Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

als dass Sie sich bereits im Vorfeld für Ihr Versagen entschuldigen. Nichts anderes heißt das!

(Annegrit Koburger, PDS: Wann haben Sie sich entschuldigt für 16 Jahre vorher?)

Meine 16 Jahre, Frau Koburger,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

erkläre ich Ihnen gerne mal bei einem schönen Glas Rotwein.

Aber kommen wir zurück zu den Fragen, wie Sie die Interessen vertreten haben und wie Sie sich verbarrikadiert haben, so, wie Sie als Abgeordnete von SPD und PDS beim Kampf um Erziehungsqualität die Flinte längst ins Korn geworfen haben.

Genauso wenig Kampfgeist zeigte die zuständige Sozialministerin. Und damit bin ich bei Ihnen, Frau Ministerin Bunge. Als sich vor einigen Wochen besorgte Eltern, Kinder und Erzieher hier in Schwerin angemeldet hatten, um mit Vertretern der Landesregierung über die Qualität in Kindertagesstätten zu sprechen, wurden sie nicht etwa von der Sozialministerin empfangen, nein, um den Betroffenen gleich reinen Wein einzuschenken, wer hier das Sagen hat, wenn es um die Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen geht, hat sich Frau Ministerin Keler – Frau Finanzministerin! – die Zeit genommen, um anhand von Positionen in Haushaltstiteln zu erklären, wo bitte schön der Qualitätsanspruch des Erziehungs- und Bildungsauftrags in diesem Lande zu enden hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das hat den Betroffenen nun wahrlich nicht geholfen. Das sind die Antworten, die die Betroffenen nicht hören wollten, Frau Keler.

Und Ihnen, Frau Ministerin Bunge, muss ich sagen, Sie haben sich das Heft des Handelns schon lange wegnehmen lassen und Sie geben es auch zu. In Ihrem Brief, in dem so genannten Frauentagsgeschenk, den Sie am 8. März an die Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land geschickt haben, schreiben Sie: „Statt nur über Geld würde ich gern wieder einmal über Bildungs- und Erziehungsziele debattieren, gemeinsam überlegen, wie die Inanspruchnahme der vielfältigen Weiterbildungsangebote durch Sie, unsere gut ausgebildeten Erzieherinnen, verbessert werden kann“. Das sind die Fakten. Aber Sie haben geschrieben, ich würde es gerne tun. Sie haben nicht geschrieben, ich werde es tun und das zeigt, dass Sie längst nicht mehr das Sagen an dieser Stelle haben, und das ist ein trauriges Kapitel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Ministerin, ich habe das Gefühl, Ihnen fehlt etwas. Ihnen fehlt ein klares Bekenntnis des Landtages zu der Qualität in den Kindertagesstätten, ein klares politisches Bekenntnis, dass die Ziele und Aufgaben in den Gesetzen – un d deshalb haben wir auch viele Paragraphen hier aufgeführt in unserem Antrag – bereits festgeschrieben sind. Kindertagesförderung braucht eben eine obere Priorität und darf nicht an den Grenzen der Tür von Frau Ministerin Keler enden. Dazu gehören auch fair ermittelte und angemessene Regelkosten. Und dieses Bekenntnis fehlt Ihnen offensichtlich vom Landtag, denn sonst würden Sie solche Briefe nicht schreiben.

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Verehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren, wir haben es den Müttern und Vätern, den Trägern und Erzieherinnen versprochen: Wir, die CDU-Fraktion, werden nicht locker lassen,

(Angelika Gramkow, PDS: Toll!)

bis endlich die Mehrheit der Politiker von SPD und PDS begriffen hat, dass sie in diesem Land keine Aufbewahrungsanstalten für unsere Kinder brauchen, dass wir es nicht zulassen können, dass Einrichtungen gezwungen werden, den pädagogischen Anteil ihrer Arbeit auf null zu fahren, nur weil sie keine andere Wahl haben, um sich aus dem existenzbedrohenden Würgegriff der Finanzministerin zu befreien.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Und weil das Regierungskabinett dieser Tage auch noch beschlossen hat, diesen Würgegriff etwas fester anzupacken, indem es die Regelkosten absenkt und damit die Betreuungskosten …

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Also dann gebe ich Ihnen gerne, was durch das Kabinett gegangen ist, und da steht eindeutig drin, was die Zahlen betrifft. Da sollten Sie nachlesen, dann wissen Sie, dass hier die Regelkosten weiter gesenkt werden und die Betreuungsqualität damit noch weiter sinken wird.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Und weil die Regierung glaubt, dass sich die Kommunen im Wahljahr nicht trauen werden, sich gegen die neuen Defizite, die entstehen werden, aufzulehnen, und weil das alles Tatsachen sind, die von einer unbeschreiblichen Ignoranz der Landesregierung zeugen, haben wir

alle hier gemeinsam die Pflicht, diesen Wahnsinn zu stoppen. Wir haben die Pflicht, daran zu erinnern, was uns die Wissenschaftler dieser Tage über die Bedeutung unserer jungen Generation gesagt haben: Stoppt endlich die Abwanderung und kümmert euch endlich um eure junge Generation! Macht sie fit für die Herausforderungen einer Wissensgesellschaft und stärkt sie in den Sozialkompetenzen, denn viele Probleme werden sie nicht mehr als Einzelkämpfer lösen, sondern nur noch gemeinsam im Team!

Und Sie wissen alle, die Sie hier sitzen, diese Aufgaben können nur von den Erzieherinnen und Erziehern geleistet werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn insbesondere der Personalschlüssel sinnvoll und dem Qualitätsanspruch angemessen dargestellt wird. Sie können doch nicht zulassen, dass die engagierte Arbeit von nunmehr fast über zehn Jahren in den Einrichtungen, die mit vielen Ideen und Konzepten in all den Jahren mühsam erarbeitet und umgesetzt wurde, einfach so über Bord geworfen wird, nur weil letztendlich dafür kein Spielraum mehr bleibt und die Zwänge immer größer werden.

Meine Damen und Herren, wenn sich eine Landesregierung letztendlich die Frage, wie viel Zuneigung und Aufmerksamkeit ein Kind braucht, mit Hilfe ihres Taschenrechners beantworten lässt, dann stimmt in diesem Land etwas nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag meiner Fraktion …

(Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

Verschonen Sie mich doch mit dieser historischen Betrachtung! Ich bin seit vergangenem September Mitglied. Verschonen Sie mich damit! Was interessiert mich das denn?! Sie sind in der Regierungsverantwortung seit vier Jahren. Gehen Sie einmal in die Einrichtungen! Lassen Sie sich doch mal beklatschen!

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich kann verstehen, dass Sie das alles nicht begeistert, was im Augenblick draußen los ist, aber meine Damen und Herren, Sie werden mir nicht einreden können, dass ich dafür Verantwortung zu tragen hätte.

Der vorliegende Antrag meiner Fraktion fordert von Ihnen nichts weiter als ein klares Bekenntnis für die Qualitätssicherung unserer Kinderbetreuungseinrichtungen. Nur diejenigen von Ihnen, meine Damen und Herren, jetzt hören Sie gut zu, die in diesem Land selbst keine Zukunft für sich sehen, werden unseren Antrag ablehnen. Diejenigen aber, die sich zur Verantwortung für unser Land, unsere Kinder und ihre Kindeskinder bekennen, werden unserem Antrag folgen. Lassen Sie mich eines vor allem in Richtung der etwas älteren Herrschaften in unseren Reihen, sowohl in den Reihen der Opposition als auch auf der Regierungsseite, sagen: Denken Sie daran, dass die Kinder von heute diejenigen sein werden, die über die Qualität Ihres Altenheimplatzes entscheiden werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Wir sind ja ge- zwungen worden, warum bedankt er sich?)

Danke, Herr Albrecht.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein Privileg der Jugend, mit leuchtenden Abgeordnetenaugen uns Älteren hier etwas zu sagen.

(Heiterkeit bei den Abgeordneten)

Mecklenburg-Vorpommern stellt mit seinem flächendeckenden Angebot, das die Erfüllung des normierten Rechtsanspruchs auf Betreuung im Kindergarten sichert und die Versorgung von Kindern bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und auch für Grundschüler bedarfsgerecht vorhält, einen vorderen Platz im Vergleich der Bundesländer dar. Das Land hat seinen finanziellen Beitrag dazu in dieser Legislaturperiode um mehr als zehn Prozent gesteigert.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Aufgrund der Entscheidung des OVG Greifswald zur Ermittlung der Regelkosten 1998 und um die Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu erhöhen, wurde das bisherige Verfahren der Ermittlung der durchschnittlichen Betriebskosten (Regelkosten) überarbeitet. Im Zeitraum von November 2001 bis Ende Januar 2002 fanden aufwendige Nachfragen bei über 1.000 Kindertageseinrichtungen zu einzelnen Kostenpositionen statt. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass für den Bereich der Krippe und des Kindergartens unter Einbeziehung der Personal- und Sachkostensteigerungen geringere Kosten entstehen, als bisher angenommen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wie kann das geschehen? Ein Grund dafür ist, und als Gewerkschafter ist dies für mich besonders bedauerlich, dass zwei Drittel der Träger nicht tariflich gebunden sind.

(Zurufe von der CDU: Können sie ja nicht!)

Diese Tatsache stellt nicht nur einen Nachteil für die Beschäftigten selbst dar, sondern im Hinblick auf die Durchschnittskosten hat dies enorme Auswirkungen. Da die untertariflichen Löhne in die Kosten mit hinein berechnet werden und der Durchschnitt gebildet wird, bedeutet dies unter dem Strich für jede Neuberechnung geringere Regelkosten. Und dieser Kreislauf setzt sich mit jedem Träger fort, der unter Tarif zahlt. Für die tarifzahlenden Träger hat dies enorme Nachteile. Sie sind die Verlierer der Regelkosten, da sie ihre Regelpersonalkosten nicht mehr decken können und so entweder Personal entlassen oder auch unter Tarif zahlen müssen.

Ein weiteres Problem scheint das korrekte Ausfüllen der Kostenblätter darzustellen. Hier sind viele Leiterinnen und Leiter insbesondere zeitlich überfordert. In vielen Fällen fehlt zum Beispiel die Eintragung der Fort- und Weiterbildung sowie Vor- und Nachbereitungszeiten. Dadurch verlieren die Träger erneut Geld und da diese Kosten nicht mit berücksichtigt werden, sind sie dann auch nicht in den Durchschnittskosten vorhanden. Wiederum ein Punkt, warum die Regelkosten zu gering sind. Meines Erachtens ist jedoch dieses Problem durch Information und Fortbildung zu lösen, darauf sollte Wert gelegt werden.

Meine Damen und Herren, ein Bereich, der zu Unsicherheiten bei den Trägern führt, sind die Öffnungszeiten der Einrichtungen. Die Öffnungszeit einer Kita sollte nach dem Kita-Gesetz bei einer Ganztagsbetreuung zehn Stunden nicht unterschreiten. Dieser Standard besteht weiter, wie im Gesetz festgeschrieben. Auch an den Standards Personalausstattungen, Gruppengrößen, der ErzieherKind-Relation hat sich nichts geändert.

Meine Damen und Herren von der CDU, was nun Ihren Antrag konkret angeht, werden Sie sich denken können, dass wir ihn ablehnen. Wir lehnen ihn zum einen ab, weil die Landesregierung sich der Problematik der Regelkosten selbst bewusst ist und auch handelt. So laufen im Moment die Anhörungen zur Betriebskostenlandesverordnung und danach wird das Kabinett sich mit den Ergebnissen der Anhörung befassen. Ihren Antrag brauchen wir nicht, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag im Lande qualitativ zu sichern. Weiterhin lehnen wir ihn ab, da er inhaltlich nichts Konstruktives zum Thema beiträgt. Weder benennen Sie konkrete Maßnahmen noch geben Sie Anregungen für eine Änderung. Allein die Nennung von Paragraphen führt noch nicht zu einem qualitativen Antrag.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Herr Albrecht, wenn Sie Einbringung und Aussprache verwechseln, dann ist das auch kein Wunder, wenn Sie so einen Antrag schreiben.

Sicherlich besteht im Bereich der Regelkosten auch zukünftig Diskussionsbedarf, jedoch, meine lieben Damen und Herren von der CDU, nicht auf einer so oberflächlichen Basis. Sie können versichert sein, dass die Fraktionen von SPD und PDS gemeinsam mit der Landesregierung sich der Erfordernisse der qualitativen Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrages durchaus bewusst sind und verantwortungsbewusst mit diesem Auftrag umgehen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)