Meine Damen und Herren! Im August vergangenen Jahres haben Erwin Teufel, Edmund Stoiber und Roland Koch ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt. Sie wollen den Risikostrukturausgleich für verfassungswidrig erklären lassen. Sie behaupten, dass der finanzielle Ausgleich der Krankenkassen über Ländergrenzen hinaus gegen die Finanzautonomie der Länder verstößt. Sie wollen ein Ende des solidarischen Ausgleichs zwischen den Kassen im Westen und den Kassen im Osten herbeiführen.
Jedes Land soll für sein Gesundheitssystem alleine sorgen und schauen, wie es zurechtkommt. Und das wäre das Ende der Solidargemeinschaft.
Das würde zu massiven Verwerfungen vor allem zwischen Ost und West führen, denn auch heute haben wir keine Chancengleichheit zwischen Ost und West. Aber Chancengleichheit zu erreichen, das ist und bleibt das Wichtigste.
Meine Damen und Herren, es geht um den Erhalt des Risikostrukturausgleichs. Der Risikostrukturausgleich ist unverzichtbar. Er soll allen Versicherten – unabhängig von ihrem Alter, Einkommen, ihrem Familienstand, ihrer Lebenslage – den Zugang zu allen medizinisch notwendigen und angemessenen Leistungen sichern. Und jeder Versicherte soll, ganz gleich, ob er im Osten oder im Westen Deutschlands wohnt, denselben Zugang zu einer modernen medizinischen Versorgung haben, einer Versorgung, die dem aktuellen Stand des wissenschaftlich-technischen Fortschritts entspricht. Das ist ein Gebot des Grundgesetzes und auch ein Gebot des Einigungsvertrages. Wer den Risikostrukturausgleich aushebeln will, sägt an den Wurzeln unserer Verfassung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Lassen wir doch mal das Verfassungsgericht entscheiden! – Harry Glawe, CDU: Sind Sie Verfassungsrichter?)
Die Notwendigkeit des Risikostrukturausgleichs lässt sich aus Artikel 20, dem Sozialstaatsgebot, in Verbindung mit Artikel 3 Grundgesetz, dem Gleichheitsgebot, herleiten. Das heißt, hier greift das Solidarprinzip und das Sozi
alstaatsgebot verbietet es, dass Bürger ohne eigenes Verschulden – das heißt zum Beispiel, nur weil sie in den neuen Bundesländern wohnen – zusätzlich belastet werden. Die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West muss das Ziel bleiben.
Es ist aber so, dass durchweg die ostdeutschen Kassen ungünstigere Risiken zu verkraften haben als die westdeutschen Kassen.
(Harry Glawe, CDU: Einheitskasse, ja, haben wir gehört. – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Harry, überleg doch mal!)
Erstens ist die Arbeitslosigkeit im Osten höher als im Westen. Das führt zu geringeren Beitragseinnahmen.
Zweitens ist die Wirtschaftskraft im Osten geringer als im Westen. Dadurch sind die Löhne und Gehälter im Osten noch geringer als in den alten Bundesländern. Das führt zu geringeren Beitragseinnahmen. Die Grundlohnsumme, auf der die Beitragszahlungen berechnet werden, beträgt im Osten nur 74,8 Prozent der Grundlohnsumme des Westens.
Und drittens sind eine große Anzahl von Ostdeutschen in westdeutsche Krankenkassen gewechselt, insbesondere in preiswertere Betriebskrankenkassen, obwohl sie ihren Wohnort im Osten haben. In der Regel sind das Versicherte, die jung und damit weniger krank sind. Wer krank ist oder im vorgerückten Lebensalter, der wechselt dagegen die Kasse nicht. Das hat die Lage vieler ostdeutscher Krankenkassen noch zusätzlich erschwert. Auf der anderen Seite liegen die Ausgaben der ostdeutschen Krankenkassen in vielen Bereichen schon auf dem Westniveau, zum Beispiel bei den Medikamenten.
Angesichts dieser Lage hat der Gesetzgeber den Risikostrukturausgleich um einen Finanzkraftausgleich West/ Ost erweitert. Er soll verhindern, dass der Beitragssatz im Osten zu weit über das Westniveau hinauswächst. Und wie notwendig das ist, zeigt das Ost-West-Ausgleichsvolumen. Es belief sich im Jahr 2000 auf die Summe von 2,8 Milliarden DM und für das Jahr 2002 – ich sage die Summe noch mal in Mark – belaufen sich die Schätzungen auf 5,9 Milliarden. Und diesen Risikostrukturausgleich wollen Stoiber und die beiden anderen Unionsministerpräsidenten kippen, meine Damen und Herren!
Stoiber möchte, dass ein solidarischer Ausgleich prinzipiell nicht mehr zwischen den starken Kassen überwiegend im Westen und den schwachen Kassen im Osten stattfindet, sondern zwischen den starken und ganz starken Kassen in den jeweiligen Westländern und den schwachen und ganz schwachen Kassen in den ostdeutschen Bundesländern. Wenn sich Stoiber durchsetzt, meine Damen und Herren,
Zweitens könnten die Ärzte und ihre Beschäftigten im Gesundheitswesen jede Hoffnung auf eine weitere schrittweise Anpassung der Löhne, Gehälter und Honorare an das Westniveau begraben.
Drittens würde die Belastung der Wirtschaft weiter steigen, denn der Arbeitgeber zahlt ja die Hälfte der Beiträge
(Harry Glawe, CDU: Abwanderungsprämie vom Arbeitsamt kriegen die da. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
und bei so hohen Lohnnebenkosten würde Ostdeutschland, würde Mecklenburg-Vorpommern als Wirtschaftsstandort entscheidend geschwächt.
Ich glaube, kaum ein Investor hätte dann noch Interesse daran, hier in Mecklenburg-Vorpommern und in Ostdeutschland zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit würde steigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU, und Harry Glawe, CDU)
Da kann der Kanzlerkandidat hundertmal eine so genannte Zukunftsoffensive Ost ankündigen, die Klage gegen den Risikostrukturausgleich zeigt, wofür er wirklich steht, auf alle Fälle nicht für Ostdeutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Na ja. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)
Und Sie, Herr Oppositionsführer, schinden bei uns Mitleid für die armen Bayern und sagen, Sie könnten sie verstehen.