Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Über Ihre Reden wundern wir uns auch, Herr Jäger.)

Machen wir mal weiter, weil wir nämlich jetzt zur Kenntnis nehmen, dass Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland und in den neuen Bundesländern zu den Ländern gehört mit den höchsten Zuschüssen des Landes an die Theater, und zwar nach Thüringen an zweiter Stelle. Das hätten Sie auch zitieren können aus Frau Dümkes Gutachten, da ist es nämlich noch mal verdichtet, wir haben aber diese Zahlen ja auch schon mal hier vertreten. Wir haben nach Thüringen die höchsten Zuwendungen pro Einwohner und der Durchschnitt der Bundesrepublik insgesamt ist weit, weit entfernt davon. Das finanzschwache Land, das viele Entwicklungsaufgaben hat, leistet dieses. Und wir haben auch im Konzert der Länder mit die höchsten Zuwendungen für die Besucher, mit die höchsten Zuwendungen pro Besucher. Auch das steht noch einmal verdichtet in Frau Dr. Dümkes Gutachten und auch daran müssen wir denken.

Es bestehen nebenbei in der Bevölkerung ja ganz andere Vorstellungen darüber, wie hoch die Zuwendungen des Landes für die einzelnen Theaterkarten sind. Wir haben da mal eine Umfrage gemacht, das wissen Sie. Und ich würde das also nicht unbedingt auch thematisieren wollen, diese Zuwendungen vordergründig zu steigern. Das muss ich Ihnen sagen. Das Land bringt sich nun in notwendige Gestaltungsprozesse der durchweg kommunalen Einrichtungen – das ist Ihnen auch klar, Sie sind Anwalt, Sie wissen das ja – im Rahmen einer sehr schma

len Geschäftsgrundlage ein. Und die Geschäftsgrundlage kennen Sie auch:

Sie besteht einmal in Empfehlungen aus dem Jahre ‘92, die durchs Kabinett der damaligen Landesregierung gegangen sind, zu Eckdaten über eine Theaterstruktur, einschließlich der Theaterfinanzierung, von der wir ja wissen, dass wesentliche Punkte eben bis heute nicht eingelöst sind. Aber sie weist die vier Theaterregionen aus, zu denen ich im Rahmen der Möglichkeiten nach wie vor stehe. Und die Geschäftsgrundlage besteht zweitens in der Möglichkeit der Mitwirkung bei einer Zielverknüpfung zweckgebundener Zuwendungen, die über das FAG ausgereicht werden. Das ist die Geschäftsgrundlage für die Einflussnahme, und zwar im Zusammenwirken von Bildungsminister, von Innenminister und von Finanzministerium, was sich auch in der Arbeitsgruppe widerspiegelt, in einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die die ganzen Prozesse begleitet. Das ist also die Geschäftsgrundlage.

Das ist aber nicht das Entscheidende. Ich bin überzeugt davon, dass sich notwendige Lösungen für Entwicklungen im Dialog entwickeln müssen, und zwar partnerschaftlich erarbeitet werden müssen, und zwar in einem Dialog, in dem die kulturpolitischen Ziele und Möglichkeiten der Kommunen, in den die theaterfachlichen Kompetenzen der Häuser und Orchester einfließen, auch für eine Vernetzung und Fusion, und in den der kulturpolitische Anspruch des Landes einfließt. Und das dialogisch, das machen wir die ganze Zeit. Das ist ein sehr mühseliges, ein sehr aufwendiges, das ist aber auch ein sehr kreatives und für alle Seiten befruchtendes Geschäft.

Das Land ist dabei interessiert, das muss sein kulturpolitischer Anspruch sein, an einer möglichst flächendeckenden Versorgung mit vielfältigen, mit qualifizierten Leistungen der Einrichtungen und auch unter Gesichtspunkten von Synergien mit der Wirtschaft in allen Landesteilen. Das ist also der Anspruch, den das Land zu vertreten hat. Und das tun wir in diesem dialogischen Prozess.

Dabei gehen wir bisher von der Aufrechterhaltung von vier Theaterregionen aus und es ist nicht beabsichtigt, in die kommunalen Strukturen hineinzuregieren. Es ist auch nicht beabsichtigt, die Geschäftsgrundlagen so zu verändern, dass wir hier hineinregieren. Das verträgt dieser Betrieb nicht. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Und im Rahmen dieser Grundlagen ist hier eine sehr intensive Arbeit von der Landesregierung in Zusammenarbeit mit Regionen geleistet worden.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass eine Projektgruppe aus Vertretern der Träger, der Häuser des Landes und externem Sachverstand Empfehlungen für eine Neuordnung der Theaterstruktur erarbeitet hat. Das liegt hier vor. Das ist in den Landtag eingebracht worden, als Unterrichtungsvorlage. Diese Empfehlungen weisen aus, dass wir bei den jetzigen Strukturen ein Defizit haben bei der Finanzierung der Theater, bei den jetzigen Strukturen, und sie beinhalten unter anderem den Abschluss von Theaterverträgen als Steuerungsinstrument. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen haben wir im zweiten Halbjahr des zurückliegenden Jahres diese dialogischen Theaterkonferenzen durchgeführt, deren Ergebnisse in der jetzigen Unterrichtungsvorlage zusammengefasst wurden.

Sie haben bisher nur in der Region Neubrandenburg, Mecklenburg-Strelitz zu einer sehr konkreten strukturellen Entwicklung, zu einer Neuordnung geführt. Der Zusammenschluss des Landestheaters Mecklenburg Neustre

litz, des Kammertheaters Neubrandenburg und der Neubrandenburger Philharmonie zum ersten regionalen Theaterverbund in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung mit dem Abschluss des ersten Theatervertrages wird gewertet als Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung und bietet alle Voraussetzungen für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Theaterstrukturen. Das ist die Einschätzung des Ministers, aber auch der kommunalen Ebene. Mit dem Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Theaterverbund Neubrandenburg– Mecklenburg-Strelitz werden im Sinne einer Zielvereinbarung die Rahmenbedingungen geschaffen, um Theaterund Konzertangebote in der gesamten Region auf einem hohen qualitativen Niveau langfristig zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Vertrag ist Ausdruck der gemeinsam wahrgenommenen Verpflichtungen von Land und Trägerkommunen für die Entwicklung der Theaterlandschaft. Verankert sind deshalb im Vertrag die für die Region und ihre Bürger vorzuhaltenden Leistungsangebote ebenso wie die Pflicht zur sinnvollen Kooperation mit anderen Theaterregionen.

Nebenbei, diese strukturelle Entwicklung wird in dem Gutachten von Frau Dr. Dümke ausgesprochen positiv bewertet und die Theaterverträge als Instrumente zur Steuerung ebenfalls. Diese Theaterverträge sind jetzt auch in Sachsen-Anhalt ein Mittel zur Steuerung. Ich habe gerade gestern eine Pressenotiz gefunden, dass zwischen dem Landestheater, der Landesbühne Magdeburg und dem sachsen-anhaltinischen Ministerium ein solcher Theatervertrag abgeschlossen wurde. Mit dem Theatervertrag werden auch Möglichkeiten für einen flexibleren Haushaushaltsvollzug eingeräumt, die bisher nicht vorhanden waren, der auf die Bedürfnisse einer kunstproduzierenden Einrichtung ausgerichtet ist. Er wird dazu führen, die Autonomie und die künstlerische Freiheit der Einrichtung zu stärken. Dazu dient auch die Stetigkeit der über das FAG gewährten Landesmittel zunächst bis zum Jahr 2004.

Die vertragsgebundene Theaterfinanzierung des Landes für diese Region führt schließlich zu einer höheren Rechts- und Planungssicherheit und damit zu einer Stabilisierung der Rahmenbedingungen für den Theaterverbund. Damit wären wir in dieser Region einen Schritt weiter.

Auf der Grundlage der Analyse der Ausgangssituation und der bisherigen Ergebnisse bei der Anpassung der Neuordnung der Theater- und Orchesterstruktur bezogen auf die vier Theaterregionen gibt es nun einige Schlussfolgerungen, die ich noch mal zusammenfassen möchte:

Erstens. Die Idee der regionalen Theaterverbände wird von der Landesregierung als eine Möglichkeit gesehen, mit der Trägerstrukturen verbreitert werden und die Verantwortung für die Sicherung von Theater- und Konzertangeboten in der Region von den beteiligten Gebietskörperschaften wahrgenommen werden. Dadurch werden Möglichkeiten kommunaler Selbstverwaltung ausgebaut. Ich werde darüber mit den Kommunen weiter im Gespräch bleiben.

Zweitens die Theaterverträge. Da sich kein Theater und Orchester in Trägerschaft des Landes befindet und befinden wird

(Angelika Gramkow, PDS: Schade.)

und demzufolge dem Land keine unmittelbare Entscheidungskompetenz zukommt, werden im Abschluss

von weiteren Theaterverträgen wirksame Steuerungsund Gestaltungsinstrumente gesehen. Die Mittel sollen weiterhin über das FAG ausgereicht werden. Ich betone nochmals, es gibt dafür ein einheitliches Votum aller Kommunen und Theater.

Drittens Leistungskriterien. Es ist vorgesehen, zur Beförderung der strukturellen Entscheidungsprozesse in Regionen die Verteilung der anteiligen Landesmittel für die Theater und Orchester zu überprüfen und darüber hinaus mittelfristig die Mittel unter anderem nach entsprechenden Leistungskriterien zu berechnen. Ich habe über das Thema der Tarife und der Verträge einen bundesweiten Erfahrungsaustausch angeregt. Die erste Erörterung dieser Problematik soll anlässlich der nächsten Sitzung des Landesverbandes Nord des Deutschen Bühnenvereins im Februar dieses Jahres in Göttingen erfolgen.

Mit dem, was das Bildungsministerium im Zusammenwirken mit den Regionen geleistet hat, ist die Plattform einer Moderation weit überschritten. Es liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die nunmehr mit den Beteiligten zu besprechen sind. Es gibt Lösungsansätze in der Expertise für die einzelnen Regionen, die die Grundlage bilden werden für die Gespräche mit den Regionen. Ich freue mich außerordentlich – bei allen Problemen, die sich auftun –, dass auch in der Region Rostock eine Bewegung entstanden ist. Mit welchem Ergebnis sie beendet wird, ist noch offen. Wir werden das abstimmen mit den Rostockern und werden auch hier die Möglichkeit des Theatervertrages nutzen, um die landespolitischen Zielstellungen zu verfolgen. So viel, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Unterrichtung zum Stand.

Und nun noch etwas zu der Expertise: In der Expertise der Frau Dr. Dümke wird ausgewiesen, dass ein flächendeckendes Angebot mit den verfügbaren Finanzmitteln mittelfristig zu machen ist, auch im Rahmen der vier Regionen. Es ist grundsätzlich zu machen, wenn betriebswirtschaftliche Maßnahmen, Personalmaßnahmen, Fusionen, Rechtsformänderungen geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden. Aber sie bringt zum Ausdruck, dass damit auch eine Ausdünnung der Substanz verbunden sein wird.

Konkrete Empfehlungen sind gegeben für die einzelnen Regionen. Ab 2005 muss dann entschieden werden, ob dieses 4-Regionen-Modell aufrechterhalten werden kann oder ob wir zu anderen Strukturen kommen müssen. Und darüber werden wir uns in den bevorstehenden Theaterkonferenzen mit den Regionen unterhalten. Dazu werden wir den dort vorhandenen Sachverstand, die dortigen Vorstellungen einbinden und mit unseren verbinden.

So viel, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Zwischenbericht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Bartels von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen Einstieg in das zugestandenermaßen komplizierte Thema mit zwei Zitaten versuchen. Christoph Hein hat im Jahre 2000 anlässlich der Verleihung eines Literaturpreises in seiner Festrede Folgendes gesagt: „Ich komme aus Deutschland,

einem sehr reichen Land, in dem in den vergangenen zehn Jahren jedes Jahr irgendwo Theater geschlossen, Orchester zusammengelegt oder aufgelöst wurden, unaufhörlich über die Schließung von Opernhäusern diskutiert wird. Einem Land, in dem sich der Staat sukzessive aus der Kunstförderung zurückzieht, in dem die Künstler aufgefordert sind, für die entstehenden Kosten ihrer Arbeit andere Geldgeber zu finden, private Sponsoren.“

Ein zweites Zitat in diesem Zusammenhang stammt aus der nun schon viel gerühmten und offensichtlich vielfach interpretierten Expertise. Diese Expertise stellt fest: „Bei allen Entscheidungen zu einer ‚Neuordnung’ der Theaterund Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern (ist) auch zu berücksichtigen, dass begründete Erkenntnisse und Konzepte zur Zukunft des öffentlich finanzierten Stadttheaters in Deutschland“ – in Deutschland, das habe ich jetzt wiederholt – „gegenwärtig nicht existieren. Die Diagnose seiner krisenhaften Entwicklung ist seit langem bekannt.“

Ich habe diese beiden Dinge an den Anfang gestellt als einen Kommentar zu dem Antrag, den wir hier heute behandeln, der CDU-Fraktion, die von der Regierung fordert, dass bis zum 8. Juni 2001 ein schlüssiges Konzept über die mittel- und langfristige Entwicklung der Theater und Orchester – nein, zu den Orchestern sage ich gleich noch was –,

(Angelika Gramkow, PDS: Die Orchester haben sie vergessen.)

der Theaterlandschaft in diesem Land vorzulegen ist. Ich glaube, allein diese beiden Zitate zeigen, dass derartig populistische Schnellschüsse, wie sie hier gefordert werden, nur nach hinten losgehen können.

(Unruhe bei Steffie Schnoor, CDU – Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Die Theaterlandschaft in Deutschland ist bekanntlich …

Frau Schnoor, wir können jetzt gerne wieder über die Zeit seit 1990 reden.

(Steffie Schnoor, CDU: Tun Sie doch nicht so, als ob wir erst seit heute darüber reden! – Angelika Gramkow, PDS: Das bringt uns nicht weiter.)

Aber diese Forderung ist Populismus in reinster Form und lässt völlig außer Acht,

(Zuruf von Steffie Schnoor, CDU)

dass diese Strukturen, die wir hier haben, seit dem 19. Jahrhundert gewachsen, in den Regionen verankert und für die Identität der Menschen wichtig sind und dass Schnellschüsse und Schnellkonzeptionen nur dazu führen können, dass diese Strukturen zerstört werden, dass irreparabler Schaden entsteht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Von selbst.)

Und das will die PDS-Fraktion mit Sicherheit nicht.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

Natürlich, Herr Jäger, besteht ein Zielkonflikt. Das ist nichts Neues. Darin haben sich auch andere Regierungen schon befunden in unserem Land. Es hat auch niemand behauptet, auch der Minister eben nicht, dass wir diesen Zielkonflikt nicht hätten oder dass wir ihn gelöst hätten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Na dann müssen wir doch da mal ran. Na dann fangen wir doch mal an!)

Das ist eine Sache, wo Sie Eulen nach Athen tragen und so tun, als ob Sie neue Erkenntnisse vorzuweisen hätten.

Lassen Sie mich noch einen Hinweis geben im Zusammenhang mit dem Antrag der CDU-Fraktion, auch wenn dann hinterher wieder enttäuschte Äußerungen kommen, dass ich Textkritik betreibe. Ich will trotzdem etwas sagen. In dem Antrag und auch in der Rede vom Kollegen Dr. Jäger geht es darum, dass Theater zu den weichen Standortfaktoren in Mecklenburg-Vorpommern gehören.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Mindestens.)

Sprechen Sie bitte mal mit Unternehmern vor Ort, mit Unternehmerverbänden, wonach potentielle Investoren in unserem Land mit zuerst fragen. Das ist die Theaterlandschaft.

(Steffie Schnoor, CDU: Genau. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Fragen Sie Herrn Professor Wagner zum Beispiel, den Leiter des Greifswalder Max-Planck-Institutes, was ihn potentiell wichtige Wissenschaftler, die er benötigt, zuerst fragen.