Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

(Bodo Krumbholz, SPD: Welche denn?)

sowohl für das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Machen Sie doch mal Vorschläge, Herr Albrecht!)

Und, Frau Dr. Bunge, da frage ich Sie, all diese Reformvorschläge, Reförmchen –

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Ich saß schon da unten, um Ihnen zu antworten.)

ich sage das ganz bewusst, Sie wissen genau, dass dieses ganze Material, was Sie genannt haben, nicht geeignet ist, um wirklich dauerhaft dieses Thema zu sichern –, die werden, ich sage mal, sobald sie beschlossen sind, am nächsten Tag schon wieder überholt von den Ereignissen in den Systemen.

(Torsten Koplin, PDS: Seehofer hatte schon mal so viel Reformen.)

Das haben Sie bei der Rente erlebt, als Sie noch versprochen haben, die Situation zu entschärfen, mussten Sie die Dinge ja schon zwei Wochen später wieder zurücknehmen. Und welchen Grund gibt es dafür, das erst in der 13. Legislaturperiode zu beschließen? Welchen Grund?

(Barbara Borchardt, PDS: Bleiben Sie ruhig! Bleiben Sie ruhig!)

Dafür gibt es keinen Grund.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: In den zwölf Wahlperioden vorher hat Frau Bunge das nicht schaffen können. – Heiterkeit bei Barbara Borchardt, PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na ist es nicht so?!)

Es gibt keinen Grund und deswegen müssen wir jetzt handeln.

(Torsten Koplin, PDS: Ja, das würde uns sehr freuen.)

Wir können nicht hinnehmen, dass Ihre Freunde hier vor allem in der mittleren Bankreihe in der Bundesregierung aus wahltaktischen Gründen – und da sind wir bei wahltaktischen Gründen – die Reformmaßnahmen für vorläufig beendet erklären

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das waren schon ein paar mehr Legislaturen auf Bundes- ebene. Die sind schon ein bisschen weiter.)

und erst nach der nächsten Wahl beginnen wollen. Das können wir nicht akzeptieren und deswegen liegt der Antrag vor Ihnen und aus keinem anderen Grund.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Meine Damen und Herren! Vielleicht auch noch mal zwei, drei Sätze zu der wirklichen Dramatik, die es in diesem System gibt.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Okay, okay, Herr Albrecht, machen Sie mal was!)

Im Haushalt der Bundesregierung ist für das kommende Jahr nachzulesen, dass allein bei der Rentenversicherung die Beiträge der Beitragszahler bei weitem nicht mehr ausreichen, um das System am Leben zu erhalten. Allein im kommenden Jahr müssen 140 Milliarden Mark aus Steuermitteln in ein Rentensystem gepumpt werden, in ein Versicherungssystem gepumpt werden,

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Das wurde 1957 schon gemacht mit 30 Prozent.)

damit es am Leben bleibt. Das ist krank, dieses System ist krank und deshalb müssen wir über Reformen diskutieren.

Meine Damen und Herren, wenn man jetzt überlegt, dieses Versicherungssystem sollte wirklich nur aus den Versicherungsbeiträgen bezahlt werden, dann heißt das im Klartext: 19,1 Prozent heute, plus zusätzlich 8 Beitragspunkte, also fast 30 Prozent müssten allein für die Rente abgeführt werden von den Arbeitnehmern in diesem Land. Meine Damen und Herren, das ist eine katastrophale Situation und da weiß ich auch nicht, was es da Polemisches zu diskutieren gibt. Das ist eine Frage, von der sind viele, viele Menschen in diesem Land betroffen. Und obwohl uns versprochen worden ist, dass mit der Einführung der Ökosteuer hier eine Entlastung stattfindet, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass ab 1. Januar des kommenden Jahres die Bundesregierung den Bürgern umgerechnet noch mal 6 Milliarden aus der Tasche zieht.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Aber von Absenkung bei den Beiträgen in der Rentenversicherung ist überhaupt nicht mehr die Rede. Wo ist das Versprechen geblieben? Und eins sage ich Ihnen ganz klar: Wenn es uns nicht schnell gelingt, das Vertrauen der jüngeren Menschen, die arbeiten und hier ihre Leistungen in Systeme erbringen, wieder zurückzugewinnen, dann wird es weitergehen

(Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

mit der Flucht aus diesem System.

(Torsten Koplin, PDS: Das haben Sie doch schon bewirkt.)

100.000 Menschen haben im letzten Jahr die gesetzliche Krankenversicherung verlassen.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und wenn Sie es nicht schaffen, das Vertrauen zu gewinnen,

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Wer hat denn das eingeführt, das System?)

dann werden es mehr werden. Das wollen wir auch aufhalten. Wir wollen keine Zweiklassenmedizin,

(Barbara Borchardt, PDS: Sie haben sie doch schon eingeläutet.)

aber wir werden nicht darum herumkommen, Frau Seemann, darüber zu reden, was bezahlbar ist und was vielleicht auch wünschenswert ist aus Sicht des Patienten mit dem eigenen Beitrag. Sie bezeichnen das als Grundkatalog und Wahlkatalog. Natürlich werden wir darüber reden müssen, wie das konkret aussehen wird. Aber Sie wissen, dass das so kommen wird. Und wenn Sie sich hier hinstellen und etwas anderes behaupten, dann reden Sie wider besseres Wissen und es hilft den Menschen überhaupt nicht weiter.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Sie wollen den Ausstieg aus der solidarischen Finanzierung.)

Meine Damen und Herren, ein Beispiel noch mal an Zahlen. 3.500 DM Bruttogehalt ist vielleicht für den einen oder anderen ein durchschnittliches Einkommen. Diese Arbeiter und Angestellten, die ein Bruttogehalt von 3.500 DM bekommen, müssen allein über 6.000 DM in die Krankenkasse zahlen als gesetzlich Versicherte. 6.000 DM! Das trägt nicht dazu bei, das Vertrauen zu fördern, denn die Frage nach den Gegenleistungen, die ist niederschmetternd.

(Torsten Koplin, PDS: Die Solidarität muss gestärkt werden, das ist das Prinzip.)

Welche Gegenleistungen gibt es? Und wenn Sie sich mit dem System auskennen, und Frau Dr. Seemann, Ihnen muss ich das nicht erklären,

(Heidemarie Beyer, SPD: Das können Sie auch nicht.)

wie die Situation in den Praxen aussieht, in den Krankenhäusern aussieht, die Zufriedenheit, die ist wirklich, wirklich am unteren Level angesiedelt und deswegen weiß ich nicht, wo Sie da noch Potential sehen, mit diesen kleinen Reförmchen wirklich etwas zu verändern. Es geht um eine grundlegende Reform in dem Sozialsystem.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau. – Barbara Borchardt, PDS: Und deswegen sollen wir den Kombilohn einführen, oder was? Deswegen, wegen der Kaufkraft, das ist ja sehr interessant alles.)

Mecklenburg-Vorpommern braucht Kaufkraft für die Binnenwirtschaft. Wir brauchen wirklich auch Klientel, wir brauchen Menschen hier in diesem Gesundheitsland – der Ministerpräsident hat sich verabschiedet, ich hätte mich ja gefreut, wenn er gesehen hätte, dass es auch in der CDU Leute gibt, die das Land hochheben

(Zuruf von Bodo Krumbholz, SPD)

und sagen, das ist ein Bereich,

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Genau!)

der ist ganz wichtig und da liegt viel Zukunft drin –, aber wir brauchen auch die Kunden dafür, die das bezahlen, und die Krankenkassen müssen in der Lage sein, diese Dienstleistungen zu bezahlen. Mecklenburg-Vorpommern braucht auch ganz klare Impulse für neue Arbeitsplätze. Und neue Arbeitsplätze entstehen nicht, wenn wir die Lohnnebenkosten derart in die Höhe schnellen lassen, dass keiner mehr bereit ist, hier Menschen einzustellen, sondern vielleicht auf Zeitarbeitsfirmen zurückgreift oder,

und das ist nachweislich, Frau Dr. Seemann, und da gibt es nichts zu beschönigen, das Einzige, was in diesem Land wächst, ist: Die einzige Konjunktur hat der Schwarzarbeitsmarkt und das ist bedauerlich. Das wollen wir auch verhindern

(Harry Glawe, CDU: 9 Milliarden Mark! 9 Milliarden Mark Schwarzarbeit!)

und deswegen wollen wir, dass die Menschen wieder Vertrauen gewinnen in die Sicherungssysteme

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)