Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 5 Milliarden Euro Investitionsvolumen, eine sichere Energieversorgung für die Zukunft und ein Spitzenplatz für Forschung und Wissenschaft, das sind die Fakten hinter dem vorliegenden Antrag. Umso unverständlicher ist es für uns, dass bislang von Seiten der Landesregierung keine aktive Unterstützung der Standortbewerbung stattgefunden hat.
Und wenn doch, dann nur sehr leise, Herr Bartels, nämlich so leise, dass selbst der Förderverband und das IPP in Greifswald nichts davon gehört haben.
Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich der Landtag mit diesem oder einem ähnlichen Antrag beschäftigt und hat sich für den Standort Lubmin ausgesprochen. Seinerzeit wurde die Landesregierung aufgefordert, die Bewerbung bei der Europäischen Kommission einzureichen. Dieser Landtagsbeschluss wurde nach unserer Kenntnis bislang ignoriert.
Meine Damen und Herren! Der Fusionsforschungsstandort Greifswald bietet ohne Zweifel die notwendigen Voraussetzungen für Forschung und Technologie. Allerdings bemühen sich auch Kanada, Japan, Spanien und Frankreich mit umfangreichen Exposés um den Standort. Deshalb müssen wir jetzt eine politische Entscheidung treffen, die von der Landesregierung mit Vehemenz gegenüber Bund und Europa vertreten wird.
Meine Damen und Herren! Unser Land hat mit diesem Projekt die einmalige Chance, einen Forschungs- und Wissenschaftsbereich zu besetzen, der zukunftsträchtiger nicht sein könnte.
Wir alle wissen, dass fossile Energieträger wie Erdöl, Gas und Kohle nicht unendlich zur Verfügung stehen. Wir wissen aber auch, dass bei wachsender Weltbevölkerung der Energiebedarf steigt. Deshalb liegt es in unserer Verantwortung, die Möglichkeiten der Kernfusion zu nutzen, um Verteilungskämpfe einzudämmen und eine drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Die Risiken der Kernfusion sind vergleichsweise gering. Radioaktive Abfälle wie bei der Kernspaltung werden die Umwelt nicht auf Jahrtausende belasten.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: 5 Milliard e n Euro Investitionsvolumen, eine sichere Energieversorgung für die Zukunft und ein Spitzenplatz für Forschung und Wissenschaft. Deshalb bitte ich Sie, diesen Antrag und damit den ITER-Standort Lubmin wohlwollend und erkennbar zu unterstützen. Wir können es uns nicht wieder leisten, eine Milliardeninvestition in diesem Land zu verlieren. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Hohen Hause muss ich sicher niemanden davon überzeugen, was für ein riesiges Projekt der ITER ist und dass wir alle notwendigen Vorarbeiten am Standort erfüllen. Der ITER ist nach der Raumforschung, nach der ISS, das zweitgrößte Forschungsvorhaben, was die Weltgemeinschaft sich vorgenommen hat.
Der ITER ist, Frau Lochner-Borst, Sie haben das genau richtig beschrieben, die Suche nach einer neuen Energiequelle, Kernfusion, Sonnenenergie im Grunde genommen. Der ITER soll wirksam werden genau in dem Augenblick, wo die Weltvorräte fossiler Energieträger erschöpft sind, völlig richtig dargestellt. Und wer dann diese Energiequelle besitzt, wer sie mit entwickelt hat, wer die Technologie beherrscht, ganz schlicht – der diktiert das Zeitgeschehen. Weil das so ist, versuchen die Vereinigten Staaten, Russland und China sowie Frankreich, Japan, Indien, Südkorea und Kanada, unbedingt gut 1 Milliarde Euro dort zu investieren.
Diese Dimension, nicht nur die finanzielle, sondern auch die inhaltliche Dimension, von ITER macht uns schwindlig. Und weil das so ist, habe ich volles Verständnis für Leute, die fragen: Ist das nicht alles eine Nummer zu groß? Haben wir es nicht ein wenig kleiner? Aber ITER ist auch – und ich will mal ein ganz anderes Feld des Anliegens beschreiten – gerade für Deutschland und gerade für Mecklenburg-Vorpommern ein atemberaubendes Projekt in einer wissenschaftsgeschichtlichen Dimension.
In einem kleinen Kreis von Diplomaten hat neulich jemand formuliert: Eigentlich ist das ein Projekt für die Leute, die Los Alamos geschultert haben. Kernspaltung –
die Amerikaner haben eine riesige Kraft dort hineininvestiert. Und der italienische Botschafter Fagiolo sagte, eigentlich ist das auch ein Projekt für die Leute, die Peenemünde gemacht haben. Das war für mich ein ganz verblüffend produktiver Umgang, mit einem, wie wir wissen, äußerst ambivalenten Kapitel unserer Geschichte: Maximal Technologie, maximal Verantwortung und offensichtlich internationales Vertrauen, das wir in Deutschland heute beides beherrschen können. Und da erwächst für mich eine ganz besondere Dimension des ITER.
Wie ist der aktuelle Stand? Im November 2002 ergab ein Gespräch mit Professor Bruhns vom EU-Programm „Ausschuss Euratom“ die schlichte Frage: Traut man uns in Brüssel, im Euratom-Programm, den ITER zu? Schlichte Antwort: ja. Gespräch hier in Schwerin. Dann im Dezember letzten Jahres mit Professor Pinka und Professor Bradshaw – das sind die beiden wissenschaftlichen Köpfe der Fusionsforschung in Deutschland – die schwierige Frage: Qualifiziert uns der Stellarator – das ist das, was in Wendelstein gemacht wird – für den Tokamaks? Das ist eine etwas andere Technik. Das passt in den ITER hinein, das ist eine wesentliche Vorarbeit.
Die nächste Frage ist im Januar zu klären gewesen: Hat die Universität Greifswald die notwendige Infrastruktur, denn sie soll ja das Hochschulfeld dazu abdecken? Dazu konnten wir die Entscheidung fällen, dass der Neubau des physikalischen Institutes, das sich mit Plasmaphysik beschäftigen soll, kommt und finanziert wird. Im übernächsten Jahr soll der nächste Spatenstich sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Siegfried Friese, SPD – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das wusste die CDU wohl noch nicht?! – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU: Doch!)
Dann eine weitere wichtige Frage im Januar: Haben wir denn genügend hochqualifiziertes wissenschaftliches Potential, genügend Mitarbeiter dort? Dazu wurde die Max-Planck-Research-School noch mal extra ausgestattet und sie ist jetzt auch angelaufen. Hier sind Promotionsstudenten aus aller Welt zum Thema Plasmaphysik. Dann war die Frage zu klären im Januar: Steht denn die Max-Planck-Gesellschaft hinter dem ITER-Projekt? Dies ist wesentliches Element des Antrages von Professor Gruss in der Staatskanzlei zum Antrittsbesuch beim Ministerpräsidenten, womit er eindeutig die MPG stützt.
Und zuletzt der Wissenschaftsrat, hier das Gespräch mit Professor Einhäupel beim Antrittsbesuch gemeinsam beim Bundespräsidenten. Der Wissenschaftsrat steht hinter dem ITER-Projekt. Was wir jetzt machen – zwei Wege: Zum einen, der Ministerpräsident unterstützt auch weiter massiv, wie schon in einigen Schreiben zuvor, das Vorhaben dieses Landes und drückt an dieser Stelle auf die Bundesregierung. Das Zweite ist ein wissenschaftliches Projekt. In der ersten Phase ist es ein wissenschaftliches Projekt und wir können diesen Antrag unter diesem Aspekt selbst stellen. Das entspricht dem föderalen Selbstverständnis, das entspricht der Eigenverantwortung der Wissenschaftler. Das haben wir beim ScanbaltProjekt auch gemacht, als die nordosteuropäischen Länder gemeinsam den Antrag für das 6. Europäische Rahmenprogramm in Brüssel gestellt haben.
Dieses Vorgehen hat der Abgeordnete des Europäischen Parlamentes Professor Gomolka vor wenigen Tagen deutlich befürwortet. Frau Bulmahn hat sich am Rande der Kultusministerkonferenz letzten Donnerstag
diesem Vorgehen ganz deutlich nicht verschlossen. Und vor zwei Tagen haben wir am Rande der Plenartagung des Europäischen Parlamentes in Straßburg mit der Kommissarin Frau Dr. Reding ein Vorgehen beschlossen.
Wir werden jetzt selbst den Antrag übergeben, unabhängig, vielleicht zusätzlich zu dem Vorgehen der Bundesregierung, ganz pragmatisch, die Vorarbeiten sind geleistet. Wir machen das nicht auf dem Postweg. Wir werden das auch nicht unter der Tür durchschieben, sondern wir machen das ganz offensiv: ITER-MV. – Vielen Dank.
Aufgrund des Paragraphen 85 unserer Geschäftsordnung stehen der CDU drei Minuten mehr Redezeit zu, weil die überschritten wurde.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ITER-Projekt, das Projekt für Technologie und Forschung, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es, wenn man fragt, was wichtig ist, genau fünf Antworten gibt: Standort, Standort, Standort, Konzept und Betreiber.
Ich denke, Frau Lochner-Borst und der Minister haben den Teil des Projektes, den wir alle befürworten, die Beschlusslage hier im Landtag noch einmal eindeutig dargestellt. Die Ausführungen des Ministers haben mich und die SPD-Fraktion sicher dahin gehend überzeugt, dass dieses auf einem guten Wege ist. Man kann Dinge auf verschiedenen Wegen erreichen. Wir haben es bei der deutsch-dänischen Seereederei vor kurzem gesehen. Wenn es dann erfolgreich ist, werden wir sehen, wer sich die meisten Erfolge zuordnet.
Ich will also an dieser Stelle durchaus das machen, was insbesondere die jüngeren CDU-Abgeordneten im Bildungsausschuss gemacht haben, dem Minister dafür danken und Lob aussprechen, dass er diesen Teil namens der Landesregierung forciert. In der Formulierung, so, wie Sie es gemacht haben – und es ist nachgebessert worden, weil offensichtlich Absender und Adressat zunächst nicht klar formuliert waren –, werden wir dem Antrag nicht zustimmen.
Ich denke, dass diese Aufgaben bei der Landesregierung, insbesondere bei dem Bildungsminister, in guten Händen sind, und möglicherweise – das bitte ich jetzt nicht als Ironie aufzufassen – ziehen Sie diesen Antrag zurück und wir werden seitens der Landesregierung zu erwarten haben, dass dem Inhalt des Antrages, so, wie der Minister es hier dargestellt hat, voll entsprochen wird, denn dies ist bereits auf gutem Wege. Das ist ein inhaltlich richtiger Antrag, aber offensichtlich zu einem falschen Zeitpunkt. – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich etwas weiter aushole, als es der Tagesordnungspunkt eigentlich veranlasst.
Ich war am 15. Januar 2003 mit über 500.000 Menschen in Berlin und habe dort demonstriert gegen Krieg. Unter diesen 500.000 Menschen habe ich sehr viele gesehen, mit denen ich in vielen Detailfragen sehr unterschiedlicher Meinung bin. Trotzdem war diese Demonstration von einer hervorragenden Atmosphäre, von einer freundlichen, aber entschlossenen Atmosphäre geprägt. Und gerade wegen dieser Erfahrung fällt es mir nach der vorangegangenen Debatte etwas schwer, zum parlamentarischen Alltag überzugehen und mich mit einem Antrag einer Fraktion auseinander zu setzen, die in der eben erlebten Art und Weise mit dem Thema umgeht.
Ich will es trotzdem versuchen. Gestatten Sie mir, dass ich eine Replik mache auf den gestrigen Tag hier in diesem Hohen Haus, wo Frau Strenz sich so heftig beschwert hat, dass in der vergangenen Legislaturperiode nur 15 Prozent der Anträge der CDU angenommen worden sind.
Frau Strenz, deshalb sage ich Ihnen das einfach mal ganz ruhig, Sie können es nicht wissen. Wir haben gestern darauf hingewiesen. Ich habe in diesem Haus eine Legislaturperiode als Oppositionspolitiker erlebt. Und wenn wir damals auch nur in die Nähe von fünf Prozent angenommene Anträge der Oppositionsfraktion PDS gekommen wären, wären wir unheimlich froh gewesen.
Und wie gesagt, ich nehme Ihnen das nicht übel, Frau Strenz, aber ich höre es ja auch von anderen Politikern Ihrer Fraktion, die damals hier als die führenden Leute agiert und uns regelmäßig abgebürstet haben. Und wenn die sich dann hier vorne hinstellen und den Umgang mit Anträgen der Opposition bedauern und beklagen, dann nenne ich das schlicht Heuchelei.
(Beifall Peter Ritter, PDS – Karin Strenz, CDU: Herr Dr. Bartels, dafür werden Sie sich entschuldigen müssen, für dieses Wort! – Zuruf von Harry Glawe, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)
Das will ich auch ganz deutlich sagen. Damit bin ich bei dem Thema. Ich bin bei dem Thema, Herr Glawe, und zwar ganz deutlich.
Herr Schulte hat Ihnen heute schon mal gesagt, das hat auch etwas mit der Qualität Ihrer Anträge zu tun. Darauf werde ich gleich noch einmal eingehen, denn das hängt nämlich tatsächlich damit zusammen.
Aber vorher will ich eins tun. Frau Lochner-Borst hat eben eine erkennbare Unterstützung eingefordert. Ich möchte Sie bitten, das Protokoll der entsprechenden Landtagssitzung vom Ende der vergangenen Legislaturperiode zu lesen,