Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

den Vorschlag: „Das vorgeschlagene Thema ,Lebenslagen der 10- bis 14-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention‘“

(Beifall Harry Glawe, CDU: Jawohl.)

„sollte aufgrund der mangelnden Datenlage und der zur Verfügung stehenden Zeit eingeschränkt werden auf Freizeit und Beteiligung von 10- bis 14-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern.“ So das Zitat auf Seite 9 des eben genannten Protokolles.

(Harry Glawe, CDU: Ja, gut zitiert.)

Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Hinweise des Landesjugendhilfeausschusses bei der Erarbeitung des Berichtes vielleicht noch etwas umfassender berücksichtigt worden wären.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Dr. Henning Klostermann, SPD)

Der vorliegende Bericht beleuchtet unter anderem die Familienstrukturen und das Familienklima, ausgewählte materielle Lebensbedingungen, die Freizeit und die soziale Einbindung und stellt die Zufriedenheit, Werte und Zukunftsvorstellungen der 10- bis 14-Jährigen aufgrund einer wissenschaftlich bewerteten Befragung von 1.200 Kindern und Jugendlichen dieser Altersgruppe dar. Er greift also aktuelle Problemlagen auf, kann aufgrund der kleinen Zahl der Befragten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen – in dieser Altersgruppe und in Mecklenburg-Vorpommern leben immerhin 134.000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren – auch nur Tendenzen aufzeigen, keineswegs aber gesicherte Aussagen für die gesamte Altersgruppe geben.

Sicherlich erfolgte die Vorlage des Berichtes mit der Stellungnahme der Landesregierung dazu formal gesehen rechtzeitig, da er innerhalb der Legislaturperiode den Landtag erreichte.

(Harry Glawe, CDU: Das wollten wir doch schon in der letzten Wahlperiode machen.)

Zu bemängeln ist jedoch, dass nun kaum Zeit für das jetzige Parlament bleibt, die Ergebnisse für parlamentarisches Handeln in dieser Legislaturperiode zu nutzen. Ich gehe aber davon aus, dass dieser Bericht in zahlreichen Gremien des Landes, wie beispielsweise dem schon erwähnten Landesjugendhilfeausschuss, sehr eingehend beraten werden wird und die Ergebnisse Eingang in das parlamentarische Handeln des vierten Landtages und das Handeln der neuen Landesregierung finden werden.

Meine Damen und Herren, wie realisiert die Stellungnahme der Landesregierung die Aufgabe, einen Überblick über die kinder- und jugendpolitischen Zielvorstellungen der Landesregierung zu geben? Aufgrund des positiven Befundes zur Situation der Familien mit Kindern sieht die Landesregierung ihre bisherige Arbeit im Wesentlichen bestätigt. Diese Einschätzung teilt die Fraktion der SPD. Die Landesregierung sieht die fachpolitische Notwendigkeit, dass Jugendhilfe sich auch bei der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen ganzheitlich und lebensweltorientiert an den Umständen und Situationen von Kindern und Jugendlichen und deren Familien im Einzelfall orientieren muss,

(Harry Glawe, CDU: Deshalb müssen wir noch mehr machen. Das reicht noch nicht.)

um somit die Voraussetzungen zur Chancengleichheit bei der Teilhabe der gesellschaftlichen Entwicklungen zu verbessern.

Es ist deshalb richtig, dass die Schwerpunktsetzung auf Stärkung der Selbsthilfepotentiale, Prävention, Fortbildung und Praxisberatung sowie die modellhafte Weiterentwicklung der Jugendhilfe beibehalten werden soll. Natürlich ist eine noch stärkere Prioritätensetzung zugunsten präventiver Maßnahmen, zur Förderung der Erziehung in der Familie beispielsweise bei der Elternbildung, bei niederschwelligen Angeboten erzieherischer Hilfen und hinsichtlich der Beratungsangebote für Familien notwendig. Wir müssen deshalb gemeinsam mit der Landesregierung in der nächsten Legislaturperiode unsere Arbeit noch stärker auf Partizipation und Chancengleichheit, Integration benachteiligter Jugendlicher, Abbau von Vorurteilen und Beteiligung an Demokratieentscheidungen, Qualitätsentwicklung

(Harry Glawe, CDU: Das wollten Sie doch schon in der letzten Wahlperiode machen.)

und kooperative Erweiterung von Kriterien und deren Umsetzung, die Begrenzung rechtsextremistischer Entwicklung, die Ausweitung des Adressatenkreises und die Priorität für mehr Qualität ausrichten. Im Bereich der erzieherischen Hilfen sind die Rechte der Kinder zu stärken, die Prävention sowie der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gewalt zu intensivieren.

Aus Sicht der SPD-Fraktion ist es notwendig, auch weiterhin Maßnahmen zu ergreifen, die die Verbesserung der Lebensverhältnisse und Perspektiven der Kinder und Jugendlichen zum Ziel haben.

(Harry Glawe, CDU: Welche Maßnahmen sind das? – Zuruf von Jörg Vierkant, CDU)

Deshalb unterstützen wir die kinder- und jugendpolitischen Zielsetzungen der Landesregierung.

(Jörg Vierkant, CDU: Das ist aber zu allgemein.)

Kommen wir vielleicht zu einigen konkreten Aussagen der Studie. Erfreulich fand ich in der Studie die Aussagen der Kinder und Jugendlichen selbst, dass 91 Prozent mit ihrem Leben sehr zufrieden bis zufrieden sind und die familiäre Situation beziehungsweise das Familienklima als positiv eingeschätzt wird. Dies bedeutet, dass vieles häufig schlechter bewertet wird, als die Realität es hergibt. Ziel der SPD ist und bleibt es, insbesondere die Familien zu stärken sowie die Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche weiter zu verbessern.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Da fällt der Rahmen aber auseinander.)

Ihre Wünsche haben sie ja, wenn ich daran erinnern darf, meine Damen und Herren von der CDU, bei der Veranstaltung „Jugend im Landtag“ klar und deutlich geäußert. Aufhorchen lassen sollte uns dabei, dass bei den Kindern, bei denen die Familie von Arbeitslosigkeit betroffen ist, auch das Klima in der Familie als schlechter erlebt wird.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Vorrangiges Ziel bleibt für uns der Abbau von Arbeitslosigkeit und die Ermöglichung von Rahmenbedingungen, die Arbeitsplätze erhalten und schaffen.

(Jörg Vierkant, CDU: Das ist auch unser Ziel.)

Und in Bezug auf Ihre Einlassung, Herr Albrecht, bezüglich des Erziehungsgeldes möchte ich nur noch mal darauf verweisen, und dabei bleiben wir auch, die SPD setzt weiterhin darauf, dass Familie und Beruf gerade für Frauen vereinbar bleiben sollen,

(Nils Albrecht, CDU: Richtig, das ist ja auch in Ordnung.)

und dafür werden wir die Bedingungen weiter ausbauen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir brauchen weiterhin Jugendförderprogramme, die mehr Angebote zur Bildung und Qualifizierung und vor allem mehr betriebliche Ausbildungsplätze schaffen.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Jörg Vierkant, CDU)

Bestehende Programme wie zum Beispiel „Jugend, Arbeit, Zukunft“ sind dafür ein gutes Beispiel und müssen weiterentwickelt werden.

Es ist richtig, dass wir eine Neuorientierung in der Jugendpolitik brauchen, die die Lebenslagen der Kinder und Jugendlichen verstärkt in den Blick nimmt. Unser Ziel muss sein, den Kindern und Jugendlichen mehr Möglichkeiten anzubieten, damit junge Menschen in Mecklenburg-Vorpommern eine Perspektive finden und sich nach ihren Vorstellungen entwickeln können. Ein Schlechtreden des Landes, wie Sie das tun, meine Damen und Herren von der CDU, hilft uns dabei nicht.

(Harry Glawe, CDU: Ach was, wir haben alle Beifall geklatscht, die CDU. Haben Sie das nicht gehört? Wir haben Beifall geklatscht. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Im Gegenteil, Sie jagen die Jugendlichen buchstäblich aus dem Lande.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Jörg Vierkant, CDU: Nein, das waren wir nicht, das war Frau Keler. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Wir haben in unseren gestrigen Reden unsere Standpunkte dazu schon ausgetauscht und von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, habe ich dazu wenig Konkretes, wenig Positives und schon gar nichts Produktives gehört.

(Harry Glawe, CDU: Oh Mann, Mann! – Dr. Ulrich Born, CDU: Lesen Sie mal unsere Anträge!)

Drei Viertel der Kinder und Jugendlichen in unserem Land sind Mitglieder in einer Organisation oder in einem Verein. Auch das bezeugt die Verbundenheit mit unserem Land und den individuellen Wunsch, in der Gemeinschaft die Freizeit zu gestalten. Es zeigt auch, dass unsere Kinder aktiv an der Gesellschaft partizipieren wollen. Dies sollten wir auch in Zukunft unterstützen. Selbstbestimmungsrechte und Mitwirkungsmöglichkeiten bei politischen Entscheidungsprozessen von Kindern und Jugendlichen müssen deswegen meines Erachtens noch mehr berücksichtigt werden. Insbesondere in der Kommunalpolitik bieten sich hierfür vielfältige Möglichkeiten.

(Jörg Vierkant, CDU: Genau.)

Ein Bereich, mit dem sich auch der Arbeitskreis Soziales der SPD schon lange und intensiv beschäftigt, ist der

Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen. Nach dem Bericht besitzen neun von zehn Kindern einen ausreichenden bis optimalen Impfschutz. Allerdings betrifft das nur die Gruppe der 10- bis 14-Jährigen. Der Arbeitskreis Soziales der SPD-Landtagsfraktion MecklenburgVorpommern hatte im Januar letzten Jahres eine Fachtagung mit dem Thema „Verbesserung der gesundheitlichen Situation im Kinder- und Jugendalter“ durchgeführt. Dabei wurde der Trend deutlich, dass der komplette Impfschutz, wie beispielsweise für Mumps, Masern, Polio, Tuberkulose und Keuchhusten, in sechs Jahren um circa fünf bis sieben Prozent gesunken ist – eigentlich ein Alarmzeichen. Noch scheint der Impfschutz zwar auszureichen und Grund für einen sorglosen Umgang zum Teil durch die Eltern und eine scheinbare Sicherheit in der Bevölkerung darzustellen. Aufklärung ist dabei aber weiterhin notwendig und dringend erforderlich.

Im Bericht geben sechs Prozent der Kinder an, schon einmal Drogen probiert zu haben. 3 von 100 bestätigen einen regelmäßigen Konsum, fast regelmäßig zu rauchen gaben 15 Prozent an sowie regelmäßig Alkohol zu trinken 12 Prozent. Dies bedeutet für mich, dass gerade die Sucht- und Drogenprävention indes auch prioritär im Sozialbereich zu behandeln ist und hier insbesondere im Bereich der legalen Süchte und Drogen. Das kann man leider nicht oft genug sagen. Zwar haben wir im Land schon einiges in diesem Bereich erreicht, ich erinnere nur an die Präventionskonzepte wie „Genussmobil“,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

„Antidrogentour“, „Fifty-fifty-Taxi“, „Gesundheitsfördernde Schule“, „Europa gegen Krebs“, „Fit und stark fürs Leben“, „Eigenständig werden“, „Kurzintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten“, „Landesprojekt Drogenberater“, integriert in Suchtberatungsstellen, „Designerdrogensprechstunde“,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Diese Zahlen nehmen aber leider zu, Frau Bretschneider.)

um nur einige zu nennen, aber wir dürfen nicht nachlassen und müssen die Rahmenbedingungen im Bereich der Minimierung des Einstiegs bis hin zum Ausstieg aus der Abhängigkeit immer weiter verbessern. Insbesondere benötigen wir gute Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein anderer Bereich, den ich in der kurzen Zeit noch ansprechen möchte, ist der der Gewalt. Hier war ich positiv überrascht, dass 93 Prozent der Befragten noch keine Gewalt gegen die eigene Person erfahren haben. Auch dies bestätigt mir, dass die Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche im Land so schlecht nicht sein können. Zu hinterfragen sind hier allerdings die Maßstäbe, die an die Definition von Gewalt gelegt werden. So empfinden Kinder und Jugendliche aufgrund der alltäglichen Gewalt eine hohe Hemmschwelle offensichtlich für das, was man unter Gewalt versteht. Deswegen wäre es in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, wie durch die befragten Kinder und Jugendlichen Gewalt definiert wurde.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang bekanntermaßen auch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, wodurch Gewalt verhindert oder zumindest vermindert wird. Hinweisen möchte ich dabei auf das Landesprogramm „Jugend- und Schulsozialarbeit“, das den Gebietskörper

schaften hilft, gemeindeübergreifend für mehrere Jugendeinrichtungen qualifiziertes hauptamtliches Personal anzustellen. Und dieses Programm müssen wir auch deshalb weiterführen.