Zweitens, und das ist für mich von ganz entscheidender Bedeutung, da mag der eine oder andere in der CDUFraktion immer noch schmunzeln, die deutschlandweite Sperre der Agrarwirtschaft insgesamt konnte damit verhindert werden, meine Damen und Herren. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das passiert wäre.
Drittens. Unsere Verwaltung hat funktioniert. Für unser Vorgehen gibt es innerhalb der Bevölkerung scheinbar eine sehr hohe Akzeptanz. Mein Dank richtet sich an alle, die in dieser Krise mitgewirkt haben und diese Krise tatsächlich auch verhindert haben: an das Landespflanzenschutzamt, die LUFA, die Veterinärverwaltung, die Landkreise, die Polizei und natürlich die eigenen Mitarbeiter innerhalb des Landwirtschaftsministeriums.
Am 23. Mai ist das Landwirtschaftsministerium durch das BMVEL informiert worden, dass mit Nitrofen kontaminiertes Futtermittel der Firma GS agri aus Niedersachsen auch in Betriebe im Landkreis Müritz Mecklenburg-Vorpommern gelangt sein könnte.
Am 29. Mai wurde ein Krisenstab eingerichtet. Die ersten Ergebnisse von Futtermittelproben lagen vor, sie waren negativ. Erste positive, ich betone, positive Lebensmittelproben lagen am Abend des 29. vor.
Am 30. Mai wurden drei Unternehmen mit insgesamt acht Betriebsteilen gesperrt, weil erwiesen war, eindeutig erwiesen war, dass hier nitrofenhaltiges Futtermittel verfüttert worden war.
Am 31. Mai wurden in der Halle der NSP in Malchin Staubproben genommen. Das Landespflanzenschutzamt lieferte die Informationen, dass diese Halle zu DDRZeiten als Pflanzenschutzmittellager gedient hat.
Das Landespflanzenschutzamt erhält am 3. Juni den Auftrag, sämtliche bekannten ehemaligen Pflanzenschutzmittellager der drei Nordbezirke zu erfassen und zu inspizieren, beim Landeskriminalamt wird eine SoKo eingerichtet.
Am 8. Juni verdichten sich die Indizien, dass Malchin die einzige, ich betone, die einzige Ursache für die Vor
kommnisse im Zusammenhang mit Nitrofen in Deutschland darstellt. Es gibt im Übrigen bis heute keine andere Ausgangsbasis.
Am 9. Juni wird festgestellt, dass FUGEMA 72 Tonnen Weizen aus der belasteten Halle erhalten hat. FUGEMA wird unverzüglich gesperrt.
Am 10. Juni liegen die Ergebnisse der belasteten Halle in Malchin vor. Es wurden Nitrofengehalte von bis zu 77,9 Gramm je Kilogramm Masse ermittelt.
Am 12. Juni gibt es einen positiven Nachweis von Nitrofen in einer Rückstellprobe der FUGEMA im Zusammenhang mit der Probe aus den 72 Tonnen Weizen aus der NSP-Halle in Malchin. Diese 72 Tonnen sind dann in eine Weizencharge von 6.000 Tonnen eingeflossen, die zur Herstellung von Futtermitteln für verschiedene Nutztierarten verwendet wurde.
Die Firma FUGEMA wurde gesperrt, 330 Futtermittelkunden oder damit Betriebe wurden ebenfalls gesperrt, eine Gefahrenabwehrkommission wurde eingerichtet und eine Schnellwarnung an das BMVEL veranlasst, die weitergegangen ist an Brüssel. Am 14. Juni wurden für 49 Betriebe, davon 33 in Mecklenburg-Vorpommern, die Sperrmaßnahmen zum Glück wieder aufgehoben. Am 17. Juni konnte für weitere fünf Betriebe und am 18. Juni für weitere sieben Betriebe die Sperre aufgehoben werden. Am 21. Juni ergibt sich eine völlig neue Lage: Die positiven Untersuchungsergebnisse der FUGEMA werden durch zwei Gegenproben in den zwei akkreditierten Laboren, der LUFA Hameln und LUFA Rostock, nicht bestätigt, das Ergebnis war zum Glück n. n. Damit konnten die Sperrmaßnahmen für die landwirtschaftlichen Unternehmen insgesamt sofort aufgehoben werden. Für mich war dieser Freitag, der 21. Juni, einer der schönsten Tage in meinem Leben. So viel zur Chronik.
Man musste in diesem Nitrofenskandal auch einen Ernstfall sehen. Ich sage dieses hier klar und sehr deutlich. Da gibt es nichts zu vertuschen, nichts zu verheimlichen oder gar sich einzureihen in das Kartell des Schweigens. Das mag die Politik der Vergangenheit gewesen sein. Heute müssen wir Gefahren abwehren sowie aufklären, aufklären und nochmals aufklären.
Erstens. Mit allen verfügbaren Kräften und Mitteln musste sichergestellt werden, dass keine Lebensmittel als auch Futtermittel mit erhöhten Nitrofenwerten in den Handel gelangten.
Zweitens mussten wie im militärischen Einsatz Schwerpunkte gebildet werden, um die Betriebe so schnell wie möglich wieder freizubekommen und wirtschaftlichen Schaden von diesen Betrieben abzuwenden. Dabei wur
den sämtliche freien nationalen Untersuchungskapazitäten einbezogen, es wurden Hubschrauber unter anderem für den Probentransport eingesetzt und auch akkreditierte private Labors herangezogen.
Zu den aktuellen Probenergebnissen, und da wird die Brisanz noch mal deutlich: Wir haben insgesamt zurzeit in Mecklenburg-Vorpommern 857 Proben genommen und bewertet. Davon, meine Damen und Herren, sind 48 positiv gewesen. Nur an diejenigen, die meinen, das wäre alles nicht so schlimm gewesen: Wir haben 48 positive, also erhöhte Nitrofenwerte in Futtermitteln und in Lebensmitteln aufgespürt.
Erstens die Suche nach den Schuldigen: Die Schäden, die der Landwirtschaft entstanden sind, müssen weiter genau analysiert werden. Was wir jetzt schon sagen können, ist, dass Schäden insbesondere dann entstanden sind, wenn vor allem vertragliche Beziehungen nicht eingehalten werden konnten – das ist leider auch in Mecklenburg-Vorpommern passiert –, das heißt, wenn Betriebe die Schlachttermine nicht einhalten konnten oder die Proben nicht rechtzeitig zurückgekommen sind. Eine reine Verlagerung von Abläufen in der Produktion dürfte im Wesentlichen nur marginale Auswirkungen gehabt haben. Größere Betriebe haben uns gesagt, dass das Problem mit der Entsperrung im Grunde zum Glück auch erledigt ist.
Erstens gibt es auch weiterhin bei der Schadensentsperrung oder auch bei der Tilgung der Schäden Versicherungen und zweitens gilt hier ganz klar und eindeutig das Verursacherprinzip. Das muss jedem klar sein. Es gilt das Verursacherprinzip und der, der den Schaden angerichtet hat, ist auch verantwortlich, diesen Schaden wieder gutzumachen. Die Grundverantwortung muss bei denen liegen, die in der kontaminierten Halle in Malchin Getreide gelagert haben. Gegen zwei Unternehmen wurde deshalb von Seiten des Landwirtschaftsministeriums Strafantrag gestellt. Ich gehe davon aus, dass jetzt schnell ermittelt wird und damit auch die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.
Ich nehme gerne zur Kenntnis, dass mir Vertreter der Futtermittelindustrie gestern in einem Gespräch versichert haben, bezüglich von Hilfeleistungen mit betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmen intensive Einzelgespräche zu führen und damit auch Entschädigungen aufzulegen. Ich finde, dies ist ein sehr wertvolles Zeichen, und ich bedanke mich bei der Futtermittelindustrie dafür.
Drittens setze ich auf das angekündigte Hilfsprogramm des Bundes. Diesbezüglich werden die Länder am Donnerstag mit dem Bund Gespräche führen. Schon jetzt kann ich hier zusichern, dass die Landesregierung bereit ist, sich an diesem Programm intensiv mit zu beteiligen.
Viertens haben wir ein eigenes Paket geschnürt. Angefangen von Pacht-, Zins- und Steuerstundungen bis hin zu Umstrukturierungshilfen bieten wir in begründeten Einzelfällen ein ganzes Bündel von Maßnahmen für in Not geratene Betriebe an. Die Auszahlung der Ökoprämien – auch dieses ist, glaube ich, ein deutliches Signal an die Ökolandwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern – wird um 14 Tage vorgezogen. Das sind im Übrigen immerhin 4 Mil
lionen Euro oder 8 Millionen Mark, die dann in die Landwirtschaft als Hilfe fließen werden. Zu den Kosten der Beprobung kann ich hier heute sagen, dass neben den vom Land zu tragenden Kosten der Futtermittelbeprobungen die Landesregierung bereit ist, die Kosten für die Lebensmitteluntersuchungen zu tragen und damit auch eine Verantwortung an sich der Futtermittelhersteller mit zu übernehmen. Wir werden deshalb aus diesem Recht heraus einen rechtlichen Titel einrichten, um gegebenenfalls auch dieses einzuklagen.
Auf dem rechtlichen Gebiet gibt es erste Weichenstellungen, die Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich mit vorangebracht hat. Frau Gramkow hat ja schon darauf hingewiesen, was das Verbraucherinformationsgesetz anbetrifft, und ich muss da ganz klar Herrn Brick widersprechen. Wir hatten ja die Chance, gerade im Vermittlungsausschuss, die Behörden und die Wirtschaft in diesen Prozess mit einzubringen, und Sie hätten es mit Ihrer Bundesratsmehrheit nun wirklich auch schaffen können, dieses Gesetz so anzureichern,
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Martin Brick, CDU: Das ist ein zahnloser Tiger.)
Sie haben dieses verhindert und damit dem Verbraucherschutz nun wirklich auch einen schweren Schaden zugefügt.
So wird der Vermittlungsausschuss – und vielleicht kommen wir da zumindest überein, ich hoffe, dass wir da zumindest keinen Dissens haben –, so wird der Vermittlungsausschuss des Bundesrates morgen über wesentliche Änderungen im Futtermittelgesetz und im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, das haben Sie ja schon angesprochen, Herr Brick, entscheiden. Demnach soll die Meldepflicht in beiden Rechtsbereichen deutlich und intensiv verschärft werden. Erstens wird der Kreis der Meldepflichtigen erweitert auf Labore, das war ja ein Riesenproblem, auf die Prüfstellen, nicht nur die Ökoprüfstellen, sondern auch alle anderen Prüfstellen, und andere Personen, die für die Überwachung der Tierhygienebedingungen und damit auch für die futtermittelrechtliche Seite zuständig sind.