Sie haben sich mit der Sache überhaupt nicht auseinander gesetzt. Ich habe einen ganzen Aktenordner voller Unterlagen auf dem Tisch liegen. Ich biete Ihnen persönlich an, dass Sie diese Unterlagen mal studieren. Allein Ihre Behauptung, es hätte keines Beschlusses des Landtages bedurft beziehungsweise in Schleswig-Holstein wurde einfach mal so losgelegt,
(Dr. Arthur König, CDU: Wenn es so ein reges Problem ist, dann soll die Ministerin das auch durchsetzen.)
Ich werde mal aus dem Zwischenbericht des Pflegenottelefons für Schleswig-Holstein kurz zitieren. Hören Sie bitte gut zu! Dieser Bericht fasst die Zwischenergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes „Pflegenottelefon“ für Schleswig-Holstein zusammen. Und jetzt hören Sie bitte zu, Herr Dr. König: „Grundlage dieses Projektes ist ein Landtagsbeschluss zu dem Bereich Gewalt gegen ältere Menschen, Prävention und Intervention vom 16. Januar 1998 und die daraus abgeleiteten Umsetzungsvorschläge durch das Referat Pflegeversicherung und Seniorenpolitik des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein vom 8. Juli 1998.“
(Götz Kreuzer, PDS: Über Unbekanntes diskutiert es sich immer am besten. – Zuruf von Dr. Arthur König, CDU)
Das heißt, in Schleswig-Holstein, Herr Dr. König, ist man den gleichen Weg gegangen, weil nämlich der Ansatz besteht, Trägerneutralität herzustellen, und dazu braucht man das Ministerium, damit diese Trägerneutralität hergestellt wird.
Und, Herr Dr. König, die Idee eines Pflegenottelefons ist ja an sich nicht neu. In der Bundesrepublik Deutschland existieren gegenwärtig mehrere Projekte, die Menschen in problematischen Pflegesituationen übergreifend telefonisch beraten. Jetzt erkläre ich Ihnen mal einige Projekte, dann wissen Sie wahrscheinlich auch, was wir damit gemeint haben. Sie unterscheiden sich allerdings in erheblichem Maße in ihrer konzeptionellen Ausrichtung und ihrer organisatorischen Anbindung. Wie gesagt, ich stelle Ihnen einige kurz vor:
Die bekannteste Institution ist wahrscheinlich das Pflegenottelefon für Schleswig-Holstein, das vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein initiiert wurde. Das Pflegenottelefon beteiligt mit seiner trägerübergreifenden Projektarbeit in beträchtlichem Umfang die Gestalter der pflegerischen Infrastruktur des Landes. Es wurde in Zusammenarbeit mit 45 Einrichtungen und Organisationen am 1. April 1999 eingerichtet. Herr Dr. König, und da können Sie mir doch nicht erzählen, dass da niemand den Hut aufhaben muss, um das erst mal zu koordinieren.
Die Koordinierung der Arbeit hat jetzt der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt übernommen, allerdings – und das möchte ich hier deutlich betonen – unter einem hohen Einsatz von ehrenamtlicher Tätigkeit seitens aller Beteiligten. Dabei sind die in den Telefonaten durch die Betroffenen dargestellten Sachverhalte von erheblichem Interesse für die beteiligten Organisationen und Institutionen. Das Zwischenergebnis, von dem ich schon eben gesprochen habe, dieses Projektes zeigt, dass die Bürger diese Anlaufstelle angenommen haben. Für die überwiegende Mehrheit der Anruferinnen und Anrufer wurde das Pflegenottelefon die erste Anlaufstelle. Dies offenbart, dass eine solche Einrichtung einen ersten Weg aus der Sprach- und Hilflosigkeit eröffnen kann. Nach Angaben der Sozialministerin Heide Moser wurden allein zwischen April und Dezember 1999 447 Beratungsgespräche protokolliert und ausgewertet. Erste Trends zeigten, meine Damen und Herren, dass sich vor allem Angehörige, insbesondere Frauen an das Pflegenottelefon gewandt haben. In den meisten Fällen geht es um die häusliche Pflegesituation und um Überforderung und Übergriffe.
Eine weitere Institution ist das Berliner Krisentelefon – vielleicht haben Sie davon wenigstens schon gehört, Herr Dr. König – „Pflege in Not“, das auch seit 1999 besteht. Hier arbeiten qualifizierte Ehrenamtliche mit. Im Mittelpunkt steht dabei Gewalt in der Pflege älterer Menschen. Das Krisentelefon besteht aus Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige, für Pflegepersonal, Sprechstunden zum persönlichen Gespräch sowie Fortbildung für Pflegepersonal. Die Ziele des Krisentelefons sind die Entschärfung einer akuten Notfallsituation, die Erarbeitung von Handlungsmöglichkeiten, unbürokratische und rasche Vermittlung weiterer Hilfen bis hin zur Prophylaxe von Vermeidung von Gewalt.
Auch das Pflegetelefon Hamburg, Herr Dr. König, wurde für Pflegebedürftige und Angehörige als zentrale Anlauf- und Beschwerdestelle gegründet.
(Dr. Arthur König, CDU: Na dann sollen sie es doch endlich machen, Frau Dr. Seemann. Was nützt es denn, wenn wir dieses prüfen.)
Es ist ein Projekt des Landespflegeausschusses Hamburgs. Die Mitarbeiterinnen haben eine medizinische, pflegerische und pflegewissenschaftliche Ausbildung. Die Aufgaben gehen von Informationen zur Pflegeversicherung, Pflegekosten, Finanzierung, Orientierungshilfe bei Auswahl von Pflegedienst oder Pflegeheim bis hin zur Entgegennahme von Beschwerden und der gemeinsamen Lösungssuche. Beteiligte dabei sind die Kostenträger und Leistungserbringer, die Rückmeldung über Anliegen der Nutzer erhalten, mit dem Ziel, die Qualität der Pflege zu verbessern.
In München gibt es seit 1997 die Städtische Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege, an die sich Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pflegekräfte wenden können. Sie ist eine Einrichtung „im Vorfeld der staatlichen Heimaufsicht“ und ein Angebot der Kommune für Bürger im Rahmen des Paragraphen 8 Pflegeversicherungsgesetz. Diese Beschwerdestelle hat dabei auch die Kompetenz zur Kontrolle beziehungsweise Erteilung von Auflagen. Die Zusammenarbeit mit allen betroffenen Stellen, zum Beispiel der Heimaufsicht, der Regierung von Oberbayern, der Kommunalen Heimaufsicht, den zuständigen Stellen der Sozial- und Gesundheitsverwaltung, dem MDK, den Pflegekassen, den Trägern der Altenpflegeheime, dem Münchner Seniorenbeirat, den Grauen Panthern, den berufsständischen Organisationen der Pflegekräfte und so weiter, spielt dabei eine große Rolle. In allein sechs Monaten gab es über 300 Anliegen, davon 117 Beschwerden. 80 Prozent kamen dabei von Angehörigen.
Eine Bonner Initiative „Handeln statt Misshandel“, durch den Förderverein Gerontopsychiatrie 1997 ins Leben gerufen, hat mit Unterstützung der Stadt Bonn ein Notruftelefon mit Krisenberatungsstelle eingerichtet. Die Initiative „Handeln statt Misshandel“ wird durch Spenden und durch das Verzeichnis der Empfänger von Geldauflagen im Strafverfahren gefördert. Zu diesem Projekt liegt auch eine wissenschaftliche Arbeit vor. Ich könnte diese Liste noch weiter fortführen. Ich betone es noch mal, wer Material von mir haben möchte, kann sich das gern holen, ich habe es hier bei mir.
Meine Damen und Herren, bei der Erstellung einer Konzeption des Notrufdienstes kann also auf bestehende Konzepte und Erfahrungen anderer Bundesländer zurückgegriffen werden sowie auf deren wissenschaftliche Untersuchungen.
Ich denke, die bestehenden Projekte sind eine gute Diskussionsgrundlage für das Gespräch der Landesregierung mit den betroffenen Organisationen, zumal sich schon einige Verbände in Mecklenburg-Vorpommern mit diesem Thema beschäftigt haben. Deshalb sollten wir offensiv, ohne Vorurteile, aber mit dem Blick auf Vorteile in die Gespräche gehen. Und ich verschweige nicht, dass bei allen Unterschieden zwischen den verschiedenen Pro
jekten wir auf das ehrenamtliche Engagement und das uneigennützige Mittun aller angewiesen sind. Auch dieses sollten wir von vornherein mit in den Beratungen beachten. Ich bitte Sie nochmals um Zustimmung zum vorliegenden Antrag. – Danke.
Frau Kollegin Seemann, ich will nur eins bei Ihnen noch mal hinterfragen: Würden Sie mir zustimmen, dass das Sozialministerium dieses Nottelefon hätte schon in eigener Regie einrichten, die Konzepte dafür erstellen oder Modellversuche ausschreiben können?
Herr Glawe, ich habe das vorhin versucht deutlich zu machen. Das Sozialministerium soll lediglich die Koordinierung übernehmen und hat dabei natürlich, weil es eine Trägerneutralität geben soll, mit sehr vielen Verbänden und Organisationen zu tun. Und da halte ich es für sehr vorteilhaft, wenn der Landtag seinem Wunsch Ausdruck verleiht, dass das Sozialministerium dieses Vorhaben umsetzt. Wir haben schon in anderen Bereichen Landtagsaufträge –
auch schon zu Regierungszeiten von Ihnen – erteilt, um die Handlungsmöglichkeiten der Ministerien zu vergrößern.
Und ich weiß nicht, Herr Glawe, weshalb Sie heute diese Sache, wenn Sie inhaltlich mitgehen können, dermaßen abqualifizieren. Das tut mir Leid, das kann ich nicht nachvollziehen.
Statt dass Sie sich freuen, weil hier Pflegequalität offensiv angegangen wird, versuchen Sie das schlecht zu reden. Ich kann es nicht nachvollziehen und ich kann es auch nicht akzeptieren.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frakt i onen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1641. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/1641 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei zwei Enthaltungen der CDU-Fraktion angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Bahnverbindung von Rostock nach Berlin, auf Drucksache 3/1642. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1724 vor.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Seidel von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Seidel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wieder haben die wirtschaftswissenschaftlichen Institute in Bezug auf die Entwicklung der neuen Bundesländer auf den nach wie vor vorhandenen Rückstand bei der Infrastruktur hingewiesen. Wenn Sie sich erinnern, die Ministerpräsidenten haben ihrerseits diesen Rückstand mit annähernd 300 Milliarden DM beziffert. Gerade in diesen Tagen erleben wir am Beispiel des österreichischen Holzkonzerns Klausner-Nordik-Timber, wie eben Infrastruktur, in diesem Falle die Bahnverbindung in Bezug auf Lubmin, entscheidend ist für eine mögliche Ansiedlung an dem Standort in der Nähe von Greifswald. Übrigens, ich habe gerade aktuelles Material von BMW bekommen. Auch dort wird noch mal davon gesprochen, dass natürlich für einen Standort in Bezug auf das neue Werk eine exzellente Bahnanbindung eines der entscheidenden Kriterien für die Standortentscheidung selbst ist.
Man müsste also meinen, dass die Bedeutung von Infrastruktur zwischen uns unstrittig ist, ich denke, im Wirtschaftsausschuss, Herr Bräunig, hat es da auch nie Zweifel gegeben. Doch ich muss – und das zu meinem Bedauern – feststellen, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern, zumindest was die Deutsche Bahn AG betrifft, die Uhren anfangen, rückwärts zu drehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so sehr wir uns oder, ich muss wohl richtigerweise sagen, so sehr sich große Teile dieses Hauses über die Fertigstellung der A 20 freuen, weil damit ohne Zweifel die Straßeninfrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern verbessert wird, so sehr muss man sich doch große Sorgen über die Entwicklung der Schienenverbindungen in Mecklenburg-Vorpommern, sowohl was die Nahverbindungen, also den Schienenpersonennahverkehr, betrifft als auch die Fernverbindungen, machen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Siegfried Friese, SPD: Ja, weil in den vergan- genen Jahren nichts gemacht worden ist.)
Ja, wenn das so einfach wäre von der Begründung, dann, glaube ich, könnte man es ja leicht lösen. Dann hätten Sie es jetzt in der Hand, Herr Friese.
Das ist natürlich eine völlig daneben liegende Begründung. Es ist leider etwas anders. Ich werde es Ihnen aber auch sagen. Meine Damen und Herren, erinnern wir uns, Herr Friese, erinnern wir uns doch mal nur ein halbes Jahr zurück.