Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Ich dachte, das ist nicht parlamentarisch.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte doch um eine sachliche Diskussion! Das Wort hat die Abgeordnete Frau Borchardt.

… wohlwissend, dass wir ein Arbeitsplatzdefizit haben, dass immer weniger Erwerbslose die ihnen zugewiesene Arbeit ablehnen und damit Einkommensverluste in Kauf nehmen. Schauen wir uns doch mal die freien Stellen an. Der größte Teil von ihnen sind Billigjobs und da frage ich: Wer von uns wäre bereit, für 8 DM die Stunde arbeiten zu gehen? Ich denke, doch wohl keiner. Aber die Betroffenen, die sollen es tun. Dann sagen Sie nicht, die Sozialleistungen sind zu hoch. Nein, im Gegenteil, die Löhne sind eindeutig zu niedrig.

(Beifall Annegrit Koburger, PDS – Zuruf von Martin Brick, CDU)

Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, tun so scheinheilig, als ob Sie diese Politik nicht befürworten, als ob Sie die Interessenvertreter der Erwerbslosen sind. Das ist doch wohl mitnichten so! Alles das, was jetzt durch die Bundesregierung in Gang gebracht wurde,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wo sind denn Ihre 1.000 Sozialarbeiter, die Sie versprochen haben, und die 5.000 im öffentlichen Beschäfti- gungssektor? 400 schaffen Sie mit den Mitteln!)

entspricht doch genau Ihrer politischen Vorstellung.

Die sind doch auf dem Weg. Warten Sie doch mal ab! Wir haben gesagt, bis zum Ende der Legislaturperiode.

(Martin Brick, CDU: Ist doch schon ein gutes Ziel, die anderen sind abgewandert.)

Warten Sie doch ab!

Vielleicht darf ich Sie an dieser Stelle an Ihre Vorleistungen in Ihrer Regierungszeit auf diesem Gebiet erinnern: Veränderungen des Arbeitsförderrechts mit einschneidenden Verschlechterungen für die Erwerbslosen und der Erhöhung des Drucks auf die Erwerbslosen, Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes mit der Maßgabe Kürzung der Sozialhilfe, Verschlechterung der Bedingungen für ABM, Aberkennung der Qualifizierung für Langzeitarbeitslose, Anrechnung der Abfindung auf Arbeitslosigkeit und, und, und, und. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie Sie gegen den hohen Bestand an ABM-Stellen in unserem Land gewettert haben, wo Sie aufgefordert haben, dass die Subventionierung von Arbeit beendet werden muss, Sie gegen die Angleichung der Tarife in Ost und West waren, den Jugendlichen unseres Landes vermittelt und sie aufgefordert haben, das Land zu verlassen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

oder an die Forderungen im Rahmen der Haushaltsdebatte, die Mittel für das Arbeitsministerium weiter zu kürzen. Also hören Sie auf mit den plakativen Forderungen und lassen Sie die Kirche im Dorf!

(Martin Brick, CDU: Wir schon! – Harry Glawe, CDU: Wir bauen sie wieder auf, die Kirchen.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unabhängig von der Scheinheiligkeit und der Konzeptionslosigkeit der CDU bereitet uns die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Sorgen. Und ich sage es hier ganz deutlich: Hier ist der Bund gefragt, aber nicht nur der und auch nicht nur der Arbeitsminister, sondern die gesamte Landesregierung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Dieses gemeinsame Engagement vermissen wir.

Ich möchte auch darauf verweisen, dass es einen Landtagsbeschluss gibt, in dem wir uns ausdrücklich für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen für die Jugendlichen nach der Lehre ausgesprochen haben. Die vom Arbeitsminister vorgestellten ersten Bausteine für das Programm reichen aus unserer Sicht bei weitem nicht aus, aber es ist entwicklungsfähig,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Scheibchen, Scheibchen!)

nicht nur von den Inhalten, sondern auch von der finanziellen Untersetzung. Auch hier sind wir alle gefragt.

Uns ist die angespannte Situation unseres Haushaltes bewusst. Aber – und das frage ich ganz ernsthaft – können wir die Argumentation, dass wir keine Neuverschuldung zu Lasten der nachkommenden Generation zulassen wollen, aufrechterhalten? Was ist mit der jetzt lebenden Generation? Nein, ich will keine Neuverschuldung um jeden Preis. Aber wenn wir daran festhalten wollen, dass wir gleichzeitig die Arbeitslosigkeit in unserem Land senken wollen, dann müssen wir auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Es kann doch nicht sein, dass wir politisch alles wollen, aber es darf bitte schön kein Geld kosten. Wenn wir ernsthaft etwas verändern wollen,

(Lutz Brauer, CDU: Sie haben ja mehr Probleme als die Opposition.)

dann sind auf der einen Seite alle Ministerien gefragt, in ihren Bereichen die Möglichkeiten der Schaffung von Arbeitsplätzen zu prüfen,

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

und auf der anderen Seite sind die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Dabei verkenne ich nicht die vorhandenen Ansätze.

(Monty Schädel, PDS: Da bleibt Ihnen die Spucke weg, was?! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Harry Glawe, CDU – Monty Schädel, PDS: Jetzt können Sie gar nichts mehr sagen, ne?! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und auch wir sind gefragt. Schauen wir doch gemeinsam mal in unseren Regionen, welche Möglichkeiten wir zur Schaffung von Arbeitsplätzen haben. Und da will ich nur ein Beispiel nennen: Wenn das DRK in Neustrelitz oder das DRK in Mecklenburg-Vorpommern

(Harry Glawe, CDU: Aha.)

zur Versorgung der Patienten nur Großverbraucheraufträge annehmen und unsere eigenen kleinen Lieferanten und Betriebe außen vor lassen, dann frage ich Sie: Was haben wir hierzu geleistet,

(Harry Glawe, CDU: Und woran liegt das? Woran liegt das?)

um Arbeitsplätze zu schaffen? Auch nur unter Geldeinsparung.

(Monty Schädel, PDS: Und wer ist Landesvor- sitzende des DRK? – Glocke der Vizepräsidentin)

Aber was ist denn nun wichtiger?

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Monty Schädel, PDS: Fragen Sie doch mal beim Vorstand des DRK nach!)

Was ist denn nun wichtiger, unsere Wirtschaft hier zu stärken

(Harry Glawe, CDU: Nee.)

oder die Großverbraucher immer mehr ins Land zu holen und unsere eigene Wirtschaft zu erdrücken?

(Wolfgang Riemann, CDU: Und was macht die Landesregierung?)

Darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Erhard Bräunig, SPD – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig! – Martin Brick, CDU: Und jetzt ist das Rote Kreuz schuld. – Wolfgang Riemann, CDU: Und was macht die Landesregierung?)

In diesem Sinne sollten wir alles überprüfen, da, wo wir Verantwortung tragen.

(Harry Glawe, CDU: Jetzt werden die Wohl- fahrtsverbände schon verantwortlich gemacht. Das ist ja unverantwortlich, was hier läuft!)

Und dass es nicht genug Arbeit in unserem Land gibt, ist doch wohl unumstritten. Beispiele haben wir alle genug. Ich verweise auf die Debatte von heute Morgen zum Agenda-21-Prozess.

(Harry Glawe, CDU: Jetzt sind die Verbände schuld. Wer ist denn daran schuld?)

Schauen wir uns den Bereich Kultur und Soziales an, Bereiche, die wir über arbeitsmarktpolitische Instrumente abdecken. Aber das ist eben nicht Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik und das wissen wir alle. Es ist eben falsch, bei der Lösung …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Glawe, möchten Sie hier vorkommen? Ich glaube, ich habe jetzt das Rederecht.

(Lutz Brauer, CDU: Ich glaube, Sie sehen mehr Probleme, als wir erkannt haben.)