Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit, das Sicherheits- und Ordnungsgesetz erneut zu novellieren, ergibt sich aus einem aktuellen Anlass. Im Januar 2002 ist das Gewaltschutzgesetz des Bundes in Kraft getreten. Es bietet verbesserten zivilrechtlichen Schutz bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie Erleichterungen bei der Überlassung der Ehewohnung im Fall der Trennung der Partner. In Fällen häuslicher Gewalt ist in der Regel ein sofortiges Einschreiten der Polizei erforderlich. Hier ist allerdings zunächst eine Abhilfe durch polizeiliche Maßnahmen notwendig, bevor eine gerichtliche Entscheidung erlangt werden kann. Dazu normiert das Sicherheits- und Ordnungsgesetz in der Regelung den Platzverweis – Paragraph 52 – die Möglichkeiten einer Krisenintervention.
Die Polizei kann nach dem SOG bis zu einer richterlichen Entscheidung über eine zivilrechtliche Schutzmöglichkeit eine Wegweisung und ein Betretungsverbot gegen den Störer aussprechen. Gilt es darüber hinaus Straftaten zu verhindern, kann der Störer in Gewahrsam genommen werden. Dieser Gewahrsam kann nach den Regeln zum Gewahrsam im SOG bei Vorliegen einer richterlichen Entscheidung über die Dauer des Gewahrsams bis zu zehn Tagen dauern.
Aber auch außerhalb von Fällen häuslicher Gewalt – wir können das gerne im Ausschuss diskutieren – kann so eine Regelung für die Polizei notwendig sein, um auch in solchen Fällen einen längerfristigen Gewahrsam anzuordnen. Der Vollzug von, wie es in der Rechtssprache heißt, längerfristigem Gewahrsam zur Gefahrenabwehr war in der Praxis bis zum In-Kraft-Treten der neuen Wegweisungsregelungen ausgesprochen selten. In der jüngsten Vergangenheit traten jedoch im Zusammenhang mit Fällen häuslicher Gewalt vermehrt Fälle auf, in denen ein längerfristiger Unterbindungsgewahrsam nach dem SOG richterlich angeordnet wurde.
Der Vollzug des längerfristigen Gewahrsams soll in unserem Bundesland künftig im Rahmen der vorhande
nen Kapazitäten in den Justizvollzugsanstalten im Wege der Amtshilfe durchgeführt werden. Hier stehen für die Betreuung der in Gewahrsam genommenen Personen angemessene Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung. Für den Vollzug des polizeilichen Gewahrsams nach dem SOG in einer JVA im Wege der Amtshilfe fehlt es allerdings, nach Meinung aller Rechtskundigen in diesem Bundesland, an einer Rechtsgrundlage.
Diese Rechtsgrundlage ist nun durch die Änderung des SOG zu schaffen. Auf diese Weise kann die Polizei in Zusammenarbeit mit der Justiz gewalttätige Störer auch für längere Zeit in angemessener Weise und rechtlich einwandfrei unterbringen. Mit dieser Ergänzung des SOG wird ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Bekämpfung häuslicher Gewalt getan. Die Novelle stellt sicher, dass die Krisenintervention, gerade in den problematischen Fällen häuslicher Gewalt, erfolgreich durchgeführt werden kann.
Ich darf hinzufügen, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Verantwortungsträger und Behörden vor Ort – meiner Einschätzung nach und ich glaube, diese Einschätzung wird auch von anderen hier im Raum in diesem Hohen Hause geteilt – auf einem guten Weg ist, denn es entwickelt sich hier einiges ganz gut. Viele sehen in anderen Bundesländern das, was wir in Mecklenburg-Vorpommern derzeit machen, im Sinne einer Vorreiterrolle. Ich glaube, wir brauchen uns hierbei auch nicht zu verstecken. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Minister Timm, Vorreiterrolle, etwas eingeschränkt, Sie wissen, die Bayern sind da etwas weiter und wir wollten da auch mehr.
Aber, um es kurz zu machen, es wird ja wohl so angewandt, der vorliegende Gesetzentwurf findet natürlich unsere Zustimmung, weil die Notwendigkeit einer Regelung vorliegt, völlig ohne Frage. Schließlich haben auch wir die Einführung dieses Wegweisungsrechts unterstützt und sind damit in der Pflicht, auch die dadurch entstandenen Probleme nun wieder mit zu bereinigen.
Ich würde gerne doch noch einige Ausführungen zu der Notwendigkeit einer Regelung machen. Diese erforderliche Änderung des Paragraphen 56 SOG, das muss man sagen, wird nach knapp zwei Jahren seit der letzten Novellierung jetzt notwendig, und zwar in Fällen der häuslichen Gewalt. Sie schreiben hier im Gesetzentwurf, dass in der jüngsten Vergangenheit zwei Fälle von häuslicher Gewalt aufgetreten seien, in denen ein so genannter Unterbindungsgewahrsam von zehn Tagen richterlich angeordnet wurde. Dabei sei festgestellt worden, dass die Polizeidienststellen des Landes für den Vollzug längerfristigen Gewahrsams
nicht ausgerichtet seien und daher die Unterbringung in einer JVA notwendig sei, welches jetzt gesetzlich geregelt wird. So weit, denke ich, so gut. Ich sage aber:
Erstens. Paragraph 56 Absatz 5 gilt nicht nur in Fällen häuslicher Gewalt, sondern ermöglicht die Ingewahrsamnahme jedes Störers, von dem die unmittelbare Gefahr einer Straftat ausgeht. Und da fällt es erst nach zwei Jahren anhand von zwei Fällen auf, dass die Möglichkeit der Unterbringung bei längerfristigem Gewahrsam nicht ausreichend geregelt ist?
Zweitens. Wie wurde dieser Missstand eigentlich bei der Novellierung des SOG im Jahre 2000 vor der Novellierung gehandhabt? Denn ein längerfristiger Gewahrsam war doch auch nach alter Rechtslage, wir hatten ja damals schon darauf hingewiesen, möglich. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung zur zweiten Novelle des SOG, Paragraph 56 Absatz 5, um den es hier geht, übernimmt in sprachlich leicht veränderter Form den bisherigen Paragraphen 29 Absatz 4. Darüber hinaus wird in Satz 3 die zulässige Höchstdauer des richterlich anzuordnenden Gewahrsams bestimmt. Soweit der Polizeigewahrsam nach Paragraph 55 Absatz 1 Nummer 2 zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden erheblichen Störung der öffentlichen Sicherheit oder zur Beseitigung einer solchen Störung – und es ist der Unterbindungsgewahrsam – angeordnet wird, trägt die Festlegung einer Höchstdauer von zehn Tagen dem Übermaßangebot angemessen Rechnung und lässt der Polizei dennoch ausreichend Spielraum für die Bewältigung aller denkbaren Lebenssachverhalte. In den übrigen Fällen – mit dem Identitätsgewahrsam, dem Schutzgewahrsam und dem Gewahrsam zur Durchsetzung eines Platzverweises beziehungsweise Aufenthaltsverbots – ist die festgelegte Höchstfrist von drei Tagen ausreichend, um den Sachverhalt aufzuklären. Nach bisher geltender Rechtslage konnte durch richterliche Entscheidung die polizeilich verfügte Ingewahrsamnahme unbegrenzt verlängert werden, also Paragraph 55 Absatz 5 SOG Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung mit Paragraph 9 des Gesetzes über das richterliche Verfahren bei Freiheitsentziehung.
Sehr geehrte Damen und Herren, das wirft natürlich ein paar juristische Fragen auf, die wir im Innenausschuss klären werden. Wenn eine Neuregelung womöglich gar nicht notwendig sein sollte, dann sollten wir uns im Innenausschuss überlegen, ob diese Novellierung des SOG wegen dieser „Kleinigkeit“ letztendlich notwendig ist, denn auch das wäre ein geringer Beitrag zur Deregulierung. Wir stimmen dem natürlich zu. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Zurufe aus dem Plenum: Nicht anwesend! – Peter Ritter, PDS: Wo ist er denn? – Reinhard Dankert, SPD: Dann fällt der Redner eben aus. – Torsten Koplin, PDS: Dies wär schön.)
denn es liegt uns heute bereits das Dritte Änderungsgesetz des SOG zur Beratung vor. Ich glaube, ich verrate hier kein Staatsgeheimnis, wenn ich sage, dass uns das Vierte Änderungsgesetz bald ins Haus steht und wir mit einiger Sicherheit weitere Änderungen vornehmen müssen.
Und ich gestehe, dass meine Fraktion über die inflationäre Gesetzgebung auf sicherheitspolitischem Gebiet besorgt war und auch besorgt ist, denn wir wissen alle, dass mehr und immer neue Sicherheitsgesetze nicht unbedingt mehr und neue Sicherheit bringen.
Dennoch war es aus unserer Sicht richtig, dass Mecklenburg-Vorpommern, und zwar als eines der ersten Bundesländer, die polizeiliche Wegweisung bei häuslicher Gewalt beschloss. Es ist seinerzeit von allen Seiten das Nötige dazu gesagt worden. Aber ich denke, dass dabei – wie es allzu oft in Gesetzgebungsverfahren der Fall ist – das Problem des Vollzugs nicht gelöst worden ist, das ist ja hier bisher auch schon deutlich geworden.
Wir haben zwar den Unterbringungsgewahrsam zur Durchsetzung der Wegweisung beschlossen, aber die weiteren juristischen und vor allem die tatsächlichen Gesichtspunkte des praktischen Lebens offenbar unterschätzt. Und natürlich liegen die Vollzugsdefizite vor allem in den praktischen Problemen, denn kein Polizeidirektor dürfte für eine bis zu zehn Tagen dauernde Gewahrsamnahme eines Störes die nötigen Unterbringungsmöglichkeiten, ferner Personal zur Bewachung, Möglichkeiten zur Beköstigung, zum Wäschewaschen und so weiter haben. Nichts anderes ist also gemeint, wenn es im Gesetzentwurf heißt, ich zitiere: „Die Gewahrsamseinrichtungen der Polizeidienststellen... sind für den Vollzug längerfristigen Gewahrsams vom historischen Zweck her nicht ausgerichtet.“ Wahr ist wahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns alle die Frage stellen: War das nicht schon vorher bekannt? Und vor allen Dingen: Was machen wir jetzt? Wenn nun nichts geht, so die Antwort des Gesetzesentwurfes, dann geht eben Bützow, dann geht Waldeck, dann geht Neustrelitz und so weiter. Ich gestehe, dass ich bei diesen Lösungen ein etwas mulmiges Gefühl habe, ob das eine Lösung ist, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Es gibt prinzipielle verfassungsmäßige Schranken, an die ein Eingriff in die persönliche Freiheit gebunden ist, und ebenso hat das Verhältnismäßigkeitsprinzip Verfassungsrang. Und der Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nun mal kein Straftäter und darf als solcher auch nicht behandelt werden. Wenn schon die Gewahrsamseinrichtungen der Polizei vom historischen Zweck für den Vollzug längerfristigen polizeilichen Gewahrsams nicht ausgerichtet sind, dann ist es der Knast, denke ich, schon gar nicht.
Insoweit kann man nur der Begründung des Gesetzesentwurfes beipflichten, wenn es heißt, dass der Polizeigewahrsam als Mittel der Gefahrenabwehr nicht als Haftart angesehen werden darf. Und damit beißt sich dann allerdings die Katze in den Schwanz, denn es ist fak
Dann wird ein weiteres Vollzugsproblem deutlich, denn der Unterbringungsgewahrsam dürfte nicht gerade zu den kostengünstigsten Vollzugsarten zählen, jedenfalls ist er nicht zum Nulltarif zu haben. Aber was erfahren wir zu den Kosten im Gesetzentwurf? Im Gesetzentwurf heißt es, ich zitiere: „Die Kosten werden im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel getragen.“ Nun bin ich gespannt, aus welchem Haushaltstitel die Kosten für diese Amtshilfe getragen werden.
Kurzum, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass der Gesetzentwurf zurzeit mehr Fragen aufwirft als klärt. Darum werden wir uns, das denke ich, im Innenausschuss, im Rechts- und Europaausschuss sehr gründlich mit den verfassungsrechtlichen Problemen auseinander setzen müssen, damit wir später nicht wieder vom Verfassungsgericht zurückgewiesen werden. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst um Verständnis, dass ich hier später komme, denn wir waren noch im Gespräch mit den Polizisten. Es wird Ihnen auch so gegangen sein, wie es mir ergangen ist, dass dieses Spalier, durch das heute jeder gegangen ist, natürlich nicht spurlos an einem vorbeigeht, insofern war jetzt diese Reaktion im Gespräch erforderlich.
Dennoch ist dieses Thema, über das wir heute reden, auch ein Thema, welches bei der Polizei eine sehr starke Resonanz findet. Nach dem 1. Januar 2002, nachdem also das Gewaltschutzgesetz des Bundes in Kraft getreten ist, haben wir sozusagen die Möglichkeit genutzt, unser SOG im Land entsprechend zu ändern, so dass eine Wegweisung beziehungsweise ein Betretungsverbot für Störer bis zu 14 Tagen ausgesprochen werden kann. Wir haben das in der vergangenen Legislaturperiode auf den Weg gebracht. Ich denke, dass alle, die daran beteiligt waren, wissen oder gespürt haben, dass diese Änderung des SOG aus der letzten Legislaturperiode eine sehr gute Änderung war.
Ich hatte unlängst die Gelegenheit, sowohl mit den Interventionsstellen als auch mit der Polizei in einem Dreiecksgespräch zu sein. In dieser Gesprächsrunde wurde ausdrücklich von der Polizei bestätigt, dass trotz größter Zurückhaltung gegenüber dieser Gesetzesnovelle mittlerweile eine sehr gute Erfahrung vorliegt, hier mit der entsprechenden Interventionsstelle zusammenzuarbeiten, und man das Thema „häusliche Gewalt“ wesentlich besser im Griff hat, als das noch vor Jahr und Tag war.
Nun geht es darum, über die Wegweisung und das Betretungsverbot Straftaten zu verhindern. Ich denke dabei an Körperverletzung und sexuelle Nötigung. Nun kann der Störer bei einer entsprechenden richterlichen Entscheidung in Gewahrsam genommen werden, und zwar zehn Tage. Der Vollzug dieser richterlich angeordneten Ge
wahrsamnahme nach dem SOG wird nach den entsprechenden vorhandenen Kapazitäten in den Justizvollzugsanstalten des Landes durchgeführt. Der Vollzug des Polizeigewahrsams in einer Justizvollzugsanstalt ist Amtshilfe und bedarf natürlich einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage, die derzeit durch das SOG oder auch durch das Strafvollzugsgesetz nicht eindeutig geregelt ist. Hier müssen wir nachbessern und deshalb soll in das SOG ein entsprechender Passus eingeführt werden, der den Vollzug von Polizeigewahrsam in Amtshilfe in einer Justizvollzugsanstalt rechtlich eindeutig regelt. Damit wird dann festgelegt, dass in allen Gewahrsamsfällen, angeordnet von einem Richter, nach dem SOG die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes gelten.
Alle, die sich in einer Polizeiinspektion schon mal umgesehen haben, werden feststellen, dass die Gewahrsamseinrichtung der Polizeidienststellen für eine längerfristige Gewahrsamsnahme von ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung her nicht geeignet sind. Ursprünglich waren sie für einen kurzfristigen Aufenthalt von Störern bestimmt und insofern macht es in meinen Augen Sinn, hier die entsprechenden Justizvollzugsanstalten in Anspruch zu nehmen.
Dass die Fragen, die vom Kollegen Ritter aufgeworfen wurden, selbstverständlich einer Klärung zugeführt werden müssen – dafür haben wir die Ausschüsse – das versteht sich von selbst. Es geht aber in erster Linie darum, dass eine Praxis hier auf eine entsprechende gesetzliche Grundlage gestellt wird. Dazu werden wir in den Ausschüssen den entsprechenden Beratungsbedarf wahrnehmen. Wir plädieren für die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die entsprechenden Ausschüsse. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.