Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

Veränderungen bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten, im Sozialministerium müssen die Projekte zur Mädchen- und Jungenarbeit sowie die Männerberatung angesiedelt werden und im Bildungsministerium geht es um die Einbringung der Thematik in die Unterrichtsinhalte.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, im Aktionsplan habe ich einführend die finanziellen Folgen von häuslicher Gewalt diskutiert. Wenn man über finanzielle Folgen häuslicher Gewalt spricht, denkt man zunächst einfach an die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Doch die Kosten, die der Gesellschaft durch die Verursacher aufgebürdet werden, gehen viel weiter. Kosten entstehen im Gesundheitsbereich, im juristischen Bereich, im sozialen Bereich und im Bildungsbereich. Es entstehen Verluste im Bereich der Produktivität und bei den Steuereinnahmen. Allerdings sind diese Kosten in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht berechnet worden. Einer Schätzung der Arbeitsgemeinschaft Männer- und Geschlechterforschung zufolge belaufen sich die Kosten jährlich auf 29 Milliarden DM. Studien aus verschiedenen Ländern belegen ähnliche Zahlen.

Eine englische Studie untersuchte Folgekosten von häuslicher Gewalt in einem Londoner Stadtteil. Ausgewertet werden die Statistiken der sozialen Dienste, Polizei, Ambulanzen und Krankenhäuser. Die Kosten, die allein in diesem Stadtteil durch häusliche Gewalt entstehen, belaufen sich auf 5 Millionen Pfund. Hochgerechnet auf ganz London ergibt das eine Summe von 189 Millionen Pfund im Jahr, das sind etwa 567 Millionen DM. Sehr viel Geld, meine Damen und Herren, das wir, denke ich, besser und sinnvoller einsetzen können. Deshalb bitte ich Sie, die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder in Ihrem Einflussbereich zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Danke schön, Frau Staszak.

Damit das nicht nur eine Frauenrunde wird, bekommt jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU das Wort.

(Unruhe und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Sylvia Bretschneider, SPD: Der frauen- politische Sprecher der CDU-Fraktion. – Angelika Gramkow, PDS: Ich finde das gut.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun liegt er uns endlich vor, der Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Man konnte schon fast meinen, dass es den Regierungsfraktionen wie dem Zauberlehrling erging, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wurde. Denn lange hat es gedauert,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Na, Sie wollten ihn ja gar nicht. Sie hatten den Antrag ja abgelehnt.)

bis dieser Plan uns vorgelegt wurde. Immerhin hat der Landtag schon mit Beschluss vom 13. April 2000 die Landesregierung aufgefordert, einen solchen Landesaktionsplan zu erstellen. Und selbst, Frau Kollegin Seemann, als wir als CDU-Fraktion in der Sitzung am 8. März 2001 die Vorlage und Umsetzung des Plans bis zum 30. April 2001

anmahnten, mussten wir uns von Ihnen den Vorwurf des Populismus anhören

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das war es doch wohl auch.)

und unser Antrag wurde schließlich abgelehnt.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ja, weil die Finanzmittel im laufenden Haushaltsjahr nicht bereitgestellt werden konnten. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist erfreulich, dass dieser Plan jetzt vorliegt, wenn auch das, was dort an Analyse, an Fakten zusammengetragen ist, alles andere als erfreulich ist.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Aber da hätten Sie doch schon längst drauf reagieren können.)

Und ich will auch nicht in Abrede stellen, dass es sicherlich eine ziemlich umfängliche Arbeit war, dieses Material zusammenzustellen. Aber der Bericht enthält neben Analysen zu den Ursachen von Gewalt und ihren finanziellen Folgen sowie Statistiken leider viele, zum Teil sehr unkonkrete Absichtserklärungen. Was mir fehlt, das sage ich hier sehr deutlich, sind konkrete Aussagen zu dem, was die Landesregierung wann beabsichtigt zu tun und wie dies finanziell abgesichert werden soll.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch wohl nichts! Da gucken Sie doch mal in den Haushalt rein!)

Das sind unsere Vorstellungen von einem Landesaktionsplan der Landesregierung, die sich scheinbar nicht mit denen der Regierenden decken.

Und, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will hier sehr deutlich sagen, dass diese Kritik sich keineswegs an die Gleichstellungsbeauftragte der Landesregierung richtet, sondern ganz im Gegenteil, ich denke, es verdient den Respekt des ganzen Hauses, mit welchem Engagement sie sich dieses Themas hier immer wieder annimmt. Aber ich habe auch den Eindruck, dass sie leider in der Regierung mit der Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe oftmals ziemlich allein gelassen wird und nicht die notwendige Unterstützung erfährt, die einfach erforderlich ist.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Herr Born, wissen Sie, dass Ihre Mitarbeiterin daran mitgearbeitet hat?!)

Wenn wir diesen Plan ernst nehmen und uns angucken, was hier an Fakten zusammengetragen ist, dann ist es einfach dringend erforderlich, dass jetzt auch konkrete Maßnahmen erfolgen, und dazu ist natürlich auch erforderlich, dass die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der hier vorliegende Plan ist insoweit zu wenig konkret. Er vertröstet die Frauen im Land erneut.

(Volker Schlotmann, SPD: Sie können doch nur stänkern und sonst nichts.)

Sie müssen immer noch darauf warten, welche Konsequenzen die Landesregierung beabsichtigt aus diesen Analysen beziehungsweise allgemeinen Absichtserklärungen zu ziehen.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Also das ist ja starker Tobak, was Sie hier ablassen!)

Sie müssen immer noch darauf warten, wie die Landesregierung diesen Landesaktionsplan in die Wirklichkeit umsetzen will, also mit Leben erfüllt. Erst dann kann realistisch bemessen werden, ob der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erfolgreich ist, also dazu beitragen kann, die immer noch in weiten Teilen unserer Gesellschaft vorherrschende Gewalt gegen Frauen einzudämmen.

Geklärt werden müssen insbesondere die finanziellen Gesichtspunkte, die von der Landesregierung bisher nicht angesprochen wurden. Möglicherweise ist dies auch mit ein Grund für die lange Verzögerung bei der Erstellung des Planes gewesen,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

dass eben die finanziellen Konsequenzen nach wie vor gescheut werden. So stellt sich für mich zum Beispiel die Frage, wie sich das Land an der finanziellen Ausstattung der Frauenhäuser beteiligen kann, deren Verantwortung bei den Kommunen liegt. Das Kapitel 0301 Titel 633.01 „Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände als Träger von Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern“ ist für die Jahre 2002 und 2003 im Entwurf des Haushaltsplans mit lediglich 52.700 Euro pro Jahr vorgesehen,

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

wobei es in der Erläuterung heißt, dass die Zuwendungen für die Förderung der Frauenschutzwohnungen „Frauen in Not“ in Schwerin bestimmt sei.

(Karla Staszak, SPD: Nee, das stimmt nicht, Herr Born.)

Ich bitte Sie einfach mal, sich die Erläuterungen im Haushaltsplan daraufhin anzusehen. Vielleicht können Sie das ja bei den Beratungen dann entsprechend verändern.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir haben das schon beraten.)

In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich, d ass der Innenausschuss des Landtages sich im Rahmen der Beratungen zur Reform des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes einstimmig für die Errichtung von Interventionsstellen ausgesprochen hat und sich der Sozialausschuss im Rahmen der Haushaltsberatungen einstimmig dafür ausgesprochen hat, diese Interventionsstellen statt der von der Landesregierung eingeplanten 255.700 Euro im Jahr 2002 mit 404.300 Euro und im Jahr 2003 mit 511.700 Euro auszustatten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Gleichwohl sehe ich Probleme beim Aufbau der Stellen in Anlehnung an die fünf Polizeidirektionsbereiche. Für fünf Interventionsstellen wird das Geld wohl immer noch ziemlich knapp werden. Unsere Bemühungen sollten jedoch trotz angespannter Haushaltslage dahin gehen, die vom neuen SOG vorgesehenen Interventionsketten für die Opfer häuslicher Gewalt flächendeckend aufzubauen. Denn nur funktionierende Hilfsstrukturen sind ein wirksames Mittel, um dieser Gewalt wirkungsvoll zu begegnen. Ich fordere daher die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen auf, in dieser Sache noch mehr zu tun, vor allen Dingen das auch finanziell entsprechend zu untersetzen.

Wir erwarten nunmehr auf Bundes- und Landesebene eine zügige Umsetzung ihrer eigenen Ankündigungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit folgenden Schwerpunkten, wie sie mein Kollege Reinhardt Thomas

bereits in seiner Rede zu unserem Antrag am 8. März 2001 vorgetragen hat:

verbesserte Prävention sowie Maßnahmen zur öffentlichen Ächtung von Gewalt gegen Frauen

schulische Prävention gegen sexuelle Gewalt

Gewaltprävention und Fortbildungskonzepte für Schulen

komplexe Fortbildung von Polizei- und Staatsanwaltschaft

separate Erfassung der Straftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik

Prüfung und Einführung eines neuen Straftatbestandes der fortgesetzten häuslichen Gewalt

lückenlose Erfassung und Speicherung aller strafwürdigen Sachverhalte im Sexualstrafrecht und bei häuslicher Gewalt

Zeugenschutzprogramme für die von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder sowie die Anerkennung der Aussage als Beweis vor Gericht per Videofilm Wer sich einmal mit solchen Verfahren befasst hat, weiß, was betroffene Frauen erneut durchleiden müssen, wenn sie sich als Zeugen in solchen Strafverfahren entsprechenden Verhören ausgesetzt sehen. Das ist oftmals eine traumatische Wiederholung des Gewaltgeschehens.

Umsetzung eines Beschäftigungsgesetzes für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen

Prüfung einer Abschiebefrist von mindestens vier Wochen für Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, um deren sichere Rückkehr vorzubereiten

sofortige Abschiebung ausländischer Straftäter beim Komplex häuslicher Gewalt und schließlich