Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

(Beifall Peter Ritter, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Und an die Finanzministerin.)

Danke schön, Herr Dr. Bartels.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir haben einen Vorschlag, Herr Dr. Bartels. Da wird die Frau Finanzministerin aber sagen, das geht doch nicht.)

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Herr Abgeordneter Riemann!

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, hier, bei der Arbeit!)

Ich eröffne die Aussprache.

(Ministerin Sigrid Keler: Herr Riemann will zum Theater.)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Fiedler von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen!

Herr Dr. Bartels, ich habe mit großer Freude folgendes Zitat von Ihnen eben aufgenommen. Sie haben gesagt als ersten Satz, die Kulturpolitik, und damit meinen Sie ja das heutige Thema Theater und Orchester, ist eines der wichtigsten Themen der Landespolitik.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig!)

Darauf komme ich nachher noch einmal zurück.

Uns liegt ein Antrag Ihrer Koalitionsfraktionen vor, der die Landesregierung auffordert, „eine ständige Theaterintendanten- und Orchesterkonferenz einzurichten.“ Warum ich das betone, darauf komme ich noch zurück. Mit einer kulturpolitischen Diskussion soll die „reiche und vielfältige Theater- und Orchesterlandschaft“ unseres Landes erhalten und weiterentwickelt werden. Eine „gemeinsame tragfähige Theater- und Orchesterkonzeption“ soll für Planungssicherheit sorgen.

Von besonderem Unterhaltungswert, meine Damen und Herren, ist für mich die Begründung des Antrages: Die Notwendigkeit kulturpolitischer Konzepte sei unbestreitbar, d’accord, da gehen wir mit. Aber jetzt: Krisen und Umbrüche in der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft müssten analysiert werden, Lösungen seien zu fin

den, und zwar „unter Beachtung der noch vorhandenen ostdeutschen Spezifik der Entwicklung der Gesellschaft“ und – hört, hört! – „der anstehenden Funktional- und Verwaltungsreform“. Wir wissen zwar noch nicht, wann diese Funktionalreform kommt, wir wissen nicht, wie sie aussehen wird – der Innenminister hat kürzlich selbst Ergebnisoffenheit in dieser Frage verkündet –, aber wir debattieren schon einmal über die Theater- und Orchesterlandschaft für die Zeit von vier Regionalkreisen. Oder sind es doch sieben, meine Damen und Herren von der PDS?

(Unruhe bei einzelnen Abge- ordneten der SPD, CDU und PDS – Peter Ritter, PDS: Vielleicht sind es auch acht.)

Eben, wir wissen es noch nicht.

Inwieweit einer ostdeutschen Spezifik der Entwicklung der Gesellschaft bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen Theater- und Orchesterlandschaft Rechnung getragen werden soll, das hätte ich hier gerne einmal erläutert bekommen. Oder gibt es spezifisch ostdeutsche Sparten? Ist mir nicht bekannt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Wir sollten unseren Intendanten schon zutrauen, ihre Programmgestaltung so auszuüben, dass sie den Nerv des Publikums, ihres Publikums und vor allem des heimischen Publikums auch treffen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Über die Krisen und Umbrüche der deutschen Theaterund Orchesterlandschaft, meine Damen und Herren, wird man bereits im Zwischenbericht der vom Bundespräsidenten Rau einberufenen Arbeitsgruppe „Zukunft von Theater und Oper in Deutschland“ vom 11. Dezember 2002 fündig. Hier wird festgestellt – wir brauchen also deshalb keine neue Arbeitsgruppe –, ich zitiere: „Im verschärften Wettbewerb der Politikfelder um knapper werdende Ressourcen kommt Kulturpolitik auch deshalb oft zuletzt, weil sie meist als freiwillige Aufgabe gilt und Sparauflagen in besonderem Maße unterworfen werden kann. Ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung der Theater wäre es deshalb, die Kulturförderung in Deutschland überall zu einer Pflichtaufgabe der Länder und Gemeinden zu machen.“ Weiter: „Andererseits müssen die Gemeinden aber auch in die Lage versetzt werden, diese Pflichtaufgaben erfüllen zu können.“ Zitat drei: „Wenn sich nichts ändert, werden die Finanzprobleme zu einer tiefgreifenden Theaterkrise führen. Schon seit Jahren nehmen die Schwierigkeiten in den Theatern und der Druck auf sie zu.“ Letztes Zitat: „Wenn die Kostensteigerungen bei der Zuwendungshöhe auch künftig nicht ausreichend berücksichtigt werden, droht manchem Theater der Abbau einer Sparte oder die ernsthafte Gefährdung des gesamten Spielbetriebs.“ Meine Damen und Herren, Zitatende. So viel zu den Theatern in ganz Deutschland!

Kommen wir zurück zu Mecklenburg-Vorpommern. Von elf eigenständigen Theatern im Land sind sechs übriggeblieben. Die von der Politik so gefeierte Fusion von Neubrandenburg und Neustrelitz zur Theater- und Orchester GmbH im Januar 2001 war lediglich ein Gebot der Not, nachdem Neustrelitz ein Jahr zuvor bereits Ballett und Orchester aufgeben musste. Auch in Schwerin mussten Stellen gestrichen werden, 57 beispielsweise fielen am Theater dem Rotstift zum Opfer. Aber es gibt, meine Damen und Herren, kein uneingeschränktes Gesund

schrumpfen. Irgendwann ist Schluss für Theater und Orchester, weil irgendwann der Spielbetrieb nicht mehr möglich ist,

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

weil bestimmte personalintensive Stücke oder Werke der Musikliteratur nicht mehr aufgeführt werden können.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Da hilft auch nicht die jährliche Zuwendung von 35,2 Millionen Euro an die kommunalen Träger, da sie – und das hat auch Herr Rau schon festgestellt – die Tarif- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt, von der immer dramatischeren Finanzsituation unserer Landkreise und kreisfreien Städte einmal ganz zu schweigen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Also, meine Damen und Herren, ist Handeln angesagt. Aber genau das hat schon der ehemalige Bildungsminister Kauffold vermieden. Er flüchtete sich in Projektgruppen, Konferenzen, Theaterkonferenzen und in ein 104.000 DM t eures Gutachten, um die Analysen und Empfehlungen, die darin nämlich stehen, anschließend in der Schublade verschwinden zu lassen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist doch nicht wahr! – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist wahr!)

Die „Schweriner Volkszeitung“ stellte am 12. Januar 2001 fest, Sie zitieren hier auch immer so gerne, Herr Bartels: „Das externe Gutachten bestätigte jetzt, was schon bisher kein Geheimnis war. Das Land muss eingreifen, damit es nicht zum personellen Desaster bei den Theatern und Orchestern kommt und damit zu einem landesschädigenden Verlust an kultureller Kompetenz.“ Zitatende. Der Minister sehe die Notwendigkeit struktureller Entscheidungen ein, dies sei jedoch eine Aufgabe der kommunalen Träger. Der Minister konzentriere sich lieber auf die Moderatorenrolle, kein gestalterisches Eingreifen. Das 4-StandorteModell, meine Damen und Herren, stammt noch aus der 1. Legislaturperiode. Seitdem ist nichts passiert, jedenfalls nichts Strukturelles. Wozu hat Frau Dr. Dünke e i g e n t l i c h diese Theaterexpertise erstellt, wenn auf deren Grundlage nicht endlich Entscheidungen getroffen werden? Schon vor drei Jahren hat sie in ihrem Gutachten folgenden Hinweis verfasst: „Bei unveränderten Rahmenbedingungen werden insbesondere die vier Mehrspartenhäuser auch nach der Umsetzung ergriffener Maßnahmen“ – und Sie sprachen ja von den Einsparungen, Herr Dr. Bartels – „spätestens nach 2004 vor einem analogen Handlungsdruck stehen.“ Und dieser Handlungsdruck, meine Damen und Herren, ist angesichts der Kommunalfinanzen um ein Vielfaches höher, als noch 2000 prognostiziert.

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es!)

Dabei ist ein anderes Szenario eingetreten, das aus dem Nichtstun folgte. Ich zitiere: „Bis auf den laufenden Fusionsprozess der Einrichtung der Theater- und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz ist der beabsichtige Personalabbau jedoch in keiner der anderen Regionen Ausdruck einer Neuordnung der Theaterund Orchesterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Vielmehr handelt es sich um einen weiteren Schrumpfungsprozess.“

Das, meine Damen und Herren, ist der Scherbenhaufen, vor dem wir bei diesem Thema stehen. Die Koaliti

onsfraktionen scheinen das auch ähnlich zu sehen, ansonsten hätten sie diesen Antrag nicht eingebracht, und wollen nun eine ständige Theaterintendanten- und Orchesterkonferenz ins Leben rufen, um Planungssicherheit zu schaffen. Ich frage mich aber: Kann das eine ständige Konferenz überhaupt? Prallen hier nicht die unterschiedlichsten Interessen aufeinander? Welche Stimmen sollen am Ende das entscheidende Gewicht haben?

Herr Professor Metelmann, Sie werden nicht umhinkommen, mit Ihrem Haus geeignete Evaluierungsinstrumente für das Land zu entwickeln. Ihr Vorgänger hat diesen Vorschlag aus der Expertise ja leider ignoriert. Wir brauchen keinen neuen Debattierklub. Unsere Intendanten- und Orchesterleiter sind mit der Existenzsicherung, dem Bemühen um Sponsoren und um alternative Finanzierungsmöglichkeiten schon genug ausgelastet. Dieser Vorschlag ist nur ein weiteres Aufschieben von Regierungshandeln und Verschieben von Verantwortung auf andere. Das sehen übrigens auch die Intendanten so, jedenfalls die, die ich gesprochen habe. Ich zitiere: Von „politischer Bankrotterklärung“ über „Die beabsichtigte Theaterdebatte im Landtag lässt nichts Gutes vermuten.“ bis hin zu „Es ist doch alles gesagt, das ist die blanke Infamie.“ und „Seit ‘96 warten wir auf das Landeskulturentwicklungsprogramm“ reichen die Äußerungen als Reaktion auf diesen Antrag.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf das eingangs Zitierte von Herrn Dr. Bartels zurück. Kulturpolitik ist originäre Aufgabe der Landespolitik, so etwa haben Sie es gesagt.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Einer der wichtigsten Bereiche, habe ich gesagt.)

Geben Sie die 35,2 Millionen Euro aus dem FAG dann bitte auch komplett für die Theaterförderung in das für Kultur zuständige Ministerium

(Die Abgeordnete Angelika Voland bittet um das Wort für eine Anfrage.)

und verschaffen Sie dem zuständigen Minister für Kultur – und das sollte nicht der Innenminister sein – damit Gestaltungsspielräume, …

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

… denn politisches Eingreifen wird unumgänglich sein. Zur Grundlage haben Sie eine unabhängige Expertise, die aus Sicht von 2003 und 2004 sicherlich modifiziert werden kann. Die Konferenz wird jedoch kulturpolitische Entscheidungen nicht ersetzen können. Und diese Zielvorgabe, meine Damen und Herren, diese Entscheidungskompetenz fehlt mir in Ihrem Antrag. Deshalb werde ich meiner Fraktion empfehlen, diesen Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Fiedler.