Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier muss dann klar festgestellt werden, dass wir in MecklenburgVorpommern mit circa 16.000 Soldaten viel stärker von etwaigen Maßnahmen betroffen wären, als beispielsweise ein Land wie Schleswig-Holstein mit etwa 50.000 Soldaten. Allein diese Zahlen zeigen, dass neben militärischen Aspekten auch strukturpolitische eine Rolle spielen müssen und zusätzlich die finanziellen Folgen selbstverständlich nicht ignoriert werden dürfen. Allerdings – und das betone ich auch ausdrücklich – darf das Sparen zu keiner Unterfinanzierung der Bundeswehr führen und damit die Bündnis- und Europafähigkeit Deutschlands gefährden. Dies wurde erst kürzlich in deutlicher Weise vom NATOGeneralsekretär Robertson und dem amerikanischen Verteidigungsminister Cohen in Bezug auf die Ausgestaltung des Bundeswehretats angemahnt.

(Monty Schädel, PDS: Seit wann entscheidet denn der Landtag darüber?)

So sinkt der Etat des Verteidigungsministeriums von 46,7 Milliarden DM in 1998 auf 45,7 in 2003. Steigende Personalkosten und Kosten von 2 Milliarden DM für die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina, die aus dem Verteidigungshaushalt getragen werden sollen, beschreiben die großen Schwierigkeiten.

Meine Damen und Herren, am Beginn des 21. Jahrhunderts gilt es, mit Besonnenheit und nicht mit Willkür die Zukunft der Bundeswehr zu gestalten. An dieser Gestaltung kann das Land nur dann glaubhaft mitwirken, wenn Landtag und Landesregierung ein eindeutiges Bekenntnis zur Bundeswehr abgeben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Doch selbst an dieser Grundaussage verschluckt sich die Landesregierung.

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund anstehender Reformen und der gesellschaftlichen strukturellen und wirtschaftlichen Bedeutung der Bundeswehr, speziell in unserem Land, ist die momentan herrschende Unge

wissheit der Menschen nachvollziehbar. Diese Ungewissheit und das Gefühl der Menschen, dass vollkommen willkürlich über den Kopf der Betroffenen entschieden wird, beschränkt sich dabei nicht nur auf die einzelnen Teilstreitkräfte mit etwa 16.000 Soldaten und circa 5.000 Zivilbeschäftigten. Erfasst wäre in erheblichem Maße auch d i e betroffene Zulieferindustrie mit etwa elf direkt mehr oder weniger stark betroffenen Unternehmen im Land.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Genau das ist es.)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind insgesamt 60.000 bis 80.000 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, denn die Familienangehörigen müssen Sie mit dazuzählen. Die Bundeswehr ist der größte Arbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Irene Müller, PDS: Schlimm genug.)

sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verzichte in meinen Ausführungen bewusst auf die Nennung konkreter Standorte oder die Auflistung einzelner eventuell zur Disposition stehender Teilbereiche der Streitkräfte, weil es mir nicht darum geht, Standorte gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Außerdem besteht ja eben in der Ungewissheit über etwaig betroffene Standorte das eigentliche Problem.

Es sei an dieser Stelle nur ein Beispiel genannt, das meiner Meinung nach die aktuelle Situation recht deutlich beschreibt: In der laufenden öffentlichen Diskussion zum zukünftigen Sitz der Führung des Marineamtes am jetzigen Standort Rostock oder nach einer möglichen Verlegung nach Wilhelmshaven wird seitens der Stadt Wilhelmshaven und des Landes Niedersachsen ein erheblicher Aufwand an Lobbyarbeit für den Standort an der Nordsee betrieben. Wer die direkte Bedeutung des Standortes einer solch höheren Kommandoebene vielleicht nicht direkt erkennt, dem sei gesagt, dass die Tragweite einer solchen Entscheidung meist nur die Spitze des Eisberges ist und eine Sogwirkung auf andere Bereiche der Streitkräfte auslösen kann.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist mir unverständlich, warum beispielsweise kürzlich auf einem Empfang des Inspekteurs der Marine in Berlin zwar reichlich politische Vertreter aus Niedersachsen anwesend waren, aber aus Mecklenburg-Vorpommern allein Ulrich Adam, Bundestagsabgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Berndt Seite, CDU: Hört, hört!)

Nur er hat die Interessen des Landes vertreten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD, von Ihnen und von der Landesregierung war niemand da.

(Zuruf von Dr. Berndt Seite, CDU)

Wie wollen Sie denn, wenn Sie sich dann noch mal die regionale Presse, zum Beispiel die „Wilhelmshavener Zei

tung“ vom 6. Dezember 2000, durchlesen, eine Entscheidung für den Standort Rostock mit bewirken?

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Dem Inspekteur der Marine laufen CDU-, SPD-, FDP-, -Bundes- und -Landtagsabgeordnete, der Oberbürgermeister von Wilhelmshaven, die niedersächsische Landesregierung die Tür ein, damit das Marineamt nach Wilhelmshaven kommt. Hier geht es um mehr als 700 Personalstellen,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Unglaublich!)

die gegebenenfalls von Rostock nach Wilhelmshaven gehen. Was soll aus der Hanse Sail werden? Die Marine ist in Rostock ein bedeutender Faktor.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich frage diese Landesregierung: Wann war ein Vertreter dieser Landesregierung bei Herrn Scharping zu diesem Thema, bei den Inspekteuren des Heeres oder der Marine? Wann war ein Vertreter der Stadt Rostock einmal da und hat sich für den Standort Rostock eingesetzt?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Der Umweltminister war mal da.)

Dieses möchte ich gerne wissen. Wenn Sie in dieser Phase weiter schlafen, weiter solche Gelegenheiten verpassen, sich für Mecklenburg-Vorpommern einzusetzen,

(Dr. Berndt Seite, CDU: Die wollen es nicht.)

dann werden Sie damit leben müssen, dass wir überproportional beschnitten werden.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Und das kann der Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht gut tun.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch das, was sie wollen. – Dr. Berndt Seite, CDU: Die wollen es nicht. Das ist die Wahrheit. – Reinhard Dankert, SPD: Hören Sie doch auf, so einen Quatsch zu reden! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Berndt Seite, CDU)

Herr Dankert,

(Reinhard Dankert, SPD: Sie nicht.)

Herr Dr. Seite hat auf Ihr zentrales Problem hingewiesen. Wer einen Partner an seiner Hand hat,

(Reinhard Dankert, SPD: Aber Sie können mir nicht unterstellen, dass ich das nicht will.)

wer einen Partner an seiner Hand hat, der als Partei die Bundeswehr nicht will,

(Reinhard Dankert, SPD: Sie können mir nicht unterstellen, dass ich das nicht will.)

der hat schlechte Karten, wenn er sich für die Bundeswehr einsetzen will.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und deswegen erwarte ich von Ihnen, dass Sie unserem Antrag zustimmen.

Ich möchte wirklich wissen, was tut diese Landesregierung in dieser entscheidenden Phase.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nichts.)

Und wenn ich den Artikel der „Welt“ von heute sehe, dann kann es nicht sein, wenn Sie sich bitte mal ansatzweise damit befassen, dass eine ganze Brigade einer Division aus dem westmecklenburgischen Raum gestrichen werden soll

(Monty Schädel, PDS: Wie viel ist das? Wie viel sind eine Brigade?)