Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1822. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1822 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der anwesenden CDU-Mitglieder abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, wir treten nach gemeinsamer Verabredung jetzt in die Mittagspause. Die Sitzung wird um 12.00 Uhr fortgesetzt.
Da einige Abgeordnete noch auf der Bauerndemo sind und auch unsere Fraktion hier und da noch Beratungsbedarf hat, bitte ich um eine Viertelstunde Auszeit.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Unterrichtung zum Verhandlungsstand Länderfinanzausgleich, Drucksache 3/1817.
Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Unterrichtung zum Verhandlungsstand Länderfinanzausgleich – Drucksache 3/1817 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Artikel 106 des Grundgesetzes regelt, dass die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern von dem Grundsatz ausgeht, dass die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird. Damit wurde die verfassungsrechtliche Grundlage für den Ausgleich des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern geschaffen und der Gesetzgeber geht davon aus, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird. Daran, was angemessen ist, entbrennt der aktuelle Streit zwischen den so genannten Nehmer- und Geberländern über die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Dieser fand seinen Höhepunkt in den Normenkontrollklagen der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem am 11. November 1999 verkündeten Urteil zu dieser Klage.
Das Verfassungsgericht nimmt die Entscheidung, wie der Finanzausgleich künftig aussehen soll, nicht vorweg. Bund und Länder sind gezwungen zu bestimmen, wer warum wie viel Geld mehr bekommen soll oder wer wie viel Geld abgeben muss. Die allgemeinen Maßstäbe für die Umverteilung zwischen Bund und Ländern, die verständlich und nachvollziehbar sein sollen, müssen bis 31. Dezember 2002 verabschiedet sein. Mit der Fristsetzung der Verfassungsrichter erhielt das geltende Finanzausgleichsgesetz den Charakter eines Übergangsgesetzes, welches längstens bis zum 31.12.2004 fortgilt.
Meine Damen und Herren! Insbesondere die Geberländer fordern, dass Ihnen von zusätzlichen eigenen Steuereinnahmen ein deutlich höherer Selbstbehalt als bisher verbleibt. Sie nennen dies Schaffung von Anreizsystemen. Für unser finanzschwaches Mecklenburg-Vorpommern und die anderen neuen Bundesländer, die auf die Ausgleichszahlungen angewiesen sind, ist die Neuregelung der Finanzbeziehungen der Länder von existenzieller Bedeutung. Etwa 60 Milliarden DM werden jährlich zwischen Bund und Ländern insgesamt umverteilt. Mehr als 80 Prozent fließen in die neuen Länder, einschließlich Berlin. Diese werden ohne die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen noch über einen langen Zeitraum nicht lebensfähig sein, denn ein selbsttragender Aufschwung ist im Osten nicht in Sicht und der Nachholbedarf in der Infrastruktur – ich darf hier an die gutachterlich nachgewiesenen 300 Milliarden DM erinnern – ist immer noch immens hoch.
Die unumgängliche Fortführung des bis 2004 geltenden Solidarpaktes ist im Paket Länderfinanzausgleich und Maßstäbegesetz mitzuverhandeln. Gerade für Mecklen
burg-Vorpommern und die meisten der neuen Bundesländer wären weitere erhebliche Einnahmereduzierungen tödlich. Es kann niemand ein Interesse daran haben, die Stabilität der ostdeutschen Länder zu gefährden und die allmähliche Anpassung der Lebensverhältnisse auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
Meine Damen und Herren! Die augenscheinlich schwierigen und zähen Verhandlungen zum Maßstäbegesetz werden auf Regierungsebene geführt. Angesichts der engen Zeitvorgabe durch das Bundesverfassungsgericht und im nächsten Jahr anstehender Bundestags- und Landtagswahlen befinden sie sich in einer heißen Phase. Aus unserer Sicht ist es deshalb unabdingbar, dass das Parlament, das ja in Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes steht, umfassend und zeitnah in öffentlicher Sitzung über den Verhandlungsstand unterrichtet wird. Gerade vor dem Hintergrund der Sonderministerpräsidentenkonferenz, die am Wochenende in Wiesbaden stattgefunden hat, und der dort getroffenen Vereinbarungen, halten wir die Unterrichtung des Parlaments durch die Regierung für notwendig.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Verhandlungen zum Maßstäbegesetz, zur Neuregelung des Länderfinanzausgleiches und zur Fortsetzung des Solidarpaktes nach 2004 befinden sich in einer wichtigen Phase. In den kommenden Monaten werden die Pflöcke eingeschlagen.
Wir alle wissen, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sind Bund und Länder mehr denn je gefordert, ihre gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen, damit die föderale Staatsordnung eine Zukunft hat. Es gilt daher in der Ministerpräsidentenkonferenz aller Länder, Einigungsmöglichkeiten für eine verfassungskonforme Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Finanzausgleiches auszuloten. Mecklenburg-Vorpommern kommt dabei als amtierendem Vorsitzland eine besondere Rolle zu – auf der einen Seite als Mittler im Spannungsverhältnis zwischen den Ländern, auf der anderen Seite als Vertreter der eigenen Landesinteressen, unserem Ziel, Mecklenburg-Vorpommern seinen Platz als gleichberechtigten Partner im Konzert der Bundesländer zu sichern.
Im Paket mit der Neuordnung des Finanzausgleiches geht es auch um die Fortsetzung des Solidarpaktes zum Aufbau Ost nach 2004. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass bereits im Sommer 2000 eine Einigung von Bund und Ländern dahin gehend erreicht wurde, dass die Verabschiedung des Maßstäbegesetzes, des Finanzausgleichsgesetzes sowie eine Anschlussregelung für den Solidarpakt II insgesamt abschließend noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen soll. Der Zeitplan sieht so aus: Der Bund wird bis
Mitte Februar einen Kabinettsbeschluss zum Entwurf eines Maßstäbegesetzes herbeiführen. Bis zum Sommer soll eine Einigung über den Bund-Länder-Finanzausgleich und den Solidarpakt II erfolgen, um das Gesamtpaket möglichst bis Ende 2001 abschließen zu können. Denn Sie wissen alle, das Jahr 2002 ist ein Wahljahr und solche Jahre sind immer nicht besonders gut geeignet, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
Meine Damen und Herren, zur Neuordnung des BundLänder-Finanzausgleiches hat am vergangenen Wochenende unter meinem Vorsitz in Wiesbaden eine Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten der Länder stattgefunden. Nach zwei Tagen harter Verhandlungen ist der Weg nun frei für einen erneuten Versuch, einen Versuch der Länder, sich aufeinander zuzubewegen und dabei die gegensätzlichen Positionen zunächst einmal zurückzustellen. Ich glaube, damit ist ein wichtiger Zwischenschritt gelungen. Ob das aufgrund der vereinbarten politischen Eckpunkte auch in der praktischen Umsetzung trägt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Fest steht, bisher hat noch niemand materielle Zugeständnisse gemacht oder materielle Zugeständnisse erhalten.
Meine Damen und Herren, was bedeuten die Beschlüsse von Wiesbaden für unser Bundesland, für uns in Mecklenburg-Vorpommern?
Erstens. Es soll eine Weiterentwicklung des Länderfinanzausgleiches über den Status quo versucht werden, ohne dass wir für uns wesentliche Grundsätze aufgeben.
Zweitens. Ein wesentlicher Eckpfeiler der Ergebnisse von Wiesbaden ist die Bekräftigung, der Aufbau Ost bleibt gesamtstaatliche Aufgabe von Bund und Ländern und zentrales Element der bundesstaatlichen Finanzpolitik auch nach dem Jahre 2004. Es muss sichergestellt werden, dass keine Schlechterstellung der ostdeutschen Länder bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen herauskommt.
Drittens. Es ist uns gelungen, die Bestrebungen nach Verwirklichung einer stärkeren Anreizorientierung mit der Aufforderung an die Finanzminister zu koppeln, neue Rechenmodelle zu entwickeln, die von einem Korridor der Belastungen beziehungsweise Entlastungen im Referenzjahr von grundsätzlich plus/minus 12 DM je Einwohner ausgehen, das heißt, kein Bundesland darf stärker als 12 DM je Einwohner be- oder entlastet werden. Bei diesen Modellen können auch Verschiebungen zwischen Umsatzsteueranteilen und Bundesergänzungszuweisungen vorgenommen werden. Man kann mit Fug und Recht sagen, das ist ein Erfolg für die finanzschwachen neuen Länder. Damit ist der Angriff der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen auf die Finanzausstattung insbesondere der ostdeutschen Länder abgewendet worden.
Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht die gemeinsame Finanzverantwortung von Bund und Ländern im solidarischen Bundesstaat in Frage gestellt. Doch für uns in Mecklenburg-Vorpommern heißt das oberste Gebot: In einem föderalen Staat sind Bund und Länder so mit Finanzmitteln auszustatten, dass den Bürgern in allen Regionen annähernd gleiche Lebensverhältnisse geboten werden können. Das ist eins der wesentlichen Ziele der Finanzordnung. Und daran muss sich auch die anstehende Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Finanzausgleiches messen lassen. Deshalb darf es bei der anstehenden Neuordnung keine Gewinner und keine Verlierer
geben. Mit der Vereinbarung des so genannten Korridors wurden in diesem Sinne, denke ich, Grenzen eingezogen. Die politische Eigenständigkeit und finanzielle Handlungsfähigkeit aller Länder durch die aufgabengerechte Finanzausstattung muss gewährleistet sein. Da sind sich in diesem Punkt jetzt alle Regierungschefs einig.
Über diese Ergebnisse hinaus wurden in Wiesbaden auch weitergehende Themen zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung erörtert. Hier stand der Punkt Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben beziehungsweise Mischfinanzierungen zur Diskussion. Und im Sinne eines politischen Brückenbaus haben sich die Regierungschefs darauf verständigt, mit dem Bund im Zusammenhang mit der Neuordnung des Finanzausgleiches diese Entflechtung zu vereinbaren. Dabei soll es zunächst um eine politische Klärung der Problematik gehen. Und auch an dieser Stelle ist es gelungen, ein Gegengewicht zu den Interessen der Geberländer zu verankern. Die überproportionalen Zuweisungen aus Mischfinanzierungen an die ostdeutschen Länder sollen auch weiterhin für den Aufbau Ost, für die Fortsetzung des Aufbau Ost zur Verfügung stehen, gegebenenfalls sind dafür besondere Regelungen zu schaffen. So ist es in Wiesbaden vereinbart worden. Darüber hinausgehende Vorschläge zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung sind weiter zu bearbeiten und spätestens bis zur nächsten Jahreskonferenz im Herbst, also im Oktober 2001, aufzubereiten. Die Finanzministerkonferenz wurde beauftragt, auf der Grundlage der genannten Kriterien Vorschläge für eine konsensfähige Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 5. April vorzulegen.
In Wiesbaden hat Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit den anderen Ländern nochmals seine Erwartung bekräftigt, dass der Bund im Entwurf des Maßstäbegesetzes, des Finanzausgleichsgesetzes und des Solidarpaktes II seiner gesamtstaatlichen Verantwortung voll und ganz gerecht wird.
Meine Damen und Herren, die Fortsetzung des Aufbau Ost steht für uns in Mecklenburg-Vorpommern bei den Verhandlungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich an zentraler Stelle.
Die ostdeutschen Ministerpräsidenten haben sich vom Bundeskanzler zuletzt im Januar dazu wichtige Zusagen geben lassen und sie haben wichtige Zusagen erhalten – so die Zusage, dass der neue Solidarpakt eine längerfristige Perspektive geben muss, auch um Planungssicherheit zu gewährleisten und Investitionen zu fördern. Die Zusage, dass der Bund die Gutachten der fünf Institute zum Umfang der Infrastrukturlücke von 300 Milliarden DM in den neuen Ländern als Ausgangsbasis für die konkreten Verhandlungen anerkannt hat, ist, denke ich, auch als Erfolg zu werten
wie auch die Zusage, dass der Bund sich zu seiner besonderen Verantwortung für die neuen Länder bekennt und daher – das ist ganz wichtig – den Solidarpakt II im Maßstäbegesetz verankert.
Meine Damen und Herren, wir dürfen beim Aufbau Ost nicht stehen bleiben. Wir haben erst die Hälfte der Weg