Protokoll der Sitzung vom 19.10.2000

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wenn Sie einen Dringlichkeitsantrag ablehnen, sind wir uns wohl nicht einig.)

wir wollen bis zu einem Termin X reden. Wenn Sie sagen, der 31.12.2000 ist zu spät, dann setzen Sie den 31.11.

(Harry Glawe, CDU: Was?)

oder den 30. – ich weiß gar nicht, ob es den 31. gibt – ein, das machen wir auch mit. Aber bitte lassen Sie uns konkret über diese Dinge reden und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir unterbrechen die Tagung auf Wunsch der Fraktion der CDU um fünf Minuten.

Unterbrechung: 11.42 Uhr ___________

Wiederbeginn: 11.45 Uhr

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die unterbrochene Sitzung wieder.

Wir kommen jetzt tatsächlich zur Abstimmung.

Auf Drucksache 3/1553 liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1552 vor. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag auf Drucksache 3/1553 abstimmen. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –

Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Die gibt es offensichtlich nicht. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.

Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1552 in der soeben geänderten Fassung abstimmen. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU mit den beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist sehr schön.)

Es ist beantragt worden, über die einzelnen Ziffern des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1513 getrennt abzustimmen.

Deshalb rufe ich zunächst die Ziffer 1 des Antrages auf. Wer dieser seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Vielen Dank. Bitte die Gegenstimmen. – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ziffer 1 des Antrages auf Drucksache 3/1513 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt worden.

Wer der Ziffer 2 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ziffer 2 des Antrages auf Drucksache 3/1513 mit dem gleichen Stimmverhalten abgelehnt.

Ich lasse jetzt über die Ziffer 3 des Antrages abstimmen. Wer dieser Ziffer 3 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Die gibt es nicht. Damit ist die Ziffer 3 des Antrages durch die Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt.

Die Ziffer 4 hatten wir bereits hier beschlossen anzunehmen.

(Angelika Gramkow, PDS: Nein. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die Änderungen.)

Selbstverständlich. Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt absolviert.

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wir hätten aber gern die Ziffer 4 noch abgestimmt.)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Zukunft Aufbau Ost, Drucksache 3/1527. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1554 vor.

Antrag der Fraktion der CDU: Zukunft Aufbau Ost – Drucksache 3/1527 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS – Drucksache 3/1554 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Riemann von der CDU-Fraktion. Bitte sehr.

(Angelika Gramkow, PDS: Nun bin ich ja gespannt.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, heute kriege ich keinen Ordnungsruf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf aus dem Plenum: Das weiß man nicht vorher.)

Ich kenne meine Rede, Frau Gramkow und Herr Schoenenburg!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Man kennt die Reaktion der Präsidentin nicht.)

Zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung erscheint es an der Zeit, eine wirtschafts- und finanzpolitische Bilanz zu ziehen, inwieweit das Konzept Aufbau Ost erfolgreich war, wo Defizite auszumachen sind und aus welchen Handlungsebenen Reformbedarf angezeigt ist. Diese Fragen sind schon allein deshalb von hoher Aktualität, weil viele wichtige Hilfen, die den neuen Ländern zugute kommen, in den nächsten Jahren auslaufen oder grundlegend neu geordnet werden, auch werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Reform des eigentlichen Länderfinanzausgleichs, den das Bundesverfassungsgericht für spätestens 2004 reklamiert hatte. Darunter fallen die Sonderbedarfs- und Bundesergänzungszuweisungen, die ebenfalls bis zum Jahr 2004 befristet sind, ebenso wie die Hilfen zum Aufbau der kommunalen Infrastruktur. Hinzu kommt die steuerliche Investitionsförderung, die zwischen 2001 und 2004 auslaufen wird.

Wir müssen uns also fragen, meine Damen und Herren, wie sah 1990 die Ausgangslage aus? Die mit der Übernahme des institutionellen Regelwerkes der alten Bundesrepublik verbundene rasche Marktöffnung legte die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der DDR schlagartig offen. Es zeigte sich, dass unsere Unternehmen dem Wettbewerbsdruck der westlichen Konkurrenz nicht standhalten konnten und dass die Wirtschaft der neuen Länder, auch die Wirtschaft von Mecklenburg-Vorpommern, grundlegend umstrukturiert und modernisiert werden musste. Unter diesen Startbedingungen, meine Damen und Herren, auch das müssen wir feststellen, verursacht von einer führenden Partei und ihrer Wirtschaftspolitik, war der Zusammenbruch der alten Strukturen nahezu zwangsläufig. Hohe Transferleistungen waren seitdem die Folge, geflossene Mittel wurden für die allgemeine Wirtschaftsförderung – 13 Prozent für den Ausbau der Infrastruktur, 20 Prozent für die Bereiche Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und 30 Prozent im Rahmen des Länderfinanzausgleiches – gewährt. Es muss leider konstatiert werden, dass die ostdeutsche Wirtschaft, also auch unsere Wirtschaft, in Zukunft noch auf Transferzahlungen angewiesen sein wird. So zeigen Simulationsrechnungen, dass das Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2005 von vier auf ein Prozent abflachen würde, falls im Jahr 2004 die Transfers um 18 Milliarden DM abgesenkt würden. Das, meine Damen und Herren, ist ein Horrorszenarium.

Natürlich wurden seit 1990 beachtliche Fortschritte erreicht. Jeder, der es sehen will, wird mir in diesem Punkt Recht geben – nicht wahr, Frau Gramkow? –, sei es die Sanierung der Städte und Dörfer oder der Ausbau der verkehrsbezogenen und sozialen Infrastruktur, …

Herr Dr. Schoenenburg, es stört, wenn Sie hier miteinander reden.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Sie sind doch nicht der Präsident.)

Es stört wirklich. Entschuldigung.

(Heiterkeit bei Ministerin Sigrid Keler – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich schweige jetzt sofort. Ich werde jetzt ein bisschen dazwischenreden.)

Jeder, der es nur sehen will, wird mir in diesem Punkt Recht geben – sei es die Sanierung der Städte und Dörfer oder der Ausbau der verkehrsbezogenen und sozialen Infrastruktur, wir können alle sehr wohl stolz sein auf das, was bisher von den Menschen im Land geleistet wurde. Dennoch gilt auch, es bleibt noch sehr viel zu tun. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner lag 1999 bei 61 Prozent des westdeutschen Niveaus, die Produktivität je Erwerbstätigen bei 67 Prozent, die Exportquote liegt bei 53 Prozent, die Anzahl der Patente je Einwohner bei 27 Prozent. Auch die 70 Prozent bei der öffentlichen Infrastruktur, verglichen mit den alten Bundesländern, können nicht als befriedigend bezeichnet werden. Auffällig ist zudem der niedrige Industriebesatz mit 62 Beschäftigten je 1.000 Einwohner, der im Westen jedoch bei 107 Beschäftigten liegt. Umgekehrt, meine Damen und Herren, lag das Haushaltsnettoeinkommen in den neuen Bundesländern 1998 bei 82 Prozent des Westniveaus. Und das hat zur Folge, dass die nominalen Lohn-Stück-Kosten einen Wert von 114 Prozent erreichen. Es ist also, meine Damen und Herren, gar nicht so attraktiv, in die neuen Bundesländer zu gehen und dort zu investieren.

Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind uns allen hinlänglich bekannt. Die Arbeitslosenquote ist doppelt so hoch wie im Westen, obwohl die Erwerbstätigendichte fast schon Westniveau erreicht hat. Man kann das beklagen, weil wir früher eine höhere Erwerbstätigendichte hatten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Man muss das beklagen.)

Weiterhin klafft bei den ostdeutschen Länderhaushalten eine enorme Lücke – die Frau Finanzministerin wird das bestätigen – zwischen originärer Steuerkraft von 3 2 Prozent und den Ausgaben von 141 Prozent. Jede dritte Mark, die in den neuen Ländern investiert oder konsumiert wird, kommt quasi von außen.

Für Mecklenburg-Vorpommern ist im Gesamtzusammenhang der Thematik von besonderer Bedeutung, dass es hinsichtlich seiner Wirtschaftsstruktur, selbst im Rahmen eines Vergleiches mit den übrigen ostdeutschen Bundesländern, auf dem letzten Platz liegt, wenn man verschiedene regionale Wirtschaftsindikatoren als Maßstab hinzuzieht.

Von den 17 Landkreisen und kreisfreien Städten unseres Landes liegen sage und schreibe 10 in den unteren 30 Prozent.

(Ministerin Sigrid Keler: 18. – Angelika Gramkow, PDS: Meiner Meinung nach haben wir 18.)

Anhand der einzelnen Regionalindikatoren wird zudem deutlich erkennbar, dass sich die Entwicklung in den neuen Bundesländern zunehmend heterogen vollzieht. Das bedeutet, die neuen Bundesländer werden von Jahr zu Jahr weniger als ein einheitliches Wirtschaftsgebiet angesehen werden können, sondern sie differenzieren sich mehr und mehr aus.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Lauter Heteros hier.)

Es kann, Herr Dr. Schoenenburg, ja auch langfristig gar nicht anders sein, als dass jede Region ihr jeweils eigenes Stärkeprofil wird entwickeln müssen, um sich dauerhaft im Standortwettbewerb zu behaupten. Wenn dieses, meine Damen und Herren, aber so ist, dann kommt man nicht umhin, sich über die vorhandenen Förderinstrumentarien, sei es vom Land, vom Bund oder der EU, Gedanken zu machen. Werden sie der erforderlichen regionalen Differenzierung gerecht? Fest steht doch, dass es keinen Sinn macht, Ungleiches gleich zu behandeln, sprich gleich zu fördern.

(Angelika Gramkow, PDS: Mann, hab’ ich mir das acht Jahre lang gewünscht!)