Wir wissen, dass dies heute ein Problem für die Unternehmen ist. Denn es ist ein immens hohes pädagogisches, rechtliches und betriebswirtschaftliches Verlangen und eine große Herausforderung, einen 15-Jährigen im Unternehmen als Lehrling einzustellen. Aber in der Initiative Hauptschule der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände wird eine Stärkung der Hauptschule von der Politik eingefordert. Das gibt der Politik gleichermaßen dann das Recht zu fordern, dass auch die Wirtschaft ihrer Verantwortung nachkommt. Das ist ein entscheidendes Element zur Steigerung der Attraktivität der Hauptschule. Nur so kann dies letztendlich auch gelingen.
Wir helfen potentiellen Hauptschülern nämlich in keiner Weise, wenn wir sie als Verhaltensauffällige in die Förderschulen abschieben
oder sie als Leistungsschwache in einer großen Klasse integrieren, in der sie dann wieder nur Lernmisserfolge haben. Und aus diesen Lernmisserfolgen können dann wiederum Verhaltensauffälligkeiten resultieren. Bieten wir also bitte diesen Kindern ein relativ homogenes Lernumfeld, Fördermöglichkeiten in akzeptablen Klassengrößen, damit sie ihre Entwicklungspotentiale auf ihre ganz spezielle Weise auch entfalten können.
Aber, meine Damen und Herren, dass Sie von der Regierungskoalition die Hauptschule ablehnen, ist einmal mehr in der Schulentwicklungsplanungsverordnung deutlich geworden. Wo ist denn Ihr pädagogischer Sachverstand geblieben, als Sie im Rahmen der Schulentwicklungsplanungsverordnung die Schülerzahl für Eingangsklassen der Hauptschule, des Hauptschulbildungsganges von 12 auf 18 Schüler hochgesetzt haben, und das in einer Zeit von sinkenden Schülerzahlen?
Meine Damen und Herren, viele der Änderungen, die die CDU-Fraktion heute hier einbringt, können umfangreich wissenschaftlich untermauert werden, auch wenn Herr Bluhm dies in Frage stellt. Viele Änderungen, die wir vornehmen, habe ich jetzt in meinen Ausführungen ausgespart. Alles kann aber auch ein Gesetz nicht leisten. Es gibt nur einen Rahmen vor. Die eigentliche Aufgabe liegt erst vor uns, nämlich wenn dieses Gesetz umgesetzt werden soll. Und an der Umsetzung ist das jetzige Schulgesetz gescheitert. Auch das ist eine Erfahrung.
Erst wenn wir eine solide Basis in den Schulen haben, Strukturen inhaltlich ausgefüllt werden, können wir nach und nach auch über die eine oder andere Reform nachdenken. Erst wenn wir die Basis geschaffen haben, mit der Lehrer kontinuierlich und ohne jährliche Brüche arbeiten können, dann können wir diese Lehrer auch für Reformen begeistern. Nicht alles muss nämlich staatlich vorgegeben werden, aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen, und Schule darf nicht das Gefühl vermitteln, dass hier für die Finanzministerin am meisten zu holen ist,
Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem Land bezahlen Steuern, weil sie von Ihnen, Professor Kauffold, und Ihnen, Herr Dr. Ringstorff, zu Recht erwarten, dass ihre Kinder eine anständige Bildung finanziert bekommen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Genau so ist es. – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)
Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen und sie müssen auch so bleiben. Niemandem können Sie heute vermitteln, dass Sie weiterhin nach Plan die 11.000 Lehrerstellen abbauen, obwohl die Klassen trotz sinkender Schülerzahlen perspektivisch größer geworden sind. Und das Wichtigste: Absehbar ist – Herr Born hat schon darauf hingewiesen –, dass Sie schon heute nicht in der Lage sind, vorhandene Stellen mit motivierten und engagierten jungen Lehrern zu besetzen.
Von der Bildungspolitik in diesem Land muss ein anderes Signal ausgehen. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet.
Wir als Opposition haben unsere Aufgabe erfüllt. Nun, meine Damen und Herren, sind Sie an der Reihe. Und so bitte ich Sie, den vorliegenden Gesetzentwurf in die Ausschüsse für Bildung, Wissenschaft und Kultur und Finanzen zu überweisen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU präsentiert uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Vorstellungen von einer humanen Leistungsschule. Schon im Vorfeld tönte es aus allen Knopflöchern der Bildungsalleinvertreterin Frau Schnoor, dass man nunmehr die richtigen bildungspolitischen Grundsätze beieinander habe, um dem krisengeschüttelten Bildungssystem den richtigen Drive zu verpassen.
Behauptungen wie, die Hauptschule finde bei Eltern nur deshalb keine Akzeptanz, weil Rot-Rot sie nicht wollte, reihen sich von der geistigen Wertigkeit mühelos ein in die höchstbescheidene Selbsteinschätzung. Mit dem Kon
zept zur humanen Leistungsschule präsentiere man ein umfassendes Angebot an die Schule von morgen. Nach all dem Vorgeklingel dürfte man ja wohl den großen Wurf erwarten. Entsprechend hoch motiviert machten wir uns ans Studium der Details und stellten sehr schnell ernüchtert fest, dass die neue CDU-Lesart von Schule zusammengefasst heißt: Wenn nur an allen Ecken Restriktionen und Verbindlichkeiten erhöht werden, dann gelingt es auch wesentlich besser, die Schüler entsprechend ihren Leistungen, Begabungen und Neigungen in die richtigen Schubladen zu bugsieren, denn für Sie, Frau Schnoor, gibt es schließlich keine Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem.
Zur grundsätzlichen Verständigung sei gesagt: Es gibt einige Ansätze im Gesetzentwurf, die wir teilen, wie das von der Landesregierung erarbeitete Konzept zur Regionalen Schule ja beweist. Zur Durchsetzung leistungsfördernder Parameter, wie zum Beispiel der Anerkennung des Realschulabschlusses nur nach erfolgreicher Abschlussprüfung oder der verbindlicheren Einbeziehung des Sozialverhaltens in die Gesamtbewertung von Schülerinnen und Schülern, liegen unsere Auffassungen nicht weit auseinander.
Betonen möchte ich aber, dass Kopfnoten beim besten Willen nicht die beste Lösung und selbst bei Lehrkräften als Schwarz-Weiß-Methode stark umstritten sind. Im Übrigen ist der entscheidende Ansatz für konsequentere Leistungsforderung in der Regel untergesetzlich zu suchen, beispielsweise in der Versetzungsordnung. Hieran – wir haben es heute noch mal gehört – wird im Ministerium schon gearbeitet.
Stimmen wir in Einzelfragen durchaus überein, möchte ich aber doch auf Grundsatzfragen zurückkommen, die es unserer Fraktion schon sehr schwer machen, diesen Gesetzentwurf als diskussionswürdige Verhandlungsbasis zu akzeptieren.
Im Kern zielt er, wie schon erwähnt, erstens auf die Beibehaltung und den Ausbau des dreigliedrigen Schulsystems, das entgegen Ihrer Behauptung, Frau Schnoor, in keiner Weise den modernen Anforderungen an zukunftsfähige Schule auch im internationalen Maßstab Rechnung trägt.
Zweitens stellt er eine klare Absage an die verbesserte Durchlässigkeit der Orientierungsstufe in Klasse 5 und 6 dar, die mit diesem Schuljahr praktisch umgesetzt wird. Er dreht somit eine wichtige Entwicklung hin zu mehr Bildungschancen für alle Kinder bis Klasse 6 zurück. Sie können von uns nicht ernsthaft erwarten, dass wir dieses Spiel mitmachen.
Erstens fordern Sie die Landesträgerschaft der Sportgymnasien. Diese Möglichkeit – wir haben es heute ja schon zweimal gehört – räumt das bestehende Schulgesetz bereits ein. Wir können also auf eine weitere Debatte verzichten, weil der Antrag diesbezüglich überflüssig ist.
Zweitens wollen Sie das Abitur nach zwölf Jahren wieder einführen. Dazu treffen wir uns in Kürze wieder, denn dies ist ja, wie Sie wissen, auch unser erklärter Anspruch. Allerdings war es wiederum das Schicksal der regierungstragenden Fraktionen, die hehren Pläne auch finanziell untersetzen zu müssen. Das bedeutet bei knappen Kassen, Mehrbedarfe in Größenordnungen freizusetzen. Ich denke, dies darf schon mal etwas länger dauern als eine Pi-mal-Fensterkreuz-Rechnung, für die man als Opposition noch nicht mal die Deckung andenken muss. Aber seien Sie versichert, die Verhandlungen waren erfolgreich und gekennzeichnet von dem Bemühen, dem hohen Stellenwert von Bildung auch finanziell Rechnung zu tragen. Sie dürfen also davon ausgehen, dass noch in diesem Jahr schon nach der Sommerpause der Gesetzentwurf der Regierung das Parlament passieren wird, der das Abitur nach zwölf Jahren unter den erhöhten Anforderungen eines Stufenverfahrens ermöglicht. Auch in dieser Frage ist also, wenn wir zudem die öffentlichen Äußerungen der Landesregierung berücksichtigen, Ihr Antrag überflüssig.
Ein dritter großer Bereich umfasst eben jene schon angedeutete Reform des Hauptschulbildungsganges. Hierzu will ich etwas ausführlicher werden:
Die Grundintention Ihres Entwurfes, die da lautet, wir wollen die Hauptschule, koste es, was es wolle, können und wollen wir – und dies wird Sie nicht überraschen – mitnichten teilen. Es ist schwierig, mit jemandem zu diskutieren, der nicht bereit ist, die wirklichen Ursachen für das Scheitern der reinen Hauptschullehre zu suchen. Ich versuche es trotzdem, um davon ausgehend den neuen Bildungsansatz Regionale Schule abzuleiten. Dazu sei auch mir ein kurzer Ausflug in die jüngste Vergangenheit gestattet.
Als der erste Kultusminister der neuen Zeitrechnung, Herr Wutzke, in seiner unendlichen Weisheit beschloss, das bayerische Schulsystem hier einzuführen, wurde in völliger Ignoranz der vorhandenen Strukturen und Entwicklungschancen alles kurz und klein gehauen. Dazu habe ich mich wiederholt und detailliert geäußert und auch darüber, dass wir die negativen Auswirkungen jetzt, nachdem eine Schülergeneration das tolle neue System durchlaufen hat, deutlich zu spüren bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heidemarie Beyer, SPD: Man darf doch nicht ignorieren, dass 85 Prozent der Lehrer und Eltern ein anderes System gewollt haben.)
Damals mussten die Lehrpläne durch Rahmenpläne ersetzt werden. Sie wurden zum Nonplusultra erklärt und die Lehrpläne als ideologische Altlast verpönt. Nun schlägt uns die CDU in ihrem Gesetzentwurf vor, von Rahmenplänen wieder zu Lehrplänen zurückzukehren, ein Anliegen, das den Gesetzentwurf im Übrigen auch ungeheuer aufbauscht. Auf die inhaltliche Gestaltung hat der Begriff nun wirklich keinen Einfluss.
Anfang der 90er standen die Lehrerinnen und Lehrer dem völligen Umkrempeln der Schullandschaft extrem ablehnend gegenüber. Leider gab es in diesen Jahren nicht mal im Ansatz den Willen, einen gesellschaftlichen Dialog zu Schule in Gang zu bringen. Der Acker wird
gepflügt – fertig, aus! So viel zur Philosophie derjenigen, die bei den geringsten Abweichungen des von ihnen installierten Systems Zeter und Mordio schreien und die Diskontinuität verteufeln.
Nichtsdestotrotz gab es sowohl in den Schulen als auch bei den Eltern zunächst eine Aufgeschlossenheit gegenüber den erweiterten Fördermöglichkeiten durch bildungsgangbezogenen Unterricht. In den ersten Jahren entsprach die Zahl der Hauptschülerinnen und -schüler sogar noch den Empfehlungen. Heute wehren sich Eltern mit Händen und Füßen gegen die Hauptschule. Was ist also passiert?