Noch Ende Juli äußerten sich führende Beratungsunternehmen und Investmentbanken durchgängig sehr lobend über die Steuerreform. Ich zitiere: „Im Ausland starrt man auf die nominalen Sätze und da ist Deutschland von seinem ganz hohen Niveau runtergekommen“, erklärte zum Beispiel Ernst & Young in Düsseldorf. Das „Handelsblatt“ überschrieb seine Bewertung der Steuerreform mit „Belastung für Unternehmen in Deutschland jetzt geringer als in den USA“. Damit waren die Weichen auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum gestellt. Und diese positiven Rahmendaten sind weiterhin wirksam. Wie sähe die Wirtschaftslage in Deutschland wohl aus, wenn die Bundesregierung diesen Kaufkraftschub im Privatbereich nicht ausgelöst hätte?
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat diese Steuersenkungen für die Bevölkerung, für den Mittelstand, für die Körperschaften unterstützt und wir halten sie auch jetzt unverändert für richtig, die Sie von der CDU nicht haben wollten. Die planmäßigen Mindereinnahmen aufgrund der Steuersenkungen hat Mecklenburg-Vorpommern mit großen Anstrengungen abgefangen und den zugleich eingeleiteten Konsolidierungskurs durchgehalten, und das bei hohen Investitionsaufwendungen.
Wir müssen jetzt für 2002 und 2003 die erneuten Steuermindereinnahmen ausgleichen, die in der Haushaltsplanung naturgemäß nicht berücksichtigt werden konnten. Noch bei der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes 2002/03 ließen die tatsächlichen Steuereinnahmen nicht auf die jetzt sichtbaren Steuereinbrüche schließen. Die Steuereinnahmen bis einschließlich August lagen nur 1,1 Prozent unter dem Ist 2000, und ich erinnere, veranschlagt hatten wir aber ein Minus von 1,7 Prozent.
Die Landesregierung hat gestern beschlossen, die Absenkung der Neuverschuldung für 2002 auszusetzen. Damit wird die Nettokreditaufnahme auf 332 Millionen Euro festgesetzt. Das entspricht dem Betrag für 2001. Mit dieser Anhebung um 102 Millionen Euro schließen wir die Lücke noch nicht. Den verbleibenden Betrag von rund 30 Millionen Euro wollen wir durch Ausgabenkürzungen vorrangig bei den laufenden Ausgaben aufbringen. Wir schlagen Ihnen vor, diesen Betrag durch einzelplanbezogene Minderausgaben im Haushalt zu veranschlagen. Die
Minderausgaben wären dann im ersten Quartal 2002 zu konkretisieren. Wir werden die Ergebnisse der Steuerschätzung auch für 2003 zugrunde legen und parallele Vorschläge machen. Damit wird die Absenkung der Kreditaufnahme bereits 2003 wieder aufgenommen.
Beim kommunalen Finanzausgleich sind in 2002 keine Änderungen erforderlich. Das ist die Folge des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes und der Mindestgarantie von 1,28 Milliarden Euro, gleich 2,5 Milliarden DM. 2003 werden wir aus demselben Grund den kommunalen Finanzausgleich geringfügig um 0,8 Millionen Euro anheben.
(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig, Frau Ministerin. – Georg Nolte, CDU: Nicht Milliarden, wie es in der Pressemitteilung steht. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)
Wir werden die konkrete Ausgestaltung der Änderungen in den nächsten Tagen über den Finanzausschuss in das parlamentarische Verfahren einbringen.
Meine Damen und Herren, mir liegt daran zu betonen, dass die Landesregierung mit dieser Maßnahme nicht von ihrem haushaltspolitischen Konsolidierungskurs abweicht. Was wir jetzt vorschlagen, ist eine vorübergehende Pause, kein Ende der Haushaltskonsolidierung. Jetzt wäre es nach meiner Überzeugung nicht richtig, ausschließlich die haushaltswirtschaftlichen Zahlen im Auge zu haben. Einsparungen in der nötigen Größenordnung müssten vorrangig im Bereich der Investitionen realisiert werden. Wir müssten dann zwingend auf Mittel des Bundes und der EU verzichten. Öffentliche Aufträge müssten in größerem Umfang zurückgefahren werden. Das wäre in der gegenwärtigen Situation kontraproduktiv.
Wir haben die Rückführung der Neuverschuldung in den letzten Jahren konsequent vorangetrieben, und zwar von 1.046 Millionen Euro in 1966
Dies ist sicherlich kein Scherbenhaufen, wie Herr Nolte gestern behauptet hat. Und wohlfeile Patentrezepte à la Rehberg, man müsse nur Personal abbauen und zwei Ministerien einsparen, helfen da auch nicht weiter.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)
Wir haben solide gearbeitet und dabei diverse unpopuläre Entscheidungen getroffen, die uns Kritik von ver
schiedenen Seiten eingetragen haben, und wir haben so schließlich auch die Einnahmeausfälle infolge der Steuerreform verkraftet, und zwar keineswegs nur zu Lasten der Investitionen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung beweist angesichts der neuen Lage Handlungsfähigkeit und Augenmaß. Sie ist in der Lage, sich neuen Situationen zu stellen und sofort angemessen darauf zu reagieren. Ich hoffe, das wird von Ihnen akzeptiert
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Ministerin Keler hat nach Bekanntwerden der regionalisierten Steuerschätzung gesagt, sie sei irritiert und verunsichert. Jetzt hat sie noch einmal zitiert, dass man ja schon bei der Haushaltseinbringung im September darauf hingewiesen habe, dass neben den Steuerausfällen durch die Gesetzgebung der rot-grünen Bundesregierung – hierauf werde ich noch eingehen – man sich ja auch schon mit einem konjunkturellen Problem befasst hat.
Frau Keler, warum haben Sie denn, wenn schon im September absehbar war, dass das Wirtschaftswachstum deutlich unter den Schönredereien von Kanzler Schröder und Finanzminister Eichel bleiben wird, wenn in Mecklenburg-Vorpommern damals schon klar war, dass wir im ersten Halbjahr ein Minus von 2,1 beim Wirtschaftswachstum haben, warum haben Sie da nicht schon Vorsorge zu diesem Zeitpunkt getroffen?
Dass man das jetzt natürlich nicht innerhalb von wenigen Tagen nachholen kann, was Sie mittel- und langfristig versäumt haben – übrigens, Sie sind seit 1996 Finanzministerin und ich werde Sie noch mit Ihren eigenen Zahlen seit 1996 konfrontieren –, ist allen klar. Jetzt gehen Sie den Weg des geringsten Widerstandes und erhöhen die Schulden von 300 Millionen auf 500 Millionen. Und Sie sind nicht mal heute bereit, zu sagen – und wir beraten ja den Doppelhaushalt, wir beraten nicht nur den Haushalt 2002, sondern auch den Haushalt 2003 – und sich wirklich dem anzunähern, was Wirtschaftssachverständige sagen, dass das Wirtschaftswachstum nächstes Jahr nicht 1,3 Prozent sein wird, sondern eher 0,6 Prozent.
Und, Frau Keler, auch das müsste Ihnen bekannt sein, dass 1 Prozent weniger Wachstum 8 Milliarden Mark weniger Steuereinnahmen sind,
und zwar zunehmend mehr zu Lasten der Länder, weil gerade seit 1998 – auch die Kohl-Regierung war nicht davor gefeit – immer mehr Gesetze zu Lasten der Länder beschlossen worden sind.
Wenn Sie sich heute mal die Relationen angucken, wie das Minus durchschlägt beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden, so kommen die Länder und Gemeinden zunehmend schlechter dabei weg.
Wie sind die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wirklich? Frau Keler, bis zum 11. September hatte die Situation in den USA so gut wie keinen Einfluss auf das Wachstum in Deutschland. Deutschland ist Letzter in Europa in diesem Jahr, in 2001. Wenn Sie sich die Zahlen des realen Exportwachstums noch mal angucken: Im Jahr 2000 waren das 13,2 Prozent und dieses Jahr wird das reale Exportwachstum nach allen Berechnungen 4,7 Prozent betragen.
Frau Keler, die Konjunkturdelle, die Rezession in Mecklenburg-Vorpommern ist im Wesentlichen hausgemacht. Und wenn Sie hier vortragen, dass die Bürger, die Unternehmen ein Plus von 32 Milliarden Euro, also 64 Milliarden DM haben, dann müssten wir eine wahnsinnige Steigerung der Kaufkraft in Deutschland haben. Und davon, das haben Sie hier vorgetragen, sollen alleine 34 Milliarden DM, 17 Milliarden Euro, bei den Bürgern dieses Landes bleiben. Was Sie vergessen, was Sie nun wirklich vergessen an dieser Stelle – die Steuerbelastung,
die vergessen Sie. Und, Frau Keler, ich sage Ihnen, die Ökosteuer hat Herrn Eichel nach meiner Rechnung bisher knapp 28 Milliarden DM gebracht und wird ihm nächstes Jahr noch mal 12 Milliarden DM bringen, mit Mehrwertsteuer. 40 Milliarden DM wird allein bis zum nächsten Jahr die Ökosteuer bringen, aufgesplittet in reine Ökosteuer und Mehrwertsteuer. Von der Mehrwertsteuer kriegen die Länder den allergeringsten Teil ab.