Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff. Bitte, Herr Ministerpräsident.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Um es vorwegzunehmen, Herr Grams, natürlich steht die SPD zur Bundeswehr und natürlich suche ich auch jetzt das Gespräch mit dem Bundesverteidigungsminister.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Aber – das muss uns hier auch klar sein – an einer Strukturreform und Verkleinerung der Bundeswehr führt heute kein Weg vorbei. Und ich denke, da sind wir uns alle einig, mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes haben sich die Aufgaben der Bundeswehr grundlegend gewandelt. Die Bundesrepublik Deutschland ist heute, wie der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe zu Recht festgestellt hat, von Freunden umzingelt und die Zeiten wechselseitiger Bedrohung und Abschreckung sind zum Glück vorbei. Zugleich wird von einem vereinten Deutschland erwartet, dass es im Rahmen seiner Bündnisverpflichtungen auch einen militärischen Beitrag zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung leistet.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das.)

Weniger Landesverteidigung, mehr internationale Verantwortung – diese neuen Anforderungen an die Bundeswehr müssen sich auch in den neuen Strukturen widerspiegeln.

Meine Damen und Herren, die ersten Reformschritte in diese Richtung sind bereits von der alten Bundesregierung eingeleitet worden.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die neue Bundesregierung setzt den Umbau der Bundeswehr jetzt fort.

(Wolfgang Riemann, CDU: Besonders im Osten. Das war Ihr Wahlkampfslogan. – Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Es war immer klar, dass eine solche Reform nicht an Mecklenburg-Vorpommern vorbeigehen wird. Damit wir dabei nicht überproportional belastet werden, habe ich mich schon frühzeitig für die Standorte in MecklenburgVorpommern eingesetzt,

(Wolfgang Riemann, CDU: Besonders in Mecklenburg.)

und dabei ist einiges erreicht worden. Mit dem Marineamt Rostock ist gegen erhebliche Widerstände aus einigen Nachbarländern nicht nur eine hohe Kommando

struktur im Land gehalten worden, sie wird in den kommenden Jahren sogar noch deutlich personell aufgestockt. Und so Leid es mir tut, aber ein Marineamt kann man nun einmal nicht ins Binnenland verlegen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Der Versuch von Wilhelmshaven – auch ein Marinestandort mit alter Tradition –, das Marineamt zurückzubekommen, ist zugunsten von Rostock entschieden worden.

Insgesamt sind wir jetzt – ich betone, jetzt – von den Stellenstreichungen der Bundeswehr weniger betroffen als andere Bundesländer. Und nach den offiziellen Zahlen des Bundesverteidigungsministeriums wird die Zahl der Dienstposten bei der Bundeswehr, einschließlich der Zivilbeschäftigten, bundesweit von 410.000 auf 350.900 zurückgeführt. Das entspricht einem Rückgang von über 14 Prozent. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern wird durch die neue Reform die Stellenzahl von exakt 20.037 auf 17.600 nach der Reform reduziert. Das ist ein Minus von 12 Prozent und damit ein unterproportionaler Rückgang.

Andere Länder sind jetzt nicht so glimpflich davongekommen. Brandenburg beispielsweise muss Stellenstreichungen von 15 Prozent hinnehmen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind mit 17 Prozent, Thüringen mit 18 und Bayern mit 19 Prozent betroffen. Die Stadtstaaten will ich nicht heranziehen, weil die geringe Stationierungsdichte dort nicht so relevant ist, so dass sich kleine Veränderungen in der Dienstpostenanzahl dort schon sehr viel stärker niederschlagen.

(Herbert Helmrich, CDU: Aber Eggesin liegt in der schwächsten Region, Herr Ministerpräsident.)

Ja, ich komme dazu.

Damit schneiden wir auch besser ab als bei der ersten Bundeswehrreform unmittelbar nach der Deutschen Einheit. Damals waren wir nämlich tatsächlich überdurchschnittlich von den Einsparungen betroffen und ich kann mich im Übrigen nicht daran erinnern, …

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir hatten ja auch die größte Stationierungsdichte. Das wissen Sie ja wohl auch. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ja, ich komme dazu, zu der Stationierungsdichte.

Ich kann mich im Übrigen nicht daran erinnern, dass es damals einen Aufschrei der CDU-geführten Landesregierung gegeben hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Friedbert Grams, CDU: Im April ‘95 in diesem Haus. – Harry Glawe, CDU: Da waren Sie schon Wirtschaftsminister. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Herr Grams, ich würde gerade Ihnen und Ihrer Partei raten, einmal in der Bibel nachzulesen, was im MatthäusEvangelium steht.

(Friedbert Grams, CDU: Nein, Sie sollen nur im Protokoll nachlesen und nicht Unwahrheiten verbreiten! – Zurufe von Dr. Christian Beckmann, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Dort steht: Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht den Balken in deinem Auge wahr?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, richtig. – Wolfgang Riemann, CDU: Das hilft den Menschen in Eggesin und Stavenhagen überhaupt nicht, Herr Ministerpräsident.)

Ich glaube, das trifft auch für einige Debatten zu, die wir heute schon gehört haben. Und, Herr Riemann, wir können weitermachen: Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge! Danach sieh zu,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Meinen Sie mich jetzt persönlich, Herr Ministerpräsident?)

wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Annegrit Koburger, PDS – Unruhe bei Siegfried Friese, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die betroffenen Gemeinden bei uns davon keinen Trost haben, wenn wir in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt gesehen unterdurchschnittlich betroffen sind. Sie haben nichts davon, dass wir die zweithöchste Stationierungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland haben

(Dr. Armin Jäger, CDU: Stimmt.)

und auch weiter haben werden und dass der prozentuale Anteil der Dienstposten in unserem Land auf die Gesamtbundeswehr bezogen sogar noch steigt. Das aktuelle Reformkonzept – und daran lässt sich nicht vorbeireden – sieht schmerzhafte Einschnitte vor, vor allem an den Standorten Stavenhagen, Basepohl und Eggesin. Ein Teil dieser Verluste soll von anderen Bundeswehrstandorten – beispielsweise Torgelow, über Rostock haben wir schon gesprochen – aufgefangen werden, aber es gibt hier nichts zu beschönigen, das ist eine schlimme Situation für die von den Streichungen betroffenen Kommunen und Kreise. Und diese Kürzungen tun uns weh.

Herr Grams hat schon darauf hingewiesen und ich stimme damit voll überein, die Bundeswehr ist an den betroffenen Standorten ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Ihre Präsenz stärkt den lokalen Einzelhandel, das Handwerk und viele mittelständische Unternehmen. Oftmals – und das trifft auf Eggesin sicherlich zu – ist sie auch der größte Arbeitgeber vor Ort. Deshalb setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass dort, wo noch Korrekturen möglich sind, alles getan wird, um diesen Regionen zu helfen. Dafür werde ich mich persönlich bei der Bundesregierung einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Dort, wo Schließungen und drastische Stelleneinsparungen letztlich unvermeidlich sind, muss es einen geordneten Übergangsprozess geben, damit sich die Regionen auf die Zeit nach der Bundeswehr einstellen können. Die Menschen in den betroffenen Regionen dürfen nicht allein gelassen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Monty Schädel, PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann jeden Bürgermeister und jeden Landrat verstehen, der sich jetzt für seine Kaserne einsetzt und neue Perspekti

ven für seine Stadt, für seinen Landkreis einfordert. Wofür ich aber kein Verständnis habe, das sind die platten Parolen, mit denen Sie, Herr Rehberg, seit Sie von Hansa zurück sind, jetzt wieder Stimmung zu machen versuchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Karsten Neumann, PDS)

Die Menschen erwarten, dass wir parteiübergreifend zusammenarbeiten,

(Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

um den betroffenen Kommunen zu helfen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann beschimp- fen Sie uns doch nicht, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten wollen, Herr Ringstorff! – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Sie haben doch mit der Beschimpferei angefangen!