Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich begrüße Sie zur 82. Sitzung des Landtages. Ich bitte darum, die Plätze einzunehmen. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Die Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, CDU und PDS „Länderübergreifende Zusammenarbeit – Bahnpolitik“ auf Drucksache 3/2946 werden wir heute als Zusatztagesordnungspunkt nach dem Tagesordnungspunkt 21 aufrufen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Immunitätsangelegenheiten, a) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Immunitätsangelegenheit von 16 Mitgliedern des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, hier: Genehmigung v o n Strafverfahren gegen 16 Mitglieder des Landtages gemäß Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwaltes der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 10. April 2002, Drucksache 3/2931, und b) die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Immunitätsangelegenheit von zwei Mitgliedern des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, hier: Genehmigung zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen die Mitglieder des Landtages Reinhard Dankert und Volker Schlotmann gemäß Schreiben der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 15. März 2002, Drucksache 3/2932.

Immunitätsangelegenheiten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten: Immunitätsangelegenheit von 16 Mitgliedern des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hier: Genehmigung von Strafverfahren gegen 16 Mitglieder des Landtages gemäß Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwaltes der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 10. April 2002 – Az.: 111 AR 242/02 – – Drucksache 3/2931 –

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten: Immunitätsangelegenheit von zwei Mitgliedern des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hier: Genehmigung zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen die Mitglieder des Landtages Reinhard Dankert und Volker Schlotmann gemäß Schreiben der Staatsanwaltschaft Schwerin vom 15. März 2002 – Az.: 111 JS 21319/01 – – Drucksache 3/2932 –

Nach Paragraph 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung erfolgt die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten im Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/2931 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. –

Stimmenthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/2931 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, PDS und CDU bei zwei Stimmenthaltungen angenommen.

Wer der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/2932 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/2932 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, PDS und CDU bei einer Gegenstimme und zwei Stimmenthaltungen der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, CDU und PDS – Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, Drucksache 3/2935.

Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und PDS: Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen – Drucksache 3/2935 –

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Kuessner von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie kennen alle den Grund, warum wir heute diese Debatte zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen führen. Im Mai 2001 haben die Fraktionen der SPD und der CDU Anzeigen in einer Zeitung aufgegeben. Diese Anzeigen waren Anlass für die Staatsanwaltschaft, Ermittlungsverfahren durchzuführen oder anzukündigen gegen insgesamt 18 Abgeordnete der SPD-Fraktion.

In der öffentlich-rechtlichen Diskussion und in der Rechtsprechung wird seit Jahrzehnten erörtert, in welchem Umfang Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen aus Fraktionsgeldern finanziert werden darf. In diese Kontroverse um zulässige Öffentlichkeitsarbeit hat sich die Schweriner Staatsanwaltschaft eingeschaltet mit der Begründung, solche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit – wie die besagten Anzeigen – seien unzulässig und deshalb als Zweckentfremdung öffentlicher Mittel Untreuehandlungen. Dabei wurde die Behauptung aufgestellt, dass Fraktionsgelder nur für Fraktionsarbeit innerhalb des Parlaments eingesetzt werden dürfen. Die Staatsanwaltschaft wollte deshalb gegen Abgeordnete wegen des Verdachts der gemeinschaftlich begangenen Untreue ermitteln.

Die entscheidende Frage ist: Welche Öffentlichkeitsarbeit dürfen die Fraktionen unseres Landtages machen und welche nicht, weil sie Parteiarbeit ist?

Ich erwähnte bereits, dass die Auffassung vertreten worden ist, Finanzmittel der Fraktionen dürften nur für parlamentsinterne Abläufe und Koordinierungsaufgaben eingesetzt werden und folglich habe sich auch die Öffentlichkeitsarbeit darauf zu beschränken. Was würde das denn bedeuten? Eine solche Forderung steht im Gegensatz zu unserer Landesverfassung und verkennt die politische Realität der parlamentarischen Demokratie.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich überflüssig, mit einem Beschluss des Landta

ges auf die geltenden Verfassungsbestimmungen hinzuweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Da es aber offensichtlich in den verschiedenen staatlichen Gewalten unseres Landes unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt und deshalb Rechtsunsicherheit besteht, scheint es notwendig zu sein, darauf hinzuweisen.

Ziffer 1 des Antrags zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen spiegelt die verfassungsrechtliche Lage im Land Mecklenburg-Vorpommern wider. In der Landesverfassung ist in Artikel 20 festgehalten, dass der Landtag die Stätte der politischen Willensbildung ist, und nach Artik e l 25 der Landesverfassung sind die Fraktionen selbständige Gliederungen des Landtages, die mit eigenen Rechten und Pflichten bei dieser Willensbildung mitwirken. Die Aufgaben, insbesondere die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Fraktionen des Landtages, sind somit mit Verfassungsrang ausgestattet worden.

Ich betone das deshalb, weil die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern eindeutiger ist als auf Bundesebene und in vielen anderen Ländern. Selbstverständlich können Wissenschaftler über verfassungspolitische Forderungen und Wünsche diskutieren. Das ist unbenommen. Für die juristische Wertung ist aber einzig und allein die Rechtslage in unserem Land von Bedeutung.

Unsere Verfassung legt auch fest, dass die Oppositionsfraktion die Aufgabe hat, eigene Programme zu entwickeln und Initiativen für die Kontrolle von Landesregierung und Landesverwaltung zu ergreifen sowie Regierungsprogramm und Regierungsentscheidungen kritisch zu bewerten. Im Umkehrschluss gilt das auch für die anderen Fraktionen, deren Rechte nicht geringer sein können. Daraus folgt die politische Selbstverständlichkeit, dass Fraktionen zwangsläufig ein landespolitisch umfassendes Mandat haben müssen. Und über die Wahrnehmung ihrer Aufgaben können die Fraktionen selbstverständlich auch Öffentlichkeitsarbeit machen. Das heißt, die Zuständigkeit des Landtages und seiner Fraktionen ist umfassend der Bereich der Landespolitik. Das Parlament ist keine Behörde, deren Zuständigkeit klar vorgegeben und deren Öffentlichkeitsarbeit folglich auch klar eingegrenzt ist. Aufgabe der Fraktionen ist die Landespolitik und das bestimmt auch den Gegenstand der Öffentlichkeitsarbeit.

Zum Selbstverständnis der parlamentarischen Demokratie gehört, dass diese politische Willensbildung den Bürgerinnen und Bürgern, die auch die Wählerinnen und Wähler sind, öffentlich dargestellt wird. Und das muss ohne jede Einschränkung gelten. Das andere Extrem wäre, wir halten alles geheim bis zu dem Zeitpunkt, an dem es öffentlich im Plenum zur Sprache kommt.

Unsere parlamentarische Demokratie braucht einen intensiven Dialog mit den Bürgern, den Vertretern von Kommunen und den verschiedenen Verbands- und Interessenvertretern. Dieser Dialog darf nicht erst beginnen, wenn wir am Ende eines parlamentarischen Verfahrens stehen, wenn zum Beispiel eine Novellierung des Schulgesetzes angedacht ist. Der Dialog ist gerade auch wichtig, wenn wir am Beginn von Überlegungen stehen. Es kann sein, dass diese Überlegungen wieder fallen gelassen werden, also nie in ein parlamentarisches Verfahren eingespeist werden.

Die Grenze der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit ist gesetzlich festgelegt. Im Abgeordnetengesetz heißt es in Paragraph 54 Absatz 2, dass Fraktionsmittel nicht für Parteiarbeit verwendet werden dürfen. Das heißt aber nicht, dass Parteien nicht von der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen profitieren dürfen. Das fordert das Gesetz aus gutem Grund nicht, eine solche Vorgabe wäre nämlich wirklichkeitsfremd und in einer parlamentarischen Demokratie gar nicht zu realisieren.

Es ist selbstverständlich so, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen auch den mit ihnen verbundenen Parteien zugerechnet wird. Das ist zwangsläufig so und wird auch vom Abgeordnetengesetz toleriert. Die Parteien stellen Kandidaten auf, die im Erfolgsfall ins Parlament einziehen. Es wäre weltfremd, ginge man davon aus, dass die Mitglieder des Parlaments, die dann eine Fraktion bilden und politisch agieren, nicht mehr mit der dahinter stehenden Partei verbunden würden.

Unser politisches System in der parlamentarischen Demokratie ist so angelegt und geprägt, dass außerhalb von Wahlkampfzeiten der politische Wettstreit zumeist nicht zwischen den Parteien sondern zwischen den Fraktionen stattfindet. Nach dem Wettstreit der Parteien im Wahlkampf ziehen die Kandidaten in die Parlamente ein und für vier Jahre ist nun hier der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung. Das sagt auch unsere Verfassung, denn in Artikel 20 heißt es ausdrücklich: „Der Landtag ist die … Stätte der politischen Willensbild u n g. “

Niemand kann doch ernsthaft bezweifeln, dass eine Oppositionsfraktion das Recht hat, öffentlich darauf aufmerksam zu machen, dass eine Regierung und die sie tragende Fraktion Versprechen der Partei aus dem Wahlkampf nicht umgesetzt hat. Und niemand kann ernsthaft bezweifeln, dass eine Regierungsfraktion Öffentlichkeitsarbeit dazu machen kann, dass das, was die Partei vor der Wahl verkündet hat, doch umgesetzt worden ist.

Die Aussagen und auch die Werbung für oder gegen bestimmte politische Richtungen oder Entscheidungen findet durch die von den Wählern bestimmten Parteikandidaten im Parlament, also durch die Fraktionen statt. Nach vier Jahren endet dieses Mandat und die Initiative geht wieder in stärkerem Maße auf die Parteien über. Dies ist die Realität unseres politischen Systems.

Die Bundestagswahl wird sich im Wesentlichen danach entscheiden, wie der Bundeskanzler, das Bundeskabinett und die SPD-Fraktion im Bundestag sich in den letzten vier Jahren und bis zum 22. September bei den Wählern präsentiert und wie sich der bayerische Ministerpräsident und die Fraktion der CDU/CSU im Bundestag öffentlich darstellen. Aber deshalb ist die Arbeit und öffentliche Darstellung von Bundesregierung und Fraktionen noch nicht als Parteiarbeit einzustufen. Die regierenden Parteien setzen, wenn sie gut sind, so viel wie möglich aus ihren Parteiprogrammen um.

Ziel aller Fraktionen ist es, ihre Programmatik in praktische Politik umzusetzen. Und das stellen sie auch öffentlich dar, denn sie wollen zeigen, was sie können und was sie machen. Alle Fraktionen wollen, dass über ihre Themen öffentlich geredet und diskutiert wird. Hier kann keine inhaltlich scharfe Grenze zwischen Fraktions- und Parteiarbeit gezogen werden. Wir wollen das auch nicht, denn unsere Demokratie lebt vom lebendigen Austausch zwischen einer Fraktion und ihrer Partei.

Meine Damen und Herren! Auch personell lässt sich Parteiarbeit von Fraktions- oder Regierungsarbeit nicht immer sinnvoll trennen. In den Partei- und Fraktionsämtern haben wir häufig Personalunionen. Wenn Herr Rehberg im Anschluss an diese Debatte ein Fernsehinterview gibt, steht es überhaupt nicht in seiner Macht festzulegen, ob als Bildunterschrift Vorsitzender der CDU-Fraktion oder Landesvorsitzender der CDU steht. Wenn der Ministerpräsident auf dem Landesparteitag der SPD ein Interview gibt, dann tut er das als Landesvorsitzender der SPD. Sollte in der Bildunterschrift „Ministerpräsident“ stehen, handelt es sich deswegen noch lange nicht um unzulässige Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Keiner bezweifelt, dass eine Fraktion eine Veranstaltung zum Thema Hochschulgesetz durchführen kann. Es können Experten eingeladen werden, das ist zulässige Fraktionsarbeit. Am folgenden Tag kann die gleiche Veranstaltung auch von der Partei durchgeführt werden und das wäre zulässige Parteiarbeit. Bei den inhaltlichen Aussagen während der Veranstaltung können Sie nicht unbedingt erkennen, ob es sich um zulässige Parteiarbeit oder um zulässige Fraktionsarbeit handelt. Nach den Vorgaben der Rechnungshöfe wäre es sogar zulässig, eine solche Veranstaltung gemeinsam von Fraktion und Partei durchführen zu lassen, wenn nur die Kosten sauber getrennt werden können.

Ich kann das auch an der Tagesordnung der gestrigen Sitzung verdeutlichen. Wir haben über die demographische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern beraten. Jede Fraktion kann dazu Öffentlichkeitsarbeit machen, sie kann Presseerklärungen herausgeben, Pressekonferenzen durchführen oder auch Anzeigen schalten. Das alles ist zulässige Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen. Selbstverständlich kann auch eine Partei die identische Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema machen. Das würde aber nichts daran ändern, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion zulässig wäre.

Auch wenn Fraktionen Öffentlichkeitsarbeit machen, ist dies inhaltlich natürlich ebenfalls Werbung. Das ist das Ziel von Öffentlichkeitsarbeit. Jede Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen wirkt auch für oder gegen die politischen Parteien. Wenn die Fraktionen die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit unterrichten, informieren sie zwangsläufig auch über Ziele der Parteien, soweit diese deckungsgleich sind. Die Fraktionen kommen damit ihrem gesetzlichen Auftrag nach. Trotzdem ist nicht jede Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen gleichzeitig die Wahrnehmung von Parteiaufgaben.

Unzulässig ist allein die Verwendung für unmittelbare Parteiaufgaben. Das heißt, es ist unzulässig, wenn Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird, die formal der Partei zugerechnet werden muss, wenn also als Autor der Öffentlichkeitsarbeit nicht die Fraktion erscheint, sondern die Partei. Dies, das kann man einfach feststellen, war hier bei unseren Anzeigen aber nicht der Fall. Auf allen Anzeigen sind die Fraktionen als Herausgeber klar zu erkennen.

Unzulässig ist auch, wenn inhaltlich Parteiarbeit betrieben wird, wenn also bei der Öffentlichkeitsarbeit kein Bezug zu den Aufgaben des Parlaments und der Fraktionen besteht und sich der Inhalt allein nur auf eine Sympathiewerbung für eine Partei oder Personen einer Partei beschränkt. Natürlich gilt das auch für Antipathiebekundungen gegenüber Personen.

Jetzt könnte man dem entgegenhalten, was denn mit einer Anzeige sei, in der Herr Ringstorff direkt angesprochen wird. Aber schauen Sie sich die Anzeige genau an! Wird da der Landesvorsitzende der SPD angesprochen und werden ihm in dieser Funktion Vorhaltungen gemacht? Oder geht es um den Ministerpräsidenten und die Landesregierung? Es richtet sich gegen den Ministerpräsidenten in der bestimmten Anzeige, das ist ganz eindeutig. Nach unserer Landesverfassung hat die Opposition gerade die Aufgabe, Regierungsentscheidungen kritisch zu bewerten. Wenn die Opposition das tut und dazu dann Öffentlichkeitsarbeit vornimmt, kommt sie ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nach und macht nicht Parteiarbeit.

Meine Damen und Herren, das Abgeordnetengesetz verbietet die Wahrnehmung unmittelbarer Parteiaufgaben mit Fraktionsmitteln. Warum sieht das Gesetz das so vor? Es ist nicht deshalb verboten, weil Parteiarbeit etwas potentiell Unanständiges ist. Ganz im Gegenteil, Parteien sind in unserer repräsentativen Demokratie unentbehrlich. Sie werden deshalb durch das Grundgesetz geschützt und auch staatlich gefördert.

Unsere Demokratie bekennt sich zu den Parteien und sieht in der Parteiarbeit grundsätzlich etwas Positives. Natürlich gibt es schwarze Schafe in den Parteien, genau wie in allen anderen Teilen der Gesellschaft. Es gab Skandale bei der CDU und bei der SPD, Skandale, die durch das Fehlverhalten einzelner Personen verursacht wurden. Das hatte manchmal zur Folge, dass Politiker und Parteien unter den Generalverdacht gestellt waren, etwas Unanständiges zu tun. Aber politische Arbeit in den Parteien und im Parlament ist nichts Unanständiges. Es ist etwas Lauteres, das unsere Demokratie, unsere Gesellschaft braucht.

Die Wahrnehmung unmittelbarer Parteiaufgaben mit Fraktionsmitteln ist auch nicht verboten, um zu verhindern, dass Steuergelder verschwendet werden, denn beide – Fraktionen und Parteien – erhalten staatliche Mittel. Wenn der eine Aufgaben des anderen übernehmen könnte, würde also insgesamt kein finanzieller Verlust eintreten.

Der Sinn und Zweck der Vorschrift, dass Fraktionsmittel nicht für die Parteiarbeit verwendet werden dürfen, liegt vielmehr darin, eine Umwegfinanzierung der Parteien zu verhindern, um die Chancengleichheit zu bewahren, vor allem zugunsten von Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind. In der öffentlichen Wahrnehmung haben die im Parlament vertretenen Parteien sowieso schon viele Vorteile gegenüber den Parteien, die nicht im Parlament sind. Dies soll nicht auch noch durch die Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung der Partei durch die Fraktion verstärkt werden. Keineswegs liegt der Zweck aber darin, das Vermögen der Fraktionen zu schützen, was erforderlich wäre, um überhaupt ein strafrechtlich relevantes Verhalten annehmen zu können.

Dürfen Fraktionen Anzeigen mit plakativem Inhalt schalten? Es gibt kein Verbot solcher Anzeigen. Sie gehören heute mit dazu, wenn man für sich wirbt und gezielt auf bestimmte Punkte hinweisen will. Es kommt immer auf den Inhalt an. Wir können sicher darüber streiten, ob die umstrittenen Anzeigen wirkungsvoll waren. Wir können auch darüber streiten, ob sie stilvoll waren. Aber sie sind zulässige Öffentlichkeitsarbeit nach Paragraph 54 Absatz 2 Abgeordnetengesetz, weil die jeweilige Fraktion

als Autor eindeutig zu erkennen war und weil in der Anzeige Bezug auf zahlreiche politische Erörterungen im Landtag genommen wurde. Dazu wurden die Anzeigen in einer Zeitung veröffentlicht, zu deren Stil gerade eine plakative Ausdrucksweise gehört.

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wohl wahr!)