Nils Albrecht

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Herr Präsident! Frau Ministerin, meine Fragen:
1. Wie erklärt sich, dass Mecklenburg-Vorpommern bei dem Angebot an Klinik-Plätzen der geriatrischen Rehabilitation im bundesdeutschen Vergleich auf einem Platz im unteren Drittel liegt und die vorhandenen 184 Betten dennoch oft noch nicht einmal zu 50 % ausgelastet sind, gleichzeitig aber in anderen Bundesländern sogar Wartelisten existieren?
Frau Ministerin, die zweite Frage:
2. Wie beurteilt die Landesregierung die gegenwärtige und zukünftige Versorgung im Bereich der geriatrischen Rehabilitation in Mecklenburg-Vorpommern unter dem Eindruck, dass die AOK Mecklenburg-Vorpommern, bei der fast 80 % aller Versicherten in Mecklenburg-Vorpommern
in diesem Altersbereich versichert sind, gegenwärtig weniger Patienten in die geriatrische Reha-Klinik in Greifswald schickt, als von der AOK Berlin in dieser Einrichtung behandelt werden?
Ach, Frau Borchardt!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich ja, dass Sie meinen Auftritt hier immer sehr interessiert verfolgen.
Das schafft natürlich auch Mut.
Meine Damen und Herren! Sie haben davon gesprochen, Frau Borchardt, dass Sie sich rechtzeitig einmischen wollen. Rechtzeitig heißt bei Ihnen ganze 86 Tage – 87 Tage heute – vor der Bundes- und Landtagswahl und das heißt genau 1.340 Tage nach Amtsantritt der SPDgeführten Bundesregierung. Das ist für Sie rechtzeitig einmischen in ein Thema,
meine Damen und Herren, das von der Überschrift her – „Reform der Bundesanstalt für Arbeit“ – natürlich ein wesentliches Thema trifft.
Und vieles von dem, was da drinsteht, liebe Frau Borchardt, ist tatsächlich, der Wahrheit entsprechend, notwendig – keine Frage! – und ich möchte auch im Einzelnen darauf eingehen.
Es ist wie gesagt schon deshalb bemerkenswert, dass das jetzt kommt, weil natürlich die Zeit, diese 1.340 Tage, nicht genutzt worden sind von der SPD-geführten Bundesregierung, um hier Arbeitsmarktpolitik zu betreiben im Sinne von mehr Arbeitsplätzen.
Meine Damen und Herren, ich muss die Zahlen nicht wiederholen, die Frau Borchardt hier vorgetragen hat. Es ist ein Armutszeugnis, dass in dieser langen Zeit nicht wirklich etwas passiert ist. Ich möchte gar nicht weiter eingehen auf die ganzen Versprechen, die uns hier ‘98 mit auf den Weg gegeben,
unterwegs korrigiert worden sind und wahrscheinlich auch nicht eingehalten werden können, meine Damen und Herren.
Die Frage der Überbürokratisierung muss gestellt werden, denn es muss abgebaut werden. Viele Menschen haben nicht nur ihre Arbeit verloren, viele Menschen haben auch den Glauben daran verloren, dass ihnen das Arbeitsamt wirklich helfen kann, einen neuen Job zu fin
den. Bestätigt wird dieses unter anderem auch durch den Sachverständigenrat der Bundesregierung, wenn er in seinem Jahresgutachten 2001/2002 ein zentrales Kapitel unter die Überschrift „Verpasste Reformchancen“ stellt und schreibt: „Am schwersten fällt der Bundesregierung das Umdenken und Umsteuern bei der Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik.“
Und trotz dieser Kenntnis der Defizite, liebe Kollegen, haben viele in der Verantwortung Stehende die Augen verschlossen und den Mund gehalten, so dass nun erst von außen her der eigentliche Reformprozess in Gang gesetzt wurde.
Nein, meine Damen und Herren, die Aufdeckung dieser Tatsachen, die Sie hier beschrieben haben, was die Fälschung von Statistiken betrifft, wurde von außen angeregt und nicht durch die Leute,
die hier in der Verwaltung selbst Verantwortung getragen haben. Das müssen Sie zugeben. Und das ist ein Zeichen dafür, wie schwierig auch die Struktur innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit ist.
Noch einmal: Wie die Schieflage tatsächlich war, hat nicht zuletzt die hitzige Debatte um die gefälschten Statistiken verdeutlicht. Aber wo steht die Bundesanstalt für Arbeit heute? Sie haben es andeutungsweise erwähnt. In Deutschland gibt es 1,5 Millionen offene Stellen. Und nur 500 Stellen davon sind bei den Arbeitsämtern gemeldet. Warum? Das zeigt, dass die Unternehmen kein Vertrauen mehr haben in die tatsächliche Vermittlungstätigkeit und die Professionalität der Behörde.
Die Unternehmen suchen sich andere Wege, um qualifizierte Mitarbeiter für den Betrieb zu gewinnen. Das zeigt aber auch, dass zum Beispiel die Frage der Umschulung nicht so betrieben worden ist, dass sie dazu geführt hat, dass die Betroffenen entsprechend qualifiziert wurden, um diese Stellen zu besetzen. Das wissen wir und wir ahnen, dass das auch zukünftig ein Problem bleiben wird.
Meine Damen und Herren, auch in unserem Land – und das dürfen wir nicht verkennen trotz der massiv fehlenden Arbeitsplätze – gibt es viele hundert unbesetzte Stellen. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: In der Hochtechnologiebranche fehlen dringend Fachkräfte nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch im Produktionsbereich. Und es gelingt bislang nicht, diese Stellen zu besetzen aus den Reihen der betroffenen Arbeitslosen.
Meine Damen und Herren, das ist eine Frage der Qualifikation, natürlich, und darauf werde ich auch noch mal zurückkommen, liebe Kollegin Borchardt.
Zu viel Geld, und das haben auch Sie angesprochen, das ist auch in Ihrem Antrag richtig formuliert, zu viel Geld und Zeit gehen verloren in den Hierarchieebenen der Bundesanstalt für Arbeit. Deshalb kann das wichtigste Ziel einer sinnvollen Reform nur der Wechsel sein: Weg von
einer Verwaltungsbehörde hin zu einer kundenorientierten Vermittlungsagentur!
Und damit komme ich auch noch mal zu einer zentralen Forderung Ihres Antrages, nämlich die Tätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit auf ihre Kernbereiche zu konzentrieren. Kernaufgabe der Bundesanstalt muss sein, Menschen, die ihren Job verlieren, möglichst rasch in neue Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Wir alle ahnen und wissen, dass das am eigentlichen Ziel vorbei organisierte Qualifizierungsmanagement und auch die AB-Maßnahmen diesen Prozess eben nicht in jedem Fall beschleunigen. Bis heute liegt mir leider keine ehrliche Statistik vor,
die Auskunft geben würde darüber, was eigentlich die ganze Umschulerei in der Vergangenheit gekostet hat und was dabei an nachhaltigen Ergebnissen herausgekommen ist.
Ich kenne Leute, Herr Schoenenburg, die bis zur Verabschiedung in die Rente fünf bis sechs Umschulungen mitgemacht haben und jetzt hochqualifiziert spazieren gehen und sich fragen, wie es ihnen wohl ginge, wenn sie wirklich so erfolgreich geworden wären, wie man ihnen bei der ersten Umschulung versprochen hat.
Umschulung ist wichtig, Qualifikation ist wichtig. Aber sie muss sich an den Bedürfnissen des ersten Arbeitsmarktes ausrichten und sie muss eine Qualität haben, die auch zu Vermittlungserfolgen führt.
Der so genannte öffentliche Beschäftigungssektor, ob ABM, SAM oder sonstige staatliche Beschäftigungsnotprogramme,
meine Damen und Herren, haben in unserem Land bislang die Zerwürfnisse auf dem Arbeitsmarkt nicht beseitigen können.
Meine Damen und Herren, wer einen Blick in die Zeitung vom 20.06. wirft, der wird sehen unter der Überschrift „Vermittlungsoffensive zeigt Wirkung“, dass selbst die ABM-Kürzungen nicht unbedingt dazu geführt haben, dass die Arbeitslosenzahlen steigen, denn es sind durch diese Offensive schon erste Ergebnisse,
und zwar auf dem ersten Arbeitsmarkt, erzielt worden.
Und das macht deutlich, wir werden über die AB-Maßnahmen reden müssen. Aber es macht in diesem Land auch deutlich, dass es hier natürlich auch dringend einer Reform bedarf.
Meine Damen und Herren, auch der Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit, den Sie hier lobend erwähnt haben, Florian Gerster, hat das für sich erkannt.
Ich darf zitieren: „Ich halte es deshalb gerade für Ostdeutschland für überdenkenswert, zumindest einen Teil der vorhandenen finanziellen Mittel umzuleiten und für die Subventionierung von Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt zu benutzen.“ Zitatende, „Tagesspiegel“ vom 30. März dieses Jahres.
Die Bundesanstalt kann es sich sicherlich nicht leisten, Garantiescheine zu verteilen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber haben die Maßnahmen denn wenigstens geholfen, die Vermittlungschancen zu verbessern?
Meine Damen und Herren, ganz offensichtlich nicht, denn auch in unserem Bundesland verlassen viele gut ausgebildete Menschen das Land. Und das wissen Sie, da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Und auch Fachkräftemangel, der seit einiger Zeit immer deutlicher wird, ist ein großes Problem.
Was tut nun die Bundesanstalt für Arbeit, um dem entgegenzuwirken? Wenn das Land an Fachkräften ausblutet, dann dürfte man erwarten, dass die Bundesanstalt für Arbeit hier aktive Maßnahmen ergreift, um dem entgegenzuwirken. Wir können uns ja zu dem Thema darüber streiten, liebe Kollegen, ob es Kernaufgabe ist, zum Beispiel die Mobilitätshilfen für junge Leute zu zahlen. Da mag es noch konstruktive Diskussionen geben. Aber wenn die Bundesanstalt für Arbeit Anzeigen finanziert, in denen sie die jungen Leute auffordert, das Land zu verlassen,
meine Damen und Herren, dann ist das kein Spaß mehr, dann, sage ich, schadet die Politik der Bundesanstalt für Arbeit mehr dem Land, als dass sie nutzt.
Ich mag natürlich auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich hier die jungen Leute auffordern will, nicht mehr Mobilität zu entwickeln. Ganz im Gegenteil! Aber bevor wir nicht alles tun, um den tatsächlichen Bedarf in diesem Land zu decken, meine Damen und Herren – ich nenne hier nur ein Beispiel, Maschinenbau, die Firma Nordex sucht händeringend Leute –,
bevor wir nicht diese Probleme lösen, glaube ich, ist es nicht sinnvoll, Geld auszugeben für Sprachkurse, die dem
skandinavischen Arbeitsmarkt helfen, aber uns hier nicht weiterhelfen. So kann es nicht funktionieren.
Mit jeder Entlassungswelle in dieser schlechten Konjunktur, meine Damen und Herren, wird der Block der Langzeitarbeitslosen größer. Und deshalb mag ja vielleicht für unser Bundesland kurzfristig und mittelfristig der zweite Arbeitsmarkt ein wichtiger Bestandteil sein. Jedoch muss dann wenigstens künftig viel mehr Gewicht auf den Einsatz in den strukturschwachen Regionen gelegt werden
und zum anderen eben eine stärkere Ausrichtung auf den tatsächlichen Bedarf des ersten Arbeitsmarktes erfolgen. Einen dritten Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren, so, wie die PDS ihn von Anfang an hier immer hoch gelobt und der sich als Geldvernichtungsmaschine erwiesen hat,
den wird es mit der CDU nicht geben. Meine Damen und Herren, 33.000 Euro für einen Arbeitsplatz auszugeben ist Geldvernichtung und hilft gerade mal etwas über 200 Menschen in diesem Land.
Das löst nicht die Probleme, das ist Geldvernichtung.
Im dritten Punkt Ihres Forderungskatalogs, meine Damen und Herren, hören Sie bitte zu, beschreiben Sie sehr treffend die weiteren Defizite der Bundesanstalt. „Die Reform muss die örtlichen Arbeitsämter stärken, für mehr Effizienz und Transparenz sorgen sowie Mitarbeiter und Kunden von unnötiger Bürokratie befreien.“ Das ist wohl wahr! Frau Borchardt sagte, wer davon schon mal betroffen war,
der wird mitbekommen haben, wie viel Bürokratie dahinter steckt. Ich will nur ein Beispiel nennen, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass Betroffene, obwohl sie eine vertragliche Regelung haben mit ihrem Arbeitgeber und dem Arbeitsamt, dass sie in den Rentenvorruhestand gehen werden, trotzdem aufgefordert werden, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, in der sie vermittelt bekommen, wie man sich bewirbt. Das sind Dinge, die rein bürokratisch ablaufen. Das hat nichts mit Kundenfreundlichkeit zu tun.
Das sind Beispiele, die deutlich machen, wo hier die Defizite liegen.
Meine Damen und Herren, an der Stelle möchte ich auch noch das unterstreichen, was Frau Borchardt gesagt hat in Bezug auf die Mitarbeiter. Es sind nicht die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, die hier versagt haben, es sind die Strukturen, es sind die Rahmenbedin
gungen, unter denen diese Mitarbeiter arbeiten müssen. Natürlich können die Mitarbeiter nur so flexibel sein, wie das die Rahmenbedingungen zulassen. Und insofern geht es um eine Veränderung der Strukturen innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit und nicht um die Kritik an den Mitarbeitern. Die ist da völlig fehl am Platze, da gebe ich Ihnen völlig Recht, liebe Kollegin Borchardt.
Meine Damen und Herren, die Menschen wollen raus aus der Arbeitslosigkeit und nicht Dauerkunde beim Arbeitsamt bleiben. Das ist vielleicht der Unterschied, wenn man von Kundenbeziehungen in der Wirtschaft und vom Arbeitsamt spricht. Aber hier müssen die Arbeitsämter wirklich noch neue Kundenbeziehungen erlernen, denn wir hoffen mal, dass mit dem Profiling und anderen Maßnahmen
hier wirklich auch individuell auf die Betroffenen zugegangen und nicht mit pauschalen Rezepten gearbeitet wird.
Meine Damen und Herren, in Punkt 4 Ihrer Forderungen beziehen Sie sich auf die Stärken der Interessen der Bundesländer. Diese Forderung ist getragen von der Sorge, dass die anstehende Reform auch die Organisationsstruktur der Bundesanstalt für Arbeit verändern wird. Ich gebe Ihnen Recht, liebe Kollegin Borchardt, dass die Länder hier natürlich nach wie vor ein wichtiges Mitspracherecht bekommen müssen. Es ist auch eine Frage der regionalen Arbeitsmarktpolitik vor Ort und im Zusammenhang mit dem Punkt 5, Stärkung der Selbstverwaltung, müssen wir Formen finden, die es ermöglichen, dass auch die Landesregierung hier ein Wort mitreden kann.
Die Selbstverwaltung in der Form, wie wir sie kennen, hat allerdings komplett versagt.
Und damit komme ich noch mal zurück auf den Anfang meiner Ausführungen. Meine Damen und Herren, die Selbstverwaltung hat die Defizite schon lange erkannt und nie wirklich etwas dazu gesagt und diese Probleme aufgedeckt.
Deshalb, sage ich, muss es neue Formen geben. Die Selbstverwaltung, so, wie wir sie kennen gelernt haben, hat ihre Berechtigung verloren und hat gezeigt, dass sie die Bundesanstalt für Arbeit nicht von innen heraus reformieren konnte, nicht modernisieren konnte. Ich sage Ihnen, wir müssen die Stärkung der Akteure fördern, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und der öffentlichen Hand in diesen Gremien, die dann zu finden sind. Und wir müssen das Kartell des Schweigens und Wegsehens brechen.
Ich komme zu Punkt 6 Ihrer Forderungen an die Landesregierung und damit an die Bundesregierung, meine Damen und Herren, Qualitätssicherung der privaten Arbeitsvermittler. Der Run auf die Gutscheine für die privaten Arbeitsvermittler ist im Großen und Ganzen ausgeblieben –
das wissen Sie – und die eingelösten Gutscheine in Mecklenburg-Vorpommern können Sie an einer Hand abzählen. Es fehlen also tatsächlich Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber der Rahmen, der mir heute zur Verfügung steht, würde nicht reichen, um auf die Wirtschaftspolitik dieses Landes einzugehen, meine Damen und Herren.
Dann könnte man vielleicht auch einige Gründe erkennen.
Natürlich – jetzt komme ich zurück auf Ihre Forderungen – muss es irgendeine Messlatte geben für die privaten Jobvermittler. Das ist ein sensibles Thema, denn es geht hier nicht um Maschinen, die vermittelt werden sollen, sondern um Menschen.
Zu dem unabdingbaren Qualitätsstandard gehört für mich zum Beispiel ein ordentlicher finanzieller Leumund. Das schließt zum Beispiel jeden mit einer eidesstattlichen Versicherung, einem Insolvenzverfahren oder mit Konkursstraftaten aus dem Gewerbe aus. Das ist selbstverständlich und das muss geregelt werden. Zudem sollte der private Vermittler eine berufliche Qualifikation nachweisen oder zumindest, ich sage mal, Lehrgänge absolvieren. Hier wird es sicherlich in absehbarer Zeit Regelungen durch die Verbände geben, aber auch von der Regierung.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und ziehe ein Fazit: Eine Reform der Arbeitsverwaltung zielt auf die organisatorische Verschlankung der Bundesanstalt für Arbeit und eine Konzentration der Arbeitsverwaltung auf die Vermittlung von Jobs als Kernaufgabe. Eine umgestaltete Bundesanstalt wird dann nur noch die Aufgabe haben, wesentliche geschäftspolitische Ziele zu formulieren und eine bundesweite Kontrolle sicherzustellen. Effiziente und verkleinerte Strukturen müssen auch künftig in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen die Koordination der regionalen Arbeitsmarktpolitik übernehmen. Die örtlichen Arbeitsämter sollen über den Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und des Personals entscheiden. Der Gesetzgeber ist für den gesetzlichen Rahmen allein zuständig. Daneben darf es keine Richtlinien, Weisungen und Durchführungserlasse mehr geben dürfen. Kernaufgabe der Bundesanstalt muss also sein, Menschen, die ihren Job verlieren, möglichst rasch in eine neue Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. – Vielen Dank.
Bitte sehr.
Liebe Frau Gramkow, ich bin dafür, dass Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen werden.
Und ich bin natürlich auch dafür, dass Schulsozialarbeit geleistet wird. Aber wenn ich mir die Zahlen bei diesem Thema angucke, was die Qualität der geleisteten Arbeit betrifft –
das sind Ihre eigenen Zahlen, dass Sie stolz darauf sind, dass Sie bislang ganze 70 Prozent umgeschult haben –,
dann wissen Sie, wo die Defizite liegen, meine Damen und Herren.
Ja, fragen Sie einfach mal in den Jugendämtern nach,
was die teilweise – teilweise, betone ich – von Schulsozialarbeit halten!
Das ist wichtig, wenn es richtig gemacht wird – keine Frage!
Ja, bitte.
Das ist mir bekannt, ja.
Ja, bitte, Herr Koplin.
Die Frage ist nicht, welche Regierung wir zu der Zeit hatten, das ist nicht der Punkt, sondern die Frage der Reform der...
Lieber Herr Koplin, dass Umschulungen auch damals aufgrund dieser Behörde nicht optimal gelaufen sind, das wird keiner in Abrede stellen wollen,
auch wenn er hier Fraktionsmitglied der CDU-Fraktion ist. Das wäre absurd, das zu leugnen. Natürlich war damals auch schon der Bedarf erkennbar, hier Reformen auf den Weg zu bringen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie von der Ministerin vorgestellt, liegt Ihnen die Stellungnahme der Landesregierung zu der Studie zu Lebenslagen und Lebensverhältnissen der 10- bis 14-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern vor. Es ist ein sehr umfangreiches Werk über 300 Seiten und es würde den Rahmen sprengen, hier im Detail auf alle Punkte einzugehen. Deshalb möchte ich mich konzentrieren auf den Bericht, also auf die Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Gutachten, zu dieser Studie, und möchte das in der gewohnten kritischen Weise tun.
Ich möchte noch einmal erinnern an die Ziele, die ein solcher Kinder- und Jugendbericht erfüllen muss. Zunächst sind die wichtigsten Entwicklungstendenzen
aufzuzeigen, die Zusammenfassung der landespolitischen Maßnahmen und es sind die Zielvorstellungen zu formulieren, die die Landesregierung für die nächsten Jahre als erforderlich ansieht. Schwerpunkt, wie gesagt, in dieser Berichterstattung ist die Lebenslage der 10- bis 14-Jährigen. Ich betone das deshalb, weil ich an anderer Stelle dazu einige Fragen haben werde.
Meine Damen und Herren, die Studie selbst, auf die sich diese Stellungnahme stützt, ist sehr empfehlenswert zu lesen. Das ist eine Lektüre, die hochinteressante Antworten gibt auf die Frage, wie fühlen sich unsere Kinder, vor allem, fühlen sich die Kinder aus ihrem Blickwinkel heraus in dieser Gesellschaft wohl. Das betone ich deshalb, weil nicht alle Antworten unbedingt objektiv sein müssen. Allein die Einschätzung, wie die berufliche Situation zu Hause ist, mag falsch sein, jedenfalls aus dem Blick der Erwachsenen möglicherweise anders. Aber es ist nichtsdestotrotz eine hochinteressante Studie, die sehr interessante Antworten gibt.
Ich möchte zunächst eingehen bei dem Kinder- und Jugendbericht auf die ersten einführenden Abschnitte. Hier bezieht sich die Landesregierung auf die Aufgaben nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches „Kinderund Jugendhilfe“. Ich möchte nicht die einzelnen Paragraphen wiederholen, die hier aufgelistet sind, vielmehr möchte ich noch mal deutlich machen, worum es in der Jugendpolitik gehen muss.
Ziel einer verantwortungsvollen Jugendpolitik muss es sein, die junge Generation zu befähigen, selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, Pflichten zu übernehmen und Rechte wahrzunehmen, das Leben als Chance zu begreifen und einen Platz in der Gesellschaft und im Beruf zu finden. Verantwortungsvolle Jugendpolitik gestaltet sich dabei nicht nur anhand von Jugendhilfepolitik, die sich in der Umsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erschöpft. Unsere Gesellschaft steht vor Herausforderungen gelebter Eigenverantwortung mit mehr Freiheit, aber auch mehr Risiko im eigenen Leben. Somit hat Jugendpolitik ausdrücklich die Aufgabe, die Eigenverantwortung junger Menschen zu stärken und aus dem Leitbild der persönlichen Verantwortung des Einzelnen heraus Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern.
Wie ist die Landesregierung in den vergangenen Jahren diesem Anspruch gerecht geworden? Welche Ausführungen finden wir dazu in dem vorliegenden Bericht?
Zunächst einmal finden wir unter der Überschrift „Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern“ eine Abhandlung über bundespolitische Entscheidungen, hier an erster Stelle das Bundeskindergeld. Frau Ministerin, das ist keine Errungenschaft des Landes,
die Sie hier in diesem Bericht wiedergeben sollen.
Aber wenn wir schon bei dem Thema Kindergeld sind, dann lassen Sie uns da auch mal einen Augenblick verweilen.
Die Leistungen, die zusätzlichen, die den Familien zugekommen sind mit der marginalen Erhöhung des Kindergeldes, sind längst aufgebraucht.
Sie sind längst aufgebraucht durch die unsägliche Steuerpolitik der Bundesregierung. Insbesondere in diesem Land frisst die Ökosteuer mehr,
mehr auf als das, was die Familien an zusätzlichem Kindergeld bekommen.
In einem Flächenland, wo Kinder auch außerschulische Angebote nutzen wollen und hier lange Wege zurücklegen müssen, ob mit dem öffentlichen Nahverkehr oder mit dem eigenen Auto,
kostet das Geld, kostet das zusätzlich Geld und das schadet den Familien.
Auch der von der Bundesregierung vorgelegte Armutsund Reichtumsbericht,
liebe Kolleginnen, hat deutlich gemacht,
dass gerade Familien mit mehr als zwei Kindern massiv von wirtschaftlicher Armut und von verstärkter sozialer Ausgrenzung betroffen sind.
Das, lieber Kollege Ritter, können Sie auch nachlesen in der Studie. Ich zitiere aus der Studie, hören wir: „Familien mit mehreren Kindern (tragen) ein deutlich höheres Risiko, von Armut oder von wirtschaftlicher Not … betroffen zu sein.“
Wenn Ihnen das bewusst ist und Sie sich rühmen mit Ihrem Einfluss, Frau Ministerin, auf bundespolitische Entscheidungen,
dann frage ich Sie an dieser Stelle, warum, dann frage ich Sie,
warum haben Sie zugelassen, dass die Kindergelderhöhung nicht für die Kinder in Frage kommt, die das dritte Kind und die das vierte Kind sind. Warum haben Sie gerade die Kinder ausgespart, die Familien ausgespart bei der Erhöhung, wo mehr als zwei Kinder da sind? Gerade dort ist Ihre sozialpolitische Verantwortung für mich sehr zu hinterfragen.
Warum sind kinderreiche Familien weniger förderungswürdig als Familien mit nur zwei Kindern?
Ja, lieber Kollege Ritter, ich hab’s nicht reingeschrieben in den Bericht
und ich darf das bitte kritisch begleiten, das, was hier vorgelegt worden ist.
Lassen Sie uns dann beim Bund noch ein bisschen bleiben.
Liebe Kollegin, stellen Sie die Fragen am besten am Mikrophon!
Das würde ich mir wünschen. Im Übrigen gibt es ja auch ein Mikrophon und Sie kennen mich, ich würde auch gerne eine Zwischenfrage zulassen, aber lassen Sie uns das im gewohnten Rahmen tun.
Lassen Sie uns auch noch mal zwei Minuten beim Bund bleiben. Die Zahl der Familien mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern betrug 1999 308.000, darunter 100.000 Alleinerziehende, überwiegend Frauen.
Alleinerziehende sind der Bundesfamilienministerin namens …
Na, wie heißt Sie? Mir ist der Name …
Man nimmt sie ja nicht mehr wahr in der Bundespolitik, meine Damen und Herren. Da kann’s schon mal passieren, dass man den Namen vergisst.
Diese bundespolitische Familienministerin hat ein besonderes Herz für Alleinerziehende.
Der Haushaltsfreibetrag von 2.340 Euro ist den Alleinerziehenden ersatzlos gestrichen worden
und das hat die Ministerin zugelassen.
Damit fehlt den Familien ein ganzes Gehalt.
Sie können dann ja gerne darauf eingehen in Ihrer Rede, Frau Kollegin.
Das ist gestrichen worden, auch wenn es heute Debatten gibt, die das versuchen wieder zurückzudrehen. Es ist ein trauriges Kapitel, dass das überhaupt so weit gekommen ist.
Danke, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, kommen wir einmal zu einer landespolitischen Sozialmaßnahme, dem Landeserziehungsgeld, wenn wir denn bei den Kindern sind.
Hierzu steht nicht ein einziges Wort. Das wurde nicht nur von der Opposition behauptet, das ist Realität geworden. Sie haben das Landeserziehungsgeld abgeschafft,
faktisch, es ist hier auch nicht enthalten.
Meine Damen und Herren, kommen wir zu der Frage, die die Landesregierung unter dem Stichwort erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten behandelt.
Diese sind laut Aussage des Berichtes bis zum 14. Lebensjahr steuerlich absetzbar. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau,
diese steuerliche Absetzbarkeit geht nur, wenn beide Eltern erwerbstätig sind. Damit fallen alle anderen, wo nicht beide erwerbstätig sind, durch dieses Rost. Und Sie wissen – und das muss ich Ihnen ja wohl nicht erklären –, wie schwer es ist in diesem Land mit dieser katastrophalen wirtschaftlichen Situation, dass beide Arbeit finden.
Dieser Hinweis geht ins Leere. Das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont.
Die bedarfsgerechten Angebote von Kindertagesbetreuung. Meine Damen und Herren! „Die Kindertagesförderung“ – ich zitiere hier aus dem vorliegenden Bericht – „für Kinder zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr ist nur in Einzelfällen notwendig. So wird gegenwärtig dieses Angebot fast ausschließlich nur von Kindern an Förderschulen genutzt.“ Ich frage Sie, ich frage Sie, ob das unterstellt, dass andere dieses Angebot nicht annehmen wollen, dass sie es nicht kennen, oder ist es nicht vielmehr so, dass es hier nur bei Sondergenehmigungen möglich ist, Kinder ab dem 10. Lebensjahr in der Kindertagesbetreuung zu betreuen?
Oder wollen Sie uns erklären, dass die Horte jetzt zukünftig, ja, ich sage hier mal auch, ab dem 10. Lebensjahr für alle Kinder zur Verfügung stehen und die Finanzierung geregelt ist? Aber da können Sie ja gerne drauf eingehen.
Die Anregung der fachlichen Weiterentwicklung der Jugendhilfe durch die Landesregierung ist eine weitere Überschrift in diesem Bericht. Die inhaltliche Weiterentwicklung der sozialpädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen ist unerlässlich.
Das teile ich. Die Weiterbildung ist unerlässlich. Aber hier auch die Frage: Was hat das mit Kindern von 10 bis 14 Jahren zu tun? Kindertageseinrichtungen sind in der Regel für Kinder im Grundschulalter und die sind bekanntlich jünger als dieses Alter.
Aber wenn wir dann schon bei den Kitas sind, Frau Ministerin, dann lassen Sie uns auch noch zwei, drei Sätze dazu verlieren. Ohne die Proteste von Eltern, von Kindern und von den Lobbyisten dieser Generation wäre es nicht möglich gewesen, zum Beispiel die Öffnungszeiten – und das will ich betonen –, familienfreundliche Öffnungszeiten weiterhin zu garantieren.
Die Träger standen vor der Entscheidung, die Öffnungszeiten zu kürzen.
Nur durch den massiven Protest der Opposition sowie der Eltern und der Kinder ist es gelungen, diese Öffnungszeiten aufrechtzuerhalten.
Meine Damen und Herren, …
Das sind natürlich Themen, die provozieren sollen. Ich würde mir wünschen, dass diese Provokationen in entsprechenden Argumentationen von diesem Pult aus erfolgen.
Meine Damen und Herren, die Frau Ministerin hat angesprochen den Ausgleich regionaler Unterschiede. Natürlich ist es wichtig – und da teile ich die Auffassung der Landesregierung –, dass hier insbesondere der Einsatz öffentlicher Mittel effizienter gestaltet werden muss. Jugendhilfeplanung ist eine ganz wichtige kommunale Aufgabe geworden
angesichts zurückgehender Zahlen von Kindern und Jugendlichen – keine Frage.
Aber lassen Sie uns noch mal auf die Probleme in der Fläche zurückkommen. Sie sprachen die Arbeit in den Vereinen an.
Meine Damen und Herren, ich zitiere aus der Studie: „Nach den Untersuchungsergebnissen sind 70 % der 10- bis 14-Jährigen … in unterschiedlichen Vereinen organisiert. Die Mehrheit der Kinder gehört jeweils nur einem Verein an, jedes dritte Kind ist in zwei Vereinen organisiert und jedes zehnte ist Mitglied in drei Vereinen.“ Meine Damen und Herren, und weil Kinder dort erleben, mit anderen Gleichaltrigen umzugehen, und auch das Vorbild in Form der Erwachsenen kennen lernen, erleben, in Form von Trainern und Übungsleitern, muss uns auch wichtig sein, Vereine weiter zu unterstützen.
Die Bundesregierung in diesem Land, in Deutschland, hat mit ihrer unsäglichen Entscheidung mit den 630-Mark-Jobs dafür gesorgt, dass bei den Vereinen und Verbänden erhebliche finanzielle Einbußen und vor allem ein wesentlich bürokratischer Verwaltungsaufstand entstanden sind,
die den Vereinen schaden
und wodurch den Kindern Zeit und Zuwendung verloren gehen.
Lassen Sie mich noch mal die Studienergebnisse zusammenfassen, die hier vorliegen. Meine Damen und Herren, ich empfehle das zum wiederholten Mal als abendliche Bettlektüre. Es ist hochinteressant,
denn diese Studie ist ein Plädoyer für Familien. Die Familie ist kein fossiles Sozialmodell, Familie ist unersetzlich. Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen.
Das Zusammenleben von Eltern und Kindern ermöglicht dasjenige soziale Lernen, mit dem die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit unterstützt wird, das Vertrauen in das Leben und die Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen eingeübt werden.
Ja, lesen Sie den Bericht, dann wissen Sie, wie die aussieht!
Familie vermittelt die notwendige Kraft, Herr Kollege, um die Herausforderungen einer teilweise hektischen Zeit bestehen zu können.
Familie ist Auffangbecken für Sorgen und Probleme, die sich aus der Vielfalt gesellschaftlichen Lebens, aus der Schule, dem Verein und dem Arbeitsplatz ergeben. Familie ist Schutzraum für heute turbulente Zeiten in einer sich schnell verändernden Zeit und kein dummes Zeug, Herr Kollege.
Familie hat auch Tradition in Mecklenburg-Vorpommern. Über 70 Prozent der 10- bis 14-jährigen Kinder in Mecklenburg leben mit beiden leiblichen Eltern und einem weiteren Geschwisterkind zusammen.
Das macht Mut und das gibt mir ein gutes Gefühl. Das sind feste soziale Strukturen. Die Familienform ist in ländlichen Regionen wesentlich stärker ausgeprägt als in den Städten. Und erfreulich ist – die Ministerin sagte es bereits –, die Eltern der Kinder sind zum überwiegenden Teil erwerbstätig, von den Müttern sind lediglich 16 Prozent und von den Vätern 9 Prozent arbeitslos.
Dass die Arbeit haben, ist erfreulich, ja.
Das Aufwachsen in einer Familie und das Hineinwachsen in die Erfahrung von Freiheit und selbstbestimmter Verantwortung einerseits und Solidarität des Helfens und Teilens andererseits ist die feste Basis für die Herausbildung starker Persönlichkeiten und damit starker Bürger. Und deswegen dürfen wir diejenigen, die die Bildungsanstrengungen unternehmen, auch nicht diskreditieren, sondern wir müssen sie unterstützen.
Ich möchte den letzten Satz noch formulieren dürfen.
Meine Damen und Herren, dieses Gutachten ist ein Plädoyer für Familie. Ohne eine junge, seelisch gesunde, arbeitsfähige Generation haben wir keine Zukunft. Familie ist unersetzlich, Familie ist kein fossiles Sozialmodell. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gäste, die gegangen sind, werden einen tollen Eindruck bekommen haben, wie ernst es der Politik um das Thema Abwanderung ist.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass gerade viele junge Leute hier heute im Saal sind
und sehen, wie Politik sich mit diesem Thema auseinander setzt.
Ich gestehe, das Thema Abwanderung könnte zumindest bei einigen im Publikum den Eindruck gewinnen,
dass es auch schon mittlerweile in den Reihen der Politiker nachhaltig wirkt, angesichts der vielen leeren Stühle.
Aber kaum eine andere Debatte, meine Damen und Herren, ist in den vergangenen Monaten so leidenschaftlich – und das wurde mehrfach betont –, so kontrovers diskutiert worden, …
Da wäre ich vorsichtig, Herr Schlotmann!
… so kontrovers diskutiert worden wie die Frage nach den Zukunftsperspektiven in diesem Land vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung. Diese engagierte Debatte hat trotz mancher unterschiedlicher Auffassung eines deutlich gemacht: Ob Wissenschaftler oder Arbeiter, ob Erzieherin oder Mutter, ob Lehrer oder Schüler – alle sind tief betroffen davon, dass immer mehr Menschen unser Land verlassen und sich damit die Frage nach der grundsätzlichen Zukunftsfähigkeit von Mecklenburg-Vorpommern stellt. Wie soll sich Mecklenburg-Vorpommern von seinem Image „Land am Rand“ lösen, wenn die Abwanderungswelle anhält
und damit eine Verschärfung der sozialen und wirtschaftlichen Konflikte vorprogrammiert ist?
Unter welchen Voraussetzungen verlassen die Menschen unser Land,
und wie können diese Voraussetzungen so verändert werden,
dass künftig nur wenige Menschen den Wunsch verspüren, das Land zu verlassen,
und stattdessen möglichst viele Menschen aus anderen Ländern den Wunsch haben
und sich begeistern könnten, hierher zu kommen,
hier den Lebensabend zu verbringen und hier zu arbeiten und das Leben zu genießen? Reicht es, frage ich da, vor dem Hintergrund der erlebten Rede des Ministerpräsidenten, die Dinge aufzuzählen,
die wir aus den Zeitungen schon längst kennen? Reicht es, nur die Halbwahrheiten hier zu benennen?
Der Hinweis auf die A 14 ist ein Eigentor, Herr Ministerpräsident. Denn wo war denn die Chefsache Ost, wo hat sie denn gegriffen, als es um den Airbus ging?
Wo war sie denn, als Herr Schröder hätte eingreifen können, hier etwas zu tun?
Der Airbus ist in Hamburg gelandet und nicht im Osten.
Meine Damen und Herren, da sollten wir dann auch bei der ganzen Wahrheit bleiben, wenn es um die Chefsachen geht.
BioCon Valley ist angesprochen worden in diesem ganzen Reigen der Selbstbeweihräucherung.
BioCon Valley mag ein wichtiges Instrument sein, wenn man es denn richtig machen würde,
wenn man es denn richtig machen würde.
Und angesichts der Zahlen, die für BioCon Valley zur Verfügung gestellt werden, treibt es einem die Tränen in die Augen, Herr Ministerpräsident. Das ist übrigens auch Auffassung eines Wissenschaftlers, den Sie meiner Kenntnis nach sehr schätzen, Professor Klinkmann.
Kindergartenplätze. Zum wiederholten Mal schreiben Sie und reden davon, dass wir ein Land sind, das flächenmäßig eine hervorragende Infrastruktur an Kindergärten bietet. Da kann man von der Quantität überhaupt nichts dagegen sagen. Aber die entscheidende Frage ist, auch gerade vor dem Hintergrund der Investoren, die zu uns kommen sollen, und dieses Thema haben Sie auch angesprochen: Welche Qualität können wir hier noch den Kindern zukommen lassen? Und die Debatte, die wir geführt haben an dieser Stelle und in der Öffentlichkeit über die Finanzierung der Kindergartenplätze, zeigt Ihnen, dass es da erhebliche Defizite gibt und, wenn wir da nicht aufpassen, die Frage leider unbeantwortet bleiben wird, ob wir dann den Wettbewerb zukünftig mit Bayern gewinnen. Den werden wir nicht gewinnen, wenn es nicht auch Qualitätsfragen zu klären gilt.
Welche Rahmenbedingungen hat die Politik zu setzen oder umgehend zu korrigieren? Auch diese Frage muss erlaubt sein, damit sich die gesellschaftlichen Kräfte, und zwar alle gesellschaftlichen Kräfte, die dem Wohl der Menschen im Lande dienen, besser entwickeln und wirken können. Reicht hierfür eine intensive Analyse der Daten aus, der Zahlen und Fakten, um hieraus Schlüsse für die politischen Rahmenbedingungen ableiten zu können? Oder ist es nicht so, wie ich es zumindest verspürt habe in den vielen Gesprächen mit den Menschen beim Thema Abwanderung, dass die Enttäuschung der Menschen vor allem dann bleibt oder sogar größer werden wird, wenn es nur bei der Datenanalyse bleibt?
Ihr Antrag der SPD und PDS weist in fast 100 Prozent der Zahlen nur das aus, was Daten und Fakten betrifft.
Kein Wort dessen …
Lesen Sie Ihren eigenen Antrag! Das, was hier der Kollege Rehberg vorgetragen hat, ist genau das, was die Menschen auch erwarten – eine nüchterne Analyse der Defizite. Kein einziges Wort ist davon zu lesen!
Die Menschen wollen erkennen, deutliche Zeichen erkennen, dass die Politik einen ernsthaften Willen zeigt,
einen ernsthaften Willen hat, einen neuen Willen hat, um Herausforderungen dieser Art mit Mut und Visionen anzugehen. Und dann lohnt es sich nicht und reicht es nicht, einfach aufzulisten, was angeblich an Errungenschaften in der rot-roten Regierungszeit geschaffen worden ist.
Meine Damen und Herren, der Hinweis beispielsweise auf die Betonung dessen, dass Mecklenburg-Vorpommern auch künftig mittelfristig abhängig sein wird von den finanziell starken Ländern, hat der nicht auch eine Botschaft der Resignation in sich
und verstärkt er nicht gerade auch – und das sage ich ganz bewusst –
die ungerechtfertigte Auffassung, dass es in unserem Land sich nicht lohnt zu leben
im Vergleich zu anderen?
Darüber nachzudenken wäre lohnenswert,
wenn man immer wieder in den Vordergrund stellt die Abhängigkeit unseres Landes von anderen.
Ich bin sehr dafür, dass wir deutlich machen mit Signalen nach draußen, dass wir stark genug sind, uns auf eigene Füße zu stellen und uns auf eigenen Füßen zu bewegen.
Und das ist ein entscheidendes Signal, was fehlt in Ihrem Antrag.
Die Frage nach Konzepten und Abwanderung vor allem junger Menschen lässt sich sicher nicht einfach beantworten.
Da sind wir uns alle einig. Aber ein Grund ist das noch lange nicht, den Deckmantel der Verschwiegenheit über dieses Thema zu legen. Und deshalb darf ich nicht ohne Stolz sagen und feststellen, dass die CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern das lange Schweigen der Politik gebrochen hat
und dieses Thema in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte durch einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Das zeugt von Mut und von einem neuen Willen, Politik ganz bewusst zu gestalten
und selbst solche komplexen Herausforderungen anzugehen und nicht totzuschweigen.
Obwohl jeder hier im Hause weiß, wie ernst dieses Thema ist für die Menschen im Lande, wie ernst es für uns alle sein sollte, beschloss der Landtag mit den Stimmen von SPD und PDS, dieses lediglich Thema in der mehr oder weniger regelmäßigen Reihenfolge der tagenden Ausschüsse zu behandeln.
Kollege Rehberg ist darauf schon eingegangen. Das hat …
Also wissen Sie, so ein Vorwurf, nicht teilgenommen zu haben an allen Expertengesprächen,
also da hätten Sie sich auch vierteilen müssen, liebe Kollegin, weil die haben nämlich parallel stattgefunden.