Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und ich zitiere noch einmal: „Wie die benachbarte wirtschaftswissenschaftliche Fakultät bestätigen wird, ist klar, dass im Rahmen einer Vollkostenrechnung der einzelne Studiengang zu bewerten ist und nicht das Gesamtbudget einer Fakultät oder Universität.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer einzelne Studiengänge so betriebswirtschaftlich bewertet, den frage ich ganz einfach: Wie bewerten Sie denn die Juristen zum Beispiel? Also wer so Hochschulpolitik betrachtet, dem kann ich nur raten, er möge sich vorher sachkundig machen und zumindest einmal abwarten, was hier im Landtag gesagt wird, und sich danach äußern. Aber das muss ja nicht unbedingt ein Zufall sein, dass diese Presseerklärung gerade heute – und das schon viereinhalb Stunden vor der Debatte – in den Landtag kommt.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie uns Opportunismus vorwerfen, dann tun Sie das gleichzeitig 100.000 Menschen gegenüber, die die Volksinitiative zur Erhaltung der Zahnmedizin in Rostock unterschrieben haben.

(Wolfgang Riemann, CDU: Auch Herr Rißmann.)

Und übrigens, Sie tun’s auch gegenüber Ihrer eigenen Fraktion, denn der Landtagsbeschluss ist nach meiner Kenntnis einstimmig gefasst worden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich weiß im Augenblick nicht, ob Sie bei der Abstimmung dabei gewesen sind. Wenn ja, dann bezeichnen Sie sich selber als einen Opportunisten, Herr Ministerpräsident.

(Heiterkeit und Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Hochschulpolitisch, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich diese Aussagen gar nicht bewerten. Das wird nachher meine Kollegin Steffie Schnoor noch ausführlich machen. Aber die vom Ministerpräsidenten geäußerte Position ist die des Finanzministeriums, dem ich jede, aber auch jede hochschulpolitische Kompetenz aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre abspreche.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Hier geht es mir vor allem um die destruktive Haltung Ihres Hauses, Frau Keler, bei der Entwicklung alternativer Hochschulhaushalte.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Ohne Ihr Haus, ohne Sie wäre dieses Land in Fragen der Hochschulautonomie schon viel, viel weiter.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist auch wahr.)

Meine Damen und Herren, was Sie uns in der vergangenen Woche als Bericht vorlegten, entspricht de facto dem Ansinnen des heutigen Antrages meiner Fraktion. Aber Sie hätten dies auch bei Einhaltung der Frist bis zum 15. November vorlegen können. Ich komme deshalb nicht umhin, bei der unendlichen Geschichte um die Wiedereinrichtung der Zahnmedizin in Rostock den Vorwurf des Kollegen Riemann aus der Sitzung des Bildungsausschusses vom 22. November diesen Jahres zu wiederholen: Das, was die Landesregierung hier mit Landtag und Universität zelebrierten, ist die Arroganz der Macht gegenüber den Hochschulen, ist die Missachtung des Parlaments, ist die Missachtung all jener Menschen, die mit ihrer Unterschrift – das waren immerhin 100.000 – ihren Willen zur Wiedereinrichtung der Zahnmedizin durch die Volksinitiative bekundet haben.

Herr Minister Kauffold, Sie haben nicht einmal – nach meiner Kenntnis – den so genannten Verhandlungen zur Vertragsgestaltung zwischen Landesregierung und Universität beigewohnt, obwohl Sie federführend vom Landtag den Auftrag dazu hatten. Auch wenn Sie nicht an den Verhandlungen beteiligt waren – das müssen Sie auch nicht –, die politische Verantwortung, Herr Minister Kauffold, für das Ergebnis müssen Sie persönlich allemal übernehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten verein

bart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat der Bildungsminister Professor Kauffold das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Rehberg, Sie müssen mich nicht an die politische Verantwortung erinnern. Das ist mir völlig klar, dass ich politische Verantwortung trage für das, was ich tue. Manchmal würde ich es mir wünschen – das würde die Kommunikation vielleicht erleichtern und verbessern –, wenn Sie sich im Ton ein bisschen mäßigen würden. Ich habe den Eindruck, dass hier in zunehmendem Maße, auch wenn ich die Presseinformation von Frau Schnoor lese, Unflat abgesondert wird. Das ist in etwa so der Ton, den ich von Ihnen hier erfahre. Warum wird denn nun in aller Welt auf dem armen Herrn Wilken rumgehauen? Und: Kultusminister gibt seine Pressemitteilung jetzt über die Vereinigung der Unternehmensverbände heraus – so ein Quatsch!

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Das ist doch eine Unverschämtheit, so was! Der arme Herr Wilken!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Haben Sie ihn jetzt kooptiert ins Parlament? Sie diskutieren hier mit Herrn Wilken über die Barriere weg. Was sind denn das hier...

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Also wissen Sie! Sie setzen hier einen Vertreter vom Unternehmerverband unter Druck, der irgendwie seine Meinung äußert.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Es ist doch wohl ein kleiner Witz hier.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist doch wohl ein Witz.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ach, Herr Kauffold! – Harry Glawe, CDU: Welche ein Zufall, ne?!)

Das ist sicher ein Zufall, ja.

(Siegfried Friese, SPD: Sie haben nichts weiter zu sagen und deshalb kommen hier solche Peinlichkeiten.)

Ich finde es gut, wenn Leute ihre Meinung äußern, wenn sie auch in der Zeitung ihre Meinung äußern.

Nun, ich habe nicht die Absicht, heute über inhaltliche Dinge zu diskutieren.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das ist hier auch nicht Sache, das ist ja auch nicht der Punkt. Es wird der Antrag der CDU auf Drucksache 3/2459 beraten und der verlangt eine Berichterstattung der Landesregierung zur Umsetzung eines Landtagsbeschlusses vom 21.09. über die Wiedereinrichtung des Studienganges Zahnmedizin an der Universität Rostock. Das ist also der Berichtsgegenstand.

Dazu möchte ich zunächst sagen, dass auf der 74. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und

Kultur berichtet wurde, die ausschließlich zum Zweck dieser Berichterstattung einberufen wurde, und dass Ihnen eine Unterrichtungsvorlage mit anliegendem Vertragsangebot des Landes zur Verfügung gestellt wurde. Dazu fehlte noch eine von der CDU geforderte Chronologie von Aktivitäten zur Sache, die dem Landtagspräsidenten zugeleitet wurde und die Ihnen sicher zugegangen ist.

(Harry Glawe, CDU: Ja, die haben wir schon.)

Also ich meine, damit habe ich die im Antrag genannten Ersuchen erfüllt, und ich schlage Ihnen vor, den Antrag für erledigt zu erklären.

(Heiterkeit bei Steffie Schnoor, CDU)

Zu dem Vertragsangebot der Landesregierung, das der Unterrichtungsvorlage anliegt, möchte ich feststellen, dass dieses ein Ergebnis von vier Verhandlungsrunden der Landesregierung mit der Universität ist. Das geht aus der Unterrichtungsvorlage hervor und das geht aus der Chronologie hervor. Der Rektor der Universität sieht eine Möglichkeit zur Zustimmung nur, wenn seine Interpretation zu den Paragraphen 5 und 6 durch eine Protokollnotiz vereinbart wird. Dem vermag ich nicht beizutreten. Ich werde den Rektor bitten, sich noch einmal gründlich mit dem Angebot zu befassen. Soweit ich weiß, ist der Senat über das Vertragsangebot informiert worden, hat aber einen Beschluss noch nicht gefasst.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ich meine Verhandlungsmöglichkeiten bei den gegebenen Geschäftsgrundlagen als ausgeschöpft ansehe.

(Harry Glawe, CDU: Was?)

Erstens, der Landtagsbeschluss vom 21.09. verlangt einen Vertrag, der die Kostenneutralität eines neuen Studienganges Zahnmedizin für das Land vorsieht. Das ist die eine Geschäftsgrundlage. Und zweitens, ich bin ferner gehalten, einen Aufwuchs der Defizite des Klinikums nicht nur nicht zuzulassen, sondern auch auf den Abbau der Defizite hinzuwirken. Das ist die andere Geschäftsgrundlage. Sie haben gestern das Haushaltsgesetz verabschiedet. Deckungsmöglichkeiten für aufwachsende Defizite von Klinika sind im Einzelplan 07 nicht vorhanden. Ich könnte mir auch kaum vorstellen, solche Defizite auf andere Hochschulen, auf Schulen, auf den Kulturbereich umzuverteilen oder aber andere Ressorts erfolgreich um finanziellen Beistand zu bitten, selbst wenn das mit Ihrer Hilfe alles möglich wäre. Das kann ich mir also nicht vorstellen.

Ich habe keine Geschäftsgrundlage mehr außer dem Vertragsentwurf, dem Vertragsangebot, das ich vorgelegt habe. Der Paragraph 3 dieses Vertrages definiert die Kostenneutralität dahin gehend, dass a) der Zuschuss des Landes für Forschung und Lehre an die Medizinische Fakultät eingehalten wird und dass b) die Ausgaben der zahnmedizinischen Polikliniken durch deren Einnahmen gedeckt werden. Nun, mit der Einrichtung des Studienganges Zahnmedizin ist auch verbunden, dass alle potentiellen Investitionen wenn nicht aus Drittmitteln, so doch aus Landesmitteln erbracht werden müssen. Im Hinblick auf die Kostenneutralität bedeutet dies, dass die entgangenen Mittel der Hochschulbauförderung des Bundes innerhalb der Universität, vorzugsweise der Medizinischen Fakultät, auszugleichen sind. Über all dies wurde mit der Universität im Zuge der Verhandlungen Einvernehmen hergestellt.

Im Paragraphen 5 des Vertrages wird festgelegt, dass bei Eintritt des Risikofalls das Gesamtbudget der Hochschule in Anspruch genommen werden muss, sofern aus dem Studiengang Zahnmedizin, genauer, aus dem Betrieb der Polikliniken Defizite entstehen und diese nicht aus dem Medizinhaushalt gedeckt werden können. Das ist notwendig und auch haushaltstechnisch möglich, denn beide Kapitel – Hochschule und Medizinhaushalt – werden von der Universität bewirtschaftet. Hier wird also nicht die Zahnmedizin für die Verluste des Klinikums in Haftung genommen, wie mir früher schon mal unterstellt worden ist. Defizite im Klinikumsbereich wirken sich gemäß dem Vertragsangebot nämlich in keiner Weise auf den Studiengang Zahnmedizin aus, wenn dieser, wie von der Universität zugesichert, kostendeckend betrieben wird. Und das ist doch der Knackpunkt. Treten jedoch Verluste im Betrieb des Studiengangs Zahnmedizin auf, müssen diese gedeckt werden. Die Haftung dafür liegt bei der Medizinischen Fakultät, soweit die Ertragslage des Klinikums das zulässt. Ist da jedoch nichts, was haften könnte, dann muss selbstverständlich die Universität, die ja den Studiengang will, auch dafür eintreten.

Zurzeit hat das Klinikum 7 Millionen Euro Bilanzverluste. Die Gründe der enormen Defizitentwicklung liegen sicher zum überwiegenden Teil bei der ambulanten und stationären Krankenversorgung – dort sind sie entstanden –, aber es wird im Ministerium auch eingeschätzt, dass die Wirtschaftsführung des Klinikums den objektiven Veränderungen im Gesundheitswesen nicht angepasst wurde, und zusätzlich sind einfach Mehrbedarfe hauptsächlich im medizinischen Bedarf, in der Instandhaltung und im Personal im Bewusstsein der nicht gedeckten Finanzierung bedient worden. Das sind also ganz wesentlich auch hausgemachte Gründe, und das auch unter den Bedingungen, die im Gesundheitswesen in der Bundesrepublik derzeit bestehen.