Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Die Zweite Lesung und Schlussabstimmung wird vereinbarungsgemäß am Schluss der morgigen Sitzung aufgerufen. Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird seine Beratung zu dem Gesetzentwurf am Donnerstag zu Beginn der Mittagspause durchführen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Bericht über die Nutzung von EU-Förderprogrammen in MecklenburgVorpommern, Drucksache 3/2774.

Unterrichtung durch die Landesregierung: Bericht über die Nutzung von EU-Förderprogrammen in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2774 –

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Riemann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst mal hätte ich erwartet, dass uns zu diesem Tagesordnungspunkt der Wirtschaftsminister, da es ja insbesondere seinen Bereich betrifft, hier mit seiner Anwesenheit beehrt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal ist diese Unterrichtung wertvoll, weil sie auflistet, welche Möglichkeiten bestehen, aus den drei Strukturfonds EFRE, ESF und EAGFL sowie den vier Gemeinschaftsinitiativen, ich nenne hier Interreg III, Urban II, Equal und Leader+, und den etwa 200 existierenden Förderprogrammen Mittel der Europäischen Union zum Aufbau unseres Landes zu erhalten. Die Unterrichtung ist auch deshalb wertvoll, weil sie für die einzelnen Programme die Vielfalt der Ansprechpartner benennt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aufgeschreckt von Pressemitteilungen vom Juni 2001 unter der

Überschrift „Mecklenburg-Vorpommern partizipiert nicht ausreichend an den EU-Förderprogrammen“ hat die Landesregierung gehandelt. Aber, meine Damen und Herren, ist dieser Bericht und sind andere Aktivitäten ausreichend? Die Opposition in diesem Hause meint, nein.

(Barbara Borchardt, PDS: Oh, das hatten wir jetzt aber nicht vermutet.)

Ich werde dieses im Folgenden begründen.

Die von der EU gewährten Fördermittel sind immer zusätzlich. Sie sollen Regionen und Länder nach vorn bringen, sie sollen eine gleichmäßige Entwicklung der Länder und Regionen befördern, Ungleichmäßigkeiten beseitigen.

(Georg Nolte, CDU: Sehr richtig.)

Handeln wir, meine Damen und Herren, handelt unsere Landesregierung in diesem Sinne?

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wir meinen, Frau Gramkow, nein.

(Barbara Borchardt, PDS: Auch das wundert uns.)

Schon mit den Haushalten 2000, 2001 und insbesondere mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 wird nicht nur von der CDU-Fraktion, sondern auch zunehmend von den Verbänden beklagt, dass dieses Land die EU-Mittel zunehmend zur Substitution von Landesmitteln nutzt,

(Georg Nolte, CDU: Genau so ist das.)

dass zunehmend zu Lasten der Infrastrukturentwicklung dieses Landes Mittel in Strohfeuerprogramme fließen. Dieses, meine Damen und Herren, nennen wir Sparen an der Entwicklung unseres Landes, Sparen an der Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und so ist es auch zu erklären, dass Mecklenburg-Vorpommern bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, der wichtigsten wirtschaftlichen Kennziffer, mit der roten Laterne in der Bundesrepublik in der Öffentlichkeit dasteht.

(Rainer Prachtl, CDU: Wie das Saarland früher, ne? – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Ja, das Saarland ist jetzt unter den vier führenden Ländern in der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. So können politische Unterschiede zur Entwicklung führen.

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Und dieses, Herr Ministerpräsident Ringstorff, ist kein Schlechtreden des Landes, es ist eine Zustandsbeschreibung Ihrer Politik. Wie gesagt, meine Damen und Herren, es finden sich hierzu in dem vorliegenden Bericht keinerlei Hinweise, dass die Landesregierung die Zusätzlichkeit der EU-Mittel zukünftig stärker beachten will, dass sie künftig die EU-Förderprogramme verstärkt dazu nutzen will, um dieses Land voranzubringen.

Ich vermisse in dem Bericht auch den Vorgang, die Erläuterung, wie es dazu gekommen ist, dass trotz früher Erarbeitung der Unterlagen zu den Operationellen Programmen durch fehlerhafte, unabgestimmte Ergänzung zur Programmplanung, also durch handwerkliche Fehler, die auf fehlerhaften politischen Vorgaben beruhen, und ich

mache den Mitarbeitern der Landesregierung keinen Vorwurf, sondern ich mache denen, die eine politische Vorgabe geben, die dann zu handwerklichen Fehlern führen, den Vorwurf, dass in dieses Land keine Mittel aus der Strukturfondsperiode 2000 bis 2006 über das Jahr 2001 geflossen sind. Ich rede hier nicht von Peanuts, meine Damen und Herren. Ich rede von einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag, für den das Land durch politisch verursachte Fehler in Vorleistung gehen musste. Die Finanzministerin spricht allein für das Jahr 2001 von rund 100 Millionen Euro. Lesen Sie bitte nach in der Drucksache 3/2948, die den Landtag am heutigen Tag erreichte! Die Zahlen für 2000 sind da nicht angeführt. Und für die Vorleistungen, meine Damen und Herren, hatte dieses Land Zinsverluste,

(Georg Nolte, CDU: Genau!)

denn diese Vorleistungen sind kreditär finanziert, und ich spreche hier von Zinsverlusten in zweistelliger Millionenhöhe.

Nicht gefunden, meine Damen und Herren, habe ich in dem Bericht auch einen Beleg, mit dem das Durchpeitschen der FFH-Gebiete 1999/2000 durch den Umweltminister Professor Methling begründet wurde. Die vom Minister begründete sachfremde Verknüpfung der Ausweisung von FFH-Gebieten mit anderen Förderprogrammen ist nicht belegbar und zusätzliche Mittel, wie angekündigt, sind auch nicht geflossen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Bericht feststellt, dass aus EU-Förderprogrammen, und ich sage hier ausdrücklich, außerhalb der Strukturfonds und Gemeinschaftsinitiativen, rund 21 Millionen Euro nicht ausgeschöpft werden, wenn der Bericht feststellt, dass die Projektbeteiligung bei Forschung und Entwicklung, eines der wenigen Potentiale, die dieses Land hat, in 2001 einen Rückgang gegenüber dem Jahr 2000 aufweist, wenn hier nur 30 Prozent des möglichen Niveaus an Fördermitteln ausgeschöpft werden konnten, also hier rund 12 Millionen Euro verschenkt wurden, so sind meiner Fraktion die im Bericht vorgesehenen künftigen Handlungsstrategien des Landes zu wenig. Nur mit verbesserten Internationalisierungsstrategien, mit verbesserter Sprachkompetenz, mit Projekt- und Managementtechnik werden wir hier in diesem Land bei dieser Thematik keinen Durchbruch erreichen.

Meine Fraktion schlägt deshalb eine Zentralisierung im Bereich der europäischen Förderpolitik für diese Landesregierung vor, einen Ansprechpartner für alle Politikfelder im Bereich der Landesregierung, der Kompetenz in Information, Beratung und Begleitung vereint, der Lobbyarbeit unterstützt, bei dem die Datenbanken zusammenlaufen und der die Erfahrung von Netzwerken weitergibt. Davon, meine Damen und Herren, sind wir heute trotz positiver Ansätze im Bericht der Landesregierung zur Nutzung der EU-Förderprogramme noch meilenweit entfernt. Wir, meine Damen und Herren, werden auch dieses nach dem 22. September ändern. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Fragt sich nur, wie. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Danke schön, Herr Riemann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Neumann von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung, und lassen Sie mich das nach der Vorrede betonen, diese Landesregierung hat erstmalig

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

mit dem vorliegenden Bericht eine umfangreiche Übersicht über die Nutzung von EU-Förderprogrammen im Land Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt. In diesem Bericht wird Auskunft darüber gegeben, in welche Bereiche wie viele Fördermittel fließen. Das ist das eine. Aber vor allen Dingen werden die Ursachen dafür benannt, warum nicht mehr Mittel genutzt werden.

Dieser Bericht, so wird in ihm selbst festgestellt, kann in einigen Bereichen keine exakten Zahlen liefern. Das ist jedoch notwendigerweise auch dem System der Förderung auf der europäischen Ebene geschuldet. Das hängt vor allen Dingen damit zusammen, dass die Mittel durch Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und andere Einrichtungen auf das Projekt bezogen direkt in Brüssel beantragt werden, dass sich die Untersuchungen, und auch diese Einschränkung ist sehr wohl in der Unterrichtung genannt, eben auf den Bereich und auf den relativ geringen Betrag beziehen, der unmittelbar und direkt aus Brüssel an Unternehmen, Vereine und Initiativen im Land Mecklenburg-Vorpommern ausgereicht wird. Da keine Informationspflicht über die Projektteilnahme an ein Ministerium besteht, ist die Regierung über die Projektteilnahme somit oft nicht informiert.

Dazu kommt, dass in vielen Programmen eine Voraussetzung für die Förderung die Teilnahme am Projekt mehrerer Partner aus mindestens drei EU-Ländern ist und damit der finanzielle Anteil der Projektpartner aus Mecklenburg-Vorpommern für die Regierung unbekannt bleibt. Diesen Mangel werden wir weder beheben können noch werden wir ihn beheben wollen. Und auch ein Superminister, wie eben von Herrn Riemann vorgeschlagen, der alles kann, alles weiß und über alles informieren kann, wird eine solche Arbeit nicht leisten können.

Trotzdem und gerade deshalb leistet die Unterrichtung der Landesregierung Bemerkenswertes und Auswertungswürdiges. Die im Zuge der Berichterarbeitung aufgebaute Datenbank gibt die Möglichkeit, Defizite in der Information und Nutzung der Fördermittel in der Zukunft abzubauen. Die Datenbank sollte dringend über die nächsten Jahre weitergeführt werden. Der Europaserver „europa-mv“ mit seiner Datenbank ist ein gutes Beispiel, das weiter ausgebaut wird. Und auch deshalb sollte eine Schlussfolgerung für uns sein – und da bin ich, glaube ich, mit meinem Vorredner einer Meinung –, dass eine solche Unterrichtung über die Nutzung von EU-Fördermitteln weiterzuführen ist.

Aber im vorliegenden Bericht wird nur die Nutzung der Programme untersucht, die nicht in den Strukturfonds und im Rahmen der Gemeinschaftsinitiativen vergeben werden. Zukünftige Berichte sollten und könnten auch auf diese Bereiche eingehen. Unter anderem sollten solche Fragen wie der Mittelabfluss, die Kompliziertheit oder die Einfachheit der Beantragung, die Kontrollen, die Dauer der Antragsbearbeitung und so weiter mit untersucht werden.

Im vorliegenden Bericht wird etwa nur 1 Prozent der Fördermittel untersucht, die in das Land MecklenburgVorpommern fließen. Von insgesamt immerhin, und da ist die dreistellige Millionenzahl, 755,6 Millionen Euro für

Mecklenburg-Vorpommern wird hier der Bereich von 7,6 Millionen Euro mit den untersuchten Förderprogrammen betrachtet. Im Umkehrschluss müssen wir eben auch feststellen, dass 99 Prozent von diesen 755,6 Millionen über die Landesregierung durch eine gute und sachkompetente Arbeit der Mitarbeiter der Landesregierung durch Kofinanzierung durch das Land und im Übrigen zu 100 Prozent in dieses Land fließen. Das Land ruft alle Mittel, die dem Land in einem feststehenden Schlüssel zugeteilt werden und für deren Ausreichung und Kofinanzierung es verantwortlich ist, zu 100 Prozent ab und reicht diese an die Endnutzer weiter.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Unter diesem Aspekt gesehen, kann man nun mal nicht pauschal feststellen, das Land würde EU-Fördermittel nicht abrufen,

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

sondern muss es schon differenziert betrachten, dass nicht alle Mittel, die durch Unternehmen, Vereine, Initiativen im Land Mecklenburg-Vorpommern abrufbar wären, genutzt werden. Und genau diese Frage untersucht der Bericht und er gibt damit sehr wohl, auch wenn Herr Riemann das nicht wahrnehmen will,

(Angelika Gramkow, PDS: Das tut er nicht. – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

eine ganze Menge von Hinweisen, wie wir genau diesen Umstand abstellen können und zu einer Verbesserung der Situation kommen.