Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Und, Herr Ministerpräsident, …

(Heinz Müller, SPD: Na, dann sagen Sie es doch mal ganz!)

Ich bringe Ihnen das Zitat, ich habe nämlich den Artikel auch ganz gelesen.

Und, Herr Ministerpräsident, warum sagen Sie in Ihrer Rede nichts zur Zukunft des Aufbau Ost und seiner künftigen Finanzierung? Warum sagen Sie dort nicht, dass Eichel mit einem Sparpaket massive Kürzungen plant? Und warum sagen Sie nicht, Herr Ministerpräsident, dass mit der Wiedervereinigung enorme gesamtstaatliche Lasten zu schultern waren, für die führend Ihr Koalitionspartner Verantwortung trägt

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das habe ich schon so lange vermisst, Herr Riemann.)

und die auch zu einem Schuldenaufbau nach der Wende geführt haben? Warum sagen Sie das dann auch nicht?

(Angelika Gramkow, PDS: Haben Sie mir nicht zugehört?)

Andere Ministerpräsidenten auch Ihrer Partei sind da schon weiter.

(Angelika Gramkow, PDS: Das kann ich noch alleine sagen. Dazu brauche ich keinen. – Reinhard Dankert, SPD: Es gab doch mal so Blockflöten hier.)

Und warum, Herr Ministerpräsident, sagen Sie den Menschen nicht, dass über Steuererhöhungen ein Sparpaket geplant ist und dass hier wiederum die Kleinen

getroffen werden? Und warum sagen Sie hier vor dem Plenum nicht, dass das gesamtstaatliche Defizit eben von 2,2 auf 2,7 von 1998 bis 2001 gestiegen ist, trotz eines Sparkommissars? Und, Herr Ministerpräsident, letztendlich, warum sagen Sie hier nichts zu den Steuerausfällen der Gemeinden, warum beschimpfen Sie die Gemeinden in den Medien

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Ute Schildt, SPD: Das hat er gar nicht ge- macht. – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

dieses Landes und außerhalb dieses Landes? – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heinz Müller, SPD: Das war nicht doll.)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, über die einzelnen Ziffern des Antrages gesondert abstimmen zu lassen.

Ich rufe damit auf die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2732. Wer der Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei einer Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe auf die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2732. Wer der Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 2 mit demselben Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe jetzt auf die Ziffer 3 des Antrages der Fraktion der CDU auf der Drucksache 3/2732. Wer der Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist bei Jastimmen der CDUFraktion und eines Abgeordneten der SPD-Fraktion sowie bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und PDS die Ziffer 3 abgelehnt.

Ich rufe auf die Ziffer 4 des Antrages der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2732. Wer der Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 4 mit dem gleichen Abstimmungsergebnis wie bei Ziffer 3 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Neufassung Seeunfall-Untersuchungsgesetz – Erhalt der Seeämter, auf Drucksache 3/2729(neu). Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/2777 vor.

Antrag der Fraktion der CDU: Neufassung Seeunfall-Untersuchungsgesetz – Erhalt der Seeämter – Drucksache 3/2729(neu) –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und PDS – Drucksache 3/2777 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Thomas von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Bundestag hat am 21. Februar in Zweiter und Dritter Lesung über das Zweite Seeschifffahrtsanpassungsgesetz beraten. Kernbereich des Gesetzes ist die Seeunfalluntersuchung. Das Gesetz wurde von Rot-Grün gegen den Willen der Küstenländer, der gesamten Opposition einschließlich der PDS und gegen den Willen aller maritim orientierten Fachverbände im Bundestag beschlossen.

Bezeichnend für Rot-Grün waren die Ausführungen der Parlamentarischen Staatssekretärin Angelika Mertens. Die Sachargumentation der Staatssekretärin zum Seeunfalluntersuchungsgesetz beschränkte sich am 21. Februar im Kern auf folgende Schwerpunkte:

Erstens. Dem, was an der Küste so verbreitet wird, solle man keinen Glauben schenken.

Zweitens, Zitat: „Wir haben mit dem SeeUG wieder den Standard erreicht, den uns andere vorgegeben haben. Mit AIS und mit Notschleppkapazitäten setzen wir Standards. Ich denke, das, was wir gemacht haben, kann sich mehr als sehen lassen.“

Noch nie, sehr geehrte Damen und Herren, klafften die Träume rot-grüner Landeier und die Realitäten an der Küste so weit auseinander wie bei dieser Regierungsvertreterin.

Drittens, Zitat der Frau Mertens: „Journalisten sind sicherlich manchmal kluge Leute, aber in diesem Falle sind Sie auf dem Holzweg. Ich sage noch einmal: Die Seeamtsverhandlungen werden weiterhin stattfinden.“

Viertens, Zitat: „Ich sage noch einmal: Ein Seeamt ist eine Behörde und darf nach dem Grundgesetz sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unabhängig agieren.“

Und dazu ist zu sagen, die Behördenebene ist hier nicht entscheidend. Das bisherige Verfahren orientierte sich am Gerichtsverfassungsgesetz.

Nach dem schon geltenden Gesetz wurden die Ursachen und Umstände der Seeunfälle durch die Seeämter objektiv ermittelt, sachgerechte Empfehlungen zur Verbesserung der Schiffssicherheit gegeben und, wenn nötig, der Entzug von Berechtigungen, sprich Patenten, ausgesprochen. Diese Zweistufigkeit wird mit dem Gesetz abgeschafft. Die objektive Feststellung der Ursachen eines Seeunfalls durch das Seeamt soll mit diesem Gesetz in Anlehnung an die Flugunfalluntersuchung in ein verwaltungsinternes Verfahren umgewandelt werden.

Das Bundesoberseeamt Hamburg wird per Gesetz zur Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung. Der Untersuchungsführer soll nicht wie beim Seeamt Jurist, sondern nur noch Mitarbeiter mit nautisch-technischer Qualifikation sein. Die bisherigen Seeämter behalten nur noch die Zuständigkeit zum Entzug von Patenten. Gutachterliche Untersuchungen fallen weg. Das Vorprüfverfahren soll durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion erfolgen.

Damit wird die bisherige Tätigkeit der Seeämter auf circa zehn Prozent reduziert, das heißt doch letztlich Abschaffung der Seeämter. Und wir müssen uns wirklich fragen: Für wie naiv hält uns eigentlich die Bundesregierung?

Beim verwaltungsinternen Verfahren wird im Gegensatz zu den Seeamtsverfahren die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Damit entfällt der bisherige Grundsatz der Seeunfalluntersuchung, die immer dann stattfinden musste, wenn ein öffentliches Interesse vorlag. Diese Grundzüge der so genannten Neuregelung offenbaren ein Demokratieverständnis, das nicht das unsere ist, und den fehlenden Sachverstand für die praktische Schiffssicherheit. Die Verwaltung bestimmt im eigenen Interesse, was von öffentlichem Interesse ist, das heißt, die Behörde kontrolliert sich selbst. Das öffentliche Interesse wird damit de facto abgeschafft. Der Sachverstand aller maritimen Verbände bleibt außen vor und das bedeutet praktisch:

1. Steuerung von Informationen auch an die Medien,

2. Vertuschung von eigenem Fehlverhalten,

3. Empfehlungen zur Verhinderung von Unfällen werden der Interessenlage der jeweiligen Behörde geopfert und

4. die Bundesregierung pfeift damit letztlich auf die Sicherheitsinteressen der fünf norddeutschen Küstenländer.

Und gerade das haben wir leider seit der „Pallas“-Katastrophe an der Küste mittlerweile hautnah erleben müssen – Ignoranz bis zur nächsten Katastrophe.

Rot-Grün behauptet, dass das derzeitige Seeunfalluntersuchungsgesetz nicht dem internationalen Standard entspricht und deswegen zwingend geändert werden müsste. Dazu ist festzustellen:

1. IMO-Code A.849(20)

Dieser Code beruht auf der Verpflichtung jedes Flaggenstaates, die Untersuchung jedes Unfalls durchzuführen, der einem seiner Schiffe zugestoßen ist. Entscheidend für den Staat ist, dass der Unfall schädliche Auswirkungen auf die Umwelt gehabt hat und dass mit der Untersuchung Vorschläge zur Verbesserung bestehender Vorschriften gegeben werden können. Der Code berücksichtigt auch den Artikel 94 des UN-Seerechtsübereinkommens, nach dem jeder Flaggenstaat zu Ereignissen auf hoher See Untersuchungen durchführen muss, wenn das Ereignis im Zusammenhang mit der Führung eines Schiffes oder mit anderen befähigten Personen steht.

Das im IMO-Code festgeschriebene Ziel jeder Unfalluntersuchung ist „die Verhinderung von Unfällen dieser Art in der Zukunft. Bei der Untersuchung von Seeunfällen werden die Umstände des betreffenden Unfalls sowie seine Ursachen und die den Unfall begünstigenden Faktoren ermittelt; dies geschieht dadurch, dass Informationen gesammelt und ausgewertet und die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen werden.“ So weit das IMOZitat. Gerade das entspricht den bisherigen Grundsätzen der Untersuchungen der Seeämter. Das geltende Seeunfalluntersuchungsgesetz widerspricht also nicht den Vorgaben der IMO.

2. Verlangt das EU-Recht eine Änderung dieses Gesetzes?

Zur Zeit des Gesetzentwurfes stand eine EG-Richtlinie über europäische Schiffssicherheit im Raum, die es noch nicht gibt. Wenn also die Absicht besteht, einen europäischen Standard für Seeunfalluntersuchungen festzuschreiben, dann ist die gesetzliche Eile für diesen deutschen Sonderweg völlig unangebracht. Die Verfechter des

rot-grünen Gesetzentwurfes behaupten, dass eine EURichtlinie die Gesetzesänderung erforderlich macht. Auch das ist falsch. Diese Richtlinie betrifft nur die von den Mitgliedsstaaten zu veranlassende Umsetzung, dass alle Mitgliedsstaaten an der Untersuchung eines Seeunfalls mitwirken können. Dafür muss man kein Gesetz ändern, das ist mit der Einfügung eines knappen Satzes erledigt.

3. Muss das Seeunfalluntersuchungsgesetz dem Flugunfalluntersuchungsgesetz angepasst werden?

Schiffs- und Flugunfälle sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Nach Flugzeugunfällen wird versucht, mit Hilfe der Blackbox und der Überreste des Flugzeuges den Unfallverlauf zu rekonstruieren. Fast ausschließlich steht dabei die hochkomplizierte technische Aufklärung im Vordergrund. Im Gegensatz dazu beruhen 80 Prozent aller Seeunfälle auf menschlichem Versagen. Bei Flugzeugkatastrophen, bei denen es in der Regel leider keine Überlebenden gibt, geht es also um die technische Analyse komplex ineinandergreifender Systeme, in der Seeschifffahrt aber um die Bewertung menschlichen Verhaltens bei der Ursachenermittlung.