen Minister teilen. Da sind wir Spitze.