Dieser unglaublich laxe Umgang mit gefährlichen Straftätern war so lange aber auch nur möglich, weil die Landesregierung – an der Spitze Sie, Herr Dr. Ringstorff und Herr Holter – diesem Maßregelvollzugsteam im Sozialministerium den Rücken gestärkt hat. Sie hätten sich als Oppositionspartei bei einem CDU-besetzten Sozialministerium nicht so sachlich und geduldig mit der Verbesserung bestehender Sicherheitskonzepte und Vorschläge für unabhängige Gutachter beschäftigt. Ich glaube, Sie hätten sehr schnell einen Antrag auf Ablösung dieses CDU-Ministers beziehungsweise dieser Ministerin gestellt. Frau Koburger wäre nicht wie im Ausschuss nur auf die Palme gegangen, sondern sie hätte wahrscheinlich täglich Frauendemos organisiert, wenn das unter einem CDU-geführten Ministerium so in diesem Lande passiert wäre.
Herr Dr. Ringstorff, noch ein Satz zu Ihrer Verteidigungsrede für Frau Dr. Bunge in der vorigen Landtagssitzung. Ich glaube, so ein Team hätte es bei einem CDUgeführten Ministerium erst gar nicht gegeben, und wenn, dann hätte es sich nicht ein Jahr lang bei diesen Skandalen so gehalten. Ich glaube, dafür hätte unsere Fraktion schon gesorgt.
(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Das ist reines Wunschdenken. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Hatten wir da nicht einen Innenminister mit vielen Problemen?)
Und gerade wegen Ihrer Rede, Herr Dr. Ringstorff, und wegen dem Umgang dieser Koalition mit den Verantwortlichen für die Skandalklinik Ueckermünde darf ich Sie noch einmal daran erinnern, auch wenn Ihnen das nicht gefällt: Das Grundsatzproblem war, ist und bleibt Ihre Einstellung. Sie setzen doch bis heute – und das haben wir ja bis zur letzten Minute gehört – auf ein Therapiekonzept, das die Gefährlichkeit der Straftäter eben viel zu wenig berücksichtigt. Diese Ihre Grundeinstellung ermöglichte doch erst die Skandalserie in Ueckermünde, weil trotz unserer Kritik und unserer sachlichen Vorschläge die Sicherheitsprobleme eben nicht ernst genommen wurden.
Nach dem Ausbruch am 30. Oktober vorigen Jahres von Zander und Co war klar, dass es Beihilfe aus der Wohngruppe, also Fluchthilfe gegeben hat. Trotzdem blieb es bei der unglaublichen Praxis, den Grundsatzbeschluss über Freigang sowie Lockerungsstufen dort in der Wohngruppe zu fassen. Vor dem Ausbruch wurden Chefarzt Ludwig und Pflegedienstleister Schindler von ihrem Personal schriftlich auf die Sicherheitsprobleme hingewiesen. Das haben Sie doch im Ausschuss mitgehört. Ich denke, Sie haben dort zugehört.
Nach dem Ausbruch erhielten Frau Dr. Bunge und Professor Azzola diese Information im Gespräch mit einem Pfleger. Herr Azzola sagte im Übrigen damals schon die Verbesserung des Sicherheitskonzeptes, die Überarbeitung von Haus- und Dienstordnung, die Optimierung der Abstimmung zwischen dem Sozialministerium, Innenministerium und Justizministerium sowie die Optimierung der Videoanlage zu.
und der Anstaltsleitung in der Sitzung des Sozialausschusses am 8. November vorigen Jahres war uns nur eines klar: Mit solchen Experten im Ministerium und mit dieser Koalition gibt es weder ein Sicherheitskonzept noch eine Veränderung der Einstellung zum Maßregelvollzug. Die von dort ausgehenden Gefahren wurden auch nach dem 8. November viel zu lax abgehandelt. Wir entschlossen uns daher zu einer Novellierung des PsychKG per Dringlichkeit. Der Ausbruch von zwei gefährlichen Straftätern am 1 2. Dezember 1999 bestätigte leider unsere Befürchtungen. Unser Antrag wurde trotzdem am 15. Dezember abgelehnt, obwohl krasse Sicherheitsmängel wiederum die Flucht drei Tage vorher begünstigten. Spätestens nach dem so genannten 10-Punkte-Programm vom 15. Dezember vorigen Jahres hat die Sozialministerin die politische Verantwortung übernommen, denn das war ihr Programm. Darauf muss man noch mal hinweisen, offenbar haben Sie das noch nicht ganz so klar erkannt. Aber auch nach dem 15. Dezember wurden keine ernsthaften Versuche zur Verbesserung der Sicherheit unternommen.
Schon kurz nach den großen Tönen zum 10-PunkteProgramm wurde klar, dass es ein Sicherheitskonzept für den Maßregelvollzug, welches diesem Namen gerecht wird, mit dem Superstaatssekretär und seiner Ministerin nicht geben kann. In den Beratungen zum PsychKG haben wir Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit im Maßregelvollzug und zur Übertragung der Fachaufsicht auf das Sozialministerium eingebracht. Trotz der Vorfälle und der Gefährdung von Leib und Leben haben Sie als Koalition unsere Anträge in den Ausschüssen abgelehnt und damit natürlich Frau
D r. Bunge und Herrn Professor Azzola den Rücken gestärkt. Logischerweise wurden keine Probleme mehr ernst genommen, geschweige denn ein Sicherheitskonzept umgesetzt. Die nächsten skandalösen Vorfälle mit Entweichungen, versuchter Vergewaltigung und die Vergewaltigung einer Pflegerin konnte es nur geben, das muss man ganz deutlich sagen, weil die Verantwortlichen mit ihrer Unterstützung untätig geblieben sind. Die Vergewaltigung vom 25. Juli offenbarte, dass alle Missstände, die wir kritisiert hatten, dass das Kompetenzwirrwarr und die gefährliche Sicherheitslücke
trotz aller Versprechungen von Frau Dr. Bunge und Professor Azzola immer noch nicht beseitigt wurden. Das können Sie nachlesen.
Die Ausschusssitzung am 3. August – die war übrigens ganz interessant – machte klar, dass wider besseres Wissen und trotz wiederholter Ausbrüche die Sicherheit im Maßregelvollzug bis dato sträflich vernachlässigt worden ist. Und dafür sind Frau Dr. Bunge und Professor Azzola politisch und persönlich verantwortlich. Ich frage mich, wer denn sonst noch. Wer nach so einer unglaublichen Skandalserie seine Verantwortung immer noch leugnet, der hat eben nichts, aber auch nichts dazugelernt. Und wer Menschen durch seine Untätigkeit einer tödlichen Gefahr aussetzt und glaubt, das mit einem Blumenstrauß aus der Welt zu schaffen, den kann man eben nur noch zum Rücktritt auffordern. Und dass ein gefährlicher Verbrecher wie Zander, der wegen schweren Raubes und Geiselnahme zu langjähriger Haft verurteilt war, diese Situation nutzen würde, das war doch wohl für jeden Insider absehbar. Mit seiner zweiten Flucht hat er nachgewiesen, dass seit seinem ersten Ausbruch mit Geiselnahme Ende Oktober 1999 lax und verantwortungslos weitergemacht wurde.
Wissen Sie, so lax, wie Sie das noch sehen, Herr Dr. Schoenenburg, kann ich es nicht sehen. Hier geht es um Gefährdung von Menschenleben und da sollten Sie auch als jemand, der in dieser Koalition ja sehr viel mit zu bestimmen hat, doch mal darüber nachdenken, ob Sie sich da nicht vielleicht mal eine andere Einstellung zulegen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Darüber denke ich ständig nach.)
Ich meine schon, vor allen Dingen mit dem Anruf bei N3 hat er die Verantwortlichen, hat er Sie auch eigentlich in peinlichster Weise vorgeführt. Oder haben Sie das nicht so gesehen?
Ich glaube, das würde Ihnen ganz und gar nicht passen. Sie würden garantiert nicht die Antwort von mir erhalten und ich würde wahrscheinlich einen Ordnungsruf bekommen.
Was muss denn eigentlich noch alles passieren, damit Herr Ringstorff jemanden entlässt, der seinem hochbezahlten Job nicht gerecht wird bis zur letzten Sekunde –
das haben wir am 3. August in der Ausschusssitzung gesehen – und der uneinsichtig seine Fehler, um nicht zu sagen, naiv, verteidigt?!
Dem neuen Justizminister wird dann vorab im Eilverfahren am 13. September 2000 der Maßregelvollzug übertragen. Ich glaube, das ging aber auch nicht mehr anders in dieser Situation.
Das letzte Jahr machte deutlich, die Koalition und die Regierung – und das ist bis heute das Problem – setzen weiter auf die alleinige Entscheidung des Arztes ohne Berücksichtigung der Einweisungsgründe für gefährliche Straftäter.
Auch unabhängige Gutachter lehnen sie bis heute ab. Aus diesem Grunde haben wir ein Maßregelvollzugsgesetz vorgelegt, in dem die Ausgewogenheit zwischen Therapie und Sicherheit klar festgeschrieben ist, und zwar die Ausgewogenheit, die wir in den Ausschüssen immer gefordert haben. Die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Zweiteilung – PsychKG und Maßregelvollzugsgesetz – führt eben zu mehr Rechtssicherheit.
Die Änderungen im PsychKG entsprechen dieser Trennung und müssen aus diesen Gründen nicht weiter erläutert werden. Therapie und Vollzug werden sach- und fachgerecht der Aufsicht des Justizministeriums übertragen und das ist das einzige Vernünftige, was Sie bisher gemacht haben.
Nun, meine Auffassung kann ich hier deutlich sagen, obwohl Sie sicherlich zu freier Meinungsäußerung schon sehr lange eine andere Auffassung haben.
(Angelika Gramkow, PDS: Nun reißen Sie sich mal zusammen! – Dr. Margret Seemann, SPD: Das kann er nicht, Frau Gramkow.)
In Paragraph 1 wird das Ziel klar definiert. Der Patient soll durch Therapie zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft befähigt werden. Die Sicherheit und der Schutz der Allgemeinheit sowie des Personals der Einrichtungen vor erheblichen rechtswidrigen Taten sind dabei vorrangig zu gewährleisten. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis muss nunmehr der Gefährlichkeit der eingewiesenen Straftäter unbedingt Rechnung getragen werden. Die Einrichtungen erhalten geeignetes und qualifiziertes Personal, das heißt mit einer entsprechenden Ausbildung. Dazu gehört auch ein Grundkurs Sicherheit.
Nach Absatz 4 ist das Land nunmehr auch in der Pflicht, ausreichend Plätze vorzuhalten, das heißt keine Überbelegung und damit mehr Sicherheit.
In Paragraph 2 Absatz 1 werden die Rahmenbedingungen für die Einrichtungen festgeschrieben. Sachgerechte Therapie sowie größtmögliche Sicherheit für die Bevölkerung sind das Ziel. Die Träger der Einrichtungen werden zu regelmäßigen qualitätssichernden Maßnahmen verpflichtet. Das gilt natürlich und vor allem für die Sicherheitsmaßnahmen. Wichtig für die Akzeptanz eines Maßregelvollzuges in der Region erscheint mir im Hinblick auf die Inbetriebnahme der Einrichtung in Rostock/Gehlsdorf der Beirat nach Paragraph 4. Nicht nur die Fachleute, sondern auch die Bürger vor Ort können mit ihrem Engagement für mehr Sicherheit, aber natürlich auch für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen. Ich denke, das ist gut so.
Aus Gründen der Sicherheit, der Therapie und des geordneten Zusammenlebens kann Gewahrsam und Durchsuchung angeordnet, können Schriftwechsel und Pakete angehalten und geöffnet sowie Besuche und Kommunikation eingeschränkt oder gar untersagt werden. Das Justizministerium wird nach Paragraph 15 verpflichtet, eine Rechtsverordnung für einen Vollstreckungsplan Maßregelvollzug zu erlassen. Damit wird die wichtige Einbindung der Staatsanwaltschaften sichergestellt, die wir ja im Übrigen auch kritisiert haben. Im Therapie- und Eingliederungsplan wird unter anderem der von uns geforderte und von Ihnen bis heute abgelehnte unabhängige Gutachter festgeschrieben, auf den aus Sicherheitsgründen eben nicht verzichtet werden darf.
Vor der Bewilligung von Vollzugslockerungen ist jetzt nach Paragraph 18 die Vollstreckungsbehörde zu hören, die insbesondere bei Gewalt- und Sexualstraftätern mit der Berücksichtigung des Einweisungsgutachtens und eines zusätzlichen unabhängigen Gutachtens für mehr Sicherheit bei Vollzugslockerung sorgt. Und darum ging es uns ja. Im Zweifelsfall kann und wird die Vollstreckungsbehörde für die Aufhebung der Vollzugslockerung sorgen, wenn es denn Probleme gibt. Wichtig war nach den Erfahrungen in Ueckermünde auch die Möglichkeit der Anordnung von besonderen Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel bei Fluchtgefahr die Beobachtung bei Nacht sowie Einschränkung des Aufenthaltes im Freien.
Mit der Einführung von Sicherheitskräften, die die Sicherheitskonzepte überwachen und Mängel sofort beseitigen, wird das Justizministerium zur Verbesserung der Sicherheit der Einrichtungen direkt in die Pflicht genommen. Wichtig ist natürlich auch die Übermittlung von Daten von Patienten, insbesondere von jenen, die schwere Straftaten verübt haben, zur Abwehr drohender Gefahren und zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten, in Paragraph 28 nunmehr klar festgeschrieben.
Mit der Übertragung der Aufsicht über den Maßregelvollzug laut Paragraph 31 auf das Justizministerium mit uneingeschränkter Dienst- und Fachaufsicht ziehen wir die richtigen Konsequenzen aus dem unverantwortlich laxen Umgang mit gefährlichen Straftätern im Maßregelvollzug dieses Landes, insbesondere in Ueckermünde. Mit der Möglichkeit der Einschränkung von Grundrechten nach
diesem Gesetz ziehen wir natürlich auch die Schlussfolgerungen aus den Vorfällen seit Oktober 1999, und das ist eine verdammt lange Zeit. Und als Rostocker sage ich Ihnen ganz klar: Ohne ein Maßregelvollzugsgesetz, in dem die Sicherheit der Bürger eine herausragende Rolle spielt, ist der Maßregelvollzug in Rostock/Gehlsdorf, dem kinderreichsten Stadtteil dieses Landes, nicht zu verantworten.
(Annegrit Koburger, PDS: Gehlsdorf ist nicht der kinderreichste. Erzählen Sie nicht so einen Blödsinn!)