Protokoll der Sitzung vom 04.04.2001

Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat das Wort der Ministerpräsident Ringstorff. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Fußball hört bekanntlich der Spaß auf. „Einige behaupten sogar, es ginge beim Fußball um Leben und Tod. Das ist natürlich Quatsch. Es geht um viel mehr“, so ein Trainer aus England, dem Mutterland des Fußballs. Auch wir als Deutsche und Mecklenburg-Vorpommern wissen ganz genau, der Punktestand entscheidet über Sein oder Nichtsein, über momentanes Glück oder Unglück eines Landes oder sogar einer ganzen Nation.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Über den Stolz.)

Kein Politiker, der nicht schon im Stadion gesichtet worden wäre, kein Ministerpräsident, Herr Schoenenburg, auch ich nicht, der nicht ein echter Fan seiner Mannschaft wäre. Manche Politiker gehen sogar einen Schritt weiter und können sich gar nicht richtig entscheiden zwischen Fußball und Politik.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall Heinz Müller, SPD)

Wir können also festhalten, Fußball ist politisch und Politik hat auch immer etwas mit Fußball zu tun. Fußball schafft Gemeinschaft im Stadion und vor allem auch vor dem Fernseher zu Hause. Fußball war früher „Fußball für alle“ und alle konnten wir am nächsten Tag mitreden. Dann kam das Pay-TV – Herr Friese hat schon etwas dazu gesagt – und jetzt werden Übertragungsrechte von privaten Medienunternehmen für viel Geld gekauft. Über 3,4 Milliarden DM soll die Kirch-Gruppe für die Senderechte der Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 bezahlt haben, natürlich um Geld damit zu verdienen. Das ist auch völlig verständlich. Aber viele Fans in Deutschland fragen: Darf es deshalb sein, dass viele Spiele der Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 nur noch für wenige im Bezahl-Fernsehen laufen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Jede Seite hat zwei Medaillen“, sagte einst Mario Basler in seiner ihm eigenen Art. Das heißt auf unseren Fall bezogen, wenn wir heute fordern, den Rundfunkstaatsvertrag zu ändern, dann müssen wir zum einen geschaffene wirtschaftliche und rechtliche Tatsachen zur Kenntnis nehmen, zugleich aber können und müssen wir verantwortungsvoll prüfen, wie unter den gegebenen Bedingungen noch Erweiterungen der zurzeit geltenden Regelungen erreicht werden können.

Mit Beschluss vom 15. März 2001 in Berlin haben die Chefs der Staats- und Senatskanzleien die Rundfunkreferenten der Länder beauftragt, genau dies zu tun und zu prüfen, ob die bisherige Schutzliste der Großereignisse in Paragraph 5 a des Rundfunkstaatsvertrages einer Änderung bedarf. Dies beinhaltet auch die Prüfung, wie bei

spielsweise zukünftig bei den Fußballweltmeisterschaften 2010 zu verfahren ist.

Zu den bisherigen Tatsachen gehört, dass gemäß Paragraph 5 a des zurzeit gültigen Rundfunkstaatsvertrages als Großereignisse bei den Fußballweltmeisterschaften und -europameisterschaften nur Spiele mit deutscher Beteiligung sowie unabhängig von deutscher Beteiligung das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Endspiel gelten. Diese müssen somit frei empfangbar sein. Zu den Tatsachen gehört darüber hinaus, dass ARD und ZDF für 2002 inzwischen für insgesamt 24 Spiele Übertragungsrechte von der Kirch-Gruppe gekauft haben. Damit ist die Fernsehübertragung dieser Spiele für alle garantiert und für 2006 – Herr Friese hat darauf hingewiesen – sind die Verhandlungen im Gange. Ich denke, dass damit für die Fans in Deutschland schon eine Menge erreicht worden ist. Natürlich kann es aber unter diesen Bedingungen passieren, dass es zu einer hoch interessanten Begegnung auch im Jahre 2002 kommt, zum Beispiel zwischen Argentinien und Holland, und Millionen Fußballfans in Deutschland könnten sie am Bildschirm nicht mitverfolgen, da das Spiel weder unter die Schutzliste fällt noch gekauft ist.

Viele Fans bei uns fragen angesichts der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland auch: Ist dies nicht ein einziges Großereignis, also die gesamte Weltmeisterschaft? Andere weisen darauf hin – und ich glaube, nicht ganz zu Unrecht –, dass in Deutschland Fußballstadien mit dem Geld aller Steuerzahler gebaut werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Polizei und Bundesgrenzschutz, die Fußballspiele absichern, werden ebenfalls bezahlt vom Geld aller Steuerzahler, von denen die meisten unter den jetzigen Bedingungen als Fernsehzuschauer vieler Fußballspiele ausgeschlossen blieben.

Meine Damen und Herren, Fakten, Fragen und Hoffnungen. Nun gilt es zu prüfen, was unter den gegebenen Verhältnissen für Millionen Fans in Deutschland noch rauszuholen ist, auch für zukünftige Meisterschaften, bei denen die Übertragungsrechte noch nicht verkauft sind. Die Mannschaftsaufstellung wird jetzt vorgenommen. Die Frage, die sich nun stellt, meine Damen und Herren von der Opposition, ist: Sind Sie dabei oder nicht? – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, Barbara Borchardt, PDS, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr Rehberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Über die beiden letzten Reden könnte man die Überschrift setzen: „Populisten aller Länder vereinigt euch!“.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ach, Herr Reh- berg, Sie auch wieder. Sie haben doch die größte populistische Aktion heute früh abgezogen. – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Wie sind denn die Fakten wirklich, Herr Ministerpräsident und Herr Friese? Wer vergibt die Rechte einer Fußballweltmeisterschaft, einer Fußballeuropameisterschaft? Die deutsche Bundesregierung? Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern? Oder vergibt der Weltfußballver

band in eigener Zuständigkeit für die gesamte WM alle Rechte? Oder vergibt die Europäische Fußballunion sie an denjenigen, der das meiste Geld auf den Tisch packt? So ist das für die WM 2002 und 2006 gewesen, dass die FIFA in eigener Zuständigkeit Übertragungsrechte an die KirchGruppe vergeben hat. Punkt. Darauf hat weder Herr Friese noch der Herr Ministerpräsident noch der Herr Bundeskanzler noch sonst wer in Deutschland einen Einfluss.

(Siegfried Friese, SPD: In England ist es anders geregelt. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Darauf hat doch niemand einen Einfluss. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Ich komme noch, Herr Friese, zu England. Ich weiche deswegen auch von meiner Rede ab. Ich komm auch noch zu England.

Herr Ministerpräsident Ringstorff, Ihre Unterschrift ist unter dem Rundfunkstaatsvertrag, unter dem Paragraphen 5 a. Sie haben dieser Liste der Großereignisse zugestimmt. Und wie groß ist diese Liste denn eigentlich? Sie umfasst ein Großereignis gänzlich, das sind die Olympischen Spiele, und umfasst ein Ereignis, die Fußball-WM partiell. Aber was ist mit der Formel 1? Was ist mit Tennis? Was ist mit Handball? Was ist mit Eishockey? Das ist alles ausgeblendet. Deswegen ist das eine halbseidene Debatte, die Sie hier führen, eine ganz, ganz halbseidene Debatte.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig! – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Herr Ministerpräsident, ist Ihnen damals nicht klar gewesen, was Sie da unterschreiben? Haben Sie sich nicht darüber Gedanken gemacht, was passiert, wenn Sie die Fußball-WM so fassen, wie Sie sie gefasst haben: Endspiele, Halbfinale, deutsche Beteiligung? Ich will darauf nicht weiter eingehen. Und jetzt auf einmal kommen Sie und unterstützen den Antrag von Herrn Friese, obwohl Sie ganz genau wissen – darauf haben Sie ja zumindest andeutungsweise hingewiesen –, wie problematisch das ist, wenn Sie heute noch einmal darangehen, den Rundfunkstaatsvertrag, den Paragraphen 5 a, zu ändern. Das ist mehr als problematisch.

(Siegfried Friese, SPD: Das ist gar nicht problematisch.)

Herr Friese, lesen Sie sich den Artikel in „Journalist“, Heft 4/2001, von Herrn Schaffrath mal in Ruhe durch, ganz in Ruhe.

(Siegfried Friese, SPD: Geschrieben wird viel dazu.)

Ja, ich weiß, das ist alles nicht populär, was ich sage.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber Fußball ist wirklich was Spannendes. – Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Und das Nächste, Herr Friese, Herr Ministerpräsident Ringstorff: Ich glaube, Herr Ringstorff, Ihnen ist das ein Stück weit klar. Was provozieren Sie eigentlich herauf? Und, Herr Friese, ich rate Ihnen dringend, ganz dringend,

(Siegfried Friese, SPD: Keine Drohung!)

sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vermarktung der Champions League und der UEFA-CupSpiele aus dem Jahre 1997 durchzulesen. Da werden Sie

eins sehen, was ich politisch nicht befürworte, aber was rechtlich dort ausgeführt ist: Fußball ist nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes kein Kulturgut, sondern ein Wirtschaftsgut, denn der Urteilsspruch basiert leider auf dem Wettbewerbs- und auf dem Kartellrecht. Und ich bin hoch gespannt, wie der Europäische Gerichtshof entscheidet hinsichtlich der Klage der Kirch-Gruppe gegen Großbritannien. Lesen Sie sich bitte auch diesen durch, Herr Friese!

Und, Herr Ministerpräsident, haben Sie zugestimmt? Ich suche mir gerade mal das Zitat raus, und zwar in der Begründung zum Paragraphen 5 a. Ich zitiere aus der Begründung: „Diese auf wenige Ereignisse beschränkte Liste trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Einschränkung von Grundrechten Rechnung.“

Jetzt komme ich zum Artikel 14 Grundgesetz. Was Sie heraufprovozieren mit Ihrer Aktion, ist, dass gegebenenfalls Schadenersatzforderungen nicht nur gegenüber ARD und ZDF, sondern gegenüber dem deutschen Steuerzahler im Blick auf die Kirch-Gruppe kommen. Wenn Sie es genau gelesen haben, hat die Kirch-Gruppe für 2002 und 2006, was Deutschland betrifft, jeweils 915 Millionen Mark berappen müssen. Ich will nur deswegen darauf hinweisen, das ist alles sehr populistisch, was hier vorgetragen wird und möglicherweise auch populär.

(Siegfried Friese, SPD: Es will ja niemand Kirch die Rechte wegnehmen.)

Sehr geehrter Herr Friese, noch einmal, Sie scheinen wirklich nicht zuhören zu wollen:

(Siegfried Friese, SPD: Ich höre schon zu.)

Die FIFA, die UEFA verkauft die Rechte

(Siegfried Friese, SPD: Ja.)

in eigener Zuständigkeit und darauf hat niemand Einfluss. Und wenn Sie jetzt sagen, ich will der Kirch-Gruppe ja nicht die Rechte wegnehmen, die Kirch-Gruppe hat einen gewissen Preis bezahlt.

(Angelika Gramkow, PDS: Und sie muss weiter- verkaufen, sonst kann sie den Preis nicht zahlen.)

Und jetzt will ich zitieren:

(Siegfried Friese, SPD: Sie kann doch ausstrahlen. Warum denn dies noch einmal verschlüsseln?)

„ARD und ZDF haben die WM-Lizenzen zu einem Preis erworben, den kein privates Fernsehunternehmen aufgebracht hätte.“ Das heißt, ARD und ZDF sind mit dem Geld der Gebührenzahler in eine Region vorgestoßen, in die die Kommerziellen gar nicht hätten vorstoßen können, auch und wegen der Verquickung SAT und Kirch-Gruppe. Darauf will ich nicht weiter eingehen. Das heißt aus meiner Sicht, falls wir nicht bei dem bleiben, was wir im Augenblick haben, …

(Siegfried Friese, SPD: Sinken die Preise wieder.)

Das ist ein interessanter Punkt, Herr Friese. Ich bin mit Ihnen einer Meinung.

(Siegfried Friese, SPD: Wo will Kirch die weitervermarkten? – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)