Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Glawe.

Ich schließe jetzt die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2731. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2731 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Gesamtstaatliches Defizit abbauen – Schuldzuweisungen beenden, Drucksache 3/2732.

Antrag der Fraktion der CDU: Gesamtstaatliches Defizit abbauen – Schuldzuweisungen beenden – Drucksache 3/2732 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Nolte von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss zu Beginn wohl niemanden der hier Anwesenden darauf hin

weisen, wie sich die finanzielle Situation des Landes grundsätzlich darstellt. Die Lage ist bekannt und sie ist ernst. Und auch die Frau Finanzministerin wird mir Recht geben, wenn ich sage, dass Mecklenburg-Vorpommern über keinen Cent zu viel verfügt. Richtig ist auch, dass unser Land in 2001 ein Defizit von minus 1,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufwies. Ich bekräftige in diesem Zusammenhang meine Auffassung, dass dieser Wert leider durch das Sparen an der falschen Stelle, nämlich bei den öffentlichen Investitionsausgaben, erreicht wurde und somit unter wirtschafts- und strukturpolitischen Aspekten sehr problematisch ist. Umso ärgerlicher ist es dann allerdings, wenn die rot-grüne Bundesregierung und hier insbesondere der Bundesfinanzminister zunehmend die Länder und Kommunen in ein haushaltspolitisches Zwangskorsett stecken will, das er selbst nicht zu tragen bereit ist.

Meine Damen und Herren! Es war schon mehr als peinlich, wie Herr Eichel mit allen nur denkbaren schmutzigen Methoden den Blauen Brief aus Brüssel verhindert hat.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Hätte er ihn doch nur akzeptiert, dann müssten wir die heutige Debatte in dieser Form nicht führen und hätten Spielräume zur Haushaltssanierung bis mindestens 2006. Stattdessen gab er die unverantwortliche Zusage, bis 2004 eine gesamtstaatlich nahezu ausgeglichene Haushaltssituation zu erreichen. Das erfordert, dass mit Beginn des erhofften, aber noch nicht sicheren Aufschwungs zusätzliche Sparanstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen unternommen werden müssen. Auch hier weise ich noch einmal darauf hin: Die Gefahr besteht, dass bei diesem falschen Sparansatz der nächste Aufschwung abgewürgt wird, noch bevor er überhaupt richtig in Gang gekommen ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Deswegen, genau deswegen fordere ich die Landesregierung nachdrücklich auf, keinen Euro zusätzlich zu den Plangrößen in der Mittelfristigen Finanzplanung bei den Investitionen einzusparen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Und ich denke, das muss Ziel auch der Finanzministerin sein. Sie hat das vorhin mit zwei Worten so auch gekennzeichnet.

Und, meine Damen und Herren, das Motto „Haltet den Dieb!“ der Bundesregierung, vor allem an die Bundesländer gerichtet, kann nur noch als unehrlich bezeichnet werden. Man wird in diesem Zusammenhang ja noch einmal auf einige Tatsachen hinweisen dürfen. Die EU-Kommission hat Deutschland in der Vergangenheit immer wieder aufgefordert, seine falsche Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik zu korrigieren. Ebenso wurden einschneidende Änderungen im Bereich des Gesundheitssystems angemahnt. Passiert ist entweder gar nichts oder es wurde noch verschlimmbessert. Fakt ist auch, dass es schon sehr plump ist, immer wieder die Weltkonjunktur für die heimische Misere in Deutschland verantwortlich zu machen.

(Angelika Gramkow, PDS: Eine bestimmte Ursache hat sie aber, oder?)

Sie können doch, Frau Gramkow, nicht allen Ernstes mit konjunkturellen Aspekten begründen, warum Deutschland

das einzige Land in der EU darstellt, in welchem das gesamtstaatliche Defizit seit 1998 gestiegen ist,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

nämlich von 2,2 auf 2,7 Prozent.

(Angelika Gramkow, PDS: Nein, Portugal hat einen Blauen Brief gekriegt!)

Und alle anderen Länder haben ihre Verschuldung gesenkt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig. – Angelika Gramkow, PDS: Nein.)

Sind diese denn etwa nicht von der Weltkonjunktur betroffen?

Und noch dümmer ist das Argument des 11. September, denn die Konjunktureinbrüche und die Stagnation begannen weit vor dem.

(Unruhe bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Angelika Gramkow, PDS)

Und da Herr Eichel wohl selbst an sein Märchen nicht mehr glaubt, hat er jetzt einen neuen Sündenbock gefunden, nämlich die Bundesländer. Sie seien nun also für die Verdoppelung des Staatsdefizites von 26,9 Milliarden Euro in 2000 auf 56,3 Milliarden Euro in 2001 verantwortlich. Meine Damen und Herren, das ist peinlich, das ist völlig sachfremd. Ich frage mich dann schon: Wer hat eigentlich in Deutschland die gesamtwirtschaftliche Verantwortung für Wachstum und Arbeitsplätze, wenn nicht die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien? Wer hat denn eine Steuerreform zugunsten der Kapitalgesellschaften zu verantworten mit der Folge, dass binnen eines Jahres aus 23,6 Milliarden Euro Körperschaftssteuereinnahmen ein Minus von 0,4 Milliarden Euro geworden ist? Und, Herr Minister und Frau Finanzministerin, Sie haben dieser Reform zugestimmt, Sie verteidigen dieses Gesetz noch heute, bar jeder Einsichtsfähigkeit und steuerpolitischen Vernunft. Und wer hat denn eigentlich zu verantworten, dass die Gewerbesteuerumlage um zehn Punkte angehoben wurde, so dass die Kommunen, auf die der Hauptanteil der örtlichen Investitionen entfällt, weitere Kürzungen vornehmen müssen, sofern es überhaupt noch geht? Und auch dieses wurde von Rot-Rot in Schwerin aktiv unterstützt und widerstandslos mitgetragen, Frau Gramkow. Sich hiernach als kommunalfreundlich hinzustellen ist dann so glaubwürdig, als wenn ein jugendlicher Brandstifter als Berufswunsch Feuerwehrmann angibt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Alle sind entwick- lungsfähig, selbst die CDU, Herr Nolte. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und dies sage ich noch mal deutlich.

Und wer hat sich die 100 Milliarden DM aus den UMTSLizenzen mir nichts, dir nichts unter den Nagel gerissen, wenn nicht Herr Eichel?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Und wer hat kritiklos hingenommen, dass die Länder und Gemeinden über die Abschreibungen der TelekomUnternehmen an neuen Steuerausfällen beteiligt werden? Das waren doch Dr. Ringstorff und Frau Keler. Und wer hat eigentlich den Kraftstoffpreis durch die Ökosteuer um 28 Pfennig verteuert und im Gegenzug die Länder und Gemeinden durch die Gewährung einer höheren Entfer

nungspauschale zur Ader gelassen? Kosten für unser Land: 10 Millionen DM pro Jahr. Kosten für unsere Kommunen: 1 Million DM pro Jahr. Auch dies hat unsere Landesregierung mitgemacht. Und wer hat eigentlich die Freistellung der Post von der Umsatzsteuer beschlossen? Durch ihre Privatisierung, die von der SPD übrigens früher heftig bekämpft wurde, können auf Bundesebene Erlöse kassiert werden, während den Ländern und Gemeinden Umsatzsteueranteile entgehen. Und hat nicht die Bundesregierung seit 1999 insgesamt 165 Milliarden DM an Privatisierungserlösen inklusive UMTS eingenommen, obwohl Privatisierung früher bei Ihnen als neoliberales Teufelszeug verschrien wurde? Aber wenn es Geld einbringt, dann können Sie auf einmal sehr pragmatisch werden.

Und, meine Damen und Herren, kein seriöser Mensch glaubt doch allen Ernstes daran, dass Eichels Zusage in Brüssel tatsächlich auch erreichbar ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass erst ab einer realen Wachstumsrate des BIP von über drei Prozent die Chance bestünde, ein ausgeglichenes Budget in 2004 zu realisieren.

(Rudolf Borchert, SPD: Nahezu aus- geglichen, Herr Nolte, nahezu! Das haben Sie eben vergessen zu sagen.)

Jeder hier weiß doch, dass dieses …

Natürlich nahezu ausgeglichen. Aber die drei Prozent sind doch überhaupt nicht gesichert, das wissen Sie auch.

Jeder hier weiß doch, dass dieses nach dem jetzigen Erkenntnisstand völlig weltfremd und utopisch ist. Jeder kann sich auch vorstellen, dass die Maisteuerschätzung weiteres Ungemach an den Tag bringen wird. Es dauert nicht mehr lange, bis wir das hier feststellen müssen. Es ist doch durchaus denkbar, dass durch eine fortgesetzte Wachstumsschwäche und Stagnation auf dem Arbeitsmarkt weitere Steuerausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe zu erwarten sind. Und angesichts dessen soll es möglich sein, das gesamtwirtschaftliche Defizit in zwei Jahren um 50 Milliarden Euro zu verringern? Diese Frage liegt doch nahe. Um einen Vergleich heranzuziehen und die Größenordnung zu verdeutlichen: Im Jahre 2000 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um drei Prozent, das Defizit wurde aber nur um knapp 4 Milliarden Euro reduziert. Das, Herr Borchert, sind doch Tatsachen.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, ist es völlig klar, dass der beschlossene Landeshaushalt für 2003 schon heute Makulatur ist, wenn Sie Herrn Eichel folgen wollen. Sie werden schlimmstenfalls eine Streichorgie sondergleichen erleben, die wir uns in ihrem Ausmaß noch überhaupt nicht vorstellen können, es sei denn, der Bund plant für die nächsten Jahre massive Steuererhöhungen. Und deswegen, Frau Keler, erwarte ich von Ihnen heute Folgendes: Sagen Sie den Menschen vor der Wahl, was auf sie zukommen wird!

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Ich gestehe Ihnen zu, dass man dazu die Steuerschätzung im Mai abwarten muss. Aber dann müssen Sie die Katze aus dem Sack lassen. Dann dürfen Sie sich nicht mehr hinter irgendwelchen Konsultationen im Finanzplanungsrat verstecken. Dann wollen wir von Ihnen wissen: Was kommt auf Mecklenburg-Vorpommern im Einzelnen zu? Wann ist mit einem Nachtragshaushalt zu rechnen? Welche Folgerungen ergeben sich für die Mittelfristige

Finanzplanung? Sind Sie bereit, die öffentlichen Investitionen unangetastet zu lassen? Wie wollen Sie mit der Entwicklung der Personalausgaben umgehen? Und unter anderem, wie viel Beratungsleistung braucht unser Land tatsächlich? Welche Steuererhöhungen haben wir gegebenenfalls zu erwarten und was bedeutet dies insgesamt überhaupt für den gesamten Aufbau Ost? Ich möchte schon hier ankündigen, dass wir von Ihnen erwarten, dass dem Finanzausschuss des Landtages die Protokolle der nächsten Sitzung des Finanzplanungsrates unverzüglich zur Verfügung gestellt werden. Mauscheleien am Parlament vorbei, dazu ist meine Fraktion jedenfalls nicht bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Ich denke, das ist ein unberechtigter Vorwurf, dem Finanz- ministerium Mauschelei vorzuwerfen.)

Ich habe hier eine Forderung gestellt, ich habe hier keine Unterstellung gemacht.

Verstecken Sie sich nicht hinter der Bundes- und Landtagswahl! Vorher muss die Wahrheit ans Licht. Weisen Sie die Anklagen des Herrn Eichel gegenüber den Ländern hier und heute zurück! Zeigen Sie Rückgrat, dass man so mit den Ländern nicht umspringen kann und darf! Lassen Sie es nicht zu, dass der Bundesfinanzminister in Brüssel Versprechungen macht, die Dritte dann einlösen, sprich bezahlen müssen! Tragen Sie mit der Zustimmung zu unserem Antrag dazu bei, dass das Schwarzer-PeterSpiel der Bundesregierung beendet wird! Signalisieren wir als Parlament insgesamt, dass wir bereit sind, mit den Finanzen verantwortungsvoll umzugehen, aber nicht gewillt sind, uns kaputtsparen zu lassen! Dazu fordere ich Sie und uns gemeinsam auf. – Vielen Dank.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Danke schön, Herr Nolte.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Finanzministerin Frau Keler. Bitte, Frau Keler.