Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Dr. Ulrich Born, CDU: 62 Prozent ist nicht so viel.)

Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern liegt nach elf Amtsjahren des Fraktionsvorsitzenden Herrn Rehberg in den aktuellen Wahlumfragen nur noch bei 24 Prozent. Eine Meisterleistung, Hoffnungsträger Rehberg! Die Linie ist klar? Keiner blickt mehr durch. Ein Tollhaus ist gegenüber der CDU ein Ort von Ruhe und Gelassenheit.

(Gesine Skrzepski, CDU: Das ist eine Frechheit! Sagenhaft!)

In dieser Situation, ich sage es noch mal, einer chaotischen Bundes-CDU,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

einer schwer – gerade haben wir es ja festgestellt – getroffenen Landes-CDU,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sprechen Sie endlich mal zur Sache!)

einer sehr erfolglosen CDU in den Ländern ist Herrn Rehberg so ziemlich alles egal,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Schlotmann, Sie langweilen! Kommen Sie zur Sache!)

wenn es ihm nur irgendwie gelingt, an die Regierung zu kommen. Und wie kann das in einer solchen Situation dann funktionieren?

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das Land darf keinen Erfolg haben, das Land muss schlechtgeredet werden, egal, ob es stimmt oder nicht, der Erfolg heiligt schließlich die Mittel.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das entspricht Ihren Denkstrukturen.)

Und da käme dann natürlich eine Enquetekommission gerade recht. Herr Rehberg möchte die bereits arbeitende Enquetekommission zu den Gemeindestrukturen abschaffen, die hat er nie gewollt. Diese Enquetekommission leistet zwar Sacharbeit,

(Sylvia Bretschneider, SPD: Darum geht’s ja der CDU nicht.)

das will er ja nicht, sie verbraucht aber auch Geld. Und dieses Geld braucht er dringend für seine Enquetekommission.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Gleich kommt der Satz „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“.)

Also fordert er die Beendigung der Arbeit der existierenden Enquetekommission, weil zu teuer. Also fordert er dann eine Enquetekommission zum Thema demographische Entwicklung, um das mal kurz zu formulieren.

Eine Enquetekommission – wofür eigentlich? Ihr Fraktionsvorsitzender soll seine Mitarbeiter hinsetzen, zwei Tage in Statistischen Jahrbüchern blättern lassen und die Zahlen und Faktenlage sind dann ziemlich klar! Nur die will er ja nicht wissen! Die Ergebnisse passen ihm ja nicht ins Konzept. Er würde tatsächlich feststellen, ob es ihm nun gefällt oder nicht und uns auch gefällt oder nicht, Mecklenburg-Vorpommern verliert zwar an Bevölkerung, aber einen Sonderfall – so, wie Sie das nun gerne tun, immer als negativen Sonderfall – kann man Mecklenburg-Vorpommern nun wahrhaftig nicht nennen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: In Bay- ern sieht das aber anders aus.)

Jetzt vergleichen Sie uns von der Ausgangslage mit Bayern! Dass Sie Westgermane sind, das haben Sie gerade sehr deutlich zu erkennen gegeben.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Das gibt’s doch wohl nicht!)

Bundesweit und in den Bundesländern ist ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Sei es das Statistische Bundesamt, das feststellt, dass Deutschland mit zurzeit etwa 82 Millionen Einwohnern in 50 Jahren nur noch circa 65 bis 70 Millionen Einwohner haben werde.

(Hermann Bollinger, CDU: Und in 100 Jahren sind gar keine mehr da.)

Da diese Entwicklung nicht von irgendwoher kommen kann, muss diese sich also auch in den Bundesländern widerspiegeln, so auch in Mecklenburg-Vorpommern. Vielleicht ist es Herrn Rehberg entgangen, dass dies der Grund dafür ist, dass wir auf Bundesebene zum Beispiel über eine notwendige Zuwanderung reden. In dieser Entwicklung bilden auch die ostdeutschen Länder keine Ausnahme.

Meine Damen und Herren, der Versuch, MecklenburgVorpommern in diesem Zusammenhang als Sonderfall

darzustellen, ist einfach nur unanständig, aber ein typischer Rehberg! Soll die CDU aus den vermeintlichen und ostdeutschen Musterländle Thüringen und Sachsen berichten! Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie müssten uns berichten, dass dort ähnliche, nahezu fast gleiche Entwicklungen festzustellen sind. Also schweigen Sie lieber!

Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass es Entwicklungen gibt, die uns nicht ruhig lassen können und dürfen. Diese Entwicklungen sind sachlich analysiert und wir müssen uns ebenso sachlich nach Lösungsvorschlägen umsehen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Und Sie schweigen zu Herrn Klinger.)

Was Besseres fällt Ihnen nun wahrhaftig nicht ein! Zu dem Thema Bevölkerungsentwicklung kommen Sie mit dem Thema Klinger. Also Ihr Niveau ist wirklich... – Ihr Vorsitzender würde sagen, Teppichkante, maximal!

(Hermann Bollinger, CDU: Nur weil sie sich nicht vermehren. Daran liegt’s. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Im Jahre 2020 wird Mecklenburg-Vorpommern aller Voraussicht nach nur etwa 1,6 Millionen Einwohner haben. Das bedeutet, bezogen auf 1990, also auf 30 Jahre, einen Bevölkerungsrückgang um insgesamt 350.000 Menschen, das entspricht so ziemlich genau 17,8 Prozent. Zwischen 1990 und 2000, also die ersten zehn Jahre nach der Wende, beruhten 50 Prozent des Bevölkerungsrückganges auf Wanderungsverlusten und davon allein 38 Prozent in den Jahren 1990 und 1991. Worauf dieser hohe Wanderungsverlust in den ersten beiden Jahren nach der Wende wohl beruhen mag?! Für die Antwort darauf brauchen wir wahrhaftig keine Enquetekommission.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sagen Sie mal!)

In den 20 Jahren von 2000 bis 2020 werden die Wanderungsverluste nur noch etwa 10 Prozent des Bevölkerungsrückganges ausmachen. Stattdessen werden 90 Prozent des Bevölkerungsrückganges darauf beruhen, dass wir einen so genannten Gestorbenenüberschuss haben werden.

(Nils Albrecht, CDU: Am besten, Sie bringen noch Zahlen aus der Steinzeit.)

Ebenso wenig erfreut sein kann man über die Wanderungsverluste vor allem bei Frauen seit 1991, die seit diesem Jahr immer höher waren als die Wanderungsverluste der Männer. Ebenso besorgniserregend ist, die aktivste Altersgruppe bei Fortzügen sind die 18- bis 30-Jährigen und die Fortzüge dieser Altersgruppe übersteigen leider die der Zuzüge. Seit 1996 verzeichnet das Land hingegen einen deutlichen Wanderungsgewinn bei den 55- bis 65Jährigen. Dadurch wird der Anteil der älteren Menschen langfristig deutlich ansteigen.

Meine Damen und Herren, wo aber liegen die Besonderheiten? Schauen Sie in das Zahlenmaterial des Bundesamtes für Statistik, schauen Sie in die Unterlagen der Statistischen Landesämter in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern und Sie werden in allen drei Werken ähnliche, fast gleiche Entwicklungen feststellen! Noch einmal: Mecklenburg-Vorpommern ist kein Sonderfall und Mecklenburg-Vorpommern ist eben kein Störfall, auch wenn die CDU unter Herrn Rehberg dies noch so oft als penetrante Negativwerbung für Mecklen

burg-Vorpommern behauptet! Herr Rehberg wird natürlich niemals einen positiven Aspekt in dieser Diskussion ansprechen.

(Nils Albrecht, CDU: Was ist denn da positiv dran?)

Das würde nicht ins Konzept passen. Die Schamgrenze, was das Spielen mit Gefühlen der Bevölkerung für Wahlzwecke anbelangt, diese Schamgrenze ist bei Ihnen anscheinend auf dem Niveau angelangt,

(Jörg Vierkant, CDU: Sprechen Sie doch endlich mal zum Thema!)

das ich gerade schon mal als Ihr Zitat verwendet habe, nämlich unter der Teppichkante.

Um den Bürgern dieses Landes, unseren Gästen wie auch dem Rest der Republik auch die sachliche Seite dieses Problems darzustellen, zähle ich das noch mal auf:

Alle ostdeutschen Bundesländer – Brandenburg wegen der Speckgürtelproblematik von Berlin ausgenommen – haben einen vergleichbaren Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Der in Mecklenburg-Vorpommern ist dabei der geringste. Bei den Zuzügen liegt Mecklenburg-Vorpommern seit 1994 je 1.000 Einwohner hinter Brandenburg an zweiter Stelle im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer. Mecklenburg-Vorpommern ist trotz des Wegzuges im Bereich der 18- bis 30-Jährigen nach wie vor ein sehr junges Bundesland. Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der Bürger unter 21 an der Gesamtbevölkerung so hoch wie in Mecklenburg-Vorpommern und die Anzahl der Geburten in Mecklenburg-Vorpommern – Gott sei Dank – steigt seit 1994 wieder kontinuierlich an.

Damit will keiner die Situation schönreden und ich habe das auch gegenüber der Presse sehr deutlich gesagt, da gebührt Ihnen als CDU – nicht als Fraktion, als CDU, würde ich sagen – Dank, dass Sie dieses Thema noch mal aufgegriffen haben. Das gestehe ich Ihnen ganz offen und ehrlich zu, lieber Kollege Prachtl. Ich will aber auch keine parteipolitisch motivierte Schwarzmalerei.

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen stehen dazu, sich dem Thema der Bevölkerungsentwicklung als eine wirkliche Herausforderung für Mecklenburg-Vorpommern zu stellen. Und wir wollen dieses Thema schnell bearbeiten und schnelle Ergebnisse unserer gemeinsamen Arbeit vorstellen, Ergebnisse, die die Fraktionen und/oder die Regierung aufgreifen und in praktisches Handeln umsetzen können. Wir wollen keine langwierigen und kostspieligen Prozedere bei der Einsetzung einer Enquetekommission, wir wollen jetzt anfangen, in den Gremien und mit den Möglichkeiten, die uns dieses Parlament zur Verfügung stellt, die da sind. Diese sollten wir gemeinsam nutzen und nicht noch etwas Neues nebenbei konstruieren.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Deshalb in den Bauausschuss.)

Sehen Sie, Kollege Born, das ist die Scheinheiligkeit bei Ihnen. Sie reden hier ständig von dem Bauausschuss.