Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland braucht ein zukunftsfähiges Verkehrssystem. Wenn wir alle und vor allem auch unsere Kinder nicht im Dauerstau enden wollen, der nur von Fahrverboten wegen Ozonalarms unterbrochen wird, dann muss Politik für ein sinnvolles ökologisches und zukunftsfähiges Verkehrssystem sorgen. Für die PDS gehört die Stärkung der Bahn als Verkehrsmittel unmittelbar in diesen Zusammenhang.
Aber die Deutsche Bahn AG ist gerade in den letzten Monaten immer massiver in die Kritik geraten. Fast könn
te man meinen, sie wäre der Buhmann der Nation. Dem ist aber nicht so, denn die Probleme sind fast ausschließlich hausgemacht. Neben den bereits genannten Problemen gibt es noch weitere, wie beispielsweise unerträgliche Verspätungen mit steigender Tendenz, der Abbau wichtiger Angebote, wie der Interregio, der Abbau von Serviceleistungen, die durch die Kunden geschätzt wurden, wie Speise- oder Schlafwagen, der Rückzug aus der Fläche beim Schalterdienst, beim Netz und bei den Bahnhöfen – ich denke, jeder hat so einen Bahnhof in der Nähe, wo das gerade wieder mal passiert ist – und auch das Verschwinden von immer mehr Gütergleisen und immer mehr geschlossenen Güterannahmepunkten. All das bewirkt in der Summe sinkende Fahrgast- und Umsatzzahlen im Fernverkehr, beschleunigt die Absetzbewegung der Kunden in Richtung Auto und Flugzeug und nicht zuletzt ist ein weiterer massiver Stellenabbau bei der Bahn AG angekündigt.
Angesichts dieser Fakten spricht die Expertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn von einer systematischen Sabotage des Bahnmanagements am Bahnsystem. Leider müssen hier die schlechte Konjunkturlage und neuerdings auch die Konkurrenz der Billigflieger als Ausrede für den Bahnvorstand herhalten. Das Desaster der Bahn ist damit aber nur unzureichend begründet. Die Bahnbetriebe im benachbarten europäischen Ausland beweisen das Gegenteil und sie agieren seit Jahren erfolgreicher und effizienter.
Bund und Länder, meine Damen und Herren, sind verantwortliche Gestalter der verkehrlichen Rahmenbedingungen und der Infrastruktur. Eine solche verkehrspolitische und unternehmerische Fehlleistung bei einem Unternehmen, das trotz Privatisierung in Besitz der öffentlichen Hand ist, darf die Politik einfach nicht hinnehmen. Die Zeit der unkritischen Passivität gegenüber der Bahn AG muss angesichts der großen Bedeutung dieses Verkehrsträgers vorbei sein.
Das, meine Damen und Herren, gilt vor allem für die Verkehrspolitik des Bundes, aber auch für die Bundesländer. Und da sind wir gefragt. Die Bahn braucht endlich wirtschaftlichen und verkehrlichen Erfolg. Und hier setzt der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD an. Nur mit einem attraktiven, transparenten, in sich schlüssigen und einfachen Preissystem wird die Deutsche Bahn AG Erfolg auf lange Sicht haben.
Dieses Preissystem – ich möchte es kurz skizzieren, wie wir es uns vorstellen – darf Stammkunden nicht vergraulen. Berufspendler müssen deutlich verbesserte Angebote erhalten, damit mehr Menschen dazu motiviert werden, den Zug für den Weg zur Arbeit zu nutzen. Der Unsinn von hohen Straf- und Stornogebühren muss beseitigt werden. Das Plan- und Sparsystem muss dahingehend korrigiert werden, dass Reisenden keine Nachteile aus der Reisezeit oder aus ihrem Reiseziel entstehen.
Langfristige Frühbuchungen und Kontingentierungen als Steuerungsinstrument machen vielleicht für Fluglinien
Sinn, sie nehmen der Bahn aber einen wichtigen Vorteil gegenüber dem Flugzeug: Spontanität und Mobilität werden erheblich erschwert. Attraktive Angebote für Reisen muss es auch dann geben, wenn sich ein Fahrgast nicht vorher genau auf einen Zug festlegen kann. Ebenso ist es notwendig, Änderungen bei der jetzigen Form der Bahncard in Richtung Bahncard Classic vorzunehmen. Das kann selbstverständlich auch parallel zum Verkauf der neuen Bahncard geschehen. Und, meine Damen und Herren, die Seniorenbahncard muss wieder her.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die PDS wünscht sich eine Bahn, in die man sich jederzeit und überall hineinsetzen und losfahren kann:
ohne Voranmeldung, ohne kompliziertes Preissystem, ohne Straf- und Stornogebühren, kundenfreundlich und jederzeit unterstützt durch ein breites und kostenloses Informationssystem.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von jeweils fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Zuerst erhält das Wort der Wirtschaftsminister des Landes Herr Dr. Ebnet. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue Preissystem der Bahn hat enormen Ärger verursacht – verwirrende Preise, schlechte Beratung, häufige Verspätungen. Die Bilanz ist schlecht und die Kunden sind einfach sauer.
(Beifall Torsten Koplin, PDS, und Karsten Neumann, PDS – Torsten Koplin, PDS: Nur das Schlechte ist geblieben.)
Man muss sagen, unter dem Aspekt der Kundenzufriedenheit ist das neue Preissystem der Bahn eine Katastrophe.
Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern – weil ich hier Stimmen von der CDU höre – hat damals dem neuen Preissystem als einziges Bundesland nicht zugestimmt.
Und ich wäre schon auf eine Äußerung der CDU heute hier sehr gespannt, warum meine Kollegen in den Ländern, die der CDU angehören, diesem Preissystem zugestimmt haben, obwohl klar war, was die Folgen sind.
Und ich habe schon auf einem gemeinsamen Termin im August 2001 relativ leidenschaftlich mit Herrn Mehdorn über das Thema gestritten und ihm ziemlich genau vorhergesagt, was kommen wird. Es ist leider so eingetreten, die Katastrophe ist jetzt da. Wichtig war für mich damals, dass bei dem neuen Preissystem die Pendler nicht benachteiligt werden. Da argumentiert die Bahn, dass die Preiserhöhungen für Pendler nichts mit dem neuen Preissystem zu tun hätten, sondern damit, dass die Interregios durch Intercitys ersetzt wurden, denn während man im Interregio mit Fahrscheinen zum Nahverkehrstarif fahren konnte, ist die Fernverkehrsfahrkarte für den Intercity teurer. Natürlich ist das eine Preiserhöhung. Das mag für jemanden, der nur im System Bahn denken kann, richtig sein, aber den Pendlern als Bahnkunden nützt das nichts. Für sie zählt nur das Ergebnis und das heißt, die Fahrt ist teurer geworden.
Erreicht habe ich damals immerhin in Gesprächen mit dem Vorstand der DB AG, dass die Preissteigerungen für Pendler durchschnittlich bei 10 Prozent und nicht wie ursprünglich vorgesehen bei knapp 20 Prozent liegen. Das ist ein kleines Trostpflaster, mehr ist es nicht.
Es ist gut, dass die Bahn nun unter dem Eindruck einbrechender Erlöse und wegbleibender Kunden daran geht, ihr Preissystem zu überarbeiten. Doch diese Überarbeitung wird nur erfolgreich sein, wenn sich die Bahn grundsätzlich strategisch neu ausrichtet und darauf besinnt, wer ihr Hauptwettbewerber ist.
Mit ihrem neuen Preissystem hat die Bahn aber versucht, die Kunden mit Frühbucherrabatten und hohen Stornogebühren zu einer frühen und verbindlichen Planung ihrer Fahrten zu bringen, ähnlich wie im Flugverkehr. Doch, meine Damen und Herren, was sich die Kunden beim Fliegen bieten lassen müssen, weil sie nicht mit dem Auto nach Australien fahren können,
Mit diesem Zwang zur langfristigen Planung von Bahnfahrten verliert die Bahn genau einen wichtigen spezifischen Vorteil, den sie gegenüber dem Flugzeug besitzt und ohne den sie gegenüber dem Auto ins Hintertreffen gerät. Und das ist die Flexibilität – Frau Schwebs hat schon darauf hingewiesen –, die Möglichkeit, spontan
eine Fahrt anzutreten, ohne dafür dann deutlich mehr bezahlen zu müssen, sprich aus der Sicht des Kunden bestraft zu werden. Doch dieser Vorteil ist wichtig, denn wenn einfach einsteigen und losfahren nur noch mit dem Auto möglich ist, dann nimmt man natürlich das Auto und dann fahren noch mehr Leute mit dem Auto.
Meine Damen und Herren, wenn die Bahn eine attraktive Alternative zum Auto sein will, dann muss sie ihren Kunden etwas bieten, Fernreisenden wie Berufspendlern. Und dabei müssen die Kundenwünsche im Vordergrund stehen. Die Bahn geht aber den falschen Weg. Sie sagt, die Kunden müssen sich an unser Preissystem anpassen. Sie müssen das tun und jenes tun. Da kann ich nur sagen: Die Bahn versucht, ihre Kunden so lange zu erziehen, bis sie keine mehr hat.