Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

Ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass ein einzelnes Erlebnis maßgebend für diese Haltung sei, denn in jüngster Zeit musste man erfahren, dass das Bildungsministerium die Hochschulen nachdrücklich aufgefordert hat, sämtliche Forschungsanträge an Projektträger des Bundes dem Ministerium zur Zustimmung vorzulegen und durch dieses weiterzuleiten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist Vertrauen.)

Das ist ein ungewöhnliches Verfahren, meine Damen und Herren. Was hat das mit Autonomie, mit Freiheit von Forschung und Lehre zu tun, wenn das Bildungsministerium in keiner Weise für diese Forschungsanträge eine genehmigende Behörde ist, dennoch aber überall seinen Senf dazugeben muss?! Der Ist-Stand der Forschungsvorhaben lässt sich ja auch auf eine andere Art und Weise abfragen. Hier wird schlichtweg kontrolliert und gegängelt.

Es ist nicht unbedingt das Hochschulgesetz, es ist das alltägliche Hin und Her in der Hochschulpolitik, das die Hochschulen mürbe macht und darin mündet,

(Zuruf von Friedbert Grams, CDU)

dass in der Zwischenzeit jeder einzelne Referatsleiter aus der Abteilung 3 in den Hochschulen anruft und Forschungsmittel ohne förmlichen Antrag verteilen will. Was hat dies denn nun eigentlich mit kontinuierlicher Hochschulpolitik zu tun?! Was hat dies mit planbarer Forschungspolitik zu tun?!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Papiere zur Hochschulreform sind sehr zahlreich. Der Bildungsminister hat sicher keines dieser Papiere gelesen. Nicht wenige Hochschulexperten aus Mecklenburg-Vorpommern engagieren sich international für moderne Hochschulgesetze, aber leider hat der Bildungsminister auf keinen dieser Experten zurückgegriffen. Das Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh beschreibt seit Jahren die nationale und internationale Hochschulentwicklung. Der Bildungsminister hat nachweislich nicht auf diese Erfahrungen, theoretisch und teilweise auch praktisch erprobten Ausführungen zurückgegriffen.

Mecklenburg-Vorpommern ist das letzte Bundesland, das nach der Novelle des Hochschulrahmengesetzes seine landesgesetzlichen Bestimmungen dem HRG anpasst. Es geht nicht darum, dass das HRG keine Sanktionen für einen zeitlichen Verzug vorsieht, sondern es geht darum, dass der Bildungsminister bei Amtsantritt dem Bildungsausschuss für Anfang 2000 einen Gesetzentwurf versprochen hat. Heute redet er sich heraus, dass die Gründlichkeit der Grund für den Verzug ist. Mitnichten! Dieser Minister ist und bleibt ein Ankündigungsminister, ein Mann des Wortes und nicht ein Mann der Tat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Die meisten Länder haben ihre Gesetze bereits im Jahr 1999 novelliert und bei vielen ist weit mehr herausgekommen als das, was uns heute hier präsentiert wird.

Meine Damen und Herren, das war jetzt ein Auszug aus dem Ist-Zustand der Hochschulpolitik in MecklenburgVorpommern. Es war auch eine Begründung dafür, warum wir von dieser Landesregierung nicht mehr erwarten konnten. Wenden wir uns nun aber lieber der Zukunft zu. Der Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung Professor Dr. Detlef Müller-Böling brachte es im vergangenen Jahr auf einem Workshop seines Centrums auf den Punkt. Danach stehen folgende Maßstäbe im Mittelpunkt der künftigen Hochschulentwicklung:

1. Autonomie

2. Wissenschaftlichkeit

3. Wirtschaftlichkeit

4. Profilbildung

5. Wettbewerb

6. international orientierte Hochschulen und

7. virtuelle Hochschulen

Meine Damen und Herren, diese sieben Maßstäbe bilden ein durchlässiges Gerüst für die künftige Hochschulentwicklung. Dabei geht es nicht vordergründig um Autonomie und Wirtschaftlichkeit. Das sei an die Adresse der Finanzministerin gerichtet. Beide Maßstäbe sind Mittel zum Zweck, um die Wissenschaftlichkeit der Einrichtungen zu fördern, die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb zu fördern. Die Konkurrenzfähigkeit wird durch die wissenschaftliche Exzellenz in einigen wenigen oder in vielen Fachbereichen dargestellt. Wir müssen die Hochschulen in die Lage versetzen, hochkarätiges wissenschaftliches Potential zu rekrutieren, damit der Forschung Impulse verleihen, die wiederum eine adäquate Ausstattung benötigt, damit es zum Impuls kommt. Und für diese Ziele bietet das vorliegende Landeshochschulgesetz nicht die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Meine Damen und Herren, wir müssen begreifen und nicht neu erfinden, dass in der Zwischenzeit, in der Zeitrechnung nach BMW und nach Airbus, die Hochschulen das einzige wirtschaftliche Entwicklungspotential darstellen, aus dem sich langfristig eine neue Wirtschaftsstruktur generiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die jungen Menschen, die dort in zukunftsweisenden Studiengängen ausgebildet werden, können über lange Zeit die Ressourcen der Hochschulen nutzen, um aus diesen heraus innovative Unternehmen zu gründen. Das, was dort bis heute passiert ist, kann sich bereits sehen lassen. Wir müssen aber besser werden. Im Umfeld der Hochschulen ist das Potential für mehr Unternehmensgründungen da, wenn diesen jungen kreativen Unternehmen unter die Arme gegriffen wird, wenn modularisierte Studiengänge dem Informatiker oder dem Ingenieur auch das Einmaleins der Betriebsführung, das Management beibringt oder die entsprechenden Studenten zueinander bringt, die gemeinsam ein Unternehmen gründen.

Vieles von dem, was ich hier ausführe, wird ja bereits geleistet, aber wir können nicht umfassend diese Potentiale nutzen, die in den Hochschulen ruhen, da diese Anträge an das Bildungsministerium schreiben müssen, um Forschungsmittel betteln müssen und dabei vom Wohlwollen des jeweiligen Referatsleiters abhängig sind, der dann nahezu unbeeinflusst und unkontrolliert über die wissenschaftliche Ausrichtung von Fachbereichen entscheidet.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann ist immer noch Schwabe dazwischen. – Georg Nolte, CDU: Ja, Minister Schwabe.)

Hier an dem Punkt dramatisiere ich vielleicht ein wenig, zugegeben, aber die Realität ist nicht weit von diesem Drama entfernt, meine Damen und Herren. Es hat zumindest seinen Ursprung in der Realität.

Natürlich verbinde ich mit der Liberalisierung des Hochschulrechts, die wir als CDU anstreben, auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung der Hochschulen selbst. Wir haben uns zusammen mit den Hochschulen auf diesen Weg begeben und ich bin nicht bereit, hier auf halbem Weg stehen zu bleiben. Wenn wir den Hochschulen die Finanzautonomie übertragen, ihnen über budgetierte Globalhaushalte Planungssicherheit einräumen, dann müssen die Hochschulen nach innen die Profilierung und Wirtschaftlichkeit sicherstellen. Sie werden Strukturentscheidungen treffen und verantworten müssen. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, hegen und pflegen Sie die Vorurteile, die Frau Keler und Professor Kauffold nach wie vor den Hochschulen gegenüber deutlich machen.

(Georg Nolte, CDU: Richtig.)

Wir werden die Hochschulen über die Zielvereinbarungen und die Hochschulplanung in die Pflicht nehmen. Sicher, auch das sieht das Gesetz vor. Der kleine, feine, aber entscheidende Unterschied ist dabei, dass die CDU einen hochschulpolitischen Ansatz hat, der davon ausgeht, dass man auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandelt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. – Sylvia Bretschneider, SPD: Damals haben Sie sie in die Knie gehen lassen, bevor das funktioniert hat.)

Wissenschaft ist auch immer ein Prozess der Auseinandersetzung mit verschiedenen Theorien und der Beweisführung für oder wider diese Theorie. Warum übertragen wir diesen Prozess nicht auf den Abschluss von Zielvereinbarungen? Wir wollen als CDU keinen Prozess diktieren. Wir wollen mit den Hochschulen über die optimale forschungs- beziehungsweise wissenschaftspolitische Ausrichtung debattieren. Wir wollen erbittert streiten und am Ende soll ein Kompromiss stehen. Dieser Kompromiss muss sich in der anschließenden Planung als verlässlich erweisen und darf nicht Jahr für Jahr durch Haushaltsvorbehalte konterkariert werden. Ein solcher Vorbehalt schafft Misstrauen und Verdruss. Ein gleichberechtigter Diskussionsprozess muss in einer derartig übersichtlichen Hochschullandschaft möglich sein oder ist möglich, denn wir haben ihn als Fraktion verschiedentlich gesucht, ihn gefunden und damit auch Vertrauen geschaffen. Zielvereinbarungen dürfen natürlich kein Drohpotential sein. Das, was momentan mit der Zahnmedizin in Rostock läuft, meine Damen und Herren, ist ein Vorgeschmack auf das,

was diese Finanzministerin mit den Hochschulen künftig vorhat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. Genau so ist das.)

Detailregelungen, so weit das Auge reicht, allumfassende Haftungsgrundsätze, wenn mal was schief geht, Abweichungen kaum noch möglich.

Und ich bleibe dabei, dieses Gesetz erweckt nach außen hin den Anschein, als sei es modern, aber es findet lediglich ein Formel-, kein Paradigmenwechsel statt. Viele Hochschullehrer prophezeien mir schon heute, dass sich im Gesetzesvollzug am Status quo nicht viel ändern wird. Im Gegenteil, der schwarze Peter wird künftig nur bei den Hochschulen liegen. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, ist darauf angelegt, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass die Hochschulen strukturell nicht in der Lage sind, Hochschulautonomie wahrzunehmen, und bietet gleichsam die Möglichkeit, zum Status quo zurückzukehren.

(Harry Glawe, CDU: Das geht aber nicht. Das geht nicht, Herr Kauffold.)

Das ist die Philosophie, die uns seit 1998 im Zusammenhang mit dem Modellversuch in Neubrandburg aus dem Finanzministerium begegnet und uns daran hindert, diesen Modellversuch, der inzwischen erfolgreich arbeitet, zum Ende zu bringen und Globalhaushalte an den Hochschulen Haushaltsrealität werden zu lassen. Das Finanzministerium hat im Übrigen nicht einen einzigen Vorschlag unterbreitet, wie die Modellversuche zu beschleunigen, zu befördern sind, um für das Land und nicht für den Haushalt der Finanzministerin die optimalen Ergebnisse zu erzielen. Die Modellversuche wurden nicht gemacht, um bei den Hochschulen zu sparen, sondern die Hochschulen dazu zu befähigen, aus sich heraus Mittel zu akquirieren, die ihnen eine Erweiterung des Forschungs- und Lehrangebots ermöglichen. Es wäre schön, wenn sich diese Erkenntnis dann auch bei Frau Keler durchsetzen würde.

Meine Damen und Herren, dem Land wäre geholfen, wenn wir die Spielräume des Hochschulrahmengesetzes voll ausschöpfen würden. Die Fach- und Rechtsaufsicht ist durch dieses Gesetz eindeutig geregelt. Die Regelungen, die einer Landesregelung bedürfen, haben zum Teil weiten Spielraum, wenn ich dabei nur an die Berufung von Professoren denke, die ja nach dem Hochschulrahmengesetz auch durch die Hochschule vorgenommen werden könnte. Ich denke dabei an alternative Rechtsformen für Hochschulen wie zum Beispiel Stiftungen – nach dem HRG möglich, nach dem Landeshochschulgesetz ausgeschlossen. Ich denke dabei an so überflüssige Regelungen wie der Festlegung der Präsenzpflicht für Professoren, die angeblich entschärft wurde, weil aus „müssen“ „sollen“ gemacht wurde. Die Begründung wiederum spricht eine andere Sprache und ging noch von einer verbindlichen Regelung aus. Wo bleibt da eigentlich die Freiheit von Forschung und Lehre? Warum pressen Sie die Forschungssemester in ein so enges Korsett? Warum richten Sie eine Landesrektorenkonferenz ein, wenn Sie keine Rektoren mehr haben, sondern nur noch Hochschullehrer? Warum nimmt die Landesrektorenkonferenz zu den Hochschulentwicklungsplänen der Hochschulen nach Paragraph 14 Absatz 1 Stellung, wenn dort die Eckwerte durch das Land festgelegt wurden? Was soll diese Konferenz nun eigentlich noch tun? Zu den Eckwerten

Stellung nehmen oder zu den Hochschulentwicklungsplänen nach Paragraph 14 Absatz 2? Nicht nur an dieser Stelle, meine Damen und Herren, war ich vom Sprachwissenschaftler Dr. Bartels enttäuscht, der ja so nachdrücklich den Antrag der CDU-Fraktion zur Hochschulentwicklung im November vorigen Jahres sprachwissenschaftlich analysierte. Und dann passiert hier so etwas!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist aber auch schlimm.)

Das war aber nicht die einzige Enttäuschung. Ich kehre damit zum Anfang meiner Rede zurück.

(Götz Kreuzer, PDS: Sagen Sie das alles jetzt noch mal?! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nicht, dass die Kanzler nur lebenslange Fehlbesetzungen sein könnten und damit nunmehr als Wahlbeamte, das heißt als Beamte auf Zeit fungieren, sie stellen in einem zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnis auch noch die Kontinuität sicher. So, so, kann ich da nur sagen. Welche Konzessionen muss ein Kanzler im Rahmen seiner Tätigkeit an die Gremien der Hochschulen eigentlich machen, um das Kriterium der personellen Kontinuität zu erfüllen? Wie soll der Mann oder die Frau, der oder die auf eine Wiederwahl aus ist, Haushalte aufstellen und verwalten? Auf Regelungen zur Wiederwahl wurde verzichtet, damit Kontinuität sichergestellt ist. So, so! Aber ein Kanzler kann abgewählt werden. Das sehe ich, glaube ich, richtig. Und wo bleibt da die Kontinuität, auf die trotz allen Widersinns dieser Regelung doch Wert gelegt wird? Von der fehlenden Versorgungsregelung für Kanzler analog zu den Hochschullehrern werden wir im Ausschuss etwas detaillierter sprechen, denn das würde hier den Rahmen sprengen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie sehen selber, das Gesetz hat seine Tücken. Wir werden den Entwurf gründlich beraten und, meine Damen und Herren, wir werden uns Zeit dafür nehmen. Als Gesetzgeber und unserem Parlamentsverständnis nach haben wir hinlänglich Zeit, dieses Gesetz zu beraten.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Niemand – und schon gar nicht der Bildungsminister – wird uns dabei Zeitverzögerung vorwerfen, die er ganz allein zu verantworten hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Genau so ist das.)

Meine Damen und Herren, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit, wird dieser Gesetzentwurf beraten, denn von diesem Gesetz hängt zu einem wesentlichen Teil die Zukunft dieses Landes ab. Und ich bitte Sie einfach, lassen Sie uns im Ausschuss gemeinsam daran arbeiten, hier an dieser Stelle ein Gesetz zu schaffen, das die Zukunft des Landes sichert. Wir werden der Überweisung zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Schnoor.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Bartels für die PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!