Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Danke schön, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Koburger von der Fraktion der PDS.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin!

Herr Albrecht, Sie haben hier davon gesprochen, dass Sie nicht dafür verantwortlich sind. Haben Sie für sich persönlich gesprochen oder für die CDU-Fraktion? Die CDU ist hier maßgeblich dafür verantwortlich.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU – Unruhe bei Abgeordneten der PDS)

Und zu den Aufbewahrungsanstalten sage ich nachher noch etwas.

Mit der Drucksache 3/2731 der CDU liegt uns ein Antrag vor, dessen Anliegen auf den ersten Blick durchaus zu begrüßen wäre, aber wirklich nur auf den allerersten Blick. Nun folgt das große Aber: Meine Damen und Herren der CDU, ich finde es schon unglaublich, fast eine Frechheit, dass gerade Sie eine qualitativ hochwertige Betreuung der Kinder fordern.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wer hat denn die politische Verantwortung dafür, dass das flächendeckende Betreuungsnetz an Krippen, Kindergärten und Horten so ausgedünnt wurde? Wer hat es vor allem zu verantworten, dass gut ausgebildete Erzieherinnen mit drei- und vierjährigem Fachschulabschluss, Ausbildung in Musik, Erziehung, Beherrschung eines Musikinstrumentes, spezieller Sprach- und Sprechausbildung, Ausbildung in Methodik des Kinderturnens, der Haltungsschulen sowie in darstellenden Fähigkeiten wie Malen, Formen, Basteln bis hin zur Lehrbefähigung bei den Horterzieherinnen, um nur einiges zu nennen, mit einem Durchschnittsalter von knapp 35 Jahren in den Einrichtungen zu Tausenden entlassen wurden?

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das, meine Damen und Herren der CDU, war CDU/CSU-Politik pur! Das war der erste große Schnitt im Prozess der Einheit des Zusammenwachsens von Ost und West, angefangen von der Kohl-Regierung in Bonn bis hin zur CDU/F.D.P.-Regierung im Schweriner Schloss. Ihre Anstrengungen waren darauf gerichtet und deswegen gab es damals auch massenhaft Proteste. Wir wollten keine Aufbewahrungsanstalten, die Sie uns jetzt unterstellen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die sozialen Errungenschaften der DDR radikal zu beseitigen, ohne zu hinterfragen, welche dieser Errungenschaften und Erfahrungen in den Einigungsprozess mit einbezogen werden könnten – das ist die historische Wahrheit. Ich könnte das an sehr vielen Beispielen weiter nachweisen. Bezogen auf den Bereich der Förderung der Kinder in Kindertageseinrichtungen kann ich nur sagen, es durfte im Osten nicht sein, wovon der Westen schon seit Jahrzehnten träumte.

Auch heute ist der Osten diesbezüglich dem Westen noch weit voraus. Im internationalen Vergleich konnte die BRD nur mit der Versorgungssituation in den neuen Ländern punkten.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Ich erinnere daran, vorschulische Bildung und Erziehung war keine Erfindung des Sozialismus, sondern schon in der Antike gab es solche Angebote. Man nannte sie damals Knabenschule, weil ja Mädchen von Bildung ausgeschlossen waren.

Im 15. Jahrhundert forderte Comenius, ein tschechischer Pädagoge, die so genannten Mutterschulen und ich könnte weitergehen über Fröbel, Pestalozzi, Diesterweg, die alle dafür plädierten, Einrichtungen zu schaffen, damit Kinder vom frühesten Alter an in der Gemeinschaft Gleichaltriger gebildet und erzogen werden. Wissenschaftliche Studien belegen ausreichend, die entscheidenden Grundlagen für die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen werden im Alter von zwei bis sieben Jahren angelegt. In diesem Alter werden also die Grundzüge für die geistigen Fähigkeiten und das soziale Verhalten, für Charaktereigenschaften insgesamt ausgeprägt. Was Hänschen und Lieschen nicht lernen, lernen Hans und Liese nimmermehr. Es ist nicht umsonst eine Lebens- und Volksweisheit.

Und wie gesagt, es ist keine Erfindung des Sozialismus. Das beweist uns auch ein Blick in unsere Nachbarländer. Ob in Finnland, Schweden, Frankreich, Spanien oder Italien, ganz zu schweigen von Japan, hier finden wir staatli

che oder betriebliche Förderung von vorschulischen Einrichtungen und es wird zum Teil sogar kostenlos der Besuch dieser Kindereinrichtungen ermöglicht. Wir haben im Übrigen eine solche Einrichtung gesehen, als wir in den entsprechenden Ländern waren.

Ja, meine Damen und Herren, es sind die Ursachen für die Ergebnisse der viel bemühten PISA-Studie. Aber die Ergebnisse der PISA-Studie sind ebenfalls nicht überraschend. Ähnliche Ergebnisse weist eine analoge Studie aus dem Jahre 1974 für die alte BRD aus, aber das war es dann auch schon. Konsequenzen für politisches Handeln, für Veränderungen blieben bis heute aus. So verwundert es auch nicht, dass die Reform des Jugendhilferechts in der alten BRD über 20 Jahre in Anspruch nahm und dann endlich 1990 mit dem Wirken engagierter Fachkräfte aus dem Osten mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes einen relativen Abschluss fand. In diesem Gesetz wird die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im dritten Abschnitt gesetzlich verankert, aber nur halbherzig, denn die Ausgestaltung des Gesetzes, vor allem die finanzielle, wird den Ländern und letztlich den örtlichen Trägern der Jugendhilfe überlassen.

Die länderspezifische Ausgestaltung in MecklenburgVorpommern vollzog sich, meine Damen und Herren der CDU, unter Ihrer Regentschaft. Sie hatten acht Jahre Zeit, hier nachzubessern, denn die Probleme, die wir heute mit der finanziellen Ausstattung der Kindertagesstätten haben, sind seit Anfang an vorhanden. Ich erinnere hier auch noch mal an unsere Forderung, wir wollten eine 50prozentige Beteiligung des Landes.

(Nils Albrecht, CDU: Und den Pflichtbesuch im Kindergarten.)

Nein, das wollten wir nicht. Das haben Sie nicht richtig gelesen.

Es ist deshalb für mich politisch und moralisch unerträglich, dass gerade Sie sich hier heute als so genannte Gralshüter aufspielen.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Abschließend auch noch ein Wort an unsere Koalitionspartnerinnen und -partner. Meine Damen und Herren der SPD, ich konnte und kann leider nicht umhin, auch Ihnen zu sagen, dass Sie für die derzeitigen Problemlagen mitverantwortlich sind. Natürlich muss gespart werden, das wissen wir. Selbstverständlich sind alle Ressorts zu beachten, sind Prioritäten zu setzen. Aber gerade dort den Rotstift anzusetzen, wo es um Investitionen für die Zukunft geht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Seit Jahren kennen wir die Diskussion um die Höhe der durchschnittlichen Regelkosten, auch um die miserable Struktur dieses ganzen Systems, und wissen auch, dass wir dringend Veränderungen brauchen. Wir haben sie versucht in die Koalitionsverhandlungen mit einzubringen, es ist damals nicht gelungen. Wir haben es auch während der Legislaturperiode versucht und es ist bisher nicht gelungen.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Aber, es steht aus, diese Veränderungen brauchen wir. Dies lässt sich allerdings nicht mit der Regelkostenverordnung bewältigen, sondern nur mit einer Gesetzesnovelle. Und auch Ihr Antrag lässt sich nur lösen, indem das Kita-Gesetz sowie das Haushaltsgesetz gelten, denn es

geht hier um Knete und nicht um wenig Knete, das sage ich auch ganz bewusst. Bisher haben sich leider eine ganze Reihe diesen Regelungen verschlossen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Koburger.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin Frau Dr. Bunge.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Albrecht, Frau Koburger muss nicht für mich sprechen. Ich kann selber sprechen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Landesregierung auf, die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen gemäß Vorschriften des SGB VIII sicherzustellen. Sie, die meisten hier und auch Abgeordnete der CDU, haben dafür ein Landesgesetz geschaffen. Das Landesgesetz von 1995 hat viele gute Regelungen, aber die zur Finanzierung sind meines Erachtens schlecht.

Nun können Sie sagen, sie hätten das doch verändern können. Das sagen Sie ja auch. Das ist versucht worden und nicht gelungen. Das können Sie bewerten, wie Sie wollen, das tun Sie ja auch, aber eines steht fest: Als Ministerin muss ich nach geltendem Recht handeln.

Die Finanzierungsregelungen des Kita-Gesetzes Mecklenburg-Vorpommern besagen, dass jährlich die durchschnittlichen Betriebskosten (Regelkosten) zu bestimmen sind. Wie bekannt ist, wurde die bisherige Berechnungsweise vor dem Verwaltungsgericht des Landes beklagt und das Gericht hat geurteilt, dass die angewendete pauschale statistische Methode den Gesetzeswillen nicht erfüllt. Das Gericht gibt zugleich vor, das Land habe erstens die tatsächlich verausgabten Kosten zu ermitteln, zweitens diese Daten zu verarbeiten sowie zu bewerten und drittens damit in Richtung Zielerfüllung zu steuern.

Diese Schritte hat das Sozialministerium mit jeder einzelnen Kostenposition – 7 bei den Personalkosten und 14 bei den Sachkosten – getan. Der vorgelegte Entwurf der Regelkostenverordnung 2002 erfüllt damit formal das Gesetz.

(Zurufe von der CDU: Formal, formal!)

Vielleicht hören Sie mal zu, dann können Sie noch ein Stück lernen! Dann reden Sie qualifizierter und können vielleicht mitreden.

Ermittelt ist der Durchschnitt, ermittelt ist die Regel, die im Land tatsächlich typisch ist. Das ist aber nicht immer das, was wir uns für die Jüngsten im Land wünschen, obwohl wir mit unserer Kita-Förderung im Reigen der Bundesländer sehr gut dastehen. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

In die Personalkosten zum Beispiel angesichts dessen, was jetzt ermittelt ist, gehen alle gezahlten Löhne und Gehälter ein. Daraus folgt ein Durchschnitt, der den Einrichtungen, die nach Tarif orientiert an BAT zahlen, was natürlich äußerst löblich ist, die Aufwendungen nicht voll ersetzt. Daraus folgt auch, dass die Einrichtungen, die mehr Erzieherinnen beschäftigten, als der Personalschlüssel vorgibt, was sicher pädagogisch und beschäftigungs

politisch durchaus wünschenswert, aber nicht nach Gesetz ist, ihre Aufwendungen nicht voll ersetzt bekommen.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Nils Albrecht, CDU, und Angelika Gramkow, PDS)

Das kann ich bei diesem Gesetz nicht ändern, Herr Albrecht, und das geschieht, obwohl die Standards beibehalten werden. Ich habe keine Begrenzung der Öffnungszeiten auf zehn Stunden vorgegeben. Ich habe die Kalkulation des Personalschlüssels transparent gemacht und gezeigt, dass dieser auf einer durchschnittlichen Öffnungszeit von zehn Stunden aufbaut, Vor- und Nachbereitung, Urlaub, Krankheit einbezieht. Wenn daraus seitens vieler Einrichtungen der Schluss gezogen wird, ihre Probleme damit zu beheben, die Öffnungszeiten von zum Teil elf und zwölf Stunden auf zehn herunterzufahren, steuert die Berechnungsmethode in eine Richtung, die dem Ziel des Gesetzes widerspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Wir sind im Prozess der Anhörungen zu den Regelkostenverordnungen, Herr Albrecht, damit Sie das genau wissen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)