Es geht ja noch weiter. Dass die Landesregierung offenbar über die Wirksamkeit ihrer eigenen Maßnahmen im Dunkeln tappt, wird an mehreren Beispielen deutlich. Einmal gehen Sie davon aus, dass im Rahm e n des Schwerpunktes 1 12.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, so die Angabe im OP. In den Ergänzungen ist aber plötzlich von 6.000 zusätzlichen Stellen die Rede. Was stimmt denn nun? Sind es nur 3.000, oder soll ich mich an den Mittelwert 9.000 halten? Wie wäre es, meine Damen und Herren, mit der Quersumme?
Wir kennen ja Ihre Tricksereien mit Zahlen aus den Haushaltsberatungen, aber dass Sie sogar im Rahmen eines internen Abstimmungsverfahrens offenbar den Überblick verloren haben, das ist dann schon ein starkes Stück. Selbst innerhalb ein und desselben Dokuments, nämlich dem EzP, werden für dieselbe Maßnahme unterschiedliche Beschäftigungseffekte ausgewiesen. Einmal wird ausgeführt, es würden 13.000 bestehende Arbeitsplätze gesichert,
dann ist später nur noch von 6.400 Stellen die Rede. Ich frage Sie: Was gilt denn nun? Und, meine Damen und Herren, es ist dann schon ein starkes Stück, wenn Vertreter der Landesregierung behaupten, die Opposition greife in unzulässiger Weise die Mitarbeiter in der Verwaltung an.
Wir unterstellen zunächst jedem Mitarbeiter, dass er oder sie ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen durchführt.
Aber eine alte Weisheit und Wahrheit ist, dass der Fisch vom Kopf zu stinken anfängt, und dieses gilt eben leider auch für einzelne Ministerien in der Landesregierung. Und, meine Damen und Herren, die politische Verantwortung trägt immer der zuständige Ressortminister und für die Bündelung ist nach meiner Kenntnis das Wirtschaftsministerium zuständig.
Meine Damen und Herren, es ist auch nicht damit getan, dass man auf die Kompliziertheit des Genehmigungsverfahrens hinweist. Das bestreitet hier doch überhaupt niemand. Aber Sie müssen sich dann schon die Frage gefallen lassen, warum andere ostdeutsche Länder wie Sachsen und Sachsen-Anhalt ihre Hausaufgaben mittlerweile gemacht haben.
Dort sind bereits die jeweiligen Ergänzungen zur Programmplanung von Brüssel genehmigt worden. War deren Genehmigungsverfahren etwa einfacher, und das, obwohl deren Operationelle Programme später als das von Mecklenburg-Vorpommern abgesegnet wurden, ihnen also ein kürzerer Zeitraum zur Verfügung stand?
Meine Damen und Herren, übrigens auch das ist Tatsache: Seit Oktober letzten Jahres hatten Sie entsprechende Warnungen aus Brüssel, dass etwas mit Ihren Entwürfen nicht stimmt. Sie haben ein halbes Jahr ungenutzt verstreichen lassen. Es bedurfte des oben erwähnten Brandbriefes der EU-Kommission, damit Sie aus Ihrem Dornröschenschlaf erwachen. Besser spät als gar nicht, möchte man da sagen.
Es ist ja nun leider nicht so, dass der Schaden für Mecklenburg-Vorpommern quasi nur im psychologischen Bereich läge oder was wir weiter an Ansehen auf der nationalen und internationalen Bühne verloren hätten. Damit stünde diese Landesregierung nur in ihrer eigenen Kontinuität. Nein, meine Damen und Herren, der entstandene Schaden ist ja auch und in erster Linie ein finanzieller. Nachdem es Mitte April zunächst hieß, Zuweisungen in Höhe von 30 Millionen seien gefährdet, war man eine Woche später schon bei 45 Millionen angelangt.
Nach letzten Aussagen des Finanzministeriums vom 7.Mai 2001 sind wir jetzt beim offenen Betrag in Höhe von 81 Millionen angelangt. Und, meine Damen und Herren, diese Zahlen betreffen nur das Operationelle Programm 2000 bis 2006. Wenn Sie die entsprechenden Werte für das alte Programm noch mit addieren, was ja der Sache nach angemessen ist, dann liegen wir schon bei 1 1 1 , 5 Millionen. Im Rahmen des EFRE ist zum 30. April 2001 noch ein offener Betrag in Höhe von 49,1 Millionen zu verzeichnen, beim ISF sind zuzüglich noch 86 Millionen zu registrieren. Das sind wohlgemerkt alles Zahlenangaben, die sich auf das Haushaltsjahr 2000 beziehen. Vom Verlauf des Haushaltsvollzuges 2001 ist noch gar nicht die
Rede gewesen. Fest steht nur, dass bis zum 31. März 2001 nach Monatsscheiben rund 162 Millionen DM hätten ausgegeben werden müssen. Doch die Wahrheit ist, gerade einmal 85 Millionen wurden ausgereicht, das sind gerade mal 52,4 Prozent, und das ist mehr als skandalös.
Meine Damen und Herren, Sie sagen, Sie hätten vorfinanziert und das sei ja auch ein übliches Verfahren, ja sogar durch den Paragraphen 17 Absatz 1 a Haushaltsrechtsgesetz 2000 und 2001 gedeckt. Dies mag ja so sein, aber haben Sie sich wenigstens einmal für den Bruchteil einer Sekunde Gedanken darüber gemacht, was passiert wäre, wenn ein relevanter Teil der vorfinanzierten Gelder von Brüssel wieder zurückgefordert worden wäre? Was hätten Sie dann haushaltspolitisch gemacht? Weitermachen nach dem Motto: „Pech gehabt, das kann ja jedem mal passieren“? Haben Sie ein einziges Mal überlegt, was dieses für Arbeitsplätze in unserem Land hätte kosten können? Haben Sie sich vorstellen können, welche Wirkung das auf die Zuwendungsempfänger haben muss, welche Verunsicherungen Sie damit auslösen, dass Sie damit geradezu einen Attentismus der Investoren provozieren, der für unser Land schädlich ist, den wir uns buchstäblich nicht leisten können? Können Sie sich vorstellen, was es für einen Existenzgründer heißt, wenn er seinen Start in die Selbständigkeit mit einem nicht eingeplanten Überbrückungskredit überwinden muss? Wer zahlt ihm eigentlich die dadurch anfallenden Sollzinsen? Und sind Sie ein einziges Mal vielleicht doch zu der Erkenntnis gekommen, dass Ihre Haushaltsstruktur von vorne bis hinten den realen Anforderungen nicht gerecht wird, wenn Sie Landesmittel durch EU-Mittel substituieren?
Nein, meine Damen und Herren, wieder einmal hat die Landesregierung den Beweis erbracht, dass ihr jedwedes politisches und psychologisches Fingerspitzengefühl abgeht, dass sie sämtliche Warnungen der Opposition in einem Anflug von Überheblichkeit nicht zur Kenntnis nimmt oder gleich in den Wind schlägt. Und es sind ja bereits Gelder unwiederbringlich verloren. Ich spreche von Zinsausfällen,
Wie hoch diese genau ausfallen, kann man im Augenblick nicht sagen. Aber nach heute gültigem Zinsniveau ist es ein zweistelliger Millionenbetrag, Herr Bräunig. Und wenn ich sehe, dass nicht bis Anfang Mai, dass möglicherweise jetzt bis Anfang Juni die Abgleichung zwischen OP und EzP erfolgen kann, dann werden die Gelder sicher noch Wochen und Monate später fließen, dann werden die Zinsausfälle noch größer.
Ich muss Ihnen eins sagen: Für diesen zweistelligen Millionenbetrag hätte man vieles in diesem Land tun können. Und das ist für mich politische Schlamperei in dieser Landesregierung, ohne Wenn und Aber. Ich muss Ihnen eins sagen: Ich weiß nicht, ob es gerechtfertigt ist, auch von Ihrer Seite dieses in irgendeiner Form zu bemänteln. Die Risiken habe ich Ihnen aufgezeigt, die durch diese politische Schlamperei entstanden sind, zwischen Nichtübereinstimmung von Operationellem Programm und EzP. Jetzt kann man von der EU-Kommission halten, was man will, aber so einen Brandbrief gegenüber einer Landesregierung, glaube ich, hat es bisher in Deutschland noch nicht gegeben.
Meine Damen und Herren, aus all diesem müssen Konsequenzen gezogen werden. Es kann schlicht nicht sein, dass wir nach all diesen Vorgängen zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen jetzt als Land handeln, damit deutlich wird, dass wir aus diesen Fehlern gelernt haben. Daher schlagen wir Ihnen heute vor, die Kompetenz für den gesamten Bereich der EU-Strukturfonds in die Staatskanzlei zu verlagern, also dorthin, wo ohnehin die Europapolitik bereits administriert wird.
Das soll sich auf die inhaltliche Ausgestaltung, die organisatorische Abstimmung und Koordinierung mit den jeweiligen Fachressorts beziehen, wobei letztere in ihrem Bereich für die praktische Umsetzung verantwortlich sind. Es erscheint in diesem Zusammenhang finanzpolitisch geboten, dass dieses nicht mit einer den Haushalt zusätzlich belastenden Anpassung des Stellenplans einhergehen darf.
Meine Damen und Herren, wir haben diesen Antrag auch zur Abstimmung gestellt, weil wieder einmal offensichtlich geworden ist, dass von den Fraktionen der Koalition in dieser Hinsicht nichts zu erwarten ist. Immer schön ruhig bleiben, bloß keine eigene Meinung, die Landesregierung wird schon wissen, was sie tut, denn eigenes Denken ist ja auch so beschwerlich. Nein, das reicht hier nicht. Die Verantwortlichen, die dieses Desaster bei den EU-Fonds politisch zu verantworten haben, müssen von dieser Last befreit werden. In diesem Sinne fordere ich Sie dazu auf: Machen Sie die EU-Fonds zur Chefsache und stimmen Sie unserem Antrag zu, den der „Nordkurier“ am 10. Mai wie folgt kommentierte: „Tolle Sache, das.“ Ich meine, Recht hat er. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Die CDU behauptet, ich darf es noch mal zusammenfassen, dass durch die Abstimmung des Operationellen Programms mit der Ergänzungs- und Programmplanung für das Land ein politischer und finanzieller Schaden entstanden sei. Und die CDU fordert, dass deshalb für die EU-Strukturfonds und für die ganze Europapolitik nun allein die Staatskanzlei zuständig sein soll. Herr Rehberg, ich meine, wir sollten die Kirche mal im Dorf lassen, da gehört sie hin.
Und jetzt kommen wir mal zu den Fakten und stellen uns die Frage, was ist denn nun wirklich gewesen. Folgendes hat sich ereignet: Ein Schreiben der Europäischen Kommission vom 6. April 2001 an die gemeinsame Verwaltungsbehörde im Wirtschaftsministerium kam zufällig, wie es ist, in die Medien. Da hat die Opposition gedacht,
das könnte ein Thema sein, das man ausschlachten könnte. Gut, das ist ihr gutes Recht, sie hat es versucht. Schauen wir mal, wie weit das gelingt und wie weit das trägt. Fehler seien gemacht worden, haben Sie gesagt, Fehler, die zu Schäden für das Land geführt hätten. Heute habe ich sogar erfahren, dass es zu zweistelligen Millionenschäden
für das Land geführt hätte. Es wird von Tag zu Tag mehr. Gut, dass wir die Debatte heute haben und nicht 14 Tage später.
Meine Damen und Herren von der Opposition, was Sie gesagt haben, ist falsch. Da haben Sie sich ganz einfach verrannt, Sie haben sich beim Thema verrannt, Sie haben sich bei der Bedeutung des Themas verrannt und Sie haben sich auch bei den Zahlen verrannt. Richtig ist, dass die EU-Kommission mit ihrem Schreiben vom April des Jahres eine Reihe von detaillierten Fragen gestellt hat, die beantwortet werden müssen. Aber das ist ganz normal.
Ich möchte mal daran erinnern: Im Rahmen der Genehmigung des Operationellen Programms des Landes im vergangenen Jahr hatte die Kommission in neun verschiedenen Schreiben über 800 Fragen gestellt und gelegentlich auch Kritikpunkte geäußert – nur damit die Dimension mal klar wird, Herr Rehberg. Die Fragen haben wir alle geklärt und die Kritikpunkte haben wir abgearbeitet, ruhig und sachlich und ohne großen Wirbel, und es hat gut geklappt. Und so genehmigte die EU-Kommission das Operationelle Programm Mecklenburg-Vorpommerns als erstes aller 16 Bundesländer. Also müssen wir trotz 800 Fragen, trotz einzelner Kritikpunkte immer noch besser gewesen sein als die anderen 15.
Der Unterschied zu den jetzt gestellten Fragen ist der, dass sie vor rund einem Jahr nur an die betroffenen Ressorts gestellt wurden. Sie gingen damals nicht in die Öffentlichkeit, somit konnte damals ein ganz normaler Vorgang auch ganz normal abgearbeitet werden.
Es ist richtig, dass die Ergänzung zur Programmplanung deckungsgleich sein muss mit dem genehmigten Operationellen Programm.
Das betrifft auch den jeweiligen Finanzplan. Weil das so ist, hat die Landesregierung mit der Ergänzung zur Programmplanung gleichzeitig auch einen geänderten Finanzplan zum Operationellen Programm mit vorgelegt. Damit bestand Übereinstimmung zwischen der Ergänzung zur Programmplanung und dem Operationellen Programm. Es war nach bisheriger Praxis durchaus davon auszugehen, dass die EU im Rahmen ihres Ermessens, zu dem sie befugt ist, den geänderten Finanzplan auch genehmigt.
Warum nun haben wir den Finanzplan des Operationellen Programms überhaupt überarbeitet? Der Grund ist, dass der alte Finanzplan auf den Vorgaben des Jahres1999 beruhte. Im dritten Jahr danach hat sich aber der Förderbedarf in Mecklenburg-Vorpommern wie in anderen Ländern auch verändert. Deshalb haben wir, sachlich begründet, den Finanzplan überarbeitet. Operationelles Programm und die Ergänzung zur Programmplanung passten damit wieder zusammen. Nun hat aber die EU-Kom
mission dies nicht genehmigt – was sie gekonnt hätte –, sondern hat darauf bestanden, dass strikte Übereinstimmung zwischen dem alten Operationellen Programm und der Ergänzung zur Programmplanung herrscht.
Übrigens: Neben Mecklenburg-Vorpommern werden drei weitere neue Bundesländer – und weil Sie vorhin Sachsen erwähnten, auch Sachsen – aus den gleichen Gründen ihre Operationellen Programme schnellstmöglich ändern, um sie dem aktuellen Förderbedarf anzupassen.