Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

(Nils Albrecht, CDU: In der Familie meinen Sie.)

Die Familie ist da mit eingeschlossen.

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Ansinnen, die Landesregierung zu beauftragen, den Bedarf an Fachkräften im sozialen Bereich einerseits zu analysieren und andererseits Schlussfolgerungen zur Absicherung der Fachlichkeit vorzulegen, berücksichtigt selbstverständlich die Frage ihrer Zuständigkeit und ihres Handlungsspielraumes. Nach Vorlage der Analyse wird es vor allen Dingen darum gehen, mit den Akteuren im sozialen Bereich – so, wie in jüngster Zeit hier auch in der öffentlichen Wahrnehmung belegbar – gemeinsame Lösungen anzustreben. Dabei kommt es vor allem auf die Moderation durch die Landesregierung an, denn die Zuständigkeiten im sozialen Bereich sind im Einzelnen sehr gestreut. Sie liegen auf kommunaler Ebene, wenn es um Beratungs- und Betreuungsangebote geht. Sie liegen auf Bundesebene, wenn es zum Beispiel um die Pflegeausbildung geht. Und sie liegen bei Selbstverwaltungen, wie etwa den Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigung, wenn es um entsprechende Interessenvertretung geht.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie um die Zustimmung zum Antrag „Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe“ und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Koplin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Glawe für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Glawe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Der Antrag, der von den Koalitionären vorgelegt worden ist, ist eigentlich schon lange überfällig.

(Annegrit Koburger, PDS: Sie hätten ja einen stellen können. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Die Diskussion läuft in allen Verbänden, sie läuft bei der Wohlfahrt, sie läuft in den Fraktionen und sie läuft, denke ich auch, in den Ministerien. Das erst einmal vorneweg.

Als ich den Antrag zuerst gelesen habe, war ich eigentlich relativ erstaunt, wie eng er ausgelegt worden ist. Heute hat ja Herr Koplin wieder die Frage weitestgehend reduziert auf die Frage der ärztlichen Versorgung im Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist überhaupt nicht wahr! Das stimmt nicht! Er hat genau das Gegenteil gesagt, Herr Glawe.)

Das ist ja durchaus ein wichtiges Thema. Wir haben in diesem Bereich 2.400 niedergelassene Ärzte im Land.

(Annegrit Koburger, PDS: Das stimmt nicht. Sie haben nicht zugehört.)

Ja, ist ja in Ordnung. Ich will das ja gar nicht weiter auswälzen.

Wir haben eigentlich erst einmal die Frage zu stellen: Wie läuft der Versorgungsauftrag und wie läuft der Sicherstellungsauftrag im Gesundheitswesen und im Sozialbereich? Und da haben Sie richtig angeführt, dass man zwischen Bundesgesetzen, Landesgesetzen, Aufgaben, die in den Kommunen abgelagert sind, und auch der Frage der Selbstverwaltung unterscheiden muss. Völlig richtig, aber es muss einfach gelingen, dass diese Dinge besser vorangebracht werden, dass wir auch gucken, wie es in den Sozialkassen und wie auf der Einnahmeseite weitergeht.

Wir haben festgestellt, dass in den letzten Jahren 58.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Damit hat in besonderer Weise die AOK zu kämpfen auf der Einnahmeseite, mit der Abwanderung von Sozialversicherten in andere Pflegekassen oder in andere Kassen. Das heißt, auch dort sind also Verschiebungen zu erwarten. Deswegen ist die Thematik relativ breit gefächert. Ich will Ihnen mal sagen, was mir in besonderer Weise auf der Seele liegt, selbst wenn wir eine hohe Qualität im Land Mecklenburg-Vorpommern auf der einen Seite durchaus haben, aber verglichen im Bundesdurchschnitt sind wir nicht so gut, zum Beispiel im Bereich der stationären Pflege. Sie mögen ja den Bayern nicht so, will ich mal sagen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das stimmt nicht. – Reinhard Dankert, SPD: Doch wir lieben ihn.)

In der Pflege ist es eben so …

(Peter Ritter, PDS: Den obersten Bayer mögen wir nicht. Aber die Menschen in Bayern mögen wir.)

Ja, die bayrische Staatsregierung, will ich mal so sagen.

In der Pflege ist in Bayern Folgendes:

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Eine Pflegekraft pflegt 2,2 zu Pflegende

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

und in Mecklenburg-Vorpommern muss dieselbe Pflegekraft 3,3 zu Pflegende betreuen.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Das heißt, in Mecklenburg-Vorpommern ist jede Krankenschwester, jede Altenpflegerin oder eine Hilfsschwester ein Drittel mehr belastet vom Arbeitsaufwand als in Bayern und erhält dafür mindestens 15, wenn nicht 20 Prozent weniger Lohn. Darüber hätten Sie heute auch mal reden müssen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

aber das kommt ja dann nicht.

(Peter Ritter, PDS: Hatten wir 1998 eigentlich schon mal 100 Prozent?)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir zukünftig Krankenpflege, Kinderkrankenpflege, Krankenpflegehilfe, Hebammenausbildung, Ergotherapie, Diätassistentinnen, Massage, Physiotherapie, pharmazeutisch-technische Assistenten, das haben Sie ja genannt, Herr Koplin,

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Logopädie, Orthopädie von der Berufsseite her im Mittelbau mit aufbauen. Sie haben völlig Recht, in die Statistik gesehen ist es so, dass ein Drittel der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern älter als 50 Jahre ist. Bei der Betreuung, in der Pflege haben wir festzustellen, dass zwischen 20 und 25 Prozent aller Mitarbeiter in diesem Bereich auch älter als 50 Jahre sind. Das heißt, wir stehen vor einem Generationswechsel. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir die Sache für die Zukunft sichern können.

Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie in den verschiedensten Gremien des Landes, auf den verschiedensten Ebenen, ob es die Kassen sind, ob es die Krankenversicherungen sind, ob es die berühmten runden Tische sind, aller Pflegenden, aller Leistungserbringer, diese Dinge vorbereitet haben. Sie haben die Statistiken. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie nun eine Situationsanalyse fordern. Die Dinge sind nach meiner Meinung bekannt.

(Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Wir müssen weiter schauen. Wir müssen auch gucken, wie es im Rettungsdienst, in der Fußpflege, bei den Arzthelfern weitergeht. Sie wissen, dass gerade in diesem Bereich sehr viele junge Frauen und Mädchen, die zwischen 18 und 27 Jahre sind,

(Annegrit Koburger, PDS: Ab 18 ist man schon Frau.)

dieses Land verlassen, jedes Jahr zehntausend Bürgerinnen und Bürger.

Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie es mit den Pflegestufen weitergeht. Welche Korridore können wir uns leisten? Wie ist es mit der Pflegestufe 0 bis 3? Was kann ich an Pflegenden einstellen? Was kann sich dieses Land, was können sich die Kassen, was können sich die Pflegekassen leisten?

(Annegrit Koburger, PDS: Das ist die falsche Frage. – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Was kann sich letzten Endes auch der Sozialstaat in dieser Frage leisten? Ich will Ihnen einfach mal ein paar Zahlen nennen: Es ist bei der Pflegestufe 0 der Korridor 1 zu 11, also eine Krankenschwester versorgt 11 Patienten. Oder es ist der Korridor 1 zu 9. Ist es in der Pflege

stufe 3, die ja schon eine hohe Pflege voraussetzt, der Korridor 1 zu 2,5, also etwa Bayernniveau? Oder ist es der Korridor 1 zu 3?

(Dr. Margret Seemann, SPD: Dafür brauchen sie keine Kräfte in den Kindertagesstätten, weil wir keine haben.)

Meine Damen und Herren, das sind Themen, die in diese Analyse, die Sie ja aus meiner Sicht durchaus auch teilweise berechtigt aufstellen, mit hineingebaut werden müssen. Das sind Bausteine, mit der die Zukunft definiert wird oder auch nicht, mit der man also vor der Frage steht, wie weit wir in den Dingen kommen.

Ich will Ihnen noch mal eine Zahl sagen: Wir haben i m Land Mecklenburg-Vorpommern zurzeit, glaube ich, 183 stationäre Einrichtungen. Wir haben über 400 ambulant tätige Pflegedienste im privaten wie auch im Wohlfahrtsbereich. Die Dinge müssen geklärt werden. Im vorigen Jahr, darauf hat Herr Koplin ja vorhin hingewiesen, ist in besonderer Weise Folgendes passiert: Es sind Leistungen, die durch ambulante Pflegedienste geleistet worden sind, nur zu 80 Prozent durch die Kassen ausgezahlt worden. Das heißt, es gab in dieser Frage Engpässe. Also Finanzierungsengpässe auf der einen Seite, auf der anderen Seite wurden rechtliche Fragen beleuchtet und es gab erhebliche Dissonanzen. Rahmenverträge zur Pflege wurden nicht unterschrieben, alte Verträge liefen weiter, neue Verträge kamen nicht zum Laufen. Und das, denke ich, müsste auch in eine Diskussion zu diesem Thema hinein.

Meine Damen und Herren, auch müsste die Frage der Altenpflegeausbildung im Land Mecklenburg-Vorpommern erneut aufgegriffen und definiert werden. Die Finanzierung muss geklärt werden, wir müssen auch die Pflege in einen offenen Gesundheitsmarkt hinein diskutieren, also zukunftsorientiert denken. Das sind Dinge, die ich einfach mal so schlagartig sagen will, denn die Redezeit ist begrenzt, und man kann ja nicht immer alles so rüberbringen, wie man das will. Auch die Frage der Intensivpflege, die Frage der Leitbilder in der Pflege oder auch in der Medizin ist ja mit entscheidend, welche Finanzmittel muss ich letzten Endes bereitstellen, wenn ich mich auf Leitbilder in der Pflege, in der Behandlung geeinigt habe. Auch diese Dinge, denke ich, müssen mit besprochen werden, bevor man insgesamt zu einer neuen Verteilung kommt, zu neuen Gesichtspunkten.

Sie müssen auch den Schulsozialdienst mit betrachten. Auch das ist eine wichtige Frage. Die Frage der Ganztagsschulen fällt hier mit rein. Auch das ist ein Bereich, der nun nicht in Ihr Ressort fällt, Frau Ministerin, aber es ist eine Aufgabe, die alle Ministerien zu leisten haben. Und deswegen sage ich, wenn es nicht schon einen Bericht gibt in den Ministerien, ist eigentlich dieser in der Kürze der Zeit kaum zu leisten, jedenfalls so, wie es gefordert wird. Bei den Kindertagesstätten – das Stichwort, was Herr Koplin vorhin dankenswerterweise vorgetragen hat – ist ja auch auf der einen Seite die Fachfrage zu klären, der pädagogische Ansatz zu klären, ab wann soll so was stattfinden. Es sind aber auch die Rahmenbedingungen mit zu diskutieren. Also welchen Investitionsstau haben wir denn im Land?

(Annegrit Koburger, PDS: Was hat das mit den Fachkräften zu tun?)

Alle Fachleute, auch das Ministerium, auch wir haben schon mindestens seit einem Jahr gesagt, ein Investiti