Protokoll der Sitzung vom 07.03.2001

Weiter, Innenminister Timm zufolge, will das Bundesverteidigungsministerium prüfen, ob für Stavenhagen und Eggesin durch Umverteilung im Land Korrekturen möglich sind. Und weiter: Scharpings Zusage enthalte belastbares Material, betonte Timm.

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Hört, hört! – Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja! Ah ja! – Wolfgang Riemann, CDU: Belastbar ist nur Timm.)

Am gleichen Tag sagt Herr Timm, dass er beabsichtigt, dem Kabinett heute ein Konzept zugunsten der von Standortschließung bedrohten Kommunen des Landes vorzulegen. Am gleichen Tag!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja klar!)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, mir fehlen fast die Worte.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

Und dann geht es weiter. Am nächsten Tag meldet sich der Herr Ministerpräsident aus dem Urlaub. Und zwar sagt er, Bundeskanzler Gerhard Schröder will die Kürzungspläne für die Bundeswehrstandorte Eggesin und Stavenhagen noch einmal überprüfen lassen. Dies habe Schröder Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Harald Ringstorff am Dienstag in einem Telefongespräch versichert, teilte die Staatskanzlei mit. Und weiter: Das ursprünglich für Donnerstag geplante Koordinierungsgespräch Ringstorffs mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping entfällt dafür. Herr Ringstorff, wie blauäugig sind Sie eigentlich?

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Kanzlerwort!)

Am 29. Januar sind Sie ahnungslos und überrascht und dann sagen Sie am Freitag, als die Entscheidung gefallen ist, dass die Nachverhandlungen nichts eingebracht haben. Herr Ringstorff, nehmen Sie das Wort „Verhandlung“ nicht in den Mund! Wenn man verhandelt, dann fährt man hin zu demjenigen, von dem man etwas haben will, sitzt ihm Aug’ in Aug’ gegenüber und kämpft für die Sache, für die man Verantwortung trägt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das!)

Herr Ebnet bestätigt dann diese ganze Geschichte, und zwar habe er die Zusage von Scharping, die Reduzierungspläne für Basepohl und Eggesin werden noch einmal überprüft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wird nun passieren? Jetzt wird Hilfe vom Bund eingefordert. Ich will hier nur sagen, nach meiner Auffassung, das hat der Bund schon deutlich gemacht, wird er nicht einen Handschlag rühren, nicht einen einzigen Handschlag.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und schon gar nicht für Mecklenburg-Vorpommern.)

Das bestätigt die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Schulte auf eine Kleine Anfrage der Kollegin Jaffke. Und zwar fragt Frau Jaffke: In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung, die mit der Stadt Eggesin zur Wohnungsfürsorge geschlossenen Verträge zukünftig zu erfüllen? Frecher und dreister geht die Antwort nicht. Und zwar: Aus dem zwischen dem Bundesminister der Finanzen und der Stadt Eggesin geschlossenen Vertrag entstehen für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung keine Verpflichtungen gegenüber der Stadt Eggesin.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist entzückend. – Zurufe von Dr. Christian Beckmann, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo leben wir eigentlich? Ist das ein Katz-und-Maus-Spiel, ein Schwarzer-Peter-Spiel in der Bundesregierung, was hier abläuft, auf Kosten der betroffenen Kommunen? Auf der einen Seite sagt Herr Scharping im Sommer letzten Jahres, der Standort Eggesin ist sicher, und auf der anderen Seite kommt jetzt – das ist Wortbruch, Täuschung, ich würde sogar fast sagen, es ist eine Lüge –, dass dasselbe Ministerium sagt: Eggesin, mit deinen Problemen, die wir dir eingebrockt haben, lasse ich dich aber alleine. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

Das ist doch keine Politik gegenüber den Menschen in Eggesin.

Die Probleme, die die Kommunen haben, sind doch ganz offenkundig. Und, Herr Ritter, betteln hilft hier nicht. Sie betteln als stellvertretender Fraktionsvorsitzender einer Regierungsfraktion mit der Überschrift „PDS-Landtagsfraktion erwartet klare Aussagen der Landesregierung“. Und Sie haben Recht. Die Ministerpräsidenten der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben gestern beziehungsweise heute gegenüber ihren betroffenen Gemeinden erste konkrete Angebote unterbreitet. Solche Signale sind seitens der Schweriner Landesregierung jetzt ebenso dringend notwendig.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Ich kann Ihnen ein probates Mittel sagen. Sie hätten einen Antrag hier einbringen können oder Sie stimmen nachher unserem Antrag zu. Das sind ganz konkrete Hilfen für die Kommunen vor Ort und dann brauchen Sie nicht zu betteln, denn politisches Handeln ist hier gefragt.

(Monty Schädel, PDS: Sie hätten doch unserem Antrag zustimmen können letztes Mal.)

Denn die Landesregierung hat bisher noch nicht einen Handschlag für die betroffenen Kommunen gerührt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und ich will Ihnen eins sagen: Diese Landesregierung, wie sich mir das seit Ende letzten Jahres bis in den Febru

ar darstellt, wird beim Bund auch nichts erreichen. Ich muss Ihnen sagen: Wenn der Bund sagt, was wollt ihr überhaupt, ihr habt doch 1993 höhere Mehrwertsteueranteile gekriegt, das muss euch doch ausreichen, dann fehlt mir wirklich jede Phantasie, wie der Bund hier mit den Ländern und den Kommunen umgeht.

Herr Ringstorff, Sie haben in einer Rede mal gesagt, und zwar 1992, der Bund saniert sich auf Kosten der Länder und Kommunen. Das war damals völlig falsch. Sie müssen mir heute den Solidarpakt und das föderale Konsolidierungskonzept loben. Heute saniert sich Rot-Grün auf Kosten der Länder und der Kommunen, das kann ich Ihnen auch an anderer Stelle nachhaltig beweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist so. – Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Antrag ist aus meiner Sicht sehr substantiell und Sie müssen nicht zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Das, was wir vorschlagen, das ist alles möglich mit den vorhandenen Mitteln und mit den vorhandenen Möglichkeiten. Aber man muss dann Prioritäten setzen, Prioritäten hinsichtlich von Förderung, von Infrastruktur, Prioritäten hinsichtlich Sonderbedarfs- und Fehlbedarfszuweisungen und Prioritäten hinsichtlich der Ausreichung kommunaler Investitionsmittel. Und an eins darf ich Sie auch erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Landkreis UeckerRandow hat mit dem neuen FAG – und dafür haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und PDS, gesorgt – 7 Millionen DM weniger als nach dem alten FAG, alle Gemeinden und der Landkreis zusammen. Das ist die Wahrheit. Gucken Sie sich die Zahlen an! In Demmin sieht es nicht viel besser aus.

Das heißt, die Kommunen müssen auch Eigenmittel bereitgestellt bekommen, damit sie überhaupt Fördermittel in Anspruch nehmen können. Ich will jetzt gar nicht die Zahlen benennen, was an Kaufkraftverlusten, was an Investitionen geflossen ist. Allein an kommunalen Infrastrukturinvestitionen ist an den Standorten Stavenhagen, Basepohl, Eggesin ein dreistelliger Millionenbetrag geflossen.

Was ich erwarte, Herr Ministerpräsident, das ist Folgendes: Nach dem, was Sie hier gesagt haben, wir dürfen Eggesin nicht allein lassen – es ist immer schön, solche Schlagzeile zu haben in einer der großen deutschen Wochenzeitschriften, der „Super Illu“, vom 1. März –, kann ich Ihnen nur eindringlich empfehlen, lassen Sie Basepohl und Eggesin nicht allein! Die Menschen erwarten, nachdem Sie im Urlaub abgetaucht sind, nachdem Sie die Sache über Wochen und Monate haben schleifen lassen, dass Sie sich für die betroffenen Regionen einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Nur zu Ihrer Erinnerung, Herr Ministerpräsident: Es sind die Regionen mit der höchsten Arbeitslosigkeit, mit dem niedrigsten Steueraufkommen in Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben eine Verantwortung für dieses Land Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Verantwortung sind Sie in der Frage der Erhaltung der Bundeswehrstandorte nicht gerecht geworden.

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Genau so ist es!)

Jetzt setzen Sie Zeichen, indem Sie als Landesregierung Hilfe gegenüber den betroffenen Kommunen

schnellstmöglich, ohne viele Debatten auf den Weg bringen, damit das letztendlich auch vor Ort ankommt! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Rehberg.

Ihren Ausdruck der bewussten Lüge weise ich als unparlamentarisch zurück.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Versetzen wir uns einmal in die Lage von vor 15 Jahren. Damals standen sich die beiden Supermächte und ihre Verbündeten hochgerüstet gegenüber. Milliarden von Mark wurden auch bei uns in die Armee gesteckt und die marode Wirtschaft der DDR ächzte unter der Last, die dafür notwendigen Gelder aufzubringen.

(Monty Schädel, PDS: Fast wie heute.)

Viele von uns haben sich damals danach gesehnt, dass dieser Wahnsinn ein Ende haben möge. Und wie gut hätten wir die Gelder für andere notwendige Dinge gebrauchen können.

(Monty Schädel, PDS: Heute brauchen wir auch Gelder.)

Heute, meine Damen und Herren, scheint dieser Wunsch in Erfüllung zu gehen, doch wieder sind nicht alle einverstanden. Es heißt, Bundeswehrreform ja, aber nicht bei uns.

In den vergangenen Wochen ist in unserem Land sehr viel und von Seiten der Opposition leider auch sehr unsachlich

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

über die notwendige Reform der Bundeswehr und ihre Folgen für unser Land diskutiert worden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und das Land haben wir schlecht geredet, ja, ja, ja.)