Punkt 9. Eines ist klar, auch wenn das in Frage gestellt und gesagt wird, bei uns kann es so eine Katastrophe mit der „Prestige“ nicht geben, die Schiffe laufen auf Grund, sie können angeblich aber nicht auseinander brechen. Ich darf nur daran erinnern, dass wir auch durch verschiedene Windrichtungen Tidenhube haben, die bis zu mehreren Metern gehen, und dass es dann zum Auseinanderbrechen eines Schiffes kommen kann, nachdem es nur – das sage ich in Anführungszeichen – auf eine Sandbank gelaufen ist. Das heißt aber auch, die „Prestige“-Katastrophe hätte aufgrund der Stabilität des Schiffes, Stichwort „Materialermüdung“, auch in der Ostsee passieren können. Gott sei Dank nicht! Deswegen schlagen wir zukünftig Schiffsfestigkeitsuntersuchungen im Rahmen der
Hafenstaatenkontrollen vor. Und klar ist, dass es ein sehr schwieriges Unterfangen ist, weil auch dazu die internationale Zustimmung erforderlich ist. Aber ich denke, nach der „Prestige“-Katastrophe darf nichts mehr tabu sein.
Klassifizierungsgesellschaften, wie die, die der „Prestige“ den Persilschein ausgestellt haben, und da gibt es ja eine, müssen schärfer überwacht werden. Die EU hat bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Aus unserer Sicht wäre es besser, wenn wir Instrumente finden würden, dass solche Klassifizierungsgesellschaften überhaupt vom Markt verschwinden, denn die sind ein wirkliches Sicherheitsrisiko für die Weltschifffahrt.
An der verbesserten Zusammenarbeit zur Terrorismusabwehr im Rahmen des „Sicherheitskonzeptes Ostsee“ kommen wir langfristig auch nicht vorbei. Die US-Vorgaben für die Häfen und für die Schiffe sind deutlich und müssen umgesetzt werden. Auf See benötigen wir auch in der Ostsee eine Art Task Force zum Schutz vor Terrorangriffen. Ich denke, dass wir damit für die Ostseeanrainer entsprechende Vereinbarungen auf den Weg bringen müssen, daran kommen wir nicht vorbei. Ich gehe in meiner Rede noch einmal auf einzelne Dinge ein.
Die vorgeschlagene Sicherheitskonferenz, die wir damals vorgesehen hatten, können wir vergessen, ich würde mal sagen, weil es ein Zeitproblem ist, denn es ist schon ein paar Monate her. Wenn ich das mal nüchtern betrachte, dann bringt eine Greenpeace-Aktion in der Kadetrinne mehr Aufmerksamkeit und mehr Druck, als wir mit einer internationalen Sicherheitskonferenz erzeugen können.
Lassen Sie uns trotz allen Streites einen Neubeginn hier im Landtag in Sachen „Sicherheitskonzept Ostsee“ ins Auge fassen. Ich bitte Sie nicht um Abstimmung, ich glaube, das wäre eine Überforderung. Ich bitte Sie um Überweisung in den Umwelt-, Innen- und Rechtsausschuss. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Schiffssicherheit ist für unser Küstenland so brisant, dass wir heute nicht das erste Mal und sicherlich auch nicht zum letzten Mal, trotz aller Einhelligkeit, die wir vielleicht erzielt haben, über dieses Thema debattieren. Ich nehme deshalb mit Genugtuung zur Kenntnis, dass sowohl die Opposition als auch die Regierungsfraktionen diese Materie gleichermaßen beunruhigt.
Die Schiffskollision nördlich von Bornholm zwischen dem chinesischen Bulker „Fu Shan Hai“ mit dem zypriotischen Stückgutfrachter „Gdynia“ im Sommer diesen Jahres, bei der etwa 2.000 Tonnen Treibstoff austraten und circa 70.000 Tonnen, über die wird wenig gesprochen, 70.000 Tonnen Dünger in der Ostsee versenkt worden sind – die befinden sich dort noch in den Laderäumen –, also diese Kollision hat uns vor Augen geführt, welche Gefahren durch die Schifffahrt auf der Ostsee bestehen. Auch die Küste Mecklenburg-Vorpommerns kann von den Folgen solcher Ereignisse betroffen sein. Ich denke, das müssen wir nicht noch einmal in aller Breite darstellen.
Ich habe deshalb in den vergangenen Monaten wiederholt versucht – und dieses wiederholt sowohl im Bundestag als auch bei Foren nationaler Verbände –, bei internationalen Kontakten auf die besondere Interessenlage Mecklenburg-Vorpommerns hinzuweisen und eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation zu fordern. Meine Zielrichtung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den Forderungen im Antrag der CDU, das weiß Herr Thomas und auch die Fraktion. Insbesondere die Schaffung von Notliegeplätzen, die Einführung des Lotsenzwanges sowie den zügigen Ausbau des AIS-Systems, selbstverständlich komplettiert durch das Radarsystem zur besseren Kontrolle der Fahrrouten im Bereich der Kadetrinne und der gesamten Ostsee, habe ich wiederholt bei meinen Kontakten in Deutschland, aber auch in baltischen Ländern und in Beratungen mit russischen Fachleuten und Politikern gefordert.
Für besonders wichtig halte ich die konsequente Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften bei den Hafenstaatenkontrollen. In den Häfen kann auf relativ einfache Weise kontrolliert werden, ob die technischen Vorschriften eingehalten werden und die erforderliche Ausbildung der Seeleute ausreichend ist. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen stellte vor wenigen Tagen, am 5. September, fest, dass aufgrund der Zugangsverweigerung für unternormige Schiffe immer mehr Frachter und Tanker, die auf der so genannten Schwarzen Liste der EU stehen, davon abgehalten werden, europäische Häfen anzulaufen. Das wollten wir erreichen, das wollte die Europäische Union mit dieser Schwarzen Liste erreichen.
Ich darf auch meine Kontakte und meine Rede im Rahmen des HELCOM-Außenministertreffens in Pori, in Finnland, erwähnen. Eine meiner Hauptforderungen war, dass die unterschiedlichen Interessen, auch wirtschaftliche Interessen, von Staaten, Reedern und Nutzern nicht auf Kosten der maritimen Sicherheit gehen können.
Bei meiner Rede vor dem Bundestag am 20. Februar dieses Jahres habe ich mit Nachdruck auf die Belange unseres Bundeslandes hingewiesen und von der Bundesregierung gefordert, eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation herbeizuführen. Und trotzdem ist es so, Herr Thomas hat das auch gesagt, dass erst nach größeren Unfällen nationale und internationale Bedenken einer gemeinsamen Strategie untergeordnet werden, aber dann ist es meistens schon zu spät gewesen.
So einigten sich die Verkehrsminister der EU-Staaten erst, als das Ausmaß nach dem Untergang der „Prestige“ erkennbar wurde. Sie einigten sich auf folgende gemeinsame Anträge an die IMO beziehungsweise Alleingänge der Europäischen Union:
3. Einrichtung eines transeuropäischen Telematiknetzes für die Überwachung des Seeverkehrs im Sinne der Überwachung des Luftverkehrs
6. Ratifizierung des Protokolls zur Einrichtung eines zusätzlichen Fonds, dass Schäden bis zu einer Höhe von 1 Milliarde Euro abgedeckt werden können
Ich möchte aber noch einen weiteren Aspekt hinzufügen, ich habe das in diesem Lande schon diskutiert, ich will es hier noch einmal sagen: Die Schadenshöhe nach einem Tankerunfall wird im Wesentlichen von der Größe des Einzeltanks bestimmt. Auch bei Doppelhüllentankern werden in den Einzeltanks bis zu 20.000 Tonnen, manchmal sogar darüber, transportiert. Deshalb setzte ich mich nach wie vor dafür ein, dass die Größe dieser Tanks deutlich verringert wird. Der Preis für eine Ölladung hat sich in den letzten Jahren so erhöht, dass sich die zusätzlichen Baukosten für den komplizierten Tankerbau kaum auf den Transportpreis auswirken würden. Hier gilt es, und das will ich feststellen, die Bundesregierung zu überzeugen, damit diese Forderung gegenüber der EU und bei der IMO auf die Tagesordnung kommt, denn das ist eine neue Forderung, die bisher von den anderen noch nicht aufgenommen worden ist.
Sie wissen alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass der Verkehr in der Ostsee nicht ab-, sondern zunimmt. Der Ausbau des Hafens Primorsk in Russland wird zur Folge haben, dass noch größere Tanker als bisher an unserer Küste vorbeifahren. Auch die Häufigkeit der Passagen wird zunehmen und deshalb gilt es schon im Vorwege Maßnahmen einzuleiten, die dem erhöhten Risiko gegensteuern.
Erfreulich ist, dass durch die Anstrengungen von Bund und Küstenländern in den letzten Jahren bereits eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Seeverkehr vor unserer Küste unternommen wurden. Sie gehen fast alle in die Richtung, wie sie von der CDU in diesem Hohen Hause gefordert wird. Ich möchte auf einige dieser Anträge eingehen und sie in ein paar Punkten zusammenfassen:
Erstens, zur Einrichtung der AIS-Überwachung. Sie wissen, dass die Revierzentrale in Warnemünde eine solche Funktion der AIS-Überwachung bekommen hat, und die HELCOM-Vereinbarung sieht so aus, dass dieses System flächendeckend auf die gesamte Ostsee auszudehnen ist. Die letzten Beratungen der HELCOM haben zumindest in diese Richtung votiert.
Zweitens. Die Bereitstellung von Bergungsschleppern vor Warnemünde und Saßnitz sowie die Umrüstung der „Scharhörn“ zu einem Schlepper haben die Kapazitäten in der Ostsee erhöht und auch eine entsprechende Verteilung gewährleistet.
Drittens, die Errichtung des Havariekommandos in Cuxhaven. Hier wird gegenwärtig durch den Bund untersucht, ob alle auf See tätigen Dienste des Bundes in das Havariekommando einbezogen werden können. Auslöser dieser Diskussion ist vor allem eine Verbesserung der Vorbeugung und Bekämpfung des Terrorismus auf See. Auch hier haben wir wieder einen furchtbaren Hintergrund für eine Bewegung, die sich vielleicht ergibt. Für die Havariebekämpfung stellt die Zusammenarbeit natürlich auch einen Sicherheitsgewinn dar und sie setzt gleichzeitig eine Forderung der Grobecker-Kommission zur Bildung einer Seewache um.
Viertens. Bei der Tagung der IMO im Juni dieses Jahres stand die Lotsenannahmepflicht für bestimmte Teile der Ostsee auf der Tagesordnung. Über konkrete Schritte soll bei der nächsten Beratung noch in diesem Jahr entschieden werden und insofern haben wir auch die Hoffnung, dass es weiter geht als eine dringliche Empfehlung, die dieses zum Ausdruck bringt.
Fünftens. Die Begleitung von Problemschiffen in der Ostsee wird zwischen dem Tiefwasserweg, über den Herr Thomas sprach, und dem westlichen Ausgang der Kadetrinne bereits durchgeführt.
Sechstens, die Windparks, in letzter Zeit ein besonders brisantes Thema. In den verschiedenen Diskussionen sollen in den nächsten Jahren vor allem in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Windparks errichtet werden. Hier gilt das Raumordnungsrecht im Gegensatz zum Küstenmeer bis jetzt noch nicht. Durch eine entsprechende Rechtsänderung des Bundesraumordnungsgesetzes soll der Geltungsbereich des Rechts der Raumordnung auch auf die AWZ ausgeweitet werden. Hierzu ist ein Bundesgesetz in Vorbereitung. Die Opposition sollte im Bundesrat das Vorhaben unterstützen und ich würde mir wünschen, dass es ein solches Handeln gibt. Hierbei geht es nicht um die Verhinderung, sondern darum, dass nur Standorte zugelassen werden, bei denen die Konflikte sehr minimal sind.
Siebentens. Die Hafenstaatenkontrolle, wie bereits erwähnt, wird immer mehr zu einem Instrumentarium zur Überprüfung der Sicherheit einlaufender Schiffe. Auch Deutschland, im letzten Jahr noch wegen nicht ausreichender Überprüfungshäufigkeit von der EU gerügt, hat die vorgeschriebene Überprüfung von mindestens 25 Prozent der einlaufenden Schiffe in diesem Jahr übertroffen. Die Frage ist, was das anzustrebende Ziel ist. Es wird sicherlich bei Stichproben bleiben und niemals 100 Prozent erreichen.
Erwähnen möchte ich, dass ich bei meinem Besuch des Havariekommandos am 3. Januar dieses Jahres von der Arbeitsfähigkeit dieser Dienststelle überzeugt worden bin. Mit dieser Einrichtung wird nun erstmals aus einer Hand die Bekämpfung aller auf See denkbaren Havarien und Unfälle, soweit sie nicht von den dafür vorgesehenen Behörden allein bekämpft werden können, geleitet. Das betrifft die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen, das Retten von Menschen, den seebedingten Brandschutz und das Schleppen von havarierten Schiffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Unfall der „Prestige“ lehrte uns, dass Unfallbekämpfung auf See, so, wie es in Spanien praktiziert wurde, zu einem Fiasko führen musste. Das Hinausschleppen eines havarierten Schiffes auf hohe See, um es dort zu versenken, führte dazu, dass sich die Verdriftungsfläche des ausgelaufenen
Öls über fast die ganze europäische Atlantikküste erstreckte. Beim Schleppen eines Schiffes, und zwar an einen gering sensiblen Küstenstreifen oder in einen Nothafen, wären die Bekämpfungsmaßnahmen einfacher und der Umfang der Verschmutzung erheblich geringer gewesen. Aus diesem Grunde werden gegenwärtig durch die Landesregierung gemeinsam mit der Bundesregierung die Anstrengungen zur Errichtung eines Nothafensystems forciert. Selbstverständlich gehört mehr dazu, als solche Häfen festzulegen, darüber sind wir uns im Klaren.
Im Herbst 2003 wird die IMO eine Richtlinie zur Einrichtung von Notliegeplätzen in Kraft setzen. Die entsprechende Vereinbarung für Deutschland zwischen dem Bund und den Küstenländern befindet sich in der Abstimmung. Das in unserem Land für die Fragen zuständige Wirtschaftsministerium hat die in Frage kommenden Kommunen und Hafenbetreiber für die Einrichtung von Notliegeplätzen um eine entsprechend enge Zusammenarbeit gebeten. Wir haben aber auch für Deutschland festzustellen, dass Befindlichkeiten und Interessen der Hafenbetreiber und der betroffenen Städte zu berücksichtigen sind. Ich bitte Sie alle zu bedenken, dass die Verschmutzung eines kleinen Gebietes, auch der eigenen Hafenanlage, Marina oder anderer Tourismuseinrichtungen, leichter zu reinigen ist als eine über viele Kilometer verschmutzte Küste.
(Beifall Wolfgang Riemann, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist wohl so.)
Die Forderungen im Antrag der CDU decken sich also in weiten Passagen mit den Forderungen der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen. Das Umweltministerium als Wasserbehörde hat jedoch nur Zuständigkeiten, wenn die Ostsee bereits verschmutzt ist, darauf hat auch Herr Thomas hingewiesen. Dass wir uns trotzdem so engagieren, hat damit zu tun, dass wir präventiv denken.
Insofern würde ich die Anmerkung, die Herr Thomas gemacht hat, so kommentieren wollen, denn ich glaube auch nicht, dass er dieses in Zweifel zieht.
Alle darüber hinausgehenden Forderungen können nur mit Hilfe des Bundes und dort wiederum nur durch Beschlüsse der EU oder der IMO umgesetzt werden. Deshalb bleibt es Aufgabe dieses Hauses, sich auf allen geeigneten Ebenen dafür einzusetzen, dass nicht vordergründige finanzielle Interessen, sondern nachhaltige Maßnahmen in den Vordergrund rücken. Das ist vielleicht die einzige Differenz mit Ihnen, Herr Thomas, denn Sie haben die Bedeutung der Behandlung im Parlament etwas zu gering geschätzt. Das würde ich nicht so sehen, denn ich habe es als wertvolle Unterstützung und Bereicherung empfunden.
Ich möchte deshalb dem Landtag für sein ständiges Engagement auf diesem Gebiet danken. Ich will hervorheben, dass nicht alle Landtage so gehandelt haben und insofern ist der Landtag Mecklenburg-Vorpommern besonders aktiv gewesen. Ich bitte, diese Unterstützung der Landesregierung auch in Zukunft zu gewährleisten.
Eines ist doch sicherlich klar – Herr Thomas hat das ja mit einem gewissen Lob verbunden –, die Opposition