Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

Und es bleibt dabei, wir lehnen diesen Antrag ab, weil er einfach unsinnig ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aha! Aha!)

Danke schön, Herr Brick.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/2971. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 3/2971 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Gegenstimmen der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Personalpolitik der Landesregierung bei früherer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, Drucksache 3/2945.

Antrag der Fraktion der CDU: Personalpolitik der Landesregierung bei früherer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR – Drucksache 3/2945 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Helmrich von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der eben genannten Drucksache haben wir einen Antrag eingebracht, mit dem wir den Ministerpräsidenten auffordern, die Geschehnisse um die spezielle Einstellung von Herrn Klinger hier noch einmal zu erläutern, darüber hinaus aber auch, um von der Regierung, und zwar aus dem Munde des Ministerpräsidenten, noch einmal zu hören, wie denn insgesamt die Einstellungspraxis ausgeübt worden ist und wie sich die besonderen Vereinbarungen der Koalition auf diese Einstellungspraxis ausgewirkt haben.

Auch wenn allen Beteiligten die Rechtsgrundlagen im Grunde genommen klar sind, möchte ich zur Einbringung unseres Antrages diese Rechtsgrundlagen noch einmal zusammenstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes wird angeknüpft bei der Einstellung von Bewerbern in ein öffentliches Amt an besondere Anforderungen, nämlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung, und verlangt deren gleichmäßige Handhabung.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig, richtig.)

Gleichmäßige Handhabung! Geeignet im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer, charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehört darüber hinaus die Fähigkeit und die innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Das alles sind keine leeren Formeln, sondern bedürfen immer sehr genau der Prüfung, auch wenn das in Routinefällen oft nicht ausreichend gemacht wird.

Für die spezielle Fallgruppe bei Einstellungen ist zu berücksichtigen, durch eine frühere Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR wird die Integrität des Betroffenen sowie seine innere Bereitschaft, Bürgerrechte zu respektieren und sich rechtsstaatlichen Regelungen zu unterwerfen, nachhaltig in Frage gestellt. Ein solcher Mitarbeiter erfüllt in der Regel nicht die Voraussetzungen des Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst.

Um das zu beurteilen, ist eine einzelfallbezogene Würdigung, bei der neben der konkreten Belastung für den Arbeitgeber auch das Maß der Verstrickung zu berücksichtigen ist, vorzunehmen. Der Arbeitgeber hat deshalb ein Fragerecht hinsichtlich derartiger Tätigkeiten bei der Einstellung. Dies ist im Einigungsvertrag alles im Detail erläutert bis hin zu einem Sonderkündigungsrecht, wenn das bei der Einstellung unterlassen worden ist.

Die Landesregierung hat in ihrem Beschluss vom 23.02.1999 ausgeführt, dass eine etwaige Tätigkeit als offizieller oder inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit beziehungsweise des Amtes für Nationale Sicherheit Gegenstand des Einstellungsverfahrens bleibt. Im Rahmen einer allerdings differenzierteren Vorgehensweise soll eine Überprüfung erstmals einzustellender Personen durch eine Anfrage beim Bundesbeauftragten zwar nicht mehr in jedem Fall erfolgen, was wir schon kritisch sehen, wie Sie wissen, die Anfrage soll nach dem Beschluss aber unter anderem dann erfolgen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit mit

dem MfS oder AfNS vorliegen sowie bei Einstellung in den höheren Dienst oder Begründung vergleichbarer Angestelltenverhältnisse.

Dieses Überprüfungsverfahren wurde jedoch nicht, wie ich oben gesagt habe, gleichmäßig gehandhabt, sondern sehr unterschiedlich. Und dazu ist unsere Anfrage. Das bitten wir die Regierung noch mal hier im Landtag näher zu erläutern.

So hat das Arbeitsministerium im Rahmen des Einstellungsverfahrens des Verwaltungsangestellten Ronald Klinger, wie der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren von Herrn Klinger und dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes MecklenburgVorpommern zu entnehmen ist, bewusst – bewusst! – gegen den Beschluss der Landesregierung verstoßen. Das heißt, ein Ministerium hat sich nicht an den Beschluss der Landesregierung, wie die Überprüfungsverfahren gehandhabt werden sollen, gehalten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das sagen Sie.)

Moment, ich muss immer erst abwarten, bis der Zwischenruf aufgenommen worden ist.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, denken Sie ruhig darüber nach!)

Das Ministerium hat die Einstellung unter Verletzung des in diesem Beschluss festgelegten Verfahrens vorangetrieben und damit gleichzeitig die Verletzung des Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz bewusst in Kauf genommen.

Ich brauche die Einzelheiten, die bekannt sind, insbesondere über das Sondierungsgespräch am 03.09.1999 zwischen Herrn Minister Holter und Herrn Klinger, und zwar auch in der Version des Arbeitsministeriums, nicht noch einmal im Detail zu wiederholen. Jedenfalls sind die einzelfallbezogene Würdigung und die ausreichende Befragung nicht erfolgt, sonst hätte die Einstellung nicht erfolgen dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weise noch einmal hin auf die Ergebnisse, die uns vom Landesrechnungshof in den letzten Tagen zugegangen sind. Ich will nicht alles zitieren. Ich will nur den Vorsatz sagen und der stimmt – Herr Dr. Schoenenburg, erstaunlicherweise für Sie, für mich zwingend notwendig – mit dem überein, was ich gesagt habe. Im Bericht des Landesrechnungshofes heißt es nämlich: „Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Arbeitsministerium bei der Einstellung von Herrn Klinger seine nach Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz notwendige Eignung für den öffentlichen Dienst nicht hinreichend geprüft hat.“

Man müsste jetzt noch einmal das teils klägliche und für Verletzte teils dramatische Bild aus den Presseveröffentlichungen wiederholen. Und ich kann nur sagen, wer an diesem Verfahren in der Weise beteiligt war, wie wir es alle kennen, es ist für die Landesregierung insgesamt, mehr kann ich hier zur Einführung nicht sagen, beschämend. Wir bitten den Ministerpräsidenten inständig, diese Dinge hier zu erläutern. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Helmrich.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine der großen Fragen, an denen sich die deutsche Demokratie immer wieder messen lassen muss, ist, wie geht sie mit der Vergangenheit um. Das war nach 1945 die Frage, das war auch nach 1989 die Frage und das ist heute die Frage. Und es ist eine berechtigte Frage, die Demokraten immer wieder neu beantworten müssen.

Einfache Antworten wird es auf diese Frage nicht geben. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist notwendig. Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, zeigt, dass es Ihnen gerade nicht um eine ernsthafte Diskussion geht, sondern um plumpen Wahlkampf.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und, Herr Helmrich, Sie haben hier Ihre Sicht der Dinge dargestellt. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass es auch eine andere Sicht der Dinge geben kann.

Wenn die heutige Opposition, meine Damen und Herren, nach der Personalpolitik und Überprüfungspraxis der Landesregierung in Bezug auf Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit fragt, ist die Zielstellung klar. Sie wollen dieser Landesregierung kritiklosen Umgang mit der Vergangenheit anhängen. Das wird Ihnen nicht gelingen, meine Damen und Herren von der CDU.

Ich rufe in Erinnerung: Bis zum 30. Juni 1998 erhielt die Landesregierung unter CDU-Führung 76.601 Auskünfte vom Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, von der Bundesbehörde. In 71.620 Fällen lagen bei der Bundesbehörde keine Erkenntnisse vor. Von den etwa 5.000 als IM oder HM bei der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen geführten Mitarbeitern der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern blieb diese Stasitätigkeit bis zum 30. Juni 1998 für fast die Hälfte, also bei über 2.000 Mitarbeitern, ohne Konsequenz. Das heißt, es wurden unter der CDU weder eine Kündigung noch ein Auflösungsvertrag ausgesprochen. So viel zur Ernsthaftigkeit zum vorliegenden CDU-Antrag.

(Herbert Helmrich, CDU: Und so sensibel sind wir damit umgegangen. – Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, sehen Sie! Ha, ha, Herr Helmrich!)

Herr Helmrich, solange die CDU in der Öffentlichkeit immer wieder den Eindruck zu erwecken versucht, sie habe keine Vergangenheit in der DDR, die SED wäre für alles allein verantwortlich gewesen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

und sie selbst wäre in der DDR-Zeit im Widerstand gewesen, fehlt Ihnen die Glaubwürdigkeit für ein Thema, das ernsthaft angegangen werden muss

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

und nicht als Wahlkampfschlagzeile taugt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heidemarie Beyer, SPD: Genau. – Harry Glawe, CDU: Das war ja kein Beitrag.)

Und, Herr Rehberg, versuchen Sie doch nicht den Eindruck zu erwecken, Sie wären im Konzert der CDU-Blockflöten die einzige Querflöte gewesen!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das stimmt nicht und Sie wissen das auch.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und um es klar zu sagen, ich werfe es keinem vor, wenn er sich zu DDR-Zeiten für diesen Staat engagiert hat, wenn er dabei anderen Menschen keinen Schaden zugefügt hat.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Was mich ärgert und was ich etlichen Blockflöten vorwerfe, ist, dass sie früher heftig mitgemischt haben und uns heute weismachen wollten, sie wären früher im Widerstand gewesen.

Anders als Sie, meine Damen und Herren von der CDU, hat sich diese Landesregierung von Beginn an sehr ernsthaft mit der Frage der Vergangenheit auseinander gesetzt.