Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1487. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1487 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1492 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Wirtschaftsausschuss, den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke sehr. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Entlassung der Sozialministerin, auf Drucksache 3/1491.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es gab in Deutschland einmal eine forensische Skandalklinik. Das war bis zu den Vorfällen in Ueckermünde die Forensik in Düren in NRW. Der gefährlich laxe Umgang mit Schwerverbrechern und Sexualstraftätern in Düren kostete einige Frauen das Leben, andere wurden vergewaltigt. Bis heute setzen einige Politiker auf ein Therapiekonzept, das die Gefährlichkeit der Straftäter zu wenig berücksichtigt. Sie nehmen damit in Kauf, dass Leib und Leben unschuldiger Bürger, vor allen Dingen Frauen und Kinder, gefährdet werden.
Ueckermünde ist aus meiner Sicht eben kein Zufall. Wer nach den Ursachen von Ueckermünde fragt, der muss nach den Einstellungen einiger Damen und Herren zum Maßregelvollzug fragen. Die fängt in den Köpfen an, nämlich in den Köpfen vieler deutscher Azzolas, die immer noch daran glauben, aus allen Gewalt- und Sexualstraftätern nette und friedliche Freigänger machen zu können. Zwangsläufig wird bei dieser Grundeinstellung die Frage der Sicherheit vernachlässigt. Und dass das so ist, hat uns die Pannenserie von Ueckermünde leider bewiesen. Das begann doch schon 1997
mit dem ersten Ausbruchversuch und einem verletzten Pfleger. Daraufhin forderten die Pfleger einen Alarmplan und ein Training für solche Zwischenfälle. Sicherheitsmängel gab es also schon länger, von mir aus auch schon davor, Herr Dr. Schoenenburg.
Circa dreieinhalb Wochen vor dem ersten Ausbruch von Zander wurden der Chefarzt Ludwig und Pflegedienstleiter Schindler auf die Sicherheitsprobleme schriftlich von ihrem Personal hingewiesen.
Nach dem Ausbruch von Zander und Ziegler am 30. Oktober vorigen Jahres erhielten Frau Dr. Bunge und Professor Azzola diese Information. Laut Radio MV sprach Frau Dr. Bunge mit einem Pfleger über dessen
Befürchtungen. Trotz der deutlichen Hinweise auf das fehlende Sicherheitskonzept blieb die Sozialministerin aber untätig. Die Statements von Frau Dr. Bunge und ihrem Staatssekretär Professor Azzola in der Sitzung des Sozialausschusses am 8. November vorigen Jahres machten uns klar, dass solche Ausbrüche wieder passieren müssen. Für Frau Dr. Bunge war Ueckermünde eine der ausbruchssichersten Kliniken Deutschlands, Professor Azzola eierte nur herum und versuchte die Fragesteller in der ihm eigenen Art zu belehren. Erst nach unseren hartnäckigen Nachfragen versprach er, den Problemen nachzugehen. Die Antworten fehlen allerdings bis heute. Mit widersprüchlichen Aussagen über Informationen der Klinik an das Sozialministerium über die Gefährlichkeit der einsitzenden Straftäter und über vorhergegangene Ausbruchsversuche, von denen das Sozialministerium wiederum nichts wusste oder nichts wissen wollte, versuchten sich die Verantwortlichen in hochnotpeinlicher Weise gegenseitig herauszureden. Die dabei offenbarte Einstellung von Frau Dr. Bunge, von Professor Azzola und der Anstaltsleitung zu einem Sicherheitskonzept, das diesen Namen eigentlich nicht verdient, war erschreckend.
nachzulesen im Protokoll – zu sagen, wie viele Schwerstkriminelle und Sexualstraftäter dort in Ueckermünde untergebracht sind. Und für Professor Azzola lag die Definitionsmacht, also die Entscheidungsmacht, für Freigänge nur – ich betone, nur – beim behandelnden Arzt. Noch in der Sitzung des vorigen Monats am 9. August war Professor Azzola nichts aufgefallen, was der Klinikleitung vorzuwerfen ist. Ich wiederhole: In den Köpfen fängt der Stellenwert der Sicherheit an.
Deshalb fehlte auch die notwendige Abstimmung zwischen dem Innenministerium, dem Justizministerium und dem Sozialministerium. Uns wurde schon im November 1999 klar, dass es ein Sicherheitskonzept, das diesen Namen verdient, mit Frau Dr. Bunge und Professor Azzola niemals in Ueckermünde geben wird.
Wir haben Vorschläge zur Erhöhung der Sicherheit sowie zur Übertragung der Fachaufsicht auf das Sozialministerium bei den Beratungen zum PsychKG eingebracht. Sie wurden leider allesamt und ganz locker abgelehnt. Um das noch einmal deutlich zu sagen, es gibt keine Anstalt, die hundertprozentig sicher ist. Ihre Einstellung aber ist es, die Ausbrüche von Schwerstkriminellen und Sexualstraftätern aus dem Maßregelvollzug begünstigt und damit Leib und Leben Unschuldiger gefährdet.
Wer in der Abwägung von Therapie und Sicherheit die Sicherheit im Maßregelvollzug trotz konkreter Forderungen der CDU und wiederholter Ausbrüche so sträflich schleifen lässt, der muss auch die politische Verantwor
tung dafür übernehmen. Das heißt, die Sozialministerin und ihr Staatssekretär tragen für alles, was nach dem 8. November vorigen Jahres passierte, die volle persönliche und politische Verantwortung.
Schon die Ausschusssitzung am 3. August 2000 zeigte, dass weder Frau Dr. Bunge noch Professor Azzola die Forderungen und Kritiken der CDU vom 8. November 1999 ernst genommen, geschweige denn umgesetzt haben. Die Vergewaltigung vom 21.07.2000 offenbarte eine Flut von Missständen und einen unglaublichen Kompetenzwirrwarr. Die offenkundige Hilflosigkeit der PDS-Sozialministerin gegenüber den unhaltbaren Zuständen in der Klinik war eine permanente Gefahr für die Bevölkerung in der Region. Eine schriftliche Abmahnung gegenüber zwei Mitarbeitern der mittleren Leitungsstufe angesichts der Tatsache, dass zwei Frauen einer tödlichen Gefahr ausgesetzt wurden, ist nur noch als skandalös zu bezeichnen. Frau Dr. Bunge hat es aus meiner Sicht billigend in Kauf genommen, dass nach mehreren Ausbrüchen weder die Sicherheitsvorkehrungen verbessert noch fachliche Schwachstellen beseitigt wurden.
Die Forensik in Ueckermünde hat sich unter Frau Dr. Bunge und Professor Azzola längst verselbständigt.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Die Protokolle sagen aber was anderes, Herr Thomas. Dann lesen Sie sie mal!)
Es ist leider so. Der laxe Umgang mit gefährlichen Straftätern gehört dort zur Tagesordnung. Das stand im Übrigen ja auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. Frau Dr. Bunge und den Vertretern des freien Trägers fiel nichts anderes ein, als ein Gutachten in Auftrag zu geben, anstatt selbst konkrete Maßnahmen durchzusetzen.
Die Handhabung des Freigangs in der Klinik konnte man nur noch als unfassbar bezeichnen. Straftäter, die wegen schwerer Straftaten und schwerster Sexualdelikte eingewiesen wurden, waren in der Klinik in so genannte Wohngruppen integriert. Unter Leitung eines ärztlichen und eines pflegerischen Leiters wurde in der Gruppe der Grundsatzbeschluss über den Freigang getroffen und die Lockerungsstufe festgelegt. Das aber geschah nur auf der Basis des Verhaltens in der Wohngruppe. Der Betroffene hatte sogar das Recht, jemanden zu bestimmen, der ihn beim Freigang begleitet. Die Einweisungsgründe für gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter über Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie die dazugehörigen Gutachten spielten bei diesen Entscheidungen in der Klinik keine Rolle. All das war Frau Dr. Bunge und Herrn Professor Azzola bekannt. Und das haben sie bis zur letzten Minute verteidigt. Beide haben von dieser unverantwortlichen und äußerst gefährlichen Praxis gewusst.
In den Ausschusssitzungen des vorigen Monats verteidigte Frau Dr. Bunge diese Praxis noch vehement. Einen von der CDU geforderten und vom Aufsichtsratschef für gut befundenen unabhängigen Gutachter lehnte Frau D r. Bunge im Ausschuss vehement ab. Mit einer schriftlichen Abmahnung und einem Blumenstrauß für die vergewaltigte Frau glaubte sie ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Und für Frau Koburger, die alle Frauen der Welt schützen will, waren unsere Fragen nur Panikmache, und es brachte sie natürlich auf die Palme.
Die Flucht von Zander und sein Anruf bei N3 im „Nordmagazin“ offenbarte dann für jedermann die Sicherheitsmängel, über die Frau Dr. Bunge und Professor Azzola spätestens seit Dezember 1999 informiert waren, und deren gefährliche Untätigkeit. Zander hat Frau Dr. Bunge, Professor Azzola, aber auch Herrn Dr. Ringstorff in peinlichster Weise vorgeführt. Nach solch einer Pannenserie, spätestens aber nach dem Ausbruch von Zander am 8. August 2000, hätte jeder Minister, der auf seine Akzeptanz in der Bevölkerung noch etwas Wert legt, seinen Rücktritt eingereicht. Der Ausbruch von Zander brachte aber offenbar nur etwas Unruhe in die Koalition von SPD und PDS.
Die Enttäuschung von einem SPD-Mann und die indirekte Rücktrittsforderung von einem PDS-Mann waren die einzigen vernünftigen Reaktionen
Fünf Wochen vergingen. Die Presseerklärung des Ministerpräsidenten vom 13.09.2000 mit der Übertragung der Verantwortung für den Maßregelvollzug auf den neuen Justizminister war trotzdem eine herbe Ohrfeige für D r. Bunge und Professor Azzola, peinlich besonders für Frau Dr. Bunge und für die PDS, weil sie am gleichen Tag ihr so genanntes optimiertes Sicherheitskonzept im Sozialausschuss vorstellen wollten. Unter mitteleuropäischen Koalitionspartnern heißt das: Ihr seid nicht tragbar, Leute, geht freiwillig, weil ich euch wegen der Koalitionsvereinbarung nicht rauswerfen kann! Was Ihre Pflicht, Herr Ministerpräsident, wäre, fordern wir als Opposition von Ihnen, endlich die überfällige Entlassung dieser Sozialministerin wegen der skandalösen Pannen und der Gefährdung von Leib und Leben unserer Bürger bekannt zu geben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Es wurde eine Aussprachezeit mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Dazu gibt es offensichtlich keinen Widerspruch.
Populismus ist kein Politikersatz, Herr Thomas, und über meine Pflichten als Ministerpräsident lasse ich mich nicht von Ihnen belehren.
Sie machen es sich zu einfach, meine Damen und Herren von der Opposition. Nach dem Motto „Einer muss ja schuld sein“ machen Sie die Sozialministerin zum Sündenbock für die Vorfälle in der forensischen Klinik in