Richtig. Dass Sie das gerade sagen, Herr Böttger, das zeigt, dass Sie in zehn Jahren sehr viel dazugelernt haben.
(Gerd Böttger, PDS: Ja, na sicher. Sagen Sie das ganz laut. – Reinhardt Thomas, CDU: Wir haben auch noch mehr zu sagen.)
Aber lassen Sie uns zum Gesetzentwurf reden. Man kann ihm einige ganz vernünftige Ansätze überhaupt nicht absprechen. Ich möchte nur feststellen, Herr Innenminister, die Tatsache, dass Sie eben referiert haben wie ein Referent, liegt zum größten Teil daran, dass die meisten dieser gesetzlichen Vorstellungen nicht von Ihnen entwickelt worden sind, sondern Reaktionen zum Beispiel auf Beratungen im Innenausschuss waren. Wenn ich unseren Vorsitzenden hier angucke, wir entsinnen uns noch, zur Anhörung über Gewalttätigkeiten in der häuslichen Gemeinschaft, da kam nichts von der Landesregierung. Ich entsinne mich, dass Sie noch vor wenigen Monaten die naive Vorstellung hatten, Sie brauchten überhaupt keine Regelungen der nicht verdachtsabhängigen Kontrollen. Da haben Sie uns noch erzählt, das mache man im Rahmen von Verkehrsüberwachung. Also insofern attestiere ich einen Fortschritt, aber …
(Minister Dr. Gottfried Timm: Dann könnten Sie dem vielleicht ja sogar zustimmen! – Heiterkeit bei Gerd Böttger, PDS)
Herr Timm, ich weiß ja nicht, ob das so gut ist. Wir können ja auch mal unter vier Augen reden. Dass Sie jedes Mal nur die Gelegenheit benutzen, mich von hinten anzuquatschen, Herr Minister, finde ich nicht so praktisch. Aber gerne! Ich nehme Ihre Anregung gern auf. Wenn Sie uns dann auch endlich mal im Ausschuss tatsächlich erzählen, wie die Dinge wirklich waren und so weiter, dann können wir auch wieder miteinander reden. Dazu werden Sie demnächst sowieso Gelegenheit haben.
Aber zum Gesetzentwurf: Leider muss ich sagen, die ganz große Hilfe für die Landespolizei bei der Bekämpfung der Kriminalität wird er wohl nicht sein. Er ist einfach zu zaghaft.
Man merkt ihm an, doch das merkt man deutlich, er ist ein ziemlich schwacher Kompromiss, und zwar gibt es ganz offenbar in der Koalition – Herr Böttger hat es schon durch einen Zwischenruf deutlich gemacht – nicht unbedingt eine besondere Einigkeit über eine konsequente Verbrechensbekämpfung.
(Gerd Böttger, PDS: Na ja. – Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Das ist Kaffeesatz. – Annegrit Koburger, PDS: Waren Sie bei einer Wahrsagerin oder was?)
Herr Böttger, wenn Sie mal eine authentische Äußerung haben wollen, wie ein SOG aussehen könnte, können Sie mal in ein Papier der CDU-Landtagsfraktion reingucken, Sie haben es mittlerweile. Und wenn Sie beide nebeneinander legen, werden Sie mir – wahrscheinlich nicht hier, aber vielleicht auch mal bei einem Bier – zustimmen,
dass es auch noch konsequente Vorstellungen zur Verbrechensbekämpfung gibt. Aber der größte Mangel ist das, was der Innenminister hier auch gesagt hat, nämlich dass man bewusst auf die Möglichkeiten verzichtet, die das Landesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung ausdrücklich eingeräumt hat.
Sie gehen jetzt im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf ein Institut, das Sie Anhalte- und Sichtkontrollen nennen. Sie haben überhaupt keine Möglichkeiten, zum Beispiel – und Sie verzichten, so steht es in der Begründung, ausdrücklich darauf – die Identitätskontrolle durchzuführen und notfalls auch durchzusetzen. Wie wollen Sie eigentlich zu Lagebildern kommen? Wie wollen Sie eigentlich wissen, welches Potential an durchreisenden Verbrechern sich durch unser Land bewegt? Anonymität ist prächtig, ist für die polizeiliche Arbeit aber tödlich. Hier haben Sie nicht den Mut gehabt, das auszunutzen, was die Verfassung und unser Verfassungsgericht hergeben.
Dabei wäre es so einfach gewesen. Die Insider wissen, dass es einige vernünftige Regelungen in diesem Bereich gibt, die übrigens die Spannbreite abdecken, Herr Innenminister, die Sie mit Recht genannt haben, nämlich die Freiheit des Einzelnen und das Sicherstellungsgebot des Staates. Vollkommen in Ordnung! Aber es gibt in Hessen, es gibt in Bayern und es gibt beim Bundesgrenzschutz Regelungen, die mittlerweile von den Verfassungsgerichten überprüft und bestätigt worden sind. Warum müssen Sie eigentlich die Polizei so hängen lassen, warum trauen Sie sich nicht, das zu regeln, was jetzt erforderlich wäre? Ich verstehe es überhaupt nicht!
Das hat einen sehr gravierenden Nachteil. Wir waren alle stolz darauf, dass unsere Landespolizei zusammen mit dem Bundesgrenzschutz gemeinsam Streife geht. Wir waren stolz darauf, dass ein Datenaustausch zwischen dem Bundesgrenzschutz in seiner Aufgabe als Grenzschutz und der Landespolizei stattfindet. Mit diesem Gesetzentwurf verlassen Sie die gemeinsame Linie. Die Ermächtigungsgrundlagen, die Eingriffsgrundlagen sind jetzt so unterschiedlich, dass dies nicht mehr möglich ist. Und ich frage mich eigentlich, warum Sie das nicht wollen, denn Sie haben selber noch vor kurzem gesagt – und da stimmt Ihnen ja jeder zu –, dass sich diese Zusammenarbeit bewährt hat. Schade, dass Sie den Mumm nicht hatten!
Sie haben deutlich gesagt, dass Sie dafür sind und so steht es auch im Gesetzentwurf, die Prüffrist bei der Aufbewahrung von Daten über gefährliche Sexualtäter auf
15 Jahre zu erweitern. Sie hatten sich auf die Innenministerkonferenz bezogen. Was Sie nicht gesagt haben, ist, dass Sie die gemeinsame Vorstellung der Innenminister nur sehr unvollständig erfüllt haben. Und ich sage es jetzt etwas plakativ: Wann werden Sie endlich begreifen, dass diese Täter lebenslang gefährlich bleiben? Wann werden Sie begreifen, dass die Akten ohne zeitliche Beschränkung der Polizei zur Verfügung stehen und dass im Rahmen der notwendigen Vernetzung von Strafverfolgungsbehörden diese Daten für den Datenaustausch auch zu jeder Zeit zur Verfügung stehen müssen? Was muss eigentlich noch passieren, bis Sie hier wach werden?
Was uns fehlt in dem Entwurf – aber Sie hatten ja gesagt, Sie sind in der Ausschussberatung offen –, ist die dringend erforderliche Ermächtigung, bei Sexualstraftaten auch schon bei einem Anfangsverdacht eine DNAAnalyse durchführen zu können. Darüber werden wir sicher reden müssen.
Sie können sich denken, dass all das, was wir bisher gefordert haben und was jetzt teilweise im Gesetzentwurf ist, auch unsere volle Zustimmung findet. Das ist die Einführung oder die gesetzliche Fixierung des Unterbindungsgewahrsams, das sind die Aufenthaltsverbote und das ist ein ganz wichtiger Bereich, nämlich das Wegweisungsrecht, aber auch hier wieder mit großem Anlauf angesetzt und etwas sehr kurz gelandet. Meine Damen und Herren, wir wissen, dass die Diskussion im Innenausschuss bei der Anhörung der Fachleute gezeigt hat, dass das nur eine Seite ist. Wo bleibt, Herr Innenminister, wo bleibt, Herr Ministerpräsident, die Initiative unseres Landes zur Änderung des Bundesrechtes, damit mit dem Wegweisungsrecht zugleich der Zugriff auf die Wohnung für den gewalttätigen Partner auch zivilrechtlich unmöglich gemacht wird? Wir warten, wir warten, wir warten! Wir wissen alle, dass dies eigentlich die wichtigere Seite ist.
Und wir wissen noch eines, Herr Innenminister, und das müssten Sie am besten wissen: Solche Regelungen sind sehr personalaufwendig. Sie haben es zugelassen, dass 177 Vollzugsstellen gestrichen worden sind. Sie haben den Mehrbedarf für Autobahnpolizeistellen entweder nicht angemeldet oder nicht durchgesetzt. Wer soll denn eigentlich die Einhaltung des Wegweisungsrechtes überwachen? Wer soll denn die Plätze überwachen, deren mögliche Überwachung Sie neu einführen oder, wenn wir ehrlich sind, das gab es ja schon längst im SOG, aber die gesetzlich fixiert wird, wer soll es denn tun? Also, wenn Sie sich nicht endlich dazu bekehren zu sagen, dass polizeiliche Arbeit von Polizisten gemacht wird, dann werden Sie keine Chance haben mit neuen gesetzlichen Regelungen, denn ohne Polizisten können Sie auch mit einem noch so guten SOG – und davon sind wir noch weit entfernt, auch bei diesem Entwurf – keine Sicherheit produzieren. Sie haben alle anderen Möglichkeiten, die Polizei zu entlasten, bisher abgelehnt. Sie stehen immer noch aus mit einem Konzept zur Frage, inwieweit sich Objektschutzmaßnahmen der Polizei durch Videoüberwachungsmaßnahmen im öffentlichen Raum an Kriminalitätsschwerpunkten oder an besonders gefährlichen Orten so auswirken, dass wir Mannstunden bei der Polizei im Objektschutz einsparen können. Dazu haben Sie auch irgendwie entweder keine Lust oder keinen Mut.
Und ich sage das jetzt wirklich ganz ernsthaft, ich halte es für eine absolute Luftblase, Ihre Sollvorschrift, mit der Sie einen Appell an alle staatlichen und nichtstaatlichen Träger richten zum Zusammenwirken bei der Kriminal
prävention. Wo leben Sie eigentlich? Wissen Sie nicht, dass in unserem Land in den Kommunen, in den Landkreisen weitgehend Präventionsräte wirklich aktiv arbeiten, Saisonräte in unseren Fremdenverkehrsorten? Und haben Sie nicht von den Beamten der Bäderpolizei zum Beispiel gehört, wie sich das mittlerweile positiv entwickelt hat? Was soll das eigentlich, dass Sie jetzt so eine Programmvorschrift hineinschreiben wollen? Soll das nur verdecken, dass die Kommunen kein Geld mehr haben für eine anständige Jugendarbeit? Ist das wirklich nur das Vortäuschen von Handlungen? Es zeugt aus meiner Sicht schon von einer ganz gehörigen Portion an Kaltschnäuzigkeit, wenn man den Kommunen erst das Geld durch Kürzung des kommunalen Finanzausgleiches wegnimmt und ihnen dann ins Aufgabenheft neue Aufgaben hineinschreibt. Wir werden darüber ja vielleicht morgen bei einem Antrag zur Konnexität noch etwas genauer reden.
Nur, hier, in diesem Bereich, könnten Sie erheblich mehr tun, wenn Sie Initiativen und Aktionen, die es im Lande bereits gab, wieder unterstützen würden! Ich erinnere nur an das Programm „Sport statt Gewalt“. Sie könnten mehr tun, als einen Appell ins Gesetz zu schreiben, wenn Sie den Polizeidirektionen wieder die Möglichkeit geben, verstärkt die Präventionsarbeit vor Ort zu unterstützen.
Und das heißt, um es beim Namen zu nennen: Lassen Sie doch unter ganz klaren Regelungen die Polizei zum Beispiel ihre Busse für Jugendveranstaltungen zur Verfügung stellen! Lassen Sie doch Gerät zur Verfügung stellen, wenn es der Prävention dient! Aber nein, dazu sind Sie auch nicht bereit. Dann helfen solche Appelle an staatliche und nichtstaatliche – wer auch immer das sein mag – Stellen überhaupt nichts.
aber Sie verstehen Gott sei Dank auch nichts davon, so dass mich das nicht weiter beunruhigt, Frau Koburger.
Die Landespolizei könnte ihre hoch qualifizierten Beamtinnen und Beamten sehr viel sinnvoller dort einsetzen, wo man den hoch qualifizierten Beamten und die hoch qualifizierte Beamtin brauchte, wenn Aufgaben im Bereich der Prävention, im Aufgabenbereich der Unterstützung der Polizei durchaus durch Ehrenamtliche wahrgenommen würden. Es hat mir bisher noch keiner erklärt, dass ein ehrenamtlicher Feuerwehrmann nicht gut Feuer ausmachen kann. Und Sie stehen auch noch lange im Wort mit
Ihrer lustigen Art, mir zu sagen, warum Sie das, die Unterstützung der Bürger für die Polizei, denn nicht wollen.
Dennoch, und damit möchte ich zusammenfassen, der Entwurf enthält – und, Herr Innenminister, da gebe ich das zurück, was Sie gesagt haben – einige Ansätze, über die man in den Ausschüssen durchaus reden sollte. Wir sollten einig sein darüber, dass die Polizei auch Veränderungen der Gesetzeslage braucht, wenn sich die Rahmenbedingungen verändert haben. Das werden wir fachlich zu diskutieren haben. Sie haben darüber hinaus – und das haben Sie in einem der Punkte, der sieben Punkte, die Sie nannten, erwähnt – erhebliche Änderungen im Bereich des Datenschutzes vorgesehen. Das ist okay. Wir werden aber zu prüfen haben, wie die Polizei damit zurechtkommt. Wissen Sie, in dem Spannungsverhältnis, das Sie genannt haben, kann man die eine oder die andere Seite deutlicher gewichten. Ich will Ihnen unsere Auffassung dazu sagen: Für uns darf Datenschutz nicht zum Täterschutz werden. Und das ist eine Prämisse, mit der wir an die Arbeit herangehen. Für uns steht im Vordergrund der Schutz tatsächlicher oder potentieller Opfer von Straftätern. Wir werden darüber im Innenausschuss im Einzelnen reden und deswegen kann ich hier schon sagen, unsere Fraktion stimmt der Überweisung in die Ausschüsse zu. – Vielen Dank.